50 Jahre Bundesliga: Spielzeit 2001/2002

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu gibt es auf DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 2001/2002.

So spannend wie im Vorjahr konnte es nicht mehr werden, aber dass drei Spiele vor Schluss schon die Luft raus sein würde - das wollte auch niemand. Doch nach Borussia Dormunds Niederlage in Kaiserslautern lag Bayer Leverkusen mit fünf Punkten und 16 Toren – also quasi sechs – vorne. Michael Ballack versicherte: "Ein zweites Unterhaching wird es nicht geben." Gab es doch. Das neue Unterhaching war Nürnberg, wo Bayer am 33. Spieltag die Tabellenführung an den BVB abgab. Seit es drei Punkte für einen Sieg gibt, hat keine Mannschaft sonst je einen solch komfortablen Vorsprung auf der Zielgeraden noch aus der Hand gegeben.

Die Saison 2001/2002 wurde ganz wesentlich von einer Mannschaft geprägt, die alles hätte gewinnen können, aber letztlich nichts gewann. Es war das "Vizekusen-Jahr". Am 4. Mai endete die Bundesligasaison, Bayer wurde Zweiter. Nur Zweiter, hinter dem BVB. Am 11. Mai war das DFB-Pokal-Finale, Bayer wurde Zweiter. Nur Zweiter nach 1:0-Führung gegen Schalke 04. Und am 15. Mai war das Champions-League-Finale gegen Real Madrid. Bayer wurde Zweiter, ehrenhafter Zweiter gegen Real Madrid - aber nach zwei Enttäuschungen war auch die ehrenhafteste Niederlage kein Trost.

Sammer jüngster Meistertrainer aller Zeiten

Nun schrieb die Bild-Zeitung vom "Meister der Schmerzen". Die Welt am Sonntag titelte hintersinnig: "Das Ende keiner Ära". Wieder einmal hatten die Leverkusener unter ihrem neuen Trainer Klaus Toppmöller den besten Fußball gespielt, auf drei Hochzeiten getanzt, bis die Kapelle einpackte, aber mit leeren Händen den Heimweg angetreten. Nun drohte alles zusammenzubrechen. Die Bayern, die ebenfalls ein titelloses Jahr verkraften mussten, lockten die Stars nach München: Michael Ballack und Ze Roberto, die das Spiel des Vizemeisters geprägt hatten, folgten dem Lockruf des Geldes und des Goldes, das Siegern bestimmt ist.

Die Sieger 2001/2002 kamen aus Dortmund. Trainer Matthias Sammer, seit 2000 alleinverantwortlich, hatte den BVB zunächst in die Champions League geführt, nun setzte er einen drauf. Mit 34 avancierte er zum jüngsten Meistertrainer aller Zeiten. Was für Jürgen Klopp heute die Polen sind, waren für Sammer die Tschechen. Der wuselige Spielgestalter Tomas Rosicky und der Zwei-Meter-Hüne Jan Koller stellten die Gegner oft vor unlösbare Probleme.

Aber auch ohne die Samba-Connection wäre es nicht gegangen: gleich vier Brasilianer spielten in der Meistermannschaft. Möglich machte es die neue Ausländerregelung: Statt drei durften nun fünf Nicht-EU-Ausländer mitwirken. Uli Hoeneß fand es richtig: "Ich bin dafür. Wo ist der Unterschied zwischen einem Brasilianer und einem Tschechen?"

Die Stunde der BVB-Brasilianer

Einer der BVB-Brasilianer, Marcio Amoroso, avancierte zum ersten Torschützenkönig aus dem Land des Rekordweltmeisters. Ein anderer, Ewerthon, schoss das wichtigste Tor der Saison: Am 4. Mai war er zunächst Ersatz im Heimspiel gegen die Bremer. Veteran und Banknachbar Jürgen Kohler rief ihm zu: "Junge, wenn du gleich reinkommst, machst du dein Tor."

Kohler war so sicher, dass er ihm immerhin eine Fünf-Euro-Wette anbot. Ewerthon schlug sie aus, aber dann doch zu - auf dem Platz, nach 50 Sekunden. Sein 2:1 gegen Werder war das Tor zur Meisterschaft. Torwart Jens Lehmann sagte: "Die Meisterschaft ist der Lohn für 34-mal konzentrieren, für 34-mal Stress, Freude und Ärger." Das hat freilich jede Mannschaft in jeder Saison. Nur die Schwerpunkte sind variabel.

Einen besonders hohen Stressfaktor hatten die Kölner Verantwortlichen, die zwei Trainer entließen und doch den zweiten Abstieg nicht verhindern konnten. Im Winter avancierten die Kölner zur Lachnummer, als sie über zehn Spiele ohne Tor blieben und so Bundesligageschichte schrieben. Der Minutenzähler stoppte bei 1033.

Kaiserslautern: Mit sieben Siegen zum Startrekord

Bemerkenswert auch der Rekord des 1. FC Kaiserslautern, bei dem Weltmeister Andreas Brehme auf der Bank saß: Die ersten sieben Spiele wurden gewonnen, ein Startrekord eingestellt. Dumm nur, dass es am Ende nicht mal für einen UEFA-Cup-Platz reichte.

Kein Rekord, aber doch ein Novum war das Ausbleiben vereinbarter und folglich eingeplanter Fernsehgelder. Die Insolvenz von Medienpartner Kirch im April 2002 stürzte die Liga in ernste Existenzsorgen, statt 357,9 Millionen flossen nur 278,9 Millionen Euro an die Liga. Eine Ausfallbürgschaft gab es nicht. "Die goldenen Zeiten des Fußballs sind vorbei. Unwiderruflich", schrieb der Kicker.

In diese Saison fiel auch das größte Trauma des neuen Jahrtausends, die Terroranschläge auf die USA am 11. September 2001. Auch die Bundesliga gedachte der Opfer, die Spieler beider Teams bildeten vor dem Anpfiff einen Kreis, und Giovane Elber ließ nach seinem Tor eine imaginäre Friedenstaube steigen. Ausgerechnet in dem Jahr, das um ein Haar einen neuen Zuschauerrekord erbrachte, wurde den Fans deutlich vor Augen geführt, dass Fußball nicht alles ist.

ZAHLEN UND FAKTEN DER 39. BUNDESLIGASAISON

Tore: 893 (2,91 pro Spiel)
Torschützenkönige: Marcio Amoroso (Dortmund), Martin Max (1860 München) - je 18
Zuschauer: 9.500.367 (31.047 pro Spiel)
Meister: Borussia Dortmund
Absteiger: SC Freiburg, 1. FC Köln, FC St. Pauli
Aufsteiger: Hannover 96, Arminia Bielefeld, VfL Bochum
Trainerentlassungen: 5
[um]


[bild1]

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu gibt es auf DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 2001/2002.

So spannend wie im Vorjahr konnte es nicht mehr werden, aber dass drei Spiele vor Schluss schon die Luft raus sein würde - das wollte auch niemand. Doch nach Borussia Dormunds Niederlage in Kaiserslautern lag Bayer Leverkusen mit fünf Punkten und 16 Toren – also quasi sechs – vorne. Michael Ballack versicherte: "Ein zweites Unterhaching wird es nicht geben." Gab es doch. Das neue Unterhaching war Nürnberg, wo Bayer am 33. Spieltag die Tabellenführung an den BVB abgab. Seit es drei Punkte für einen Sieg gibt, hat keine Mannschaft sonst je einen solch komfortablen Vorsprung auf der Zielgeraden noch aus der Hand gegeben.

Die Saison 2001/2002 wurde ganz wesentlich von einer Mannschaft geprägt, die alles hätte gewinnen können, aber letztlich nichts gewann. Es war das "Vizekusen-Jahr". Am 4. Mai endete die Bundesligasaison, Bayer wurde Zweiter. Nur Zweiter, hinter dem BVB. Am 11. Mai war das DFB-Pokal-Finale, Bayer wurde Zweiter. Nur Zweiter nach 1:0-Führung gegen Schalke 04. Und am 15. Mai war das Champions-League-Finale gegen Real Madrid. Bayer wurde Zweiter, ehrenhafter Zweiter gegen Real Madrid - aber nach zwei Enttäuschungen war auch die ehrenhafteste Niederlage kein Trost.

Sammer jüngster Meistertrainer aller Zeiten

Nun schrieb die Bild-Zeitung vom "Meister der Schmerzen". Die Welt am Sonntag titelte hintersinnig: "Das Ende keiner Ära". Wieder einmal hatten die Leverkusener unter ihrem neuen Trainer Klaus Toppmöller den besten Fußball gespielt, auf drei Hochzeiten getanzt, bis die Kapelle einpackte, aber mit leeren Händen den Heimweg angetreten. Nun drohte alles zusammenzubrechen. Die Bayern, die ebenfalls ein titelloses Jahr verkraften mussten, lockten die Stars nach München: Michael Ballack und Ze Roberto, die das Spiel des Vizemeisters geprägt hatten, folgten dem Lockruf des Geldes und des Goldes, das Siegern bestimmt ist.

Die Sieger 2001/2002 kamen aus Dortmund. Trainer Matthias Sammer, seit 2000 alleinverantwortlich, hatte den BVB zunächst in die Champions League geführt, nun setzte er einen drauf. Mit 34 avancierte er zum jüngsten Meistertrainer aller Zeiten. Was für Jürgen Klopp heute die Polen sind, waren für Sammer die Tschechen. Der wuselige Spielgestalter Tomas Rosicky und der Zwei-Meter-Hüne Jan Koller stellten die Gegner oft vor unlösbare Probleme.

Aber auch ohne die Samba-Connection wäre es nicht gegangen: gleich vier Brasilianer spielten in der Meistermannschaft. Möglich machte es die neue Ausländerregelung: Statt drei durften nun fünf Nicht-EU-Ausländer mitwirken. Uli Hoeneß fand es richtig: "Ich bin dafür. Wo ist der Unterschied zwischen einem Brasilianer und einem Tschechen?"

[bild2]

Die Stunde der BVB-Brasilianer

Einer der BVB-Brasilianer, Marcio Amoroso, avancierte zum ersten Torschützenkönig aus dem Land des Rekordweltmeisters. Ein anderer, Ewerthon, schoss das wichtigste Tor der Saison: Am 4. Mai war er zunächst Ersatz im Heimspiel gegen die Bremer. Veteran und Banknachbar Jürgen Kohler rief ihm zu: "Junge, wenn du gleich reinkommst, machst du dein Tor."

Kohler war so sicher, dass er ihm immerhin eine Fünf-Euro-Wette anbot. Ewerthon schlug sie aus, aber dann doch zu - auf dem Platz, nach 50 Sekunden. Sein 2:1 gegen Werder war das Tor zur Meisterschaft. Torwart Jens Lehmann sagte: "Die Meisterschaft ist der Lohn für 34-mal konzentrieren, für 34-mal Stress, Freude und Ärger." Das hat freilich jede Mannschaft in jeder Saison. Nur die Schwerpunkte sind variabel.

Einen besonders hohen Stressfaktor hatten die Kölner Verantwortlichen, die zwei Trainer entließen und doch den zweiten Abstieg nicht verhindern konnten. Im Winter avancierten die Kölner zur Lachnummer, als sie über zehn Spiele ohne Tor blieben und so Bundesligageschichte schrieben. Der Minutenzähler stoppte bei 1033.

Kaiserslautern: Mit sieben Siegen zum Startrekord

Bemerkenswert auch der Rekord des 1. FC Kaiserslautern, bei dem Weltmeister Andreas Brehme auf der Bank saß: Die ersten sieben Spiele wurden gewonnen, ein Startrekord eingestellt. Dumm nur, dass es am Ende nicht mal für einen UEFA-Cup-Platz reichte.

Kein Rekord, aber doch ein Novum war das Ausbleiben vereinbarter und folglich eingeplanter Fernsehgelder. Die Insolvenz von Medienpartner Kirch im April 2002 stürzte die Liga in ernste Existenzsorgen, statt 357,9 Millionen flossen nur 278,9 Millionen Euro an die Liga. Eine Ausfallbürgschaft gab es nicht. "Die goldenen Zeiten des Fußballs sind vorbei. Unwiderruflich", schrieb der Kicker.

In diese Saison fiel auch das größte Trauma des neuen Jahrtausends, die Terroranschläge auf die USA am 11. September 2001. Auch die Bundesliga gedachte der Opfer, die Spieler beider Teams bildeten vor dem Anpfiff einen Kreis, und Giovane Elber ließ nach seinem Tor eine imaginäre Friedenstaube steigen. Ausgerechnet in dem Jahr, das um ein Haar einen neuen Zuschauerrekord erbrachte, wurde den Fans deutlich vor Augen geführt, dass Fußball nicht alles ist.

ZAHLEN UND FAKTEN DER 39. BUNDESLIGASAISON

Tore: 893 (2,91 pro Spiel)
Torschützenkönige: Marcio Amoroso (Dortmund), Martin Max (1860 München) - je 18
Zuschauer: 9.500.367 (31.047 pro Spiel)
Meister: Borussia Dortmund
Absteiger: SC Freiburg, 1. FC Köln, FC St. Pauli
Aufsteiger: Hannover 96, Arminia Bielefeld, VfL Bochum
Trainerentlassungen: 5