3:4 gegen Italien: "Das Spiel des Jahrhundert"

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

17. Juni in Mexiko City - WM-Halbfinale: Deutschland - Italien 3:4 n.V.

Vor dem Spiel:

Das Viertelfinale gegen England hatte die Mannschaft stark beansprucht. "Was jetzt kommt, ist ein Kräftespiel, dem nur Superathleten gewachsen sind. Woher sollen wir gegen Italien noch die Kraft nehmen?" gab sich Uwe Seeler ungewohnt pessimistisch. Gerd Müller bat: "Morgen mag ich nicht trainieren, ich bin bedient." Wie Franz Beckenbauer und Seeler hatte er einen "Pferdekuss" aus dem England-Spiel mitgenommen. Zwar setzt Professor Schoberth die Spieler wieder ins Thermalbad, aber Zweifel lassen sich nicht einfach abwaschen. "Ich habe große Sorgen, was das Halbfinale angeht. Die Mannschaft ist ausgeblutet. Ich weiß nicht, ob wir so einen Kampf noch mal packen", unkte Bundestrainer Helmut Schön. Die Umstände waren in der Tat nicht sehr ermutigend, nicht nur wegen Höttges' Ausfall, dessen Knie ein farbiges Andenken von Bobby Charlton trug.

Erst nach dem Viertelfinale erfuhren die Deutschen, wohin sie der Weg führen sollte: nach Mexiko-City! Eigentlich hatten sie mit Guadalajara gerechnet. Aber mit der Begründung, dass dann nur einer der vier Halbfinalisten reisen müsste, wurde das Spiel gegen Italien von der FIFA in die Hauptstadt gelegt. Nach drei Wochen hieß es Abschied nehmen von Comanjilla, wo sich alle sehr wohl gefühlt hatten.

Die besagten Reisenden waren also die Deutschen, die einen Tag vor dem Spiel von Leon eine Stunde mit einem Charterflieger der Lufthansa nach Mexiko City flogen und dann zwei Stunden mit dem Bus weiter hinauf nach Puebla fuhren, wo sie im "Haus der Engel" Quartier bezogen. Die Hauptstadt war 135 Kilometer entfernt von Puebla und lag rund 2240 Meter hoch, Leon 1900 Meter. Die Luft für die Deutschen wurde buchstäblich noch dünner. Gerd Müller freute sich aber über die schneebedeckten Berggipfel, die das Panorama bildeten. "Fast wie zuhause, wenn es nicht so warm wäre", scherzte der Torjäger des FC Bayern. Zuhause aber muss keiner vier Stunden auf eine Telefonverbindung warten wie Helmut Haller, auch Horst Wolter und Siggi Held kamen nicht durch nach Deutschland.

Am Spieltag waren es schon bei der Abfahrt 32 Grad Celsius, stickige Luft drückte im Bus auf die Stimmung. Mit einer Polizeieskorte traf die deutsche Auswahl um 12.15 Uhr Ortszeit an jenem Mittwoch in Mexiko City ein, wo die Italiener schon seit dem Viertelfinale gegen Mexiko Quartier bezogen hatten. Sie waren nicht nur deshalb im Vorteil: Ihr Spiel war nicht in die Verlängerung gegangen, und sie hatten sich schon akklimatisiert, denn Mexiko City liegt 600 Meter höher (2200 Meter) als Leon. Im Übrigen hatte der amtierende Europameister seit 1939 nicht mehr gegen die Deutschen verloren und war damals seit 17 Länderspielen ungeschlagen. Trainer Feruccio Valcareggi freute sich schon: "Die Deutschen sind uns als Halbfinalgegner angenehmer als England."

Der Anpfiff war für 16 Uhr Ortszeit angesetzt, für die Zuschauer in der Heimat wurde es eine Nachtschicht - hier begann das Drama um 23 Uhr. Helmut Schön baute die siegreiche Elf auf drei Positionen um, wobei nur Willi Schulz seinen Einsatz einer Verletzung verdankte - der von Horst-Dieter Höttges. Zudem spielte Bernd Patzke für Klaus Fichtel, und Jürgen Grabowski, der bisher in allen Spielen als Joker zum Einsatz gekommen war, verdrängte Stan Libuda. Bei den Italienern fehlte überraschend Gianni Rivera, Europas Fußballer des Jahres 1969, den Beckenbauer beschatten sollte. Für ihn spielte Sandro Mazzola. Ansonsten vertraute Valcareggi der Elf, die die Mexikaner 4:1 geschlagen hatte: Vier Profis von Überraschungsmeister Cagliari, sechs Mailänder und ein Turiner bildeten die Squadra Azzura. Karl-Heinz Schnellinger kannte sie alle, auch er war 1970 ein Mailänder und musste schon vor dem Anpfiff sein Ersatztrikot tauschen. Es waren die letzten Herzlichkeiten, die die Italiener erfuhren an diesem Tag. Die große Mehrheit der Zuschauer, offiziell wurden 102.444 gezählt, buhte sie bei der Verlesung der Namen aus. Die Quittung für den Sieg gegen Mexiko und die schlechten Spiele zuvor.

Für die Deutschen hatten sie nur Beifall übrig. Auf einer Bande direkt neben der Eckfahne stand: "Alemania Willkommen!" Einige Deutsche warfen zudem Blumen ins Publikum und eroberten weitere Herzen. Bei den Nationalhymnen sang keiner, weder hüben noch drüben. In Deutschland war die Zeit des linken Aufbruchs, der Studentenunruhen und der APO - und nicht die des Patriotismus. Aber es war der 17. Juni, Tag der Deutschen Einheit, und die Spieler wussten, dass ihnen auch in der DDR viele Menschen zusahen.

Im Westen saßen rund 35 Millionen Menschen vor den TV-Geräten, um ARD-Reporter Ernst Huberty zu lauschen und der Elf von Kapitän Uwe Seeler die Daumen zu drücken. Zwei junge Männer aus Franken ließen dafür sogar ihr Unfallauto am Straßenrand stehen und rannten in die nächstbeste Kneipe mit Fernsehgerät. In Rom ließ ein Taxifahrer eine Schwangere im Wagen zurück, um die Übertragung sehen zu können. Als er zurückkam, waren sie zu dritt. Das gigantische Spiel rechtfertigte fast alle Sünden.

Fußball-Epos im Azteken-Stadion

Spielbericht:

Es beginnt mit Donner. Ein Gewitter kündigt sich an, und die Journalisten registrieren besorgt, dass die Tropfen auch auf ihre Schreibmaschinen fallen. Auf dem Platz begrüßen sie jede Abkühlung. Es folgt der Anpfiff eines Spiels, das Geschichte schreiben wird. Das so viele Chancen produziert, dass der Kicker vom 18. Juni 1970 damals mit einer Seite nicht auskommt.

Zunächst ist es kein gutes Spiel. Nicht immer belebt ein frühes Tor ein Fußballspiel. Jedenfalls nicht, wenn es für Italiener fällt. Nach sieben Minuten gelingt Roberto Boninsegna aus 20 Metern mit links das 0:1, und das reicht den Italienern in jenen Tagen - meistens. Sie schinden Zeit, der mexikanische Schiedsrichter Arturo Yamasaki tut nichts dagegen und die Sonne brennt unbarmherzig. Besonders für die, die ein Tor aufholen müssen. Weil meist kein Durchkommen ist, versuchen es die Deutschen oft mit Weitschüssen. Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Wolfgang Overath, sogar Verteidiger Berti Vogts - Glück hat keiner. Gefährlich ist auch ein Schuss des erstmals von Beginn an aufgebotenen Grabowski, den Enrico Albertosi über die Latte lenkt. Luigi Riva sieht eine von sechs Gelben Karten (vier für Italien), als er mit gestrecktem Bein Seeler in die Parade fährt.

In der Halbzeit kommt Libuda für Hannes Löhr, der seine weißen Glückssocken erstmals nicht trägt, worauf er seine schwache Leistung später zurückführen wird. Abwehrchef Schnellinger bittet Co-Trainer Jupp Derwall in der Kabine um ein Zeichen, wenn er nach vorne gehen soll - Schön erfährt von dem Geheimabkommen nichts. Wiederanpfiff für einen einzigen Sturmlauf. Overath trifft die Latte, der Schuss des zweiten Jokers Sigfried Held, der Patzke ablöst, wird von Giacinto Facchetti artistisch aus dem Tor geschlagen. Dann wird Beckenbauer zum zweiten Mal im Strafraum gelegt und fällt auf die Schulter, aber der fällige Elfmeterpfiff bleibt wieder aus. Das Einzige, was der Münchner bekommt, ist ein Verband. Seinen rechten Arm trägt er für die nächste Stunde in einer Schlinge. Er hat Schmerzen, muss mit diesem Handicap durchspielen. Seine Haltung erinnert den Reporter des Evening Standard aus England später an einen "verwundeten, besiegten, aber stolzen preußischen Offizier".

"Alemania" kommt es tausendfach von den Rängen. "Die Mexikaner spüren, was hier los ist. Wie sich eine Mannschaft aufbäumt gegen ein fehlendes Tor, gegen das fehlende Glück", sagt Huberty. Als der schon reichlich konfuse Torwart Albertosi Müller anschießt und der Ball auf der Linie tanzt, aber sich wieder vom Tor wegdreht, gibt auch Huberty auf: "Es soll nicht sein." Nun kommt Schnellinger, Derwall hat ihn mit Blicken nach vorne beordert. Schön hat es zwar gesehen, aber nicht verstanden und fragt seinen Assistenten pikiert: "Jupp, mit wem telefonierst du da?" In der Nachspielzeit, als Schön bereits dem Sport-Informations-Dienst an der Bank ein Interview gibt, macht sich das "Ferngespräch" bezahlt. Grabowski flankt von links vor das Tor, und der Mailänder Schnellinger wirft sich mit langem Bein in die Flugbahn des Balles. Er trifft, zum einzigen Mal in seinem Leben, für Deutschland. Hubertys Jubel ist Legende: "Schnellinger! Nein, nein, nein, nein. Schnellinger. 1:1 Der war's. Durch Schnellinger. Unglaublich. Ausgerechnet Schnellinger, werden die Italiener sagen, ausgerechnet Schnellinger. Es ist nicht zu glauben." Auf der Tribüne sagt der Präsident des AC Mailand zu seinem Nebenmann: "Den müssen wir jetzt verkaufen."

In Deutschland schläft niemand. Und wer es doch tut, wird gegen 0.45 Uhr vom Torjubel geweckt. Ein Kaufmann aus der Oberpfalz büßt dabei sein halbes Ohr ein, weil er vor Freude gegen eine Lampe gesprungen ist, welche zersplittert. Ein Redakteur der Bild-Zeitung, der zu Testzwecken an ein EKG angeschlossen worden ist, verzeichnet 139 Herzschläge in dieser Minute. "So erregt hatte sich noch nicht einmal der erste Mensch auf dem Mond gefühlt. Das Herz von Neil Armstrong schlug nur 120-mal in der Minute", stellt das Blatt fest. Dabei kommt das Beste erst noch. Die unglaubliche Verlängerung, vor der die auf dem Platz liegenden Spieler massiert werden. Einige haben Wadenkrämpfe.

Kaum hat sie begonnen, da wird Müller, dessen unerbittlicher Gegenspieler Roberto Rosato ausgewechselt worden ist, munter. Nach einer Ecke schießt er Deutschland in Führung, mit ganz wenig Kraft, aber umso mehr Instinkt. Sein Kullerball nach einem Missverständnis in der Abwehr der Italiener verendet schier hinter der Linie. "Meine Damen und Herren, wenn sie jemals ein echtes Müller-Tor gesehen haben, dann jetzt", staunt Huberty, der eben noch gemutmaßt hat, dass eine Steigerung "ja wohl kaum noch möglich ist". Auf dem Platz hat Overath schon das Gefühl, dass die Italiener "sich wirklich aufgegeben" haben, doch lange währt die Freude nicht.

Stürmer Held treibt sich bei einem Freistoß in der eigenen Abwehr herum und wehrt einen Ball stümperhaft mit der Brust vor die Beine von Tarcisio Burgnich - 2:2. Wegen dieses Tores kann sich Gerd Müller das Spiel, "das wir aus eigener Dummheit verloren haben", zeit Lebens nicht mehr anschauen. Nun haben die Italiener wieder Oberwasser, zudem übersiehtder japanisch-stämmige Referee Yamasaki ein Foul an Libuda, im Gegenzug erzielt Riva das 2:3. Mitspieler werden später sagen, Maier hätte den Flachschuss halten müssen. Da stehen sie nun am Anstoßkreis, Müller und Seeler, und Huberty bekommt Mitleid. "Man müsste schon fast von einem Wunder sprechen, wenn es der deutschen Mannschaft wieder gelingen würde, den Ausgleich zu erzielen, dann müsste man sagen, es sind physische Wunderknaben."

Fünf Minuten später sind sie es. Müller ist wieder zur Stelle, diesmal mit dem Haarschopf. Seeler hat mit seinem hochrotem Kopf die Vorlage gegeben, Müller wischt den Ball über die Linie. Doch wer sich beim 3:3 ein Bier aus der Küche geholt hat, nimmt den ersten Schluck, als es schon 3:4 steht. Vom Anstoß weg schlagen die Italiener zu. 14 Sekunden dauert das nur, und kein Deutscher kommt an den Ball, ehe der eingewechselte Rivera den Vorhang für dieses Drama schließt, weil der in die Jahre gekommene Schulz Boninsegnas Flanke nicht verhindern kann. Nun kommt auch diese deutsche Mannschaft nicht mehr heran, sonst hätte es erstmals in der WM-Geschichte einen Losentscheid gegeben über einen Finalisten.

Der Schlusspfiff bei mittlerweile angeschaltetem Flutlicht kommt für die entkräfteten Spieler einer Erlösung gleich, Italiens Angelo Domenghini muss sich sogar übergeben. Die Zuschauer erheben sich von ihren Plätzen, applaudieren mit offenen Mündern. Huberty zieht schon vor dem Spiel um Platz drei Bilanz für die Deutschen: "Ihr seid in Mexiko ganz groß gewesen!"

In Italien, wo man diese Partie nur "das verrückte Spiel" nennt, finden spontane Straßenfeste statt. In Wolfsburg ziehen 2000 Gastarbeiter durch die Straßen und skandieren hämisch "Kartoffel kaputt - Spaghetti schmeckt gut". Sepp Maier dagegen will nie mehr Spaghetti und Pizza essen, so wütend ist er auf die Italiener. Bei anderen fließen die Tränen. Im Kabinengang weint Ersatzspieler Wolfgang Weber, im Bus Vogts - obwohl die jubelnden Mexikaner Spalier stehen. Alle spüren: Sie haben Großes geleistet, und nicht immer muss man dafür siegen. "So unglücklich hat unsere Elf noch nie verloren", findet der Kicker und steht damit nicht allein. Als Helmut Schön zur Pressekonferenz kommt, applaudieren die Journalisten. Dann sagt er: "Ich habe unendlich viel erlebt im Fußball, aber diese Partie gegen Italien war an Spannung nicht zu überbieten." Kollege Valcareggi stöhnt: "Ich bin zu alt für solche Aufregungen."

So oder so ähnlich sprechen sie alle. "Wembley war schon gut, aber das hier war das Größte, was ich bisher erlebt habe", bekennt Beckenbauer. Und Sepp Maier ist vielleicht der erste, der es ausspricht: "Das war das Spiel des Jahrhunderts." Einige Jahre später wird eine Gedenktafel im Azteken-Stadion angebracht, zu Ehren der Darsteller in diesem grandiosen Fußball-Epos. Genauso wie es der Kommentator des mexikanischen Fernsehens schon mit Abpfiff prophezeit hat. "Aber man wird kein Ergebnis nennen, denn das Spiel hatte keinen Sieger und keinen Besiegten." Und als das Jahrhundert zu Ende geht und die FIFA das beste Spiel wählen lässt, das je bei einer WM stattfand, da kommen 50 Legenden des Fußballs zu einem klaren Ergebnis: Italien gegen Deutschland, am 17. Juni 1970 im Azteken-Stadion.

Aufstellung: Maier – Vogts, Schnellinger, Schulz, Patzke (65. Held) – Seeler, Beckenbauer, Overath – Grabowski, Müller, Löhr (52. Libuda).

Tore: 0:1 Boninsegna (8.), 1:1 Schnellinger (90.), 2:1 Müller (94.), 2:2 Burgnich (98.), 2:3 Riva (104.), 3:3 Müller (110.), 3:4 Rivera (111.).

Zuschauer: 102.444 in Mexiko City.

"Das Spiel kann vom Finale nicht übertroffen werden"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Wir haben einige Fehler zu einem Zeitpunkt begangen, als wir das Spiel fest in der Hand zu haben schienen. Wir waren physisch stark genug, uns zu behaupten. Aber unglücklicherweise haben unsere Fehler den Italienern die Möglichkeit gegeben, Tore zu schießen. Trotz allem bin ich mit der Leistung zufrieden. Innerhalb von vier Tagen vier Stunden lang solchen Fußball spielen zu können, dafür kann man sie nicht hoch genug loben. Ich will meine Spieler nur loben, wer kann da noch Fehler kritisieren? Wenigstens jetzt nicht! Ich gratuliere dem Sieger und wünsche ihm für das Endspiel alles Gute."

Franz Beckenbauer: "Wir sind, wie in England, wieder betrogen worden. Beim zweiten Foul gegen mich musste Yamasaki unbedingt Elfmeter geben."

Feruccio Valcareggi (Trainer Italiens): "Ein herrliches Spiel, es hätte am Ende jeder Weltmeisterschaft stehen können. Es wäre schade gewesen, wenn zwischen diesen großartigen Teams das Los entschieden hätte."

Luigi Riva (Italien): "Ich bin mit den Nerven am Ende. Die größte Überraschung war nicht die deutsche Mannschaft, sondern das gegen uns eingestellte Publikum."

Arturo Yamasaki (Schiedsrichter): "Das beste Spiel, das ich je gesehen habe. Ich sah keinen Elfmeter." Einen Tag später: "Jawohl, ich habe einen Fehler gemacht. Als ich später die Fernsehaufzeichnung sah, wurde mir bewusst, dass das Foul an Seeler elfmeterreif war. Es tut mir leid für die deutsche Mannschaft."

Bobby Moore (Kapitän Englands): "Gentlemen, ich denke, wir haben soeben den Höhepunkt der Weltmeisterschaft gesehen."

"Wer es gesehen hat, wird es nie vergessen... Die deutsche 3:4-Niederlage gegen Italien bedeutet eine der größten Leistungen, die der deutsche Fußball je gebracht hat. Enthusiastischer Beifall von 200 internationalen Journalisten rauschte auf, als Helmut Schön den Presseraum betrat. Journalisten pflegen sparsam zu applaudieren. Dieser Beifall aber erschien der Mindesttribut für die Großtaten beider Mannschaften." (FAZ)

"Der Beifall prasselte auf 22 Spieler nieder wie ein Regenguß. Wir dürfen unserer Mannschaft gratulieren, denn sie hat nicht verloren, auch wenn es das Ergebnis so will." (Bild)

"Welch' ein Triumph. Nach einer Zwei-Stunden-Schlacht gegen die Deutschen, die als unschlagbar galten, ist Italien im Finale. Wir brachten die Deutschen zum Leiden, mehr als das die Briten getan hatten. (La Stampa/Italien)

"Wir Italiener sind verdienter Sieger, die Deutschen unverdienter Verlierer." (Corriere della Serra/Italien)

"Alle 102.000 Zuschauer haben gestern das großartigste Ereignis ihres Lebens gesehen." (Il Heraldo/Mexiko)

"Es war die Wiedergeburt des Fußballs im wunderbarsten, dramatischsten und herrlichsten Spiel aller Zeiten." (Excelsior/Mexiko)

"Wie ist es möglich, dass Menschen derartige Energien haben, um in dieser Art und Weise ein so langes Spiel durchzuhalten?" (Les Sports/Belgien)

"Keine Unterhaltung kann soviel bieten. Kein Thriller kann stärkere Effekte haben. Keine Tapferkeit kann besser geschildert werden." (Expressen/Schweden)

"Der Fußball kann wieder erhobenen Hauptes einhergehen. Das Spiel kann vom Finale nicht übertroffen werden." (Evening News/England)

"Franz Beckenbauer, den rechten Arm an die Brust gebunden, verließ das Feld wie ein verwundeter, besiegter, aber stolzer preußischer Offizier. Einer der größten Spieler dieser Weltmeisterschaft wurde bei jedem Schritt umjubelt." (Evening Standard/England)

[um]

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

17. Juni in Mexiko City - WM-Halbfinale: Deutschland - Italien 3:4 n.V.

Vor dem Spiel:

Das Viertelfinale gegen England hatte die Mannschaft stark beansprucht. "Was jetzt kommt, ist ein Kräftespiel, dem nur Superathleten gewachsen sind. Woher sollen wir gegen Italien noch die Kraft nehmen?" gab sich Uwe Seeler ungewohnt pessimistisch. Gerd Müller bat: "Morgen mag ich nicht trainieren, ich bin bedient." Wie Franz Beckenbauer und Seeler hatte er einen "Pferdekuss" aus dem England-Spiel mitgenommen. Zwar setzt Professor Schoberth die Spieler wieder ins Thermalbad, aber Zweifel lassen sich nicht einfach abwaschen. "Ich habe große Sorgen, was das Halbfinale angeht. Die Mannschaft ist ausgeblutet. Ich weiß nicht, ob wir so einen Kampf noch mal packen", unkte Bundestrainer Helmut Schön. Die Umstände waren in der Tat nicht sehr ermutigend, nicht nur wegen Höttges' Ausfall, dessen Knie ein farbiges Andenken von Bobby Charlton trug.

Erst nach dem Viertelfinale erfuhren die Deutschen, wohin sie der Weg führen sollte: nach Mexiko-City! Eigentlich hatten sie mit Guadalajara gerechnet. Aber mit der Begründung, dass dann nur einer der vier Halbfinalisten reisen müsste, wurde das Spiel gegen Italien von der FIFA in die Hauptstadt gelegt. Nach drei Wochen hieß es Abschied nehmen von Comanjilla, wo sich alle sehr wohl gefühlt hatten.

Die besagten Reisenden waren also die Deutschen, die einen Tag vor dem Spiel von Leon eine Stunde mit einem Charterflieger der Lufthansa nach Mexiko City flogen und dann zwei Stunden mit dem Bus weiter hinauf nach Puebla fuhren, wo sie im "Haus der Engel" Quartier bezogen. Die Hauptstadt war 135 Kilometer entfernt von Puebla und lag rund 2240 Meter hoch, Leon 1900 Meter. Die Luft für die Deutschen wurde buchstäblich noch dünner. Gerd Müller freute sich aber über die schneebedeckten Berggipfel, die das Panorama bildeten. "Fast wie zuhause, wenn es nicht so warm wäre", scherzte der Torjäger des FC Bayern. Zuhause aber muss keiner vier Stunden auf eine Telefonverbindung warten wie Helmut Haller, auch Horst Wolter und Siggi Held kamen nicht durch nach Deutschland.

Am Spieltag waren es schon bei der Abfahrt 32 Grad Celsius, stickige Luft drückte im Bus auf die Stimmung. Mit einer Polizeieskorte traf die deutsche Auswahl um 12.15 Uhr Ortszeit an jenem Mittwoch in Mexiko City ein, wo die Italiener schon seit dem Viertelfinale gegen Mexiko Quartier bezogen hatten. Sie waren nicht nur deshalb im Vorteil: Ihr Spiel war nicht in die Verlängerung gegangen, und sie hatten sich schon akklimatisiert, denn Mexiko City liegt 600 Meter höher (2200 Meter) als Leon. Im Übrigen hatte der amtierende Europameister seit 1939 nicht mehr gegen die Deutschen verloren und war damals seit 17 Länderspielen ungeschlagen. Trainer Feruccio Valcareggi freute sich schon: "Die Deutschen sind uns als Halbfinalgegner angenehmer als England."

Der Anpfiff war für 16 Uhr Ortszeit angesetzt, für die Zuschauer in der Heimat wurde es eine Nachtschicht - hier begann das Drama um 23 Uhr. Helmut Schön baute die siegreiche Elf auf drei Positionen um, wobei nur Willi Schulz seinen Einsatz einer Verletzung verdankte - der von Horst-Dieter Höttges. Zudem spielte Bernd Patzke für Klaus Fichtel, und Jürgen Grabowski, der bisher in allen Spielen als Joker zum Einsatz gekommen war, verdrängte Stan Libuda. Bei den Italienern fehlte überraschend Gianni Rivera, Europas Fußballer des Jahres 1969, den Beckenbauer beschatten sollte. Für ihn spielte Sandro Mazzola. Ansonsten vertraute Valcareggi der Elf, die die Mexikaner 4:1 geschlagen hatte: Vier Profis von Überraschungsmeister Cagliari, sechs Mailänder und ein Turiner bildeten die Squadra Azzura. Karl-Heinz Schnellinger kannte sie alle, auch er war 1970 ein Mailänder und musste schon vor dem Anpfiff sein Ersatztrikot tauschen. Es waren die letzten Herzlichkeiten, die die Italiener erfuhren an diesem Tag. Die große Mehrheit der Zuschauer, offiziell wurden 102.444 gezählt, buhte sie bei der Verlesung der Namen aus. Die Quittung für den Sieg gegen Mexiko und die schlechten Spiele zuvor.

Für die Deutschen hatten sie nur Beifall übrig. Auf einer Bande direkt neben der Eckfahne stand: "Alemania Willkommen!" Einige Deutsche warfen zudem Blumen ins Publikum und eroberten weitere Herzen. Bei den Nationalhymnen sang keiner, weder hüben noch drüben. In Deutschland war die Zeit des linken Aufbruchs, der Studentenunruhen und der APO - und nicht die des Patriotismus. Aber es war der 17. Juni, Tag der Deutschen Einheit, und die Spieler wussten, dass ihnen auch in der DDR viele Menschen zusahen.

Im Westen saßen rund 35 Millionen Menschen vor den TV-Geräten, um ARD-Reporter Ernst Huberty zu lauschen und der Elf von Kapitän Uwe Seeler die Daumen zu drücken. Zwei junge Männer aus Franken ließen dafür sogar ihr Unfallauto am Straßenrand stehen und rannten in die nächstbeste Kneipe mit Fernsehgerät. In Rom ließ ein Taxifahrer eine Schwangere im Wagen zurück, um die Übertragung sehen zu können. Als er zurückkam, waren sie zu dritt. Das gigantische Spiel rechtfertigte fast alle Sünden.

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Fußball-Epos im Azteken-Stadion

Spielbericht:

Es beginnt mit Donner. Ein Gewitter kündigt sich an, und die Journalisten registrieren besorgt, dass die Tropfen auch auf ihre Schreibmaschinen fallen. Auf dem Platz begrüßen sie jede Abkühlung. Es folgt der Anpfiff eines Spiels, das Geschichte schreiben wird. Das so viele Chancen produziert, dass der Kicker vom 18. Juni 1970 damals mit einer Seite nicht auskommt.

Zunächst ist es kein gutes Spiel. Nicht immer belebt ein frühes Tor ein Fußballspiel. Jedenfalls nicht, wenn es für Italiener fällt. Nach sieben Minuten gelingt Roberto Boninsegna aus 20 Metern mit links das 0:1, und das reicht den Italienern in jenen Tagen - meistens. Sie schinden Zeit, der mexikanische Schiedsrichter Arturo Yamasaki tut nichts dagegen und die Sonne brennt unbarmherzig. Besonders für die, die ein Tor aufholen müssen. Weil meist kein Durchkommen ist, versuchen es die Deutschen oft mit Weitschüssen. Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Wolfgang Overath, sogar Verteidiger Berti Vogts - Glück hat keiner. Gefährlich ist auch ein Schuss des erstmals von Beginn an aufgebotenen Grabowski, den Enrico Albertosi über die Latte lenkt. Luigi Riva sieht eine von sechs Gelben Karten (vier für Italien), als er mit gestrecktem Bein Seeler in die Parade fährt.

In der Halbzeit kommt Libuda für Hannes Löhr, der seine weißen Glückssocken erstmals nicht trägt, worauf er seine schwache Leistung später zurückführen wird. Abwehrchef Schnellinger bittet Co-Trainer Jupp Derwall in der Kabine um ein Zeichen, wenn er nach vorne gehen soll - Schön erfährt von dem Geheimabkommen nichts. Wiederanpfiff für einen einzigen Sturmlauf. Overath trifft die Latte, der Schuss des zweiten Jokers Sigfried Held, der Patzke ablöst, wird von Giacinto Facchetti artistisch aus dem Tor geschlagen. Dann wird Beckenbauer zum zweiten Mal im Strafraum gelegt und fällt auf die Schulter, aber der fällige Elfmeterpfiff bleibt wieder aus. Das Einzige, was der Münchner bekommt, ist ein Verband. Seinen rechten Arm trägt er für die nächste Stunde in einer Schlinge. Er hat Schmerzen, muss mit diesem Handicap durchspielen. Seine Haltung erinnert den Reporter des Evening Standard aus England später an einen "verwundeten, besiegten, aber stolzen preußischen Offizier".

"Alemania" kommt es tausendfach von den Rängen. "Die Mexikaner spüren, was hier los ist. Wie sich eine Mannschaft aufbäumt gegen ein fehlendes Tor, gegen das fehlende Glück", sagt Huberty. Als der schon reichlich konfuse Torwart Albertosi Müller anschießt und der Ball auf der Linie tanzt, aber sich wieder vom Tor wegdreht, gibt auch Huberty auf: "Es soll nicht sein." Nun kommt Schnellinger, Derwall hat ihn mit Blicken nach vorne beordert. Schön hat es zwar gesehen, aber nicht verstanden und fragt seinen Assistenten pikiert: "Jupp, mit wem telefonierst du da?" In der Nachspielzeit, als Schön bereits dem Sport-Informations-Dienst an der Bank ein Interview gibt, macht sich das "Ferngespräch" bezahlt. Grabowski flankt von links vor das Tor, und der Mailänder Schnellinger wirft sich mit langem Bein in die Flugbahn des Balles. Er trifft, zum einzigen Mal in seinem Leben, für Deutschland. Hubertys Jubel ist Legende: "Schnellinger! Nein, nein, nein, nein. Schnellinger. 1:1 Der war's. Durch Schnellinger. Unglaublich. Ausgerechnet Schnellinger, werden die Italiener sagen, ausgerechnet Schnellinger. Es ist nicht zu glauben." Auf der Tribüne sagt der Präsident des AC Mailand zu seinem Nebenmann: "Den müssen wir jetzt verkaufen."

In Deutschland schläft niemand. Und wer es doch tut, wird gegen 0.45 Uhr vom Torjubel geweckt. Ein Kaufmann aus der Oberpfalz büßt dabei sein halbes Ohr ein, weil er vor Freude gegen eine Lampe gesprungen ist, welche zersplittert. Ein Redakteur der Bild-Zeitung, der zu Testzwecken an ein EKG angeschlossen worden ist, verzeichnet 139 Herzschläge in dieser Minute. "So erregt hatte sich noch nicht einmal der erste Mensch auf dem Mond gefühlt. Das Herz von Neil Armstrong schlug nur 120-mal in der Minute", stellt das Blatt fest. Dabei kommt das Beste erst noch. Die unglaubliche Verlängerung, vor der die auf dem Platz liegenden Spieler massiert werden. Einige haben Wadenkrämpfe.

Kaum hat sie begonnen, da wird Müller, dessen unerbittlicher Gegenspieler Roberto Rosato ausgewechselt worden ist, munter. Nach einer Ecke schießt er Deutschland in Führung, mit ganz wenig Kraft, aber umso mehr Instinkt. Sein Kullerball nach einem Missverständnis in der Abwehr der Italiener verendet schier hinter der Linie. "Meine Damen und Herren, wenn sie jemals ein echtes Müller-Tor gesehen haben, dann jetzt", staunt Huberty, der eben noch gemutmaßt hat, dass eine Steigerung "ja wohl kaum noch möglich ist". Auf dem Platz hat Overath schon das Gefühl, dass die Italiener "sich wirklich aufgegeben" haben, doch lange währt die Freude nicht.

Stürmer Held treibt sich bei einem Freistoß in der eigenen Abwehr herum und wehrt einen Ball stümperhaft mit der Brust vor die Beine von Tarcisio Burgnich - 2:2. Wegen dieses Tores kann sich Gerd Müller das Spiel, "das wir aus eigener Dummheit verloren haben", zeit Lebens nicht mehr anschauen. Nun haben die Italiener wieder Oberwasser, zudem übersiehtder japanisch-stämmige Referee Yamasaki ein Foul an Libuda, im Gegenzug erzielt Riva das 2:3. Mitspieler werden später sagen, Maier hätte den Flachschuss halten müssen. Da stehen sie nun am Anstoßkreis, Müller und Seeler, und Huberty bekommt Mitleid. "Man müsste schon fast von einem Wunder sprechen, wenn es der deutschen Mannschaft wieder gelingen würde, den Ausgleich zu erzielen, dann müsste man sagen, es sind physische Wunderknaben."

Fünf Minuten später sind sie es. Müller ist wieder zur Stelle, diesmal mit dem Haarschopf. Seeler hat mit seinem hochrotem Kopf die Vorlage gegeben, Müller wischt den Ball über die Linie. Doch wer sich beim 3:3 ein Bier aus der Küche geholt hat, nimmt den ersten Schluck, als es schon 3:4 steht. Vom Anstoß weg schlagen die Italiener zu. 14 Sekunden dauert das nur, und kein Deutscher kommt an den Ball, ehe der eingewechselte Rivera den Vorhang für dieses Drama schließt, weil der in die Jahre gekommene Schulz Boninsegnas Flanke nicht verhindern kann. Nun kommt auch diese deutsche Mannschaft nicht mehr heran, sonst hätte es erstmals in der WM-Geschichte einen Losentscheid gegeben über einen Finalisten.

Der Schlusspfiff bei mittlerweile angeschaltetem Flutlicht kommt für die entkräfteten Spieler einer Erlösung gleich, Italiens Angelo Domenghini muss sich sogar übergeben. Die Zuschauer erheben sich von ihren Plätzen, applaudieren mit offenen Mündern. Huberty zieht schon vor dem Spiel um Platz drei Bilanz für die Deutschen: "Ihr seid in Mexiko ganz groß gewesen!"

In Italien, wo man diese Partie nur "das verrückte Spiel" nennt, finden spontane Straßenfeste statt. In Wolfsburg ziehen 2000 Gastarbeiter durch die Straßen und skandieren hämisch "Kartoffel kaputt - Spaghetti schmeckt gut". Sepp Maier dagegen will nie mehr Spaghetti und Pizza essen, so wütend ist er auf die Italiener. Bei anderen fließen die Tränen. Im Kabinengang weint Ersatzspieler Wolfgang Weber, im Bus Vogts - obwohl die jubelnden Mexikaner Spalier stehen. Alle spüren: Sie haben Großes geleistet, und nicht immer muss man dafür siegen. "So unglücklich hat unsere Elf noch nie verloren", findet der Kicker und steht damit nicht allein. Als Helmut Schön zur Pressekonferenz kommt, applaudieren die Journalisten. Dann sagt er: "Ich habe unendlich viel erlebt im Fußball, aber diese Partie gegen Italien war an Spannung nicht zu überbieten." Kollege Valcareggi stöhnt: "Ich bin zu alt für solche Aufregungen."

So oder so ähnlich sprechen sie alle. "Wembley war schon gut, aber das hier war das Größte, was ich bisher erlebt habe", bekennt Beckenbauer. Und Sepp Maier ist vielleicht der erste, der es ausspricht: "Das war das Spiel des Jahrhunderts." Einige Jahre später wird eine Gedenktafel im Azteken-Stadion angebracht, zu Ehren der Darsteller in diesem grandiosen Fußball-Epos. Genauso wie es der Kommentator des mexikanischen Fernsehens schon mit Abpfiff prophezeit hat. "Aber man wird kein Ergebnis nennen, denn das Spiel hatte keinen Sieger und keinen Besiegten." Und als das Jahrhundert zu Ende geht und die FIFA das beste Spiel wählen lässt, das je bei einer WM stattfand, da kommen 50 Legenden des Fußballs zu einem klaren Ergebnis: Italien gegen Deutschland, am 17. Juni 1970 im Azteken-Stadion.

Aufstellung: Maier – Vogts, Schnellinger, Schulz, Patzke (65. Held) – Seeler, Beckenbauer, Overath – Grabowski, Müller, Löhr (52. Libuda).

Tore: 0:1 Boninsegna (8.), 1:1 Schnellinger (90.), 2:1 Müller (94.), 2:2 Burgnich (98.), 2:3 Riva (104.), 3:3 Müller (110.), 3:4 Rivera (111.).

Zuschauer: 102.444 in Mexiko City.

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"Das Spiel kann vom Finale nicht übertroffen werden"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Wir haben einige Fehler zu einem Zeitpunkt begangen, als wir das Spiel fest in der Hand zu haben schienen. Wir waren physisch stark genug, uns zu behaupten. Aber unglücklicherweise haben unsere Fehler den Italienern die Möglichkeit gegeben, Tore zu schießen. Trotz allem bin ich mit der Leistung zufrieden. Innerhalb von vier Tagen vier Stunden lang solchen Fußball spielen zu können, dafür kann man sie nicht hoch genug loben. Ich will meine Spieler nur loben, wer kann da noch Fehler kritisieren? Wenigstens jetzt nicht! Ich gratuliere dem Sieger und wünsche ihm für das Endspiel alles Gute."

Franz Beckenbauer: "Wir sind, wie in England, wieder betrogen worden. Beim zweiten Foul gegen mich musste Yamasaki unbedingt Elfmeter geben."

Feruccio Valcareggi (Trainer Italiens): "Ein herrliches Spiel, es hätte am Ende jeder Weltmeisterschaft stehen können. Es wäre schade gewesen, wenn zwischen diesen großartigen Teams das Los entschieden hätte."

Luigi Riva (Italien): "Ich bin mit den Nerven am Ende. Die größte Überraschung war nicht die deutsche Mannschaft, sondern das gegen uns eingestellte Publikum."

Arturo Yamasaki (Schiedsrichter): "Das beste Spiel, das ich je gesehen habe. Ich sah keinen Elfmeter." Einen Tag später: "Jawohl, ich habe einen Fehler gemacht. Als ich später die Fernsehaufzeichnung sah, wurde mir bewusst, dass das Foul an Seeler elfmeterreif war. Es tut mir leid für die deutsche Mannschaft."

Bobby Moore (Kapitän Englands): "Gentlemen, ich denke, wir haben soeben den Höhepunkt der Weltmeisterschaft gesehen."

"Wer es gesehen hat, wird es nie vergessen... Die deutsche 3:4-Niederlage gegen Italien bedeutet eine der größten Leistungen, die der deutsche Fußball je gebracht hat. Enthusiastischer Beifall von 200 internationalen Journalisten rauschte auf, als Helmut Schön den Presseraum betrat. Journalisten pflegen sparsam zu applaudieren. Dieser Beifall aber erschien der Mindesttribut für die Großtaten beider Mannschaften." (FAZ)

"Der Beifall prasselte auf 22 Spieler nieder wie ein Regenguß. Wir dürfen unserer Mannschaft gratulieren, denn sie hat nicht verloren, auch wenn es das Ergebnis so will." (Bild)

"Welch' ein Triumph. Nach einer Zwei-Stunden-Schlacht gegen die Deutschen, die als unschlagbar galten, ist Italien im Finale. Wir brachten die Deutschen zum Leiden, mehr als das die Briten getan hatten. (La Stampa/Italien)

"Wir Italiener sind verdienter Sieger, die Deutschen unverdienter Verlierer." (Corriere della Serra/Italien)

"Alle 102.000 Zuschauer haben gestern das großartigste Ereignis ihres Lebens gesehen." (Il Heraldo/Mexiko)

"Es war die Wiedergeburt des Fußballs im wunderbarsten, dramatischsten und herrlichsten Spiel aller Zeiten." (Excelsior/Mexiko)

"Wie ist es möglich, dass Menschen derartige Energien haben, um in dieser Art und Weise ein so langes Spiel durchzuhalten?" (Les Sports/Belgien)

"Keine Unterhaltung kann soviel bieten. Kein Thriller kann stärkere Effekte haben. Keine Tapferkeit kann besser geschildert werden." (Expressen/Schweden)

"Der Fußball kann wieder erhobenen Hauptes einhergehen. Das Spiel kann vom Finale nicht übertroffen werden." (Evening News/England)

"Franz Beckenbauer, den rechten Arm an die Brust gebunden, verließ das Feld wie ein verwundeter, besiegter, aber stolzer preußischer Offizier. Einer der größten Spieler dieser Weltmeisterschaft wurde bei jedem Schritt umjubelt." (Evening Standard/England)

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