Andernach zwischen Flut und Saisonstart: "Vorfreude kehrt zurück"

Isabelle Hawel (34), die gemeinsam mit Florian Stein die SG 99 Andernach in der 2. Frauen-Bundesliga betreut, ist vor dem Saisonstart nicht nur als Trainerin gefragt. Auch von den dramatischen Folgen der Hochwasser-Katastrophe in der Region waren Mitglieder des Teams direkt betroffen. Im DFB.de-Interview spricht Hawel mit Mitarbeiter Ralf Debat über großes Engagement und nachhaltige Entwicklung.

DFB.de: In wenigen Tagen startet die neue Saison 2021/2022 in der 2. Frauen-Bundesliga. Bei der SG 99 Andernach standen in den vergangenen Wochen allerdings andere Themen im Vordergrund. Wie sehr waren der Verein und Ihr Team von der Hochwasser-Katastrophe in der Region betroffen, Frau Hawel?

Isabelle Hawel: Die Familien von zwei Spielerinnen und unserer Betreuerin sind extrem stark betroffen. Dort geht es regelrecht um Existenzen. Auch drei Todesopfer waren zu beklagen. Es ist unbeschreiblich, was alles im Umkreis von etwa 30 Kilometern bei uns passiert ist. Unsere Spielerinnen und die Verantwortlichen des Vereins haben deshalb auch nicht gezögert, um vor Ort so gut wie möglich zu helfen, haben zum großen Teil selbst mit angepackt oder sofort damit begonnen, Kleidung, Lebensmittel und Spenden zu sammeln. Der Zusammenhalt im Team ist sensationell.

DFB.de: Es gab auch viel Unterstützung von außen. Unter anderem organisierte die SGA ein Benefizturnier, an dem der 1. FC Köln und die SpVg Berghofen teilnahmen. Die Kölnerinnen stellten auch Trikots für Versteigerungen zur Verfügung. Wie bewerten Sie die Resonanz? 

Hawel: Überwältigend. Es war total klasse, wie beispielsweise der 1. FC Köln sofort reagiert hat. Die Sportliche Leiterin Nicole Bender, die früher noch selbst mit einer betroffenen Spielerin zusammen in einem Team stand, hat spontan zugesagt, zum Turnier nach Andernach zu kommen und noch einige Trikots zu spenden. Auch einige Vereine aus der Region haben uns beim Benefizturnier einen Scheck überreicht, nachdem sie für unsere Flutopfer gesammelt hatten. Ex-Nationalstürmerin und EM 2024-Botschafterin Celia Sasic sowie die ehemalige Erstligaspielerin Anne Westphal vom SC Bad Neuenahr waren vor Ort, um uns zu unterstützen. Bisher sind insgesamt schon mehr als 35.000 Euro zusammengekommen, dabei laufen die Versteigerungen noch bis zu unserem ersten Saisonspiel am 15. August. Das komplette Geld geht an die Familien, die für unser Engagement total dankbar sind. Es tut gut, zumindest etwas helfen zu können, auch wenn wir wissen, dass diese Summe nicht viel mehr ist als ein Tropfen auf den heißen Stein.

DFB.de: Welche Auswirkungen hatte die Flut auf die Vorbereitung der Mannschaft?

Hawel: Unmittelbar nach dem Hochwasser ist uns fast eine komplette Trainingswoche abhandengekommen. Das war sicherlich nicht optimal, aber der guten Sache geschuldet. Da es beim Verein oder auf unserer Platzanlage keine Schäden gegeben hatte, konnten wir dann wieder weitgehend normal trainieren. Man hat aber schon gemerkt, dass es den Mädels zunächst sehr schwergefallen ist: Zum einen wegen der enormen körperlichen Belastung bei den Aufräumarbeiten und im normalen Beruf, zum anderen aber auch mental. Die Stimmung in den ersten Tagen war definitiv gedrückt.

DFB.de: Ist die Konzentration auf die sportlichen Aufgaben inzwischen wieder möglich?

Hawel: Der Willen und die professionelle Einstellung waren immer da - trotz der großen Probleme. Inzwischen merkt man auch wieder, dass die Trainingseinheiten für die Spielerinnen auch eine Möglichkeit sind, um mal wieder ein wenig abschalten zu können und auf andere Gedanken zu kommen. Wir alle wissen, dass nicht mehr viel Zeit bis zum Saisonstart bleibt. Wir unternehmen als Trainerteam alles, um uns bestmöglich zu wappnen. Allmählich kehrt die Vorfreude zurück, dass es bald wieder losgeht. 

DFB.de: Mit einem Heimspiel gegen Borussia Bocholt startet die SG 99 Andernach am 15. August in die neue dritte Spielzeit in Serie in der 2. Frauen-Bundesliga. Was nehmen Sie sich vor?

Hawel: Unser Ziel ist es ganz klar, so schnell wie möglich die nötigen Punkte für den Klassenverbleib zu sammeln. Wir streben einen Platz im gesicherten Mittelfeld an. Unsere Mannschaft ist bis wenige Ausnahmen zusammengeblieben, einige vielversprechende Zugänge könnten uns verstärken. Von daher sind die Voraussetzungen nicht so schlecht.

DFB.de: Im Gegensatz zur abgelaufenen Saison ist die 2. Frauen-Bundesliga in dieser Saison wieder eingleisig. Welche zusätzlichen Herausforderungen kommen auf den Klub dadurch zu?

Hawel: In erster Linie natürlich die weiteren Auswärtsfahrten. Da werden auf uns einige zusätzliche Zwei-Tages-Touren zukommen. Wir freuen uns aber auch sehr darauf, neue Gegner wie die drei Aufsteiger SV Henstedt-Ulzburg, SV 07 Elversberg und 1. FC Nürnberg, den Bundesliga-Absteiger MSV Duisburg oder unseren Auftaktgegner Borussia Bocholt kennenzulernen. Darauf sind wir sehr gespannt.

DFB.de: Wie schwer ist es grundsätzlich für einen vergleichsweise kleinen Verein wie die SG 99 Andernach, sich in der 2. Frauen-Bundesliga zu behaupten?

Hawel: Für uns ist das in jedem Jahr aufs Neue eine große Herausforderung. Mit unserem Etat bewegen wir uns mit Sicherheit im unteren Drittel. Einige unserer Konkurrenten sind zweite Mannschaften, die den Luxus haben, auch auf Spielerinnen aus der FLYERALARM Frauen-Bundesliga zurückgreifen zu können. Wir stellen uns mit viel Herzblut, vielen helfenden Händen und mit großem Engagement der Konkurrenz. Mit der familiären Atmosphäre in unserem Verein konnten wir schon viele Spielerinnen überzeugen. Das Miteinander und der Teamgedanke stehen bei uns immer im Vordergrund. Nicht nur in so schwierigen Zeiten, wie es in den zurückliegenden Wochen der Fall war.

DFB.de: Welche Bedeutung hat der Aufstieg der U 17-Juniorinnen in die Staffel West/Südwest der B-Juniorinnen-Bundesliga?

Hawel: Das ist ein unheimlich wichtiger Schritt auf unserem Weg, den Verein nachhaltig zu entwickeln und weiter nach vorne zu bringen. Es war vor der abgelaufenen Saison deshalb auch ganz klar unser Ziel, mit der U 17 in die Bundesliga und mit der zweiten Mannschaft von der Rheinlandliga in die Regionalliga Südwest aufzusteigen, um einen noch besseren Unterbau für den Zweitligakader zu haben. Bei der zweiten Mannschaft hat uns Corona leider einen Strich durch die Rechnung gemacht.

DFB.de: Mit welchen Erwartungen wird die SGA in der B-Juniorinnen-Bundesliga an den Start gehen?

Hawel: Es ist zunächst einmal unser Ziel, in der höchsten Spielklasse konkurrenzfähig zu sein. Aktuell ist eine Einschätzung sehr schwierig, weil die Mädels in den vergangenen eineinhalb Jahren wegen der Corona-Pandemie kaum einmal spielen konnten, so dass die Kaderzusammenstellung alles andere als einfach war. Das geht anderen Klubs aber auch so. Es wird spannend, wie sich das Team findet und behauptet.

DFB.de: Für den erneuten Anlauf mit der zweiten Mannschaft konnte der Verein Ihren Vater Karl-Peter Stümper als Trainer gewinnen. Er war zuvor schon über viele Jahre als Trainer und Teammanager der ersten Mannschaft für die positive Entwicklung der SGA verantwortlich!

Hawel: Es freut mich sehr, dass er sich noch einmal in den Dienst des Klubs stellt. Wer seinen Ehrgeiz kennt, der weiß, dass er alles dafür tun wird, um mit dem Team so erfolgreich wie möglich zu sein. 

DFB.de: Sie selbst waren viele Jahre Spielerin unter seiner Regie, später auch noch Spielertrainerin. Schnüren Sie noch einmal die Schuhe, wenn der Papa fragt?

Hawel: Mein Spielerinnenpass ist noch gültig. Ausschließen werde ich es deshalb nicht, sofern es zeitlich passt. Allerdings werde ich bald 35 Jahre, habe eine kleine Tochter, bin hauptberuflich als Lehrerin tätig und auch als Trainerin ausreichend eingespannt. Von daher sollen lieber die jüngeren Spielerinnen ran und Erfahrungen sammeln. Sollte es aber mal einen personellen Engpass geben, wäre ein Einsatz als Backup möglich.

[mspw]

Isabelle Hawel (34), die gemeinsam mit Florian Stein die SG 99 Andernach in der 2. Frauen-Bundesliga betreut, ist vor dem Saisonstart nicht nur als Trainerin gefragt. Auch von den dramatischen Folgen der Hochwasser-Katastrophe in der Region waren Mitglieder des Teams direkt betroffen. Im DFB.de-Interview spricht Hawel mit Mitarbeiter Ralf Debat über großes Engagement und nachhaltige Entwicklung.

DFB.de: In wenigen Tagen startet die neue Saison 2021/2022 in der 2. Frauen-Bundesliga. Bei der SG 99 Andernach standen in den vergangenen Wochen allerdings andere Themen im Vordergrund. Wie sehr waren der Verein und Ihr Team von der Hochwasser-Katastrophe in der Region betroffen, Frau Hawel?

Isabelle Hawel: Die Familien von zwei Spielerinnen und unserer Betreuerin sind extrem stark betroffen. Dort geht es regelrecht um Existenzen. Auch drei Todesopfer waren zu beklagen. Es ist unbeschreiblich, was alles im Umkreis von etwa 30 Kilometern bei uns passiert ist. Unsere Spielerinnen und die Verantwortlichen des Vereins haben deshalb auch nicht gezögert, um vor Ort so gut wie möglich zu helfen, haben zum großen Teil selbst mit angepackt oder sofort damit begonnen, Kleidung, Lebensmittel und Spenden zu sammeln. Der Zusammenhalt im Team ist sensationell.

DFB.de: Es gab auch viel Unterstützung von außen. Unter anderem organisierte die SGA ein Benefizturnier, an dem der 1. FC Köln und die SpVg Berghofen teilnahmen. Die Kölnerinnen stellten auch Trikots für Versteigerungen zur Verfügung. Wie bewerten Sie die Resonanz? 

Hawel: Überwältigend. Es war total klasse, wie beispielsweise der 1. FC Köln sofort reagiert hat. Die Sportliche Leiterin Nicole Bender, die früher noch selbst mit einer betroffenen Spielerin zusammen in einem Team stand, hat spontan zugesagt, zum Turnier nach Andernach zu kommen und noch einige Trikots zu spenden. Auch einige Vereine aus der Region haben uns beim Benefizturnier einen Scheck überreicht, nachdem sie für unsere Flutopfer gesammelt hatten. Ex-Nationalstürmerin und EM 2024-Botschafterin Celia Sasic sowie die ehemalige Erstligaspielerin Anne Westphal vom SC Bad Neuenahr waren vor Ort, um uns zu unterstützen. Bisher sind insgesamt schon mehr als 35.000 Euro zusammengekommen, dabei laufen die Versteigerungen noch bis zu unserem ersten Saisonspiel am 15. August. Das komplette Geld geht an die Familien, die für unser Engagement total dankbar sind. Es tut gut, zumindest etwas helfen zu können, auch wenn wir wissen, dass diese Summe nicht viel mehr ist als ein Tropfen auf den heißen Stein.

DFB.de: Welche Auswirkungen hatte die Flut auf die Vorbereitung der Mannschaft?

Hawel: Unmittelbar nach dem Hochwasser ist uns fast eine komplette Trainingswoche abhandengekommen. Das war sicherlich nicht optimal, aber der guten Sache geschuldet. Da es beim Verein oder auf unserer Platzanlage keine Schäden gegeben hatte, konnten wir dann wieder weitgehend normal trainieren. Man hat aber schon gemerkt, dass es den Mädels zunächst sehr schwergefallen ist: Zum einen wegen der enormen körperlichen Belastung bei den Aufräumarbeiten und im normalen Beruf, zum anderen aber auch mental. Die Stimmung in den ersten Tagen war definitiv gedrückt.

DFB.de: Ist die Konzentration auf die sportlichen Aufgaben inzwischen wieder möglich?

Hawel: Der Willen und die professionelle Einstellung waren immer da - trotz der großen Probleme. Inzwischen merkt man auch wieder, dass die Trainingseinheiten für die Spielerinnen auch eine Möglichkeit sind, um mal wieder ein wenig abschalten zu können und auf andere Gedanken zu kommen. Wir alle wissen, dass nicht mehr viel Zeit bis zum Saisonstart bleibt. Wir unternehmen als Trainerteam alles, um uns bestmöglich zu wappnen. Allmählich kehrt die Vorfreude zurück, dass es bald wieder losgeht. 

DFB.de: Mit einem Heimspiel gegen Borussia Bocholt startet die SG 99 Andernach am 15. August in die neue dritte Spielzeit in Serie in der 2. Frauen-Bundesliga. Was nehmen Sie sich vor?

Hawel: Unser Ziel ist es ganz klar, so schnell wie möglich die nötigen Punkte für den Klassenverbleib zu sammeln. Wir streben einen Platz im gesicherten Mittelfeld an. Unsere Mannschaft ist bis wenige Ausnahmen zusammengeblieben, einige vielversprechende Zugänge könnten uns verstärken. Von daher sind die Voraussetzungen nicht so schlecht.

DFB.de: Im Gegensatz zur abgelaufenen Saison ist die 2. Frauen-Bundesliga in dieser Saison wieder eingleisig. Welche zusätzlichen Herausforderungen kommen auf den Klub dadurch zu?

Hawel: In erster Linie natürlich die weiteren Auswärtsfahrten. Da werden auf uns einige zusätzliche Zwei-Tages-Touren zukommen. Wir freuen uns aber auch sehr darauf, neue Gegner wie die drei Aufsteiger SV Henstedt-Ulzburg, SV 07 Elversberg und 1. FC Nürnberg, den Bundesliga-Absteiger MSV Duisburg oder unseren Auftaktgegner Borussia Bocholt kennenzulernen. Darauf sind wir sehr gespannt.

DFB.de: Wie schwer ist es grundsätzlich für einen vergleichsweise kleinen Verein wie die SG 99 Andernach, sich in der 2. Frauen-Bundesliga zu behaupten?

Hawel: Für uns ist das in jedem Jahr aufs Neue eine große Herausforderung. Mit unserem Etat bewegen wir uns mit Sicherheit im unteren Drittel. Einige unserer Konkurrenten sind zweite Mannschaften, die den Luxus haben, auch auf Spielerinnen aus der FLYERALARM Frauen-Bundesliga zurückgreifen zu können. Wir stellen uns mit viel Herzblut, vielen helfenden Händen und mit großem Engagement der Konkurrenz. Mit der familiären Atmosphäre in unserem Verein konnten wir schon viele Spielerinnen überzeugen. Das Miteinander und der Teamgedanke stehen bei uns immer im Vordergrund. Nicht nur in so schwierigen Zeiten, wie es in den zurückliegenden Wochen der Fall war.

DFB.de: Welche Bedeutung hat der Aufstieg der U 17-Juniorinnen in die Staffel West/Südwest der B-Juniorinnen-Bundesliga?

Hawel: Das ist ein unheimlich wichtiger Schritt auf unserem Weg, den Verein nachhaltig zu entwickeln und weiter nach vorne zu bringen. Es war vor der abgelaufenen Saison deshalb auch ganz klar unser Ziel, mit der U 17 in die Bundesliga und mit der zweiten Mannschaft von der Rheinlandliga in die Regionalliga Südwest aufzusteigen, um einen noch besseren Unterbau für den Zweitligakader zu haben. Bei der zweiten Mannschaft hat uns Corona leider einen Strich durch die Rechnung gemacht.

DFB.de: Mit welchen Erwartungen wird die SGA in der B-Juniorinnen-Bundesliga an den Start gehen?

Hawel: Es ist zunächst einmal unser Ziel, in der höchsten Spielklasse konkurrenzfähig zu sein. Aktuell ist eine Einschätzung sehr schwierig, weil die Mädels in den vergangenen eineinhalb Jahren wegen der Corona-Pandemie kaum einmal spielen konnten, so dass die Kaderzusammenstellung alles andere als einfach war. Das geht anderen Klubs aber auch so. Es wird spannend, wie sich das Team findet und behauptet.

DFB.de: Für den erneuten Anlauf mit der zweiten Mannschaft konnte der Verein Ihren Vater Karl-Peter Stümper als Trainer gewinnen. Er war zuvor schon über viele Jahre als Trainer und Teammanager der ersten Mannschaft für die positive Entwicklung der SGA verantwortlich!

Hawel: Es freut mich sehr, dass er sich noch einmal in den Dienst des Klubs stellt. Wer seinen Ehrgeiz kennt, der weiß, dass er alles dafür tun wird, um mit dem Team so erfolgreich wie möglich zu sein. 

DFB.de: Sie selbst waren viele Jahre Spielerin unter seiner Regie, später auch noch Spielertrainerin. Schnüren Sie noch einmal die Schuhe, wenn der Papa fragt?

Hawel: Mein Spielerinnenpass ist noch gültig. Ausschließen werde ich es deshalb nicht, sofern es zeitlich passt. Allerdings werde ich bald 35 Jahre, habe eine kleine Tochter, bin hauptberuflich als Lehrerin tätig und auch als Trainerin ausreichend eingespannt. Von daher sollen lieber die jüngeren Spielerinnen ran und Erfahrungen sammeln. Sollte es aber mal einen personellen Engpass geben, wäre ein Einsatz als Backup möglich.

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