Afrika, Irak, Wiesbaden: Die Reisen von Weltenbummler Vollmann

Es kann ein ehemaliger Nationalspieler sein. Oder ein Talent. Oder ein Trainer. Oder ein Urgestein. Die 3. Liga hat in ihrer fünften Saison eine Menge Charakterköpfe zu bieten, Figuren und Protagonisten, die ihren Vereinen und der Liga Profil verleihen. Sie sind die "Gesichter der 3. Liga". DFB.de stellt sie jeden Freitag in seiner neuen Serie vor. Heute: Wehen Wiesbadens Trainer Peter Vollmann.

Jedes Jahr das gleiche Spiel. Im Hause Vollmann wird bereits zwei Tage vor Weihnachten gefeiert. Peter Vollmann hat Geburtstag, der 55. ist es diesmal. Seit über 20 Jahren ist Vollmann jetzt Trainer, bei 15 Vereinen hat er in dieser Zeit gearbeitet. Er war in Ghana tätig, in Südafrika, Zypern, kurzzeitig im Irak. Da könnte man meinen, dass er so ziemlich alles erlebt hat, was man als Trainer erleben kann, ob Aufstieg, Abstieg, Meisterschaft, Rauswurf, Lobeshymnen oder Anfeindungen. Für eine Serie der besonderen Art aber musste er erst zum SV Wehen Wiesbaden kommen.

Der Drittligist aus Hessen hat in dieser Saison erst dreimal gewonnen. Das kommt vor, auch wenn es traurig ist. Gleichzeitig haben die Wiesbadener erst viermal verloren. Das wiederum ist ziemlich beeindruckend, das Führungstrio VfL Osnabrück, Preußen Münster und Arminia Bielefeld haben nur eine Niederlage weniger auf dem Konto. Bleiben noch zwölf Spiele übrig. Besser gesagt: zwölf Unentschieden. 19 Partien, zwölf Unentschieden – "das habe ich in der Tat noch nie erlebt", sagt Vollmann.

"Kultur im Fußball hat sich insgesamt verändert"

Das Resultat heißt Platz 14, wieder Abstiegsgefahr, wie schon in der Vorsaison. Damals war der SVWW als Aufstiegsfavorit gestartet, um am Ende knapp dem Sturz in die Regionalliga zu entgehen. "Da sind wir mit zwei blauen Augen davongekommen", unterstreicht Vollmann. Er hatte im Februar sein Amt angetreten, um den Abstieg zu verhindern. Nach Erfüllung der Aufgabe geht es nun um "Kontinuität und Konstanz", um eine Platzierung im Tabellenmittelfeld und darum, sich mit schrittweisen Veränderungen wieder besser aufzustellen.

Die Gesichter der 3. Liga

Vollmann weiß, dass die große Begeisterung in Wiesbaden schwer herzustellen ist. Der SVWW ist erst vor wenigen Jahren in die hessische Landeshauptstadt gezogen, die Fanbasis ist überschaubar, das Medienaufkommen gering. Natürlich würde sich der Trainer manchmal mehr Schwung wünschen, mehr Emotion, mehr Antrieb von außen. Doch er schätzt auch die Vorteile: weniger Hektik, weniger Aufregung, weniger böses Blut.

"Die Kultur im Fußball hat sich insgesamt verändert", meint der frühere Spieler von Rot-Weiß Lüdenscheid: "Die Fans machen heute viel mehr Politik, das ist deutlich anders als vor zehn, 15 Jahren." Es ist ein Thema, das ihn nachdenklich macht, "weil das Verhalten immer häufiger ausartet".

Umzug nach Anfeindungen

Auch Vollmann hat in seiner Karriere schlechte Erfahrungen gemacht. Er hat erlebt, wie es ist, wegen seiner Arbeit als Trainer privat angegangen zu werden. Seine Tochter wurde in der Schule angefeindet. Die Vollmanns reagierten damals und zogen um. Seitdem hat die Familie einen festen Wohnort, Hausherr Peter geht alleine auf Reisen, wenn wieder ein neuer Job ansteht.

Und Stationen hat er schon einige hinter sich. Vollmann war bei der SG Wattenscheid, Preußen Münster, Eintracht Trier, dem KFC Uerdingen, Fortuna Köln, Holstein Kiel. Er führte Eintracht Braunschweig (2002) und Hansa Rostock (2011) zum Aufstieg in die 2. Bundesliga.

Dreimal an Malaria erkrankt

Seine größten Abenteuer erlebte er im Ausland. 2006 arbeitete er bei Real Tamale United in Ghana. "Von 100 Trainern wären wahrscheinlich 99 gleich wieder nach Hause gefahren", erzählt Vollmann. Er blieb, lernte eine neue Kultur, neue Gebräuche, neue Menschen kennen. Der Blickwinkel veränderte sich. "Es gab kaum Trinkwasser, keine warmen Duschen, ich habe fast nur von Früchten gelebt, weil es keine europäischen Lebensmittel gab", erzählt er. Der Fußball-Lehrer nahm 15 Kilo ab, hatte dreimal Malaria, lag im Krankenhaus mit 20 Menschen in einem Raum. Eine Busfahrt zu einem Auswärtsspiel konnte schon mal drei Tage dauern. Allerdings spielte Vollmann mit seiner Mannschaft zum Teil auch vor 60.000 bis 70.000 Zuschauern.

Trotz der vielen Widrigkeiten würde der 54-Jährige sein Jahr in Afrika nie missen wollen. Mit dem Hauptstadtklub Accra war er später in der Champions League des Kontinents vertreten, einmal ging es mit einem Militärflugzeug zu einem Spiel. "Solche Erlebnisse prägen", sagt Vollmann.

Sechs Monate Trainerausbilder im Irak

2009 verschlug es ihn nach Zypern, als Co-Trainer von Anorthosis Famagusta, ehe er sich als Trainerausbilder im Irak betätigte. Zwei Monate Bagdad, zwei Monate Ebril, zwei Monate Basra. "Sehr spannend und natürlich gefährlich, auch wenn man im Alltag die direkte Gefahr nicht so gespürt hat", sagt Vollmann.

Vor zweieinhalb Jahren kehrte er dann nach Deutschland zurück. Die Gegenwart heißt SV Wehen Wiesbaden. Weniger Abenteuer, in erster Linie solide Arbeit. Zwölf Unentschieden in 19 Spielen und manche Kritik können da stören, aber sie können Peter Vollmanns Leben nach all den Erfahrungen der Vergangenheit nicht durcheinanderwerfen. "Ich habe gelernt, vieles mit mehr Fassung zu tragen", sagt er, "und ich weiß, dass Fußball nicht das Wichtigste auf der Welt ist."

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Es kann ein ehemaliger Nationalspieler sein. Oder ein Talent. Oder ein Trainer. Oder ein Urgestein. Die 3. Liga hat in ihrer fünften Saison eine Menge Charakterköpfe zu bieten, Figuren und Protagonisten, die ihren Vereinen und der Liga Profil verleihen. Sie sind die "Gesichter der 3. Liga". DFB.de stellt sie jeden Freitag in seiner neuen Serie vor. Heute: Wehen Wiesbadens Trainer Peter Vollmann.

Jedes Jahr das gleiche Spiel. Im Hause Vollmann wird bereits zwei Tage vor Weihnachten gefeiert. Peter Vollmann hat Geburtstag, der 55. ist es diesmal. Seit über 20 Jahren ist Vollmann jetzt Trainer, bei 15 Vereinen hat er in dieser Zeit gearbeitet. Er war in Ghana tätig, in Südafrika, Zypern, kurzzeitig im Irak. Da könnte man meinen, dass er so ziemlich alles erlebt hat, was man als Trainer erleben kann, ob Aufstieg, Abstieg, Meisterschaft, Rauswurf, Lobeshymnen oder Anfeindungen. Für eine Serie der besonderen Art aber musste er erst zum SV Wehen Wiesbaden kommen.

Der Drittligist aus Hessen hat in dieser Saison erst dreimal gewonnen. Das kommt vor, auch wenn es traurig ist. Gleichzeitig haben die Wiesbadener erst viermal verloren. Das wiederum ist ziemlich beeindruckend, das Führungstrio VfL Osnabrück, Preußen Münster und Arminia Bielefeld haben nur eine Niederlage weniger auf dem Konto. Bleiben noch zwölf Spiele übrig. Besser gesagt: zwölf Unentschieden. 19 Partien, zwölf Unentschieden – "das habe ich in der Tat noch nie erlebt", sagt Vollmann.

"Kultur im Fußball hat sich insgesamt verändert"

Das Resultat heißt Platz 14, wieder Abstiegsgefahr, wie schon in der Vorsaison. Damals war der SVWW als Aufstiegsfavorit gestartet, um am Ende knapp dem Sturz in die Regionalliga zu entgehen. "Da sind wir mit zwei blauen Augen davongekommen", unterstreicht Vollmann. Er hatte im Februar sein Amt angetreten, um den Abstieg zu verhindern. Nach Erfüllung der Aufgabe geht es nun um "Kontinuität und Konstanz", um eine Platzierung im Tabellenmittelfeld und darum, sich mit schrittweisen Veränderungen wieder besser aufzustellen.

Die Gesichter der 3. Liga

Vollmann weiß, dass die große Begeisterung in Wiesbaden schwer herzustellen ist. Der SVWW ist erst vor wenigen Jahren in die hessische Landeshauptstadt gezogen, die Fanbasis ist überschaubar, das Medienaufkommen gering. Natürlich würde sich der Trainer manchmal mehr Schwung wünschen, mehr Emotion, mehr Antrieb von außen. Doch er schätzt auch die Vorteile: weniger Hektik, weniger Aufregung, weniger böses Blut.

"Die Kultur im Fußball hat sich insgesamt verändert", meint der frühere Spieler von Rot-Weiß Lüdenscheid: "Die Fans machen heute viel mehr Politik, das ist deutlich anders als vor zehn, 15 Jahren." Es ist ein Thema, das ihn nachdenklich macht, "weil das Verhalten immer häufiger ausartet".

Umzug nach Anfeindungen

Auch Vollmann hat in seiner Karriere schlechte Erfahrungen gemacht. Er hat erlebt, wie es ist, wegen seiner Arbeit als Trainer privat angegangen zu werden. Seine Tochter wurde in der Schule angefeindet. Die Vollmanns reagierten damals und zogen um. Seitdem hat die Familie einen festen Wohnort, Hausherr Peter geht alleine auf Reisen, wenn wieder ein neuer Job ansteht.

Und Stationen hat er schon einige hinter sich. Vollmann war bei der SG Wattenscheid, Preußen Münster, Eintracht Trier, dem KFC Uerdingen, Fortuna Köln, Holstein Kiel. Er führte Eintracht Braunschweig (2002) und Hansa Rostock (2011) zum Aufstieg in die 2. Bundesliga.

Dreimal an Malaria erkrankt

Seine größten Abenteuer erlebte er im Ausland. 2006 arbeitete er bei Real Tamale United in Ghana. "Von 100 Trainern wären wahrscheinlich 99 gleich wieder nach Hause gefahren", erzählt Vollmann. Er blieb, lernte eine neue Kultur, neue Gebräuche, neue Menschen kennen. Der Blickwinkel veränderte sich. "Es gab kaum Trinkwasser, keine warmen Duschen, ich habe fast nur von Früchten gelebt, weil es keine europäischen Lebensmittel gab", erzählt er. Der Fußball-Lehrer nahm 15 Kilo ab, hatte dreimal Malaria, lag im Krankenhaus mit 20 Menschen in einem Raum. Eine Busfahrt zu einem Auswärtsspiel konnte schon mal drei Tage dauern. Allerdings spielte Vollmann mit seiner Mannschaft zum Teil auch vor 60.000 bis 70.000 Zuschauern.

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Trotz der vielen Widrigkeiten würde der 54-Jährige sein Jahr in Afrika nie missen wollen. Mit dem Hauptstadtklub Accra war er später in der Champions League des Kontinents vertreten, einmal ging es mit einem Militärflugzeug zu einem Spiel. "Solche Erlebnisse prägen", sagt Vollmann.

Sechs Monate Trainerausbilder im Irak

2009 verschlug es ihn nach Zypern, als Co-Trainer von Anorthosis Famagusta, ehe er sich als Trainerausbilder im Irak betätigte. Zwei Monate Bagdad, zwei Monate Ebril, zwei Monate Basra. "Sehr spannend und natürlich gefährlich, auch wenn man im Alltag die direkte Gefahr nicht so gespürt hat", sagt Vollmann.

Vor zweieinhalb Jahren kehrte er dann nach Deutschland zurück. Die Gegenwart heißt SV Wehen Wiesbaden. Weniger Abenteuer, in erster Linie solide Arbeit. Zwölf Unentschieden in 19 Spielen und manche Kritik können da stören, aber sie können Peter Vollmanns Leben nach all den Erfahrungen der Vergangenheit nicht durcheinanderwerfen. "Ich habe gelernt, vieles mit mehr Fassung zu tragen", sagt er, "und ich weiß, dass Fußball nicht das Wichtigste auf der Welt ist."