5:1! Gegen die Emirate regnet es Tore

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

15. Juni 1990 in Mailand - Gruppenspiel: Deutschland - Vereinigte Arabische Emirate 5:1

Vor dem Spiel:

Nach dem 4:1-Auftaktsieg gegen Jugoslawien erlaubte Teamchef Franz Beckenbauer eineinhalb freie Tage, die Spieler erkundeten die Gegend. Und die, die sie schon kannten, gaben Insidertipps. Lothar Matthäus ging zu seinem Friseur und meldete: "25 Minuten haben wir nur über Fußball geredet! Zum Glück hat er mir vor Begeisterung nicht das Ohr abgeschnitten." Die Frankfurter Uwe Bein und Andreas Möller umrundeten mit dem Auto den Comer See, Jürgen Klinsmann lud Guido Buchwald in sein Haus ein, wo es sich schon 30 Kumpels aus der schwäbischen Heimat gemütlich gemacht hatten. Andere erhielten Besuch von ihren Frauen und Kindern, die ganz in der Nähe untergebracht waren. "So ist es einfach viel besser, die Spieler brauchen Abwechslung", erklärte der Kaiser.

Ab Dienstag, 14 Uhr, galt der Fokus dann jedoch dem großen Unbekannten aus der Wüste. Der WM-Neuling hatte gegen Kolumbien 0:2 verloren und gab sich keinen Illusionen hin. "Gegen Deutschland können wir nicht gewinnen", sagte Verbandspräsident Hamdan bin Zayed Al Nayhan, der zugleich Sohn des Scheichs war, der über die Emirate und deren nur 3500 Fußballer herrschte. "Vor 19 Jahren, als unser Staat gegründet wurde, hat es noch keinen einzigen Rasenplatz gegeben." Entsprechend niedrig waren die Ziele in Italien. Die Araber versprachen jedem Torschützen eine Villa oder einen Rolls Royce, an Siege dachten sie weniger.

Beckenbauer war eigens per Hubschrauber nach Bologna geflogen und hatte sie gegen Kolumbien beobachtet. Höflich sagte er nur: "Wir unterschätzen auch die Emirate nicht." Jürgen Klinsmann prophezeite: "Die werden mit Mann und Maus verteidigen und hinten alles verbarrikadieren. Ob es 1:0 oder 8:1 ausgeht, ist mir am Ende egal." Das Achtelfinalticket würde jeder Sieg lösen - alles andere wäre eine Blamage gewesen. Lothar Matthäus fürchtete sogar: "Wenn wir nicht mindestens 5:0 gewinnen, haben wir für einige schon wieder schlecht gespielt." Beckenbauer nominierte dieselbe Elf wie beim Auftakt, was Pierre Littbarski schon geahnt hatte: "Es wird schwer werden, wieder in die Mannschaft zu kommen." Immerhin blieben er und Karlheinz Riedle auf der Bank, wo es ansonsten drei Wechsel gab: Andreas Köpke statt Raimond Aumann, Paul Steiner statt Hans Pflügler und Frank Mill statt Andreas Möller.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

15. Juni 1990 in Mailand - Gruppenspiel: Deutschland - Vereinigte Arabische Emirate 5:1

Vor dem Spiel:

Nach dem 4:1-Auftaktsieg gegen Jugoslawien erlaubte Teamchef Franz Beckenbauer eineinhalb freie Tage, die Spieler erkundeten die Gegend. Und die, die sie schon kannten, gaben Insidertipps. Lothar Matthäus ging zu seinem Friseur und meldete: "25 Minuten haben wir nur über Fußball geredet! Zum Glück hat er mir vor Begeisterung nicht das Ohr abgeschnitten." Die Frankfurter Uwe Bein und Andreas Möller umrundeten mit dem Auto den Comer See, Jürgen Klinsmann lud Guido Buchwald in sein Haus ein, wo es sich schon 30 Kumpels aus der schwäbischen Heimat gemütlich gemacht hatten. Andere erhielten Besuch von ihren Frauen und Kindern, die ganz in der Nähe untergebracht waren. "So ist es einfach viel besser, die Spieler brauchen Abwechslung", erklärte der Kaiser.

Ab Dienstag, 14 Uhr, galt der Fokus dann jedoch dem großen Unbekannten aus der Wüste. Der WM-Neuling hatte gegen Kolumbien 0:2 verloren und gab sich keinen Illusionen hin. "Gegen Deutschland können wir nicht gewinnen", sagte Verbandspräsident Hamdan bin Zayed Al Nayhan, der zugleich Sohn des Scheichs war, der über die Emirate und deren nur 3500 Fußballer herrschte. "Vor 19 Jahren, als unser Staat gegründet wurde, hat es noch keinen einzigen Rasenplatz gegeben." Entsprechend niedrig waren die Ziele in Italien. Die Araber versprachen jedem Torschützen eine Villa oder einen Rolls Royce, an Siege dachten sie weniger.

Beckenbauer war eigens per Hubschrauber nach Bologna geflogen und hatte sie gegen Kolumbien beobachtet. Höflich sagte er nur: "Wir unterschätzen auch die Emirate nicht." Jürgen Klinsmann prophezeite: "Die werden mit Mann und Maus verteidigen und hinten alles verbarrikadieren. Ob es 1:0 oder 8:1 ausgeht, ist mir am Ende egal." Das Achtelfinalticket würde jeder Sieg lösen - alles andere wäre eine Blamage gewesen. Lothar Matthäus fürchtete sogar: "Wenn wir nicht mindestens 5:0 gewinnen, haben wir für einige schon wieder schlecht gespielt." Beckenbauer nominierte dieselbe Elf wie beim Auftakt, was Pierre Littbarski schon geahnt hatte: "Es wird schwer werden, wieder in die Mannschaft zu kommen." Immerhin blieben er und Karlheinz Riedle auf der Bank, wo es ansonsten drei Wechsel gab: Andreas Köpke statt Raimond Aumann, Paul Steiner statt Hans Pflügler und Frank Mill statt Andreas Möller.

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Deutsches "Torgewitter" im San Siro

Spielbericht:

Über San Siro braut sich etwas zusammen. Ein Gewitter liegt an diesem Freitag, an dem die deutschen Fans eigentlich vor allem auf einen Torhagel hoffen, in der Luft. Trotzdem kassieren die Ordner an den Eingängen die Regenschirme ein, die Ausschreitungen vor dem ersten Spiel haben Konsequenzen - auch für die Friedfertigen. Und so wird mancher der 71.167 Zuschauer bis auf die Knochen nass. Auch die Fernsehreporter, bis denen hilfreiche Geister Plastikplanen reichen. Das Spiel wird um 21 Uhr angepfiffen, Heribert Faßbender kommentiert für die ARD, man wird 22 Millionen Zuschauer messen.

Sie sehen in der ersten halben Stunde den fast schon grotesken Kampf des Jürgen Klinsmann um ein Tor. In der siebten Minute schießt er nach einem Torwartfehler am leeren Tor vorbei, in der elften lenkt Keeper Mushin Faraj den Ball über die Latte, in der 27. trifft der Mailänder den Außenpfosten. Das Spiel läuft nur in eine Richtung, aber für das erste Tor muss ein anderer Sorgen: Rudi Völler, der zuvor nach einer weiteren vergebenen Großchance noch von Heribert Faßbender aufgezogen wird: "Mannomann Rudi, so kannst du noch Ehrenbürger von Abu Dhabi werden." Nun macht Völler es besser. Klinsmann verdient sich immerhin einen Scorerpunkt, Völler hält die Fußspitze in seine flache Hereingabe, die er hart bedrängt im Fallen einschießt (35.). Der Bann ist gebrochen, der Spaß beginnt.

Schon zwei Minuten später klappt es auch bei Klinsmann. Fast einen Meter springt er hoch, um Stefan Reuters Rechtsflanke mit dem Kopf zu erreichen. Klinsmann trifft den Ball voll, vom Innenpfosten klatscht er ins Tor. Auf der Tribüne staunt Sören Lerby, Ex-Bayern-Spieler und 1986 noch mit Dänemark gegen die Deutschen am Ball: "Diese Truppe gibt nie nach. Man sieht, dass sie hungrig ist." Selbst in so einem Spiel gegen einen hoffnungslos überforderten Gegner. Mit 2:0 geht es in die Kabinen, worüber alle froh sind, denn das Gewitter hat seinen Höhepunkt erreicht. Thomas Berthold kommt nicht mehr zurück, er hat eine Adduktorenzerrung und bittet um seine Auswechslung, wofür ihn Beckenbauer ausdrücklich lobt: "Das war klug von ihm." Wieder kommt Littbarski zum Zug.

Wie im ersten Spiel kommt die Mannschaft freilich etwas unkonzentriert zurück aufs Feld. Nun fällt das Anschlusstor gar noch früher: Bereits in Minute 46 verlädt Khalid Mubarak nach einem Stellungsfehler von Thomas Häßler mit einem Linksschuss aus spitzem Winkel Bodo Illgner und kassiert dafür einen Rolls Royce vom Scheich. Auch für die Deutschen geht es um etwas, das Achtelfinale ist schon in diesem Spiel möglich und auch Pflicht - für jeden Spieler bedeuten das 100.000 Mark. Sie lassen keine Zweifel aufkommen, dass sie die Prämie schon an diesem Tag sichern werden. Der Kapitän geht voran, per Dropkick trifft Lothar Matthäus nach Andreas Brehmes Linksflanke aus 18 Metern zum 3:1, quasi postwendend (47.). Neun deutsche Tore bislang in diesem Turnier, alle sind sie auf Italien-Legionäre entfallen. Es wird Zeit für das erste "Bundesliga-Tor". Uwe Bein bricht den Bann nach 58 Minuten, dafür nimmt er sogar den "falschen" Fuß und hämmert den Ball, den er zunächst unsauber annimmt, aus 20 Metern mit rechts unter die Latte. 4:1!

Beckenbauer verhilft Riedle zu seinem WM-Debüt und nimmt Klinsmann herunter, der mit Gesten deutlich macht, dass er stinksauer ist - freilich auf sich selbst. Noch im Kabinengang hört man ihn schreien, zu viele Chancen hat der Schwabenpfeil liegen gelassen. Andere eifern ihm nach, auch Völlers Chancenverwertung ist ausbaufähig an diesem Tag. Nach einem Matthäus-Zuspiel tanzt er den Keeper aus, kommt aber zu weit nach außen und trifft nur die Latte.

Längst ist das durchaus unterhaltsame Spiel entschieden, da gibt es noch etwas zu lachen. Littbarskis Ecke findet Völlers Kopf, der Torwart ist überwunden, aber auf der Linie stehen zwei Araber. Der eine wehrt den Ball mit der Hand ab und lenkt ihn zu seinem Mitstreiter, der ihn aus unerfindlichen Gründen ins eigene Tor schießt. Kurios: Wieder wird Völler das Tor zugesprochen. "Der Rudi schießt immer so dubiose Tore", witzelt Co-Kommentator Karl-Heinz Rummenigge, vier Jahre zuvor noch sein Sturmpartner in Mexiko. Dabei belassen es die Deutschen.

Andreas Brehme handelt sich seine zweite Gelbe Karte ein, für die sich der Schiedsrichter bei ihm entschuldigt: "Sorry, es bleibt mir nichts anderes übrig." Der Russe ahnt nicht, wie sehr das Brehme passt. Er fehlt nun nur im nächsten, schon unbedeutenden Spiel gegen Kolumbien. War das etwa Absicht? In seinen Memoiren gibt Brehme das freimütig zu: "Damit waren wir auch schon weiter. Deshalb habe ich mir auch die zweite Gelbe Karte geben lassen, um im Achtelfinale wieder spielen zu können." Auch wenn der Spaß nicht ganz billig gewesen ist: Die FIFA verlangt von jedem gesperrten Spieler 5000 Schweizer Franken. Das spielt keine Rolle, schon nach dem zweiten Spiel ist nicht nur das Achtelfinale, sondern auch der Gruppensieg sicher. Die Festspiele in der Mailänder Fußball-Scala können weitergehen.

Aufstellung: Illgner – Berthold (46. Littbarski), Augenthaler, Buchwald – Reuter, Matthäus, Brehme – Hässler, Bein – Völler, Klinsmann (72. Riedle).

Tore: 1:0 Völler (35.), 2:0 Klinsmann (37.), 2:1 Mubarak (46.), 3:1 Matthäus (47.), 4:1 Bein (58.), 5:1 Völler (74.).

Zuschauer: 71.167 in Mailand.

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"Es hätten noch ein paar Tore mehr werden können"

Stimmen zum Spiel

Franz Beckenbauer (Teamchef): "Ich bin insgesamt sehr zufrieden mit der Leistung meiner Mannschaft, auch wenn es kleine Fehler gegeben hat. Wir haben versucht, die Spieler vor dieser Begegnung etwas unter Druck zu setzen und zu motivieren. Bei dem Gegentor hat die Abwehr wohl doch ein wenig geschlafen."

Thomas Berthold: "Es war schwierig zu spielen wegen des Regens. Es hätten noch ein paar Tore mehr werden können. Wir hätten zwar nervös werden können, dass wir nicht gleich in Führung gegangen sind. Wir haben aber die Ruhe bewahrt, und dann sind die Tore von allein gefallen. Es gibt sicherlich stärkere Mannschaften als die Vereinigten Arabischen Emirate."

Guido Buchwald: "Das war kein richtiger Test. Das war höchstens ein Freundschaftsspiel wie gegen eine Oberligamannschaft."

Uwe Bein: "Ich habe mir den Ball ein bisschen ungeschickt vorgelegt, deshalb musste ich mit rechts schießen. Aber es ging auch so."

Jürgen Klinsmann: "Ich war schwer sauer auf mich. Es hat mich gewurmt, dass ich so viele Torchancen ausgelassen habe. Da habe ich zwei, drei Sätze auf gut Schwäbisch losgelassen."

Carlos Alberto Pareira (Trainer der VA Emirate): "Wir sind aufs Feld gegangen, um unser Bestes zu geben. Dies ist uns gelungen. Wir sind glücklich, dass wir dieses Spiel spielen durften, auf drei oder vier Tore Unterschied kommt es nicht an. Deutschland war einfach zu stark für uns."

Ernst Happel (Ex-Trainer des HSV und der Niederlande): "So gut, wie sich die Deutschen hier in Italien präsentieren, habe ich sie überhaupt noch nicht erlebt. So wird Franz Beckenbauer Weltmeister."

"Bei Blitz und Donner ist Vizeweltmeister Deutschland in das Achtelfinale der WM gestürmt, doch Ladehemmungen verhinderten am Freitagabend im Mailänder Meazza-Stadion einen Rekordsieg. Im Vergleich zum 4:1-Spiel über Jugoslawien wirkte das Beckenbauer-Tem weniger überzeugend, wobei die unbedarfte Emirate-Mannschaft jedoch nie ein echter Prüfstein war." (dpa)

"Ein höherer Sieg war möglich (...) Was Deutschland im Moment so stark macht, ist die Ernsthaftigkeit, mit der sich jeder auf seine Aufgabe besinnt, dabei aber auch um das Wissen um die eigene Klasse." (Kicker)

"Ein großes Match unserer Mannschaft." (Arriyadhiya/VAE)

"Gut gemacht, Jungs." (Khaleej Times/VAE)

"Die Deutschen sezierten ihren Gegner, das Skalpell war dabei fest in der Hand von Matthäus." (Il Tempo/Italien)

"Ital-Germania eröffnet wieder das Feuer." (Tuttosport/Italien)

"Alle Wege Deutschlands führen ins Tor." (Corriere della Serra/Italien)

"Die deutsche Lawine. Es regnete Tore über den Emiraten." (Corriere dello Sport/Italien)

"Was die Mannschaft um Franz Beckenbauer zeigt, grenzt an Perfektion." (Mundo Deportivo/Spanien)

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