Amin: "Afghanistan war ein Kulturschock"

Sein Weg in die dritthöchste Spielklasse war steinig. Dreimal nahm Hassan Amin mit seinen Vereinen an der Aufstiegsgrunde zur 3. Liga teil, dreimal scheiterte er – zuletzt im Mai mit dem SV Waldhof Mannheim. Also wechselte der Linksverteidiger im Sommer zum SV Meppen, mit dem er heute (ab 13 Uhr, live bei Telekom Sport) den Aufsteiger TSV 1860 München empfängt. Dass er sich sofort als Stammspieler etabliert hat, dürfte auch mit seiner internationalen Erfahrung zusammenhängen. 22 Länderspiele hat er für die Nationalmannschaft von Afghanistan absolviert, unter anderem gegen Japan mit Shinji Kagawa.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht der 26-Jährige mit Mitarbeiter Oliver Jensen über den SV Meppen und seine Vergangenheit bei Eintracht Frankfurt, aber auch über das Nationalspieler-Dasein in einem Krisengebiet.

DFB.de: Herr Amin, nach zehn Spielen feierte der SV Meppen zuletzt den zweiten Saisonsieg. Warum hat das Erfolgserlebnis so lange auf sich warten lassen?

Hassan Amin: Wir sind unglücklich in die Saison gestartet. Oft haben wir gut gespielt, uns aber nicht belohnt. Vorne haben wir die Tore nicht gemacht, hinten standen wir nicht sicher. So etwas wird in der 3. Liga bestraft. Umso glücklicher waren wir, dass es gegen Eintracht Braunschweig (4:2, Anm.d.Red.) endlich wieder mit einem Sieg geklappt hat.

DFB.de: Nun steht das Duell mit dem TSV 1860 München an. Wie schätzen Sie den Gegner ein?

Amin: 1860 München ist ein sehr starker Gegner. Ich kenne deren Rechtsaußen Marius Willsch noch aus gemeinsamen Zeiten beim 1. FC Saarbrücken. Vorne haben sie mit Adriano Grimaldi und Sascha Mölders zwei echte Kanten. Aber wir spielen zu Hause und wollen gewinnen.

DFB.de: Sie haben bislang ausschließlich in der Regionalliga für die zweiten Mannschaften vom SV Darmstadt und Eintracht Frankfurt sowie für den 1. FC Saarbrücken und Waldhof Mannheim gespielt. Unterscheidet sich das Leistungsniveau in der 3. Liga demgegenüber sehr?

Amin: Die individuelle Qualität ist in der 3. Liga deutlich höher. Jede Mannschaft hat vorne einen Stürmer, der jederzeit für ein Tor gut ist. Man muss bis zur letzten Sekunde wachsam sein, gerade auch bei Standards. Hier kann jeder jeden schlagen. Das war in der Regionalliga anders. Dort gab es zwar auch einige ambitionierte Vereine. Dahinter aber war das Leistungsgefälle sehr groß. Und natürlich sind in der 3. Liga auch die Stadien schöner, größer und besser gefüllt. Zudem wird jedes Spiel live von der Telekom übertragen.

DFB.de: Wie nah waren Sie bei Eintracht Frankfurt an der Profimannschaft dran?

Amin: Nicht allzu sehr. Damals war die Kommunikation zwischen der Profimannschaft und der U 23 nicht sonderlich gut. Es gab viele Spieler, die viel Potenzial hatten und es trotzdem nicht in die erste Mannschaft geschafft haben. Ich habe ein paar Trainingseinheiten unter dem damaligen Trainer Armin Veh mitgemacht. Aber meist nur, wenn Länderspielpause war und der Kader aufgefüllt werden musste. Eine echte Chance habe ich nie bekommen.

DFB.de: Themawechsel: Ihre Eltern flüchteten einige Jahre vor Ihrer Geburt vor dem Krieg in Afghanistan nach Deutschland. Fühlten Sie sich mit Ihrem eigentlichen Heimatland in irgendeiner Form verbunden, bevor dann die Einladung von der Nationalmannschaft kam?

Amin: Ich kannte Afghanistan nur aus Erzählungen und dem Fernsehen. Erst als ich bereits Nationalspieler war, bin ich in Afghanistan gewesen. Ehrlich gesagt war das ein kleiner Kulturschock.

DFB.de: Inwiefern?

Amin: Die Menschen dort haben überhaupt keine Perspektive. Die lungern auf der Straße herum und haben nichts zu tun. Ich erinnere mich zum Beispiel, wie wir einmal zum Training fuhren. Auf dem Weg dorthin sah ich ganz viele Menschen in einem ausgetrockneten Fluss hocken. Die Leute haben sich dort sämtliche Drogen gespritzt. Das Erschreckende daran war, dass genau daneben kleine Kinder rumliefen und sich das angesehen haben. Das ist ein Teufelskreis: Die jüngere Generation schaut sich das an und macht das später nach. Mir wurde gesagt, dass das in Kabul der Alltag ist.

DFB.de: Die afghanische Nationalmannschaft darf offiziell keine Heimspiele bestreiten. Wie beurteilen Sie die Sicherheitslage dort?

Amin: Die Sicherheitslage in Afghanistan ist sehr schlecht. Dreimal, als ich dort war, ging in der Stadt durch einen Selbstmordattentäter eine Bombe hoch. Einmal wurde ich durch den lauten Knall wach. Es gab eine ganze Nacht lang Gefechte. Unser damaliger Trainer Petar Segrt saß rund um die Uhr unten an der Rezeption bei der Security und hat aufgepasst. Danach hat er entschieden, dass er es nicht mehr verantworten kann, mit der Nationalmannschaft nach Afghanistan zu reisen. Es ist auch kein angenehmes Gefühl, bei stockendem Verkehr durch die Straßen zu fahren. Die Angst, dass irgendwo eine Bombe hochgeht, fährt immer mit.

DFB.de: Die Chance, bald wieder offizielle Länderspiele in Afghanistan austragen zu können, ist also nicht groß.

Amin: Es gab kürzlich wieder einen Versuch, als ein Länderspiel in Kabul zwischen Afghanistan und Palästina ausgetragen wurde. Weil das außerhalb der Länderspielpause stattfand, war ich nicht dabei. Zum Glück gab es keine Zwischenfälle. Trotzdem wird die FIFA vermutlich keine offiziellen Länderspiele dort erlauben. Die Gefahr ist einfach zu groß.

DFB.de: Wie groß ist überhaupt die Fußballbegeisterung in Afghanistan?

Amin: Sehr groß. Wir tragen unsere Heimspiele im Iran und in Tadschikistan aus. Dort leben viele Afghanen und besuchen unsere Spiele. Wenn die Nationalmannschaft spielt, vergessen die Menschen ihre Probleme. Es macht uns alle froh, dass wir ihnen etwas Ablenkung vom Alltag verschaffen können.

DFB.de: Sie haben zweimal gegen die Nationalmannschaft von Japan mit Spielern wie Shinji Kagawa oder Shinji Okazaki gespielt. Wie haben Sie diese Partien trotz der deutlichen Niederlagen in Erinnerung behalten?

Amin: Wir haben einmal 0:5 und einmal 0:6 verloren. Die Jungs haben viel Qualität und sind extrem flink. Es ist schwer, gegen solche Spieler an den Ball zu kommen. Wenn ein Kagawa eine Körpertäuschung macht, kommt man überhaupt nicht hinterher. Im Fernsehen nimmt man das oft gar nicht wahr. Auf dem Spielfeld ist das eine ganz andere Nummer.

DFB.de: Nach dem bevorstehenden Drittligaspiel steht die Länderspielpause an. Wie geht es mit der afghanischen Nationalmannschaft weiter?

Amin: Eigentlich sollte ein Länderspiel in Myanmar stattfinden. Allerdings gibt es dort Unruhen. Deshalb wurde das Spiel abgesagt. Im November geht es dann mit einem Spiel in Tadschikistan weiter.

[oj]

Sein Weg in die dritthöchste Spielklasse war steinig. Dreimal nahm Hassan Amin mit seinen Vereinen an der Aufstiegsgrunde zur 3. Liga teil, dreimal scheiterte er – zuletzt im Mai mit dem SV Waldhof Mannheim. Also wechselte der Linksverteidiger im Sommer zum SV Meppen, mit dem er heute (ab 13 Uhr, live bei Telekom Sport) den Aufsteiger TSV 1860 München empfängt. Dass er sich sofort als Stammspieler etabliert hat, dürfte auch mit seiner internationalen Erfahrung zusammenhängen. 22 Länderspiele hat er für die Nationalmannschaft von Afghanistan absolviert, unter anderem gegen Japan mit Shinji Kagawa.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht der 26-Jährige mit Mitarbeiter Oliver Jensen über den SV Meppen und seine Vergangenheit bei Eintracht Frankfurt, aber auch über das Nationalspieler-Dasein in einem Krisengebiet.

DFB.de: Herr Amin, nach zehn Spielen feierte der SV Meppen zuletzt den zweiten Saisonsieg. Warum hat das Erfolgserlebnis so lange auf sich warten lassen?

Hassan Amin: Wir sind unglücklich in die Saison gestartet. Oft haben wir gut gespielt, uns aber nicht belohnt. Vorne haben wir die Tore nicht gemacht, hinten standen wir nicht sicher. So etwas wird in der 3. Liga bestraft. Umso glücklicher waren wir, dass es gegen Eintracht Braunschweig (4:2, Anm.d.Red.) endlich wieder mit einem Sieg geklappt hat.

DFB.de: Nun steht das Duell mit dem TSV 1860 München an. Wie schätzen Sie den Gegner ein?

Amin: 1860 München ist ein sehr starker Gegner. Ich kenne deren Rechtsaußen Marius Willsch noch aus gemeinsamen Zeiten beim 1. FC Saarbrücken. Vorne haben sie mit Adriano Grimaldi und Sascha Mölders zwei echte Kanten. Aber wir spielen zu Hause und wollen gewinnen.

DFB.de: Sie haben bislang ausschließlich in der Regionalliga für die zweiten Mannschaften vom SV Darmstadt und Eintracht Frankfurt sowie für den 1. FC Saarbrücken und Waldhof Mannheim gespielt. Unterscheidet sich das Leistungsniveau in der 3. Liga demgegenüber sehr?

Amin: Die individuelle Qualität ist in der 3. Liga deutlich höher. Jede Mannschaft hat vorne einen Stürmer, der jederzeit für ein Tor gut ist. Man muss bis zur letzten Sekunde wachsam sein, gerade auch bei Standards. Hier kann jeder jeden schlagen. Das war in der Regionalliga anders. Dort gab es zwar auch einige ambitionierte Vereine. Dahinter aber war das Leistungsgefälle sehr groß. Und natürlich sind in der 3. Liga auch die Stadien schöner, größer und besser gefüllt. Zudem wird jedes Spiel live von der Telekom übertragen.

DFB.de: Wie nah waren Sie bei Eintracht Frankfurt an der Profimannschaft dran?

Amin: Nicht allzu sehr. Damals war die Kommunikation zwischen der Profimannschaft und der U 23 nicht sonderlich gut. Es gab viele Spieler, die viel Potenzial hatten und es trotzdem nicht in die erste Mannschaft geschafft haben. Ich habe ein paar Trainingseinheiten unter dem damaligen Trainer Armin Veh mitgemacht. Aber meist nur, wenn Länderspielpause war und der Kader aufgefüllt werden musste. Eine echte Chance habe ich nie bekommen.

DFB.de: Themawechsel: Ihre Eltern flüchteten einige Jahre vor Ihrer Geburt vor dem Krieg in Afghanistan nach Deutschland. Fühlten Sie sich mit Ihrem eigentlichen Heimatland in irgendeiner Form verbunden, bevor dann die Einladung von der Nationalmannschaft kam?

Amin: Ich kannte Afghanistan nur aus Erzählungen und dem Fernsehen. Erst als ich bereits Nationalspieler war, bin ich in Afghanistan gewesen. Ehrlich gesagt war das ein kleiner Kulturschock.

DFB.de: Inwiefern?

Amin: Die Menschen dort haben überhaupt keine Perspektive. Die lungern auf der Straße herum und haben nichts zu tun. Ich erinnere mich zum Beispiel, wie wir einmal zum Training fuhren. Auf dem Weg dorthin sah ich ganz viele Menschen in einem ausgetrockneten Fluss hocken. Die Leute haben sich dort sämtliche Drogen gespritzt. Das Erschreckende daran war, dass genau daneben kleine Kinder rumliefen und sich das angesehen haben. Das ist ein Teufelskreis: Die jüngere Generation schaut sich das an und macht das später nach. Mir wurde gesagt, dass das in Kabul der Alltag ist.

DFB.de: Die afghanische Nationalmannschaft darf offiziell keine Heimspiele bestreiten. Wie beurteilen Sie die Sicherheitslage dort?

Amin: Die Sicherheitslage in Afghanistan ist sehr schlecht. Dreimal, als ich dort war, ging in der Stadt durch einen Selbstmordattentäter eine Bombe hoch. Einmal wurde ich durch den lauten Knall wach. Es gab eine ganze Nacht lang Gefechte. Unser damaliger Trainer Petar Segrt saß rund um die Uhr unten an der Rezeption bei der Security und hat aufgepasst. Danach hat er entschieden, dass er es nicht mehr verantworten kann, mit der Nationalmannschaft nach Afghanistan zu reisen. Es ist auch kein angenehmes Gefühl, bei stockendem Verkehr durch die Straßen zu fahren. Die Angst, dass irgendwo eine Bombe hochgeht, fährt immer mit.

DFB.de: Die Chance, bald wieder offizielle Länderspiele in Afghanistan austragen zu können, ist also nicht groß.

Amin: Es gab kürzlich wieder einen Versuch, als ein Länderspiel in Kabul zwischen Afghanistan und Palästina ausgetragen wurde. Weil das außerhalb der Länderspielpause stattfand, war ich nicht dabei. Zum Glück gab es keine Zwischenfälle. Trotzdem wird die FIFA vermutlich keine offiziellen Länderspiele dort erlauben. Die Gefahr ist einfach zu groß.

DFB.de: Wie groß ist überhaupt die Fußballbegeisterung in Afghanistan?

Amin: Sehr groß. Wir tragen unsere Heimspiele im Iran und in Tadschikistan aus. Dort leben viele Afghanen und besuchen unsere Spiele. Wenn die Nationalmannschaft spielt, vergessen die Menschen ihre Probleme. Es macht uns alle froh, dass wir ihnen etwas Ablenkung vom Alltag verschaffen können.

DFB.de: Sie haben zweimal gegen die Nationalmannschaft von Japan mit Spielern wie Shinji Kagawa oder Shinji Okazaki gespielt. Wie haben Sie diese Partien trotz der deutlichen Niederlagen in Erinnerung behalten?

Amin: Wir haben einmal 0:5 und einmal 0:6 verloren. Die Jungs haben viel Qualität und sind extrem flink. Es ist schwer, gegen solche Spieler an den Ball zu kommen. Wenn ein Kagawa eine Körpertäuschung macht, kommt man überhaupt nicht hinterher. Im Fernsehen nimmt man das oft gar nicht wahr. Auf dem Spielfeld ist das eine ganz andere Nummer.

DFB.de: Nach dem bevorstehenden Drittligaspiel steht die Länderspielpause an. Wie geht es mit der afghanischen Nationalmannschaft weiter?

Amin: Eigentlich sollte ein Länderspiel in Myanmar stattfinden. Allerdings gibt es dort Unruhen. Deshalb wurde das Spiel abgesagt. Im November geht es dann mit einem Spiel in Tadschikistan weiter.

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