Als Saarbrücken zuletzt im Halbfinale stand

Es ist die Überraschung dieser Pokalsaison: Der 1. FC Saarbrücken steht als Regionalligist, und damit als erster viertklassiger Verein überhaupt, im Halbfinale. Wann das stattfindet, weiß derzeit niemand, der Gegner steht jedoch fest: Bayer Leverkusen, und ein Heimspiel ist es auch. Da werden bei älteren FCS-Fans Erinnerungen an einen Tag heute vor 35 Jahren wach.

Zweitligisten im Pokalhalbfinale waren in den Achtzigern keine Rarität, eine Überraschung war es dennoch jedes Mal wieder. Als der 1. FC Saarbrücken 1985 zum dritten Mal in seiner Vereinsgeschichte nur noch ein Spiel bis zum Finale auszutragen hatte, war er schon der dreizehnte Zweitligist unter den letzten Vier. In ihrer großen Zeit hatten es die "Molschder" 1957 und 1958 bereits so weit gebracht, waren damals aber erstklassig (Oberliga Südwest). Sie scheiterten jeweils am kommenden Pokalsieger (1957 die Bayern, 1958 der VfB).

Uerdingen und der Traum vom Einzug in den UEFA-Pokal

Dieses Gesetz der Serie wirkte leider – aus ihrer Sicht – auch, als sie 1985 erstmals als unterklassiger Verein in ein Halbfinale gingen. Damals wie heute gegen eine Mannschaft des Bayer-Werks, die unter Trainer Kalli Feldkamp ihre Blütezeit erlebte: Bayer 05 Uerdingen. Die Krefelder standen in der Bundesliga im April 1985 auf Platz vier und träumten vom ersten Einzug in den UEFA-Pokal. Allerdings war es für sie noch leichter, über den Pokal ins internationale Geschäft zu kommen. Der Finalist, das wussten auch die Saarbrücker, wäre im Europacup der Pokalsieger dabei, wenn der Gewinner des ​zweiten Halbfinales (Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach) Meister werden würde. Außerdem war der Anreiz für beide riesig, beim ersten Finale in Berlin seit dem Krieg dabei zu sein. Gerade erst hatte der DFB Berlin zum ständigen Finalort auserkoren.

Im Saarbrücker Team, von Trainer Uwe Klimaschefski betreut, standen mit Wolfgang Seel, Reinhard Brendel und Norbert Schlegel immerhin drei Profis mit Finalerfahrung. Brendel und Schlegel erlebten 1982 Nürnbergs 2:4 gegen die Bayern mit, Schlegel sprach trotzdem vom "Höhepunkt meiner Karriere". Seel durfte 1979 und 1980 den Pokal sogar in der Hand halten – mit Fortuna Düsseldorf. Im Finale 1979 schoss er das einzige Tor (1:0 nach Verlängerung gegen Hertha BSC). Damit hatte das Trio seinem Trainer etwas voraus, Uwe Klimaschefski war als Spieler und Trainer je einmal im Halbfinale gescheitert. Ansporn genug also, diesmal den Schritt weiter zu gehen, der für den Trainer Endstation Sehnsucht und für die meisten Spieler also absolutes Neuland war.

Halbfinale vor "Länderspielkulisse"

Ungewohnt war auch die "Länderspielkulisse" im ausverkauften Ludwigspark, wo in der Vorwoche beim 3:0 gegen den SC Freiburg nur 5000 Zuschauer waren. Nun kamen 32.000, um dabei zu sein, falls Pokalgeschichte geschrieben werden würde. Es war auch noch nicht die Zeit, wo Halbfinals selbstverständlich im TV übertragen wurden. Trotz der kolossalen Werbung für den Fußball im Vorjahr, als in zwei Partien 21 Tore fielen – darunter das legendäre 6:6 zwischen Schalke 04 und den Bayern – gab es 1985 wieder nur Ausschnitte in der Sportschau. Denn es war ein Nachmittagsspiel (15.30 Uhr) an diesem Ostersamstag, es galt die Interessen der Amateure, die auf diesen Tag auswichen, zu schützen. So mussten eben die Stadionbesucher die Kassen der Vereine füllen.

Nach den Regularien erhielt der jeweilige Gast 45 Prozent der Einnahmen. Der 1. FC Saarbrücken hatte bis dahin 250.000 DM im Pokal verdient, nun verdoppelte sich die Summe auf einen Schlag. Im Etat waren nur 30.000 DM vorgesehen, ein Geschäft war es allemal für die Saarländer, die zuvor drei Zweitligisten und den amtierenden Meister VfB Stuttgart im Elfmeterschießen eliminiert hatten. Die Siegprämie entsprach der im Ligaalltag, "mehr als 2000 Mark pro Spieler wird es nicht geben. Schließlich muss der Verein mit seinem Geld rechnen", erklärte der 2. Vorsitzende Friedrich Wunn. Die Pokalsaison 1984/85 war vor allem dazu gut, die Schulden zu tilgen: sie betrugen rund zwei Millionen DM.

"Szesnis missratener Hackentrick"

Zurück zum Sport: Klimaschefski musste auf den gesperrten Ex-Bayern-Profi Michael Nushöhr verzichten und begrüßte umso freudiger Rückkehrer Norbert Hönnscheidt, den Mann für die Tore. Uerdingen hatte zunächst keine Personalsorgen. Unter der Woche mussten beide Teams in der Liga ran. Während Bayer 0:2 auf Schalke verlor, gewann der FCS bei Fortuna Köln mit 2:1 und wahrte seine reellen Aufstiegschancen. Bayer-Coach Feldkamp mahnte zur Vorsicht: "Wir unterschätzen den 1. FC mit Sicherheit nicht, wir wissen um die Heimstärke dieser Mannschaft – aber wir sind trotzdem siegessicher." Kurz vor dem Spiel schwand die Zuversicht etwas, da der einzige aktuelle Nationalspieler​ Matthias Herget mit Zahnschmerzen und Windpocken das Quartier verlassen musste. Für ihn spielte Routinier Friedhelm Funkel, eigentlich Mittelfeldspieler, Libero. Dessen Bruder Wolfgang schied nach 12 Minuten verletzt aus, die Statik des Uerdinger Spiels drohte immer stärker ins Wanken zu geraten. Aber dazu hätten die Saarbrücker etwas stärker an ihr rütteln müssen. An diesem Tag waren sie dazu nicht in der Lage.

In den Spielberichten finden sich keine klaren Torchancen des Underdogs, der die unterdurchschnittliche Partie immerhin lange offen hielt. Auch dank Keeper Carsten Hallmann, dem Elfmeterhelden gegen Stuttgart. Er hielt auch gegen Uerdingen alles – bis sein Mitspieler Guido Szesni in Minute 74 die fatale Idee hatte, die Trickkiste auszupacken. "Szesnis missratener Hackentrick" schaffte es in die Überschrift des kicker und leitete die Entscheidung ein. Der Ball landete beim Gegner, Wolfgang "Cup" Schäfer zog davon, Hallmann konnte noch parieren, aber Norbert Brinkmann, eher ein Mann fürs Grobe, schoss ein. "Das war das wichtigste Tor, das ich in meiner Karriere geschossen habe", frohlockte der blonde Verteidiger. Natürlich, denn es brachte Bayer nach Berlin, wo es dann auch den Pokal gewann – mit 2:1 gegen die Bayern.

An jenem 26. Mai saßen die Saarbrücker vor dem Fernseher und konzentrierten sich längst auf das andere Saisonziel: den Aufstieg. Darauf legten sie gleich nach dem Spiel ihren Fokus. Hallmann: "Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht alles verspielen. Nachdem es mit dem Pokalendspiel nicht geklappt hat, muss jetzt das ​ andere Ziel, der Bundesligaaufstieg, verwirklicht werden." Das klappte übrigens. Nicht ganz so schnell ging Uwe Klimaschefski, heute 81 Jahre alt, zur Tagesordnung über. "Das Endspiel in Berlin, es war ein schöner Traum. Wer weiß, wie viel Jahre es dauern wird, bis der 1. FC Saarbrücken wieder im Halbfinale stehen wird?" Genau 35 – und er durfte es noch erleben.

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Es ist die Überraschung dieser Pokalsaison: Der 1. FC Saarbrücken steht als Regionalligist, und damit als erster viertklassiger Verein überhaupt, im Halbfinale. Wann das stattfindet, weiß derzeit niemand, der Gegner steht jedoch fest: Bayer Leverkusen, und ein Heimspiel ist es auch. Da werden bei älteren FCS-Fans Erinnerungen an einen Tag heute vor 35 Jahren wach.

Zweitligisten im Pokalhalbfinale waren in den Achtzigern keine Rarität, eine Überraschung war es dennoch jedes Mal wieder. Als der 1. FC Saarbrücken 1985 zum dritten Mal in seiner Vereinsgeschichte nur noch ein Spiel bis zum Finale auszutragen hatte, war er schon der dreizehnte Zweitligist unter den letzten Vier. In ihrer großen Zeit hatten es die "Molschder" 1957 und 1958 bereits so weit gebracht, waren damals aber erstklassig (Oberliga Südwest). Sie scheiterten jeweils am kommenden Pokalsieger (1957 die Bayern, 1958 der VfB).

Uerdingen und der Traum vom Einzug in den UEFA-Pokal

Dieses Gesetz der Serie wirkte leider – aus ihrer Sicht – auch, als sie 1985 erstmals als unterklassiger Verein in ein Halbfinale gingen. Damals wie heute gegen eine Mannschaft des Bayer-Werks, die unter Trainer Kalli Feldkamp ihre Blütezeit erlebte: Bayer 05 Uerdingen. Die Krefelder standen in der Bundesliga im April 1985 auf Platz vier und träumten vom ersten Einzug in den UEFA-Pokal. Allerdings war es für sie noch leichter, über den Pokal ins internationale Geschäft zu kommen. Der Finalist, das wussten auch die Saarbrücker, wäre im Europacup der Pokalsieger dabei, wenn der Gewinner des ​zweiten Halbfinales (Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach) Meister werden würde. Außerdem war der Anreiz für beide riesig, beim ersten Finale in Berlin seit dem Krieg dabei zu sein. Gerade erst hatte der DFB Berlin zum ständigen Finalort auserkoren.

Im Saarbrücker Team, von Trainer Uwe Klimaschefski betreut, standen mit Wolfgang Seel, Reinhard Brendel und Norbert Schlegel immerhin drei Profis mit Finalerfahrung. Brendel und Schlegel erlebten 1982 Nürnbergs 2:4 gegen die Bayern mit, Schlegel sprach trotzdem vom "Höhepunkt meiner Karriere". Seel durfte 1979 und 1980 den Pokal sogar in der Hand halten – mit Fortuna Düsseldorf. Im Finale 1979 schoss er das einzige Tor (1:0 nach Verlängerung gegen Hertha BSC). Damit hatte das Trio seinem Trainer etwas voraus, Uwe Klimaschefski war als Spieler und Trainer je einmal im Halbfinale gescheitert. Ansporn genug also, diesmal den Schritt weiter zu gehen, der für den Trainer Endstation Sehnsucht und für die meisten Spieler also absolutes Neuland war.

Halbfinale vor "Länderspielkulisse"

Ungewohnt war auch die "Länderspielkulisse" im ausverkauften Ludwigspark, wo in der Vorwoche beim 3:0 gegen den SC Freiburg nur 5000 Zuschauer waren. Nun kamen 32.000, um dabei zu sein, falls Pokalgeschichte geschrieben werden würde. Es war auch noch nicht die Zeit, wo Halbfinals selbstverständlich im TV übertragen wurden. Trotz der kolossalen Werbung für den Fußball im Vorjahr, als in zwei Partien 21 Tore fielen – darunter das legendäre 6:6 zwischen Schalke 04 und den Bayern – gab es 1985 wieder nur Ausschnitte in der Sportschau. Denn es war ein Nachmittagsspiel (15.30 Uhr) an diesem Ostersamstag, es galt die Interessen der Amateure, die auf diesen Tag auswichen, zu schützen. So mussten eben die Stadionbesucher die Kassen der Vereine füllen.

Nach den Regularien erhielt der jeweilige Gast 45 Prozent der Einnahmen. Der 1. FC Saarbrücken hatte bis dahin 250.000 DM im Pokal verdient, nun verdoppelte sich die Summe auf einen Schlag. Im Etat waren nur 30.000 DM vorgesehen, ein Geschäft war es allemal für die Saarländer, die zuvor drei Zweitligisten und den amtierenden Meister VfB Stuttgart im Elfmeterschießen eliminiert hatten. Die Siegprämie entsprach der im Ligaalltag, "mehr als 2000 Mark pro Spieler wird es nicht geben. Schließlich muss der Verein mit seinem Geld rechnen", erklärte der 2. Vorsitzende Friedrich Wunn. Die Pokalsaison 1984/85 war vor allem dazu gut, die Schulden zu tilgen: sie betrugen rund zwei Millionen DM.

"Szesnis missratener Hackentrick"

Zurück zum Sport: Klimaschefski musste auf den gesperrten Ex-Bayern-Profi Michael Nushöhr verzichten und begrüßte umso freudiger Rückkehrer Norbert Hönnscheidt, den Mann für die Tore. Uerdingen hatte zunächst keine Personalsorgen. Unter der Woche mussten beide Teams in der Liga ran. Während Bayer 0:2 auf Schalke verlor, gewann der FCS bei Fortuna Köln mit 2:1 und wahrte seine reellen Aufstiegschancen. Bayer-Coach Feldkamp mahnte zur Vorsicht: "Wir unterschätzen den 1. FC mit Sicherheit nicht, wir wissen um die Heimstärke dieser Mannschaft – aber wir sind trotzdem siegessicher." Kurz vor dem Spiel schwand die Zuversicht etwas, da der einzige aktuelle Nationalspieler​ Matthias Herget mit Zahnschmerzen und Windpocken das Quartier verlassen musste. Für ihn spielte Routinier Friedhelm Funkel, eigentlich Mittelfeldspieler, Libero. Dessen Bruder Wolfgang schied nach 12 Minuten verletzt aus, die Statik des Uerdinger Spiels drohte immer stärker ins Wanken zu geraten. Aber dazu hätten die Saarbrücker etwas stärker an ihr rütteln müssen. An diesem Tag waren sie dazu nicht in der Lage.

In den Spielberichten finden sich keine klaren Torchancen des Underdogs, der die unterdurchschnittliche Partie immerhin lange offen hielt. Auch dank Keeper Carsten Hallmann, dem Elfmeterhelden gegen Stuttgart. Er hielt auch gegen Uerdingen alles – bis sein Mitspieler Guido Szesni in Minute 74 die fatale Idee hatte, die Trickkiste auszupacken. "Szesnis missratener Hackentrick" schaffte es in die Überschrift des kicker und leitete die Entscheidung ein. Der Ball landete beim Gegner, Wolfgang "Cup" Schäfer zog davon, Hallmann konnte noch parieren, aber Norbert Brinkmann, eher ein Mann fürs Grobe, schoss ein. "Das war das wichtigste Tor, das ich in meiner Karriere geschossen habe", frohlockte der blonde Verteidiger. Natürlich, denn es brachte Bayer nach Berlin, wo es dann auch den Pokal gewann – mit 2:1 gegen die Bayern.

An jenem 26. Mai saßen die Saarbrücker vor dem Fernseher und konzentrierten sich längst auf das andere Saisonziel: den Aufstieg. Darauf legten sie gleich nach dem Spiel ihren Fokus. Hallmann: "Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht alles verspielen. Nachdem es mit dem Pokalendspiel nicht geklappt hat, muss jetzt das ​ andere Ziel, der Bundesligaaufstieg, verwirklicht werden." Das klappte übrigens. Nicht ganz so schnell ging Uwe Klimaschefski, heute 81 Jahre alt, zur Tagesordnung über. "Das Endspiel in Berlin, es war ein schöner Traum. Wer weiß, wie viel Jahre es dauern wird, bis der 1. FC Saarbrücken wieder im Halbfinale stehen wird?" Genau 35 – und er durfte es noch erleben.

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