60 Jahre Bundesliga: Bayern 1968/1969 immer Tabellenführer

Die Bundesliga wird 60. Eine der erfolgreichsten Ligen Europas steht kurz vor einem runden Jubiläum. Pünktlich dazu startet DFB.de eine neue Serie. In "60 Jahre Bundesliga" blickt DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras noch einmal auf zehn besondere Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zurück. Heute: die Saison 1968/1969.

Der Reiz des Neuen war verflogen, die Bundesliga durchlief eine erste Talsenke. Der Zuschauer-Minusrekord der Vorsaison war ein Alarmzeichen und am ersten Spieltag 1968/1969 setzte sich der Trend fort: Die Stadien waren nur zu 50 Prozent gefüllt. Die verpasste EM-Teilnahme 1968 tat ihr Übriges, um die allgemeine Fußball-Lust ein wenig zu hemmen.

Im November übergab Schalke-Trainer Rudi Gutendorf dem DFB einen Acht-Punkte-Forderungskatalog zur Rettung der Bundesliga, unter anderem forderte er im Namen etlicher Kollegen und Aktiver die Winterpause. Da konnte er noch gar nicht wissen, dass es eine Rekordzahl an Spielausfällen (18) geben sollte. Außerdem wollten die Vereine mehr Freiheit bei Transfers, mehr Toto- und TV-Geld und so weiter und so fort. Erste Anzeichen von Tristesse in einem rückblickend höchst bemerkenswerten Spieljahr.

Amtierender Meister Nürnberg stürzt in Liga zwei ab

Denn die Saison 1968/1969 setzte Marken, die sie bis heute unverwechselbar macht. Die besten Geschichten spielten in Bayern. Aus diesem Bundesland kam, fast wie erwartet, erneut der Meister – bloß, dass man einen anderen erwartet hatte. Und auch einen Absteiger beklagte Bayern, und den hatte keiner erwartet. Der ruhmreiche 1. FC Nürnberg, von Experten wie Laien (u.a. Max Schmeling, Udo Jürgens) gleichermaßen auf den Favoritenschild gehoben, erlebte einen im internationalen Fußball äußerst seltenen, national gar einmaligen Absturz: Er stieg als amtierender Meister ab. Folgen einer fatalen Personalpolitik. Trainer Max Merkel hatte trotz des Triumphs elf Spieler abgegeben, unter anderem Franz Brungs und Heinz Ferschl an Hertha BSC und Gustl Starek an die Bayern. Nach dem Fehlstart – alles begann mit einem 1:4 zuhause gegen Alemannia Aachen – war Merkel in der Presse schon bald der "Meister-Kaputtmacher". Der Verein reduzierte prompt sein Gehalt von 18.500 auf 12.000 D-Mark, aus Sparzwängen angeblich.

Nach kurzem Zwischenhoch im September (Platz sieben) fand sich der Club nach der Vorrunde auf dem letzten Platz wieder. Den behielt er bis zum 31. Spieltag, mittlerweile leitete mit Kuno Klötzer der dritte Trainer der Saison den Club. Nach Merkel, der noch getönt hatte, er werde im Abstiegsfalle "ohne einen Pfennig Geld arbeiten, bis der Club wieder aufsteigt" und der dann im März doch hinwarf, und nach Robert Körner, der nur zwei Spiele leitete – die beide verloren wurden. Mit Klötzer gab es wieder Siege: Nach einem 2:0 gegen den an diesem Tag dennoch Meister werdenden FC Bayern München und nach zwei Remis fuhren die Nürnberger am 7. Juni zum Abstiegs-Endspiel nach Köln.

Es war nicht das einzige, denn der Spielplan wollte es, dass die letzten Vier untereinander blieben. Auch Borussia Dortmund und Kickers Offenbach hofften und bangten noch. Eine hochbrisante Konstellation, die es so nie wieder in der Bundesliga gab. Da nun die Gastgeber jeweils 3:0 gewannen, waren die Gäste nicht länger Gast in der Bundesliga, mit dem Club verließ auch der OFC das Oberhaus. Mit den Nürnbergern hatten viele Mitleid. Der Kölner Stadionsprecher sagte höflich: "Wir wünschen der Mannschaft einen baldigen Wiederaufstieg!" und tausendfach brandete Beifall auf.

Bayerns Meistertrainer heißt Branko Zebec

Den erntete der FC Bayern schon drei Wochen früher. Unter dem neuen Trainer Branko Zebec, ein Jugoslawe wie Vorgänger Tschik Cajkovski, aber doch ganz anders, marschierten die Bayern durch die Liga. An allen 34 Spieltagen war die nun auch defensiv taktisch überzeugende Mannschaft Tabellenführer. Das gab es noch nie. Nur im Winter geriet das Starensemble ins Trudeln, als es in Hannover die Punkte (0:1) und seinen Torjäger verlor. Gerd Müller sah für eine Rempelei Rot und wurde acht Wochen gesperrt. Dabei war er erstmals unverzichtbar: Mit 30 Toren wurde er nun alleiniger Torschützenkönig, mit einem Doppelschlag gegen Schalke entschied er auch das Pokalfinale und machte Bayern zum ersten Double-Sieger in Bundesliga-Zeiten.

Dabei war der Kader unglaublich klein, Zebec setzte nur 13 Spieler ein, was bis dato Bundesligarekord und für einen Meister umso erstaunlicher ist. Und das in einem Jahr, wo erstmals zwei Auswechslungen erlaubt waren. Doch die Qualität der alten Haudegen um Kapitän Werner Olk und Stürmer Rainer Ohlhauser und der aufstrebenden Wunderknaben Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller reichte locker aus in einem Jahr ohne Titelkampf und ohne Verfolger. Sensations-Zweiter mit nur 38:30 Punkten wurde Alemannia Aachen, der Dritte aus Mönchengladbach lag schon neun Zähler zurück. Nur zehn Punkte zwischen dem Zweiten und dem Letzten sagen alles aus über die Ausgeglichenheit der sechsten Bundesliga-Saison. Für Nürnberg mag es nur ein schwacher Trost gewesen sein, dass kein Absteiger in Zeiten der Zwei-Punkte-Regelung mehr Zähler geholt hat als der tief gestürzte Meister.

Hertha BSC wird "Zuschauer-Meister"

Hertha BSC, nach dem Skandal 1965 erstmals wieder dabei, rettete sich auf Platz 14, wurde aber mit riesigem Vorsprung "Zuschauer-Meister" - 44.000 Fans kamen im Schnitt ins riesige Olympia-Stadion. Sie sorgten wesentlich dafür, dass der Schnitt in der Liga wieder anstieg.

Allen Unkenrufern zum Trotz hatte die Bundesliga auch 1968/1969 hohen Unterhaltungswert und viel Gesprächsstoff geliefert. Es war schließlich die hohe Zeit der Typen und Originale. Eines spielte damals beim HSV und hieß Charly Dörfel. Der Stürmer hatte im Heimspiel gegen 1860 München ein Foul begangen und führte mit Schiedsrichter Edgar Deuschel am 30. Oktober 1968 folgenden Dialog: Deuschel: "Wie heißen Sie?" Dörfel: "Meier". Deuschel: "Wiiiiiie heißen Sie?" Dörfel: "Meier". Deuschel: "Runter, Herr Dörfel." Es war der erste Bundesliga-Platzverweis wegen fehlerhafter Personalangaben. Es kam eben immer wieder was Neues aus der Wundertüte Bundesliga.

Fakten der sechsten Saison:

Tore: 873 (2,85 pro Spiel) - Minusrekord
Torschützenkönig: Gerd Müller (Bayern München/30)
Zuschauer: 6.550.497 (21.406 pro Spiel)
Meister: FC Bayern München
Absteiger: 1. FC Nürnberg, Kickers Offenbach
Aufsteiger: RW Oberhausen, RW Essen
Trainerentlassungen: 7

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Die Bundesliga wird 60. Eine der erfolgreichsten Ligen Europas steht kurz vor einem runden Jubiläum. Pünktlich dazu startet DFB.de eine neue Serie. In "60 Jahre Bundesliga" blickt DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras noch einmal auf zehn besondere Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zurück. Heute: die Saison 1968/1969.

Der Reiz des Neuen war verflogen, die Bundesliga durchlief eine erste Talsenke. Der Zuschauer-Minusrekord der Vorsaison war ein Alarmzeichen und am ersten Spieltag 1968/1969 setzte sich der Trend fort: Die Stadien waren nur zu 50 Prozent gefüllt. Die verpasste EM-Teilnahme 1968 tat ihr Übriges, um die allgemeine Fußball-Lust ein wenig zu hemmen.

Im November übergab Schalke-Trainer Rudi Gutendorf dem DFB einen Acht-Punkte-Forderungskatalog zur Rettung der Bundesliga, unter anderem forderte er im Namen etlicher Kollegen und Aktiver die Winterpause. Da konnte er noch gar nicht wissen, dass es eine Rekordzahl an Spielausfällen (18) geben sollte. Außerdem wollten die Vereine mehr Freiheit bei Transfers, mehr Toto- und TV-Geld und so weiter und so fort. Erste Anzeichen von Tristesse in einem rückblickend höchst bemerkenswerten Spieljahr.

Amtierender Meister Nürnberg stürzt in Liga zwei ab

Denn die Saison 1968/1969 setzte Marken, die sie bis heute unverwechselbar macht. Die besten Geschichten spielten in Bayern. Aus diesem Bundesland kam, fast wie erwartet, erneut der Meister – bloß, dass man einen anderen erwartet hatte. Und auch einen Absteiger beklagte Bayern, und den hatte keiner erwartet. Der ruhmreiche 1. FC Nürnberg, von Experten wie Laien (u.a. Max Schmeling, Udo Jürgens) gleichermaßen auf den Favoritenschild gehoben, erlebte einen im internationalen Fußball äußerst seltenen, national gar einmaligen Absturz: Er stieg als amtierender Meister ab. Folgen einer fatalen Personalpolitik. Trainer Max Merkel hatte trotz des Triumphs elf Spieler abgegeben, unter anderem Franz Brungs und Heinz Ferschl an Hertha BSC und Gustl Starek an die Bayern. Nach dem Fehlstart – alles begann mit einem 1:4 zuhause gegen Alemannia Aachen – war Merkel in der Presse schon bald der "Meister-Kaputtmacher". Der Verein reduzierte prompt sein Gehalt von 18.500 auf 12.000 D-Mark, aus Sparzwängen angeblich.

Nach kurzem Zwischenhoch im September (Platz sieben) fand sich der Club nach der Vorrunde auf dem letzten Platz wieder. Den behielt er bis zum 31. Spieltag, mittlerweile leitete mit Kuno Klötzer der dritte Trainer der Saison den Club. Nach Merkel, der noch getönt hatte, er werde im Abstiegsfalle "ohne einen Pfennig Geld arbeiten, bis der Club wieder aufsteigt" und der dann im März doch hinwarf, und nach Robert Körner, der nur zwei Spiele leitete – die beide verloren wurden. Mit Klötzer gab es wieder Siege: Nach einem 2:0 gegen den an diesem Tag dennoch Meister werdenden FC Bayern München und nach zwei Remis fuhren die Nürnberger am 7. Juni zum Abstiegs-Endspiel nach Köln.

Es war nicht das einzige, denn der Spielplan wollte es, dass die letzten Vier untereinander blieben. Auch Borussia Dortmund und Kickers Offenbach hofften und bangten noch. Eine hochbrisante Konstellation, die es so nie wieder in der Bundesliga gab. Da nun die Gastgeber jeweils 3:0 gewannen, waren die Gäste nicht länger Gast in der Bundesliga, mit dem Club verließ auch der OFC das Oberhaus. Mit den Nürnbergern hatten viele Mitleid. Der Kölner Stadionsprecher sagte höflich: "Wir wünschen der Mannschaft einen baldigen Wiederaufstieg!" und tausendfach brandete Beifall auf.

Bayerns Meistertrainer heißt Branko Zebec

Den erntete der FC Bayern schon drei Wochen früher. Unter dem neuen Trainer Branko Zebec, ein Jugoslawe wie Vorgänger Tschik Cajkovski, aber doch ganz anders, marschierten die Bayern durch die Liga. An allen 34 Spieltagen war die nun auch defensiv taktisch überzeugende Mannschaft Tabellenführer. Das gab es noch nie. Nur im Winter geriet das Starensemble ins Trudeln, als es in Hannover die Punkte (0:1) und seinen Torjäger verlor. Gerd Müller sah für eine Rempelei Rot und wurde acht Wochen gesperrt. Dabei war er erstmals unverzichtbar: Mit 30 Toren wurde er nun alleiniger Torschützenkönig, mit einem Doppelschlag gegen Schalke entschied er auch das Pokalfinale und machte Bayern zum ersten Double-Sieger in Bundesliga-Zeiten.

Dabei war der Kader unglaublich klein, Zebec setzte nur 13 Spieler ein, was bis dato Bundesligarekord und für einen Meister umso erstaunlicher ist. Und das in einem Jahr, wo erstmals zwei Auswechslungen erlaubt waren. Doch die Qualität der alten Haudegen um Kapitän Werner Olk und Stürmer Rainer Ohlhauser und der aufstrebenden Wunderknaben Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller reichte locker aus in einem Jahr ohne Titelkampf und ohne Verfolger. Sensations-Zweiter mit nur 38:30 Punkten wurde Alemannia Aachen, der Dritte aus Mönchengladbach lag schon neun Zähler zurück. Nur zehn Punkte zwischen dem Zweiten und dem Letzten sagen alles aus über die Ausgeglichenheit der sechsten Bundesliga-Saison. Für Nürnberg mag es nur ein schwacher Trost gewesen sein, dass kein Absteiger in Zeiten der Zwei-Punkte-Regelung mehr Zähler geholt hat als der tief gestürzte Meister.

Hertha BSC wird "Zuschauer-Meister"

Hertha BSC, nach dem Skandal 1965 erstmals wieder dabei, rettete sich auf Platz 14, wurde aber mit riesigem Vorsprung "Zuschauer-Meister" - 44.000 Fans kamen im Schnitt ins riesige Olympia-Stadion. Sie sorgten wesentlich dafür, dass der Schnitt in der Liga wieder anstieg.

Allen Unkenrufern zum Trotz hatte die Bundesliga auch 1968/1969 hohen Unterhaltungswert und viel Gesprächsstoff geliefert. Es war schließlich die hohe Zeit der Typen und Originale. Eines spielte damals beim HSV und hieß Charly Dörfel. Der Stürmer hatte im Heimspiel gegen 1860 München ein Foul begangen und führte mit Schiedsrichter Edgar Deuschel am 30. Oktober 1968 folgenden Dialog: Deuschel: "Wie heißen Sie?" Dörfel: "Meier". Deuschel: "Wiiiiiie heißen Sie?" Dörfel: "Meier". Deuschel: "Runter, Herr Dörfel." Es war der erste Bundesliga-Platzverweis wegen fehlerhafter Personalangaben. Es kam eben immer wieder was Neues aus der Wundertüte Bundesliga.

Fakten der sechsten Saison:

Tore: 873 (2,85 pro Spiel) - Minusrekord
Torschützenkönig: Gerd Müller (Bayern München/30)
Zuschauer: 6.550.497 (21.406 pro Spiel)
Meister: FC Bayern München
Absteiger: 1. FC Nürnberg, Kickers Offenbach
Aufsteiger: RW Oberhausen, RW Essen
Trainerentlassungen: 7