35 Jahre Sepp-Herberger-Stiftung: Wie alles begann

Seit 35 Jahren gibt es sie nun schon, die Sepp-Herberger-Stiftung. Am 80. Geburtstag des Alt-Bundestrainers aus der Taufe gehoben, hat sie fraglos vieles bewirkt, was im Sinne der Initiatoren war.

Geht man nach so langer Zeit der Frage nach, wieso Sepp Herberger eigentlich dazu bereit gewesen ist, all sein Vermögen in eine nach ihm benannte Stiftung einfließen zu lassen, kommt dabei heraus: Es war ein Zusammenspiel zwischen DFB und Herberger oder – um in der Fußballersprache zu bleiben – ein Doppelpass.

Die Sachakten im riesigen Herberger-Archiv, das in einem Kellerraum der DFB-Zentrale im Frankfurter Stadtwald lagert, geben Auskunft darüber, wie alles begann. Ende Juli 1970 erhielt Sepp Herberger Besuch von Erwin Himmelseher, einem sportbegeisterten Mann mit sozialem Gewissen. Der frühere Leichtathlet und Handballer – kein Fußballer – etablierte als erster Sportversicherungen und trug sich mit dem Gedanken, wegen der häufigen Verletzungen im Skisport eine Stiftung zu gründen.

Kameradschaft und Hilfsbereitschaft

Mit dem damaligen DFB-Vizepräsidenten Hermann Neuberger war er gut befreundet, und auch der trug sich mit dem Gedanken, eine Stiftung zu gründen. Zu Gunsten des immer populärer werdenden Fußballs freilich – und sie sollte den Namen des Alt-Bundestrainers tragen. Er erschien Neuberger in mehrfacher Hinsicht geeignet dafür. Seine immense Popularität als Architekt des Wunders von Bern war das eine, hinzu kamen die Werte, für die er stand – wie etwa Kameradschaft und Hilfsbereitschaft.

Eine andere Frage, die Neuberger beschäftigte, war die, was aus dem Erbe Herbergers werden sollte. Dessen Ehe mit Ev war kinderlos geblieben, "der Chef" hatte keine direkten Verwandten mehr. Die Sorge, dass das beträchtliche Vermögen und das Haus in Hohensachsen an der Bergstraße inklusive des unersätzliche Schätze bergenden Archivs (361 Leitz-Ordner dokumentieren rund 40 Jahre DFB-Geschichte) in falsche Hände geraten oder gar vernichtet werden könnte, beschäftigte Neuberger. "Und da kam ihm der Gedanke einer Stiftung, gerade im Vorfeld der WM 1974 und 20 Jahre nach Bern", erinnert sich Goetz Eilers, langjähriger Chef-Justiziar des DFB-Bundesgerichts, Kuratoriumsmitglied der Stiftung und Vorsitzender des DFB-Bundesgerichts.

Und zwar nachweislich schon im Sommer 1970, wie ein Brief Herbergers an Neuberger vom 31. Juli belegt: "Lieber Hermann Neuberger, dieser Tage hatte ich den Besuch unseres gemeinsamen Bekannten Erwin Himmelseher. Im Verlauf der Stunden unseres Zusammenseins erfuhr ich gesprächsweise von Gedanken und Plänen, die Sie im Zuge der Vorbereitung auf die WM 1974 heute schon beschäftigen und wobei eine 'Sepp-Herberger-Stiftung' zusammen mit Fritz Walter und Uwe Seeler eine Rolle spielen. Himmelseher ging dann auch auf Einzelheiten ein, die sich recht vielversprechend und überzeugend anhörten, auf die ich aber nicht näher einging, weil ich erst einmal von Ihnen darüber hören wollte."

"In miesen Stunden erst recht an eurer Seite"

Dies ist das erste Dokument im Herberger-Nachlass, in dem von der Stiftung die Rede ist. Vizepräsident Herman Neuberger antwortete am 18. August 1970 wie folgt: "Es stimmt, dass ich auch mit unserem gemeinsamen Bekannten Erwin Himmelseher diesen Komplex schon einmal durchgesprochen habe, um zu eruieren, ob auf dem Versicherungssektor eine breite und günstige Chance liegen könnte, den materiellen Nutzeffekt einer solchen Stiftung zu erreichen bzw. zu erhöhen. Im Rahmen unseres Gesprächs schnitt ich auch das Thema Deiner Archivunterlagen an und bekundete das ausdrückliche Interesse des DFB daran, diese Archivunterlagen möglichst bald aufzukaufen."

Aus dem Brief geht auch hervor, was Herberger eigentlich mit seinem Erbe geplant und entsprechend testamentarisch verfügt hatte. Neuberger bezog sich auf ein Telefonat mit dem "Seppl", wie er ihn nannte: "In diesem Zusammenhang erwähntest Du auch Dein Testament mit dem Teil, der aus dem Verkauf von Dir gehörenden Souvenirs und Ähnliches zu Gunsten einer gewissen Spielergruppe, die unverschuldet in Not geraten sollte, angelegt werden soll. Es würde sich sicher empfehlen, diese und ähnliche Dinge doch mit in die Stiftung einzubringen, die für alle Zeiten Deinen Namen tragen soll. Solltest Du vom Grundsatz her diese Auffassung teilen können, wäre es indes sicher noch notwendig, Dein derzeit bestehendes Testament in diese Richtung hinein zu ändern."

Der karitative Gedanke, den Herbergers Testament in noch etwas engerem Rahmen gesteckt hatte, bedurfte noch eines Multiplikators, damit die geplante Stiftung vom Ministerium für Kultus, Bildung und Sport des Saarlands genehmigt werden konnte. Herbergers Sorge galt auch nach seiner Amtszeit seinen "Männern". Zur Feierstunde seines 80. Geburtstags forderte er sie noch einmal auf, sich per Handzeichen zu melden, und Dutzende Hände gingen nach oben. Sie waren seine Familie. Was er 1953 Fritz Walter und den Kaiserslauterern in anderem, rein sportlichen Zusammenhang schrieb ("Ihr wisst, dass ich in miesen Stunden erst recht an eurer Seite bin"), galt auch für die Zeit nach dem letzten Abpfiff.

Berner Helden wurden im Testament bedacht

Walter wurde im Testament mit 3000 D-Mark bedacht, die anderen Berner Helden mit 1000 und selbst die Söhne des verstorbenen Richard Hermann mit je 500 Mark. Aber eine Stiftung muss mehr tun, dem Gemeinwohl der großen Fußballfamilie dienen - und das nachhaltig. Bis es so weit war, vergingen noch ein paar Jahre. Es wurden noch ein paar Briefe geschrieben, etwa an den Steuerberater, der Herberger am 29. Januar 1976 riet: "Wenn Sie eine Stiftung machen, muß dies in Schriftform erfolgen, und es muß dabei besonders hervorgehoben werden, dass irgendwelche Steuern (Schenkungssteuern), die gegebenenfalls anfallen können, aus der Stiftung bezahlt werden müssen."

Auch die deutliche Erhöhung seiner Pension durch den DFB mag die Dinge befördert haben, Herberger deutete so etwas an. Jedenfalls war er mit künftig 5000 Mark im Monat "dankbar einverstanden". Am 16. Februar 1976 ist dann in einem Neuberger-Brief an Herberger endlich davon die Rede, "dass Du Dein grundsätzliches Einverständnis dafür gegeben hast, der von uns beabsichtigten Stiftung Deinen Namen zur Verfügung zu stellen. Der Zweck dieser Stiftung soll möglichst breit angelegt werden."

Neuberger zählte sechs Punkte auf, die bis heute Gültigkeit haben und Eingang in die Satzung vom 26. November 1976 fanden. Im Mai 1976 setzte Herberger "als Zeichen meines guten Willens" sein Testament außer Kraft, noch war aber nicht alles geklärt. Wohin mit dem Archiv, was wird aus dem Haus?

Schicksal verhinderte aktiven Beitrag des Weltmeistertrainers

"In der Frage Museum oder Ausstellung bin ich für das Erstere. Es soll alles – das ist der Wunsch von uns beiden hier – so bleiben wie es ist. Unser Haus ist zu unseren Lebzeiten schon zu einem Museum unserer Anhänger und Verehrer aus nah und fern geworden." Bis zum Tod seiner Frau, die ihn zwölf Jahre überlebte, wurde dieser Wunsch respektiert.

Das Schicksal wollte es nicht, dass Sepp Herberger aktiv noch etwas zum Gelingen der ersten Fußball-Stiftung in Deutschland unter dem Dach des DFB beitragen konnte. Doch durch seine "Männer" lebte und lebt ihr Geist fort. Fritz Walter und Horst Eckel oder Uwe Seeler besuchten Justizvollzugsanstalten, später auch Nationalspieler, die nicht mehr unter ihm "dienten" wie Weltmeister Andreas Brehme oder aktuell Oliver Kahn.

Wer Sepp Herberger war, das aber weiß noch heute jeder, der in Deutschland Fußball spielt. Auch dank der Stiftung, die bis in die untersten Klassen hinein wirkt.

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Seit 35 Jahren gibt es sie nun schon, die Sepp-Herberger-Stiftung. Am 80. Geburtstag des Alt-Bundestrainers aus der Taufe gehoben, hat sie fraglos vieles bewirkt, was im Sinne der Initiatoren war.

Geht man nach so langer Zeit der Frage nach, wieso Sepp Herberger eigentlich dazu bereit gewesen ist, all sein Vermögen in eine nach ihm benannte Stiftung einfließen zu lassen, kommt dabei heraus: Es war ein Zusammenspiel zwischen DFB und Herberger oder – um in der Fußballersprache zu bleiben – ein Doppelpass.

Die Sachakten im riesigen Herberger-Archiv, das in einem Kellerraum der DFB-Zentrale im Frankfurter Stadtwald lagert, geben Auskunft darüber, wie alles begann. Ende Juli 1970 erhielt Sepp Herberger Besuch von Erwin Himmelseher, einem sportbegeisterten Mann mit sozialem Gewissen. Der frühere Leichtathlet und Handballer – kein Fußballer – etablierte als erster Sportversicherungen und trug sich mit dem Gedanken, wegen der häufigen Verletzungen im Skisport eine Stiftung zu gründen.

Kameradschaft und Hilfsbereitschaft

Mit dem damaligen DFB-Vizepräsidenten Hermann Neuberger war er gut befreundet, und auch der trug sich mit dem Gedanken, eine Stiftung zu gründen. Zu Gunsten des immer populärer werdenden Fußballs freilich – und sie sollte den Namen des Alt-Bundestrainers tragen. Er erschien Neuberger in mehrfacher Hinsicht geeignet dafür. Seine immense Popularität als Architekt des Wunders von Bern war das eine, hinzu kamen die Werte, für die er stand – wie etwa Kameradschaft und Hilfsbereitschaft.

Eine andere Frage, die Neuberger beschäftigte, war die, was aus dem Erbe Herbergers werden sollte. Dessen Ehe mit Ev war kinderlos geblieben, "der Chef" hatte keine direkten Verwandten mehr. Die Sorge, dass das beträchtliche Vermögen und das Haus in Hohensachsen an der Bergstraße inklusive des unersätzliche Schätze bergenden Archivs (361 Leitz-Ordner dokumentieren rund 40 Jahre DFB-Geschichte) in falsche Hände geraten oder gar vernichtet werden könnte, beschäftigte Neuberger. "Und da kam ihm der Gedanke einer Stiftung, gerade im Vorfeld der WM 1974 und 20 Jahre nach Bern", erinnert sich Goetz Eilers, langjähriger Chef-Justiziar des DFB-Bundesgerichts, Kuratoriumsmitglied der Stiftung und Vorsitzender des DFB-Bundesgerichts.

Und zwar nachweislich schon im Sommer 1970, wie ein Brief Herbergers an Neuberger vom 31. Juli belegt: "Lieber Hermann Neuberger, dieser Tage hatte ich den Besuch unseres gemeinsamen Bekannten Erwin Himmelseher. Im Verlauf der Stunden unseres Zusammenseins erfuhr ich gesprächsweise von Gedanken und Plänen, die Sie im Zuge der Vorbereitung auf die WM 1974 heute schon beschäftigen und wobei eine 'Sepp-Herberger-Stiftung' zusammen mit Fritz Walter und Uwe Seeler eine Rolle spielen. Himmelseher ging dann auch auf Einzelheiten ein, die sich recht vielversprechend und überzeugend anhörten, auf die ich aber nicht näher einging, weil ich erst einmal von Ihnen darüber hören wollte."

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"In miesen Stunden erst recht an eurer Seite"

Dies ist das erste Dokument im Herberger-Nachlass, in dem von der Stiftung die Rede ist. Vizepräsident Herman Neuberger antwortete am 18. August 1970 wie folgt: "Es stimmt, dass ich auch mit unserem gemeinsamen Bekannten Erwin Himmelseher diesen Komplex schon einmal durchgesprochen habe, um zu eruieren, ob auf dem Versicherungssektor eine breite und günstige Chance liegen könnte, den materiellen Nutzeffekt einer solchen Stiftung zu erreichen bzw. zu erhöhen. Im Rahmen unseres Gesprächs schnitt ich auch das Thema Deiner Archivunterlagen an und bekundete das ausdrückliche Interesse des DFB daran, diese Archivunterlagen möglichst bald aufzukaufen."

Aus dem Brief geht auch hervor, was Herberger eigentlich mit seinem Erbe geplant und entsprechend testamentarisch verfügt hatte. Neuberger bezog sich auf ein Telefonat mit dem "Seppl", wie er ihn nannte: "In diesem Zusammenhang erwähntest Du auch Dein Testament mit dem Teil, der aus dem Verkauf von Dir gehörenden Souvenirs und Ähnliches zu Gunsten einer gewissen Spielergruppe, die unverschuldet in Not geraten sollte, angelegt werden soll. Es würde sich sicher empfehlen, diese und ähnliche Dinge doch mit in die Stiftung einzubringen, die für alle Zeiten Deinen Namen tragen soll. Solltest Du vom Grundsatz her diese Auffassung teilen können, wäre es indes sicher noch notwendig, Dein derzeit bestehendes Testament in diese Richtung hinein zu ändern."

Der karitative Gedanke, den Herbergers Testament in noch etwas engerem Rahmen gesteckt hatte, bedurfte noch eines Multiplikators, damit die geplante Stiftung vom Ministerium für Kultus, Bildung und Sport des Saarlands genehmigt werden konnte. Herbergers Sorge galt auch nach seiner Amtszeit seinen "Männern". Zur Feierstunde seines 80. Geburtstags forderte er sie noch einmal auf, sich per Handzeichen zu melden, und Dutzende Hände gingen nach oben. Sie waren seine Familie. Was er 1953 Fritz Walter und den Kaiserslauterern in anderem, rein sportlichen Zusammenhang schrieb ("Ihr wisst, dass ich in miesen Stunden erst recht an eurer Seite bin"), galt auch für die Zeit nach dem letzten Abpfiff.

Berner Helden wurden im Testament bedacht

Walter wurde im Testament mit 3000 D-Mark bedacht, die anderen Berner Helden mit 1000 und selbst die Söhne des verstorbenen Richard Hermann mit je 500 Mark. Aber eine Stiftung muss mehr tun, dem Gemeinwohl der großen Fußballfamilie dienen - und das nachhaltig. Bis es so weit war, vergingen noch ein paar Jahre. Es wurden noch ein paar Briefe geschrieben, etwa an den Steuerberater, der Herberger am 29. Januar 1976 riet: "Wenn Sie eine Stiftung machen, muß dies in Schriftform erfolgen, und es muß dabei besonders hervorgehoben werden, dass irgendwelche Steuern (Schenkungssteuern), die gegebenenfalls anfallen können, aus der Stiftung bezahlt werden müssen."

Auch die deutliche Erhöhung seiner Pension durch den DFB mag die Dinge befördert haben, Herberger deutete so etwas an. Jedenfalls war er mit künftig 5000 Mark im Monat "dankbar einverstanden". Am 16. Februar 1976 ist dann in einem Neuberger-Brief an Herberger endlich davon die Rede, "dass Du Dein grundsätzliches Einverständnis dafür gegeben hast, der von uns beabsichtigten Stiftung Deinen Namen zur Verfügung zu stellen. Der Zweck dieser Stiftung soll möglichst breit angelegt werden."

Neuberger zählte sechs Punkte auf, die bis heute Gültigkeit haben und Eingang in die Satzung vom 26. November 1976 fanden. Im Mai 1976 setzte Herberger "als Zeichen meines guten Willens" sein Testament außer Kraft, noch war aber nicht alles geklärt. Wohin mit dem Archiv, was wird aus dem Haus?

Schicksal verhinderte aktiven Beitrag des Weltmeistertrainers

"In der Frage Museum oder Ausstellung bin ich für das Erstere. Es soll alles – das ist der Wunsch von uns beiden hier – so bleiben wie es ist. Unser Haus ist zu unseren Lebzeiten schon zu einem Museum unserer Anhänger und Verehrer aus nah und fern geworden." Bis zum Tod seiner Frau, die ihn zwölf Jahre überlebte, wurde dieser Wunsch respektiert.

Das Schicksal wollte es nicht, dass Sepp Herberger aktiv noch etwas zum Gelingen der ersten Fußball-Stiftung in Deutschland unter dem Dach des DFB beitragen konnte. Doch durch seine "Männer" lebte und lebt ihr Geist fort. Fritz Walter und Horst Eckel oder Uwe Seeler besuchten Justizvollzugsanstalten, später auch Nationalspieler, die nicht mehr unter ihm "dienten" wie Weltmeister Andreas Brehme oder aktuell Oliver Kahn.

Wer Sepp Herberger war, das aber weiß noch heute jeder, der in Deutschland Fußball spielt. Auch dank der Stiftung, die bis in die untersten Klassen hinein wirkt.