3:1 gegen Peru: Müller trifft mit rechts, links und dem Kopf

Müllers Hattrick ebnet den Weg

Spielbericht:

An diesem Mittwoch muss Deutschland in den grünen Ausweichtrikots (mit weißer Hose) spielen. Anstoß ist um 16 Uhr in Leon, die ARD überträgt ab 23 Uhr in die deutschen Wohnstuben. Reporter ist wieder Ernst Huberty. Mit Anpfiff ergibt sich ein munteres Spielchen von zwei Mannschaften, die befreit aufspielen können. Stan Libuda unterstreicht seine gute Form und setzt Gerd Müller ein, dessen Kopfball Torwart Luis Rubinos noch zu fassen kriegt. Sepp Maier wird gleich von zwei riskanten Rückgaben - von Karl-Heinz Schnellinger und Wolfgang Overath - gefordert. Bei einem Distanzschuss von Nicolas Fuentes fehlen nur Zentimeter. Dann fällt das 1:0, "wie der Blitz aus heiterem Himmel" (Kicker). Libuda flankt von rechts, Orlandode la Torre verfehlt, Müller nimmt mit der Brust an und spitzelt mit rechts flach ins lange Eck.

Teofilo Cubillas, bisher mit drei WM-Toren aufgefallen, will Müller nacheifern. Aber trotz gewaltiger Ausholbewegung produziert er nur einen Kullerball. Besser macht es - wieder mal - Gerd Müller. Nun wird er von links bedient, Hannes Löhr tanzt seinen Gegenspieler aus und flankt in den Fünf-Meter-Raum. Der "Bomber" ist zur Stelle, jetzt mit links. Fehlt nur noch ein Kopfballtor von Müller, und selbst das kommt. In Minute 38 bedient ihn Zimmerpartner Uwe Seeler mit einer fast schon zu hohen Flanke, Müller erreicht sie trotzdem und köpft unhaltbar ein. Fertig ist der zweite deutsche WM-Hattrick nach Eduard Conen bei der Premiere 1934.

Die Peruaner wollen das nicht akzeptieren, der hohe Rückstand entspricht nicht dem Spielverlauf. In der 44. Minute erhalten sie einen Freistoß an der Strafraumgrenze, und wie gegen die Bulgaren müssen die Deutschen auf diese Weise ein Tor schlucken. Der von Schnellinger abgefälschte Ball kullert geradezu ins Tor, Maier ist auf dem Weg in die andere Ecke. Offiziell hat Cubillas das Tor geschossen.

Die zweite Spielhälfte hat nur noch wenige Höhepunkte auf deutscher Seite. Overath: "Im Vorgefühl des sicheren Sieges ließen wir die Zügel etwas schleifen, und so kamen die Peruaner mächtig auf." Helmut Schön bringt Bernd Patzke für Horst-Dieter Höttges, der offiziell Magenprobleme hat, bis er das selbst dementiert: "Mir fehlt nichts, der Bernd sollte halt auch mal ran! Bloß zuschauen mag doch keiner, der sich für Mexiko präpariert hat", klärt er auf. Es ist ein besonders seltenes Beispiel von Teamgeist.

Die Südamerikaner drängen mit Wiederanpfiff auf den Anschluss, allen voran Cubillas gibt Kostproben seiner Schusskraft ab. Auf der Gegenseite vergeben Müller und Seeler in der 62. Minute die Entscheidung, als sie nacheinander mit Kopfbällen an Rubinas scheitern. Das am besten besuchte Vorrundenspiel von Leon bleibt bis zum Schluss unterhaltsam. Als der mexikanische Referee Abel Aguilar abpfeift, hat Deutschland erstmals alle Vorrundenspiele einer WM gewonnen. Und seine Stammformation gefunden, wie es scheint.

Drei Gründe nennt der Kicker für den Sieg gegen Peru: den ständigen Rhythmuswechsel von Klein-Klein zu Tempofußball, das konsequente Flügelspiel und Gerd Müllers Leistungsexplosion: "All das Zaghafte, das den Münchner Torjäger noch eine Woche zuvor hemmte, ist von ihm abgefallen." Schon nach der Vorrunde hat Müller mit sieben mehr Tore geschossen als je ein anderer Deutscher bei einer gesamten WM. Nach der Rückkehr steigt in Comanjilla eine ausgelassene Party, in deren Verlauf der Bundestrainer in hohem Bogen in den Pool fliegt.

Aufstellung: Maier - Vogts, Schnellinger, Fichtel, Höttges (46. Patzke) - Seeler, Beckenbauer, Overath - Libuda (75. Grabowski), Müller, Löhr.

Tore: 1:0, 2:0, 3:0 Müller (20., 26., 30.), 3:1 Cubillas (43.).

Zuschauer: 17.875 in Leon.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

10. Juni in Leon - WM-Vorrunde: Deutschland - Peru 3:1

Vor dem Spiel:

Der Bundestrainer hatte keinen Grund, etwas zu ändern. Gerd Müllers Oberschenkelzerrung war kein Problem mehr, sein Wackelzahn auch nicht. Nachdem er auf eine Brotkruste gebissen hatte, musste er zu einem Zahnarzt, der sich geehrt fühlte und jegliche Bezahlung verweigerte. Willi Schulz fuhr sogar ins Krankenhaus, "seit Wochen klagt er über einen dumpfen Schmerz in der linken Wade", meldete Masseur Erich Deuser. Doch das Röntgenergebnis bestätigte nur die Diagnose der medizinischen Abteilung. "Nada", sagte die Schwester und lächelte - nichts.

Mancher spekulierte, es sei ein Phantomschmerz, mit dem Schulz seine Ablösung als Abwehrchef nach außen hin verständlich machen wollte. Im WM-Buch des Copress-Verlags steht: "Es war nicht so, daß Schnellinger spielte, weil Schulz verletzt war. Schulz war verletzt, weil Schnellinger spielte." Der Mann, den sie in England noch den "World Cup Willi" nannten, trug schwer an seinem Reservistenlos. Andere wie Manfred Manglitz auch, aber Krach schlug keiner.

Weil das Trainingscamp der Brasilianer auf dem Weg der Deutschen lag, ließ Bundestrainer Helmut Schön eines Tages den Bus halten, und man spionierte den möglichen Viertelfinalgegner ganz legal aus, einige Spieler filmten sogar. Niemand hatte etwas dagegen, die Trainer begrüßten sich herzlich. So verging die Wartezeit bis zum nächsten Spiel, das nicht mehr die ganz große Bedeutung hatte. Beide Mannschaften waren nach je zwei Siegen bereits qualifiziert fürs Viertelfinale, es ging nur noch um den Gruppensieg.

Bei einem Remis hätte das Los entschieden, die Tordifferenz wäre in dem Fall identisch gewesen. "Die Mannschaft vom Bulgarien-Spiel kann auch gegen Peru antreten. Wir wollen Gruppensieger werden, um in Leon zu bleiben", sagte Schön der Presse - in dem Wissen, dass man dann wahrscheinlich gegen die Engländer spielen würde. Was einige seiner Spieler indes nicht wollten.

In seiner Biographie gestand Schön 1978, Spieler wären mit der "Idee" auf ihn zugekommen, gegen Peru zu verlieren, denn "dann machen wir den Gruppenzweiten und kommen gegen Brasilien. Die liegen uns doch mehr als die Engländer." So etwas war mit Sportsmann Schön nicht zu machen. Er schrieb: "Ich weiß noch, daß ich richtig trotzig mit dem Fuß aufstampfte und wie ein störrisches kleines Kind sagte: 'Ich will aber die Engländer haben!'" Er wollte Revanche für Wembley. Mit Peru hatte man noch keinerlei Erfahrung gemacht.

###more###

Müllers Hattrick ebnet den Weg

Spielbericht:

An diesem Mittwoch muss Deutschland in den grünen Ausweichtrikots (mit weißer Hose) spielen. Anstoß ist um 16 Uhr in Leon, die ARD überträgt ab 23 Uhr in die deutschen Wohnstuben. Reporter ist wieder Ernst Huberty. Mit Anpfiff ergibt sich ein munteres Spielchen von zwei Mannschaften, die befreit aufspielen können. Stan Libuda unterstreicht seine gute Form und setzt Gerd Müller ein, dessen Kopfball Torwart Luis Rubinos noch zu fassen kriegt. Sepp Maier wird gleich von zwei riskanten Rückgaben - von Karl-Heinz Schnellinger und Wolfgang Overath - gefordert. Bei einem Distanzschuss von Nicolas Fuentes fehlen nur Zentimeter. Dann fällt das 1:0, "wie der Blitz aus heiterem Himmel" (Kicker). Libuda flankt von rechts, Orlandode la Torre verfehlt, Müller nimmt mit der Brust an und spitzelt mit rechts flach ins lange Eck.

Teofilo Cubillas, bisher mit drei WM-Toren aufgefallen, will Müller nacheifern. Aber trotz gewaltiger Ausholbewegung produziert er nur einen Kullerball. Besser macht es - wieder mal - Gerd Müller. Nun wird er von links bedient, Hannes Löhr tanzt seinen Gegenspieler aus und flankt in den Fünf-Meter-Raum. Der "Bomber" ist zur Stelle, jetzt mit links. Fehlt nur noch ein Kopfballtor von Müller, und selbst das kommt. In Minute 38 bedient ihn Zimmerpartner Uwe Seeler mit einer fast schon zu hohen Flanke, Müller erreicht sie trotzdem und köpft unhaltbar ein. Fertig ist der zweite deutsche WM-Hattrick nach Eduard Conen bei der Premiere 1934.

Die Peruaner wollen das nicht akzeptieren, der hohe Rückstand entspricht nicht dem Spielverlauf. In der 44. Minute erhalten sie einen Freistoß an der Strafraumgrenze, und wie gegen die Bulgaren müssen die Deutschen auf diese Weise ein Tor schlucken. Der von Schnellinger abgefälschte Ball kullert geradezu ins Tor, Maier ist auf dem Weg in die andere Ecke. Offiziell hat Cubillas das Tor geschossen.

Die zweite Spielhälfte hat nur noch wenige Höhepunkte auf deutscher Seite. Overath: "Im Vorgefühl des sicheren Sieges ließen wir die Zügel etwas schleifen, und so kamen die Peruaner mächtig auf." Helmut Schön bringt Bernd Patzke für Horst-Dieter Höttges, der offiziell Magenprobleme hat, bis er das selbst dementiert: "Mir fehlt nichts, der Bernd sollte halt auch mal ran! Bloß zuschauen mag doch keiner, der sich für Mexiko präpariert hat", klärt er auf. Es ist ein besonders seltenes Beispiel von Teamgeist.

Die Südamerikaner drängen mit Wiederanpfiff auf den Anschluss, allen voran Cubillas gibt Kostproben seiner Schusskraft ab. Auf der Gegenseite vergeben Müller und Seeler in der 62. Minute die Entscheidung, als sie nacheinander mit Kopfbällen an Rubinas scheitern. Das am besten besuchte Vorrundenspiel von Leon bleibt bis zum Schluss unterhaltsam. Als der mexikanische Referee Abel Aguilar abpfeift, hat Deutschland erstmals alle Vorrundenspiele einer WM gewonnen. Und seine Stammformation gefunden, wie es scheint.

Drei Gründe nennt der Kicker für den Sieg gegen Peru: den ständigen Rhythmuswechsel von Klein-Klein zu Tempofußball, das konsequente Flügelspiel und Gerd Müllers Leistungsexplosion: "All das Zaghafte, das den Münchner Torjäger noch eine Woche zuvor hemmte, ist von ihm abgefallen." Schon nach der Vorrunde hat Müller mit sieben mehr Tore geschossen als je ein anderer Deutscher bei einer gesamten WM. Nach der Rückkehr steigt in Comanjilla eine ausgelassene Party, in deren Verlauf der Bundestrainer in hohem Bogen in den Pool fliegt.

Aufstellung: Maier - Vogts, Schnellinger, Fichtel, Höttges (46. Patzke) - Seeler, Beckenbauer, Overath - Libuda (75. Grabowski), Müller, Löhr.

Tore: 1:0, 2:0, 3:0 Müller (20., 26., 30.), 3:1 Cubillas (43.).

Zuschauer: 17.875 in Leon.

###more###

"Toreschießen leichter als in der Bundesliga"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön (Bundestrainer): "Unser erstes Spiel haben wir mit einer überzeugenden Leistungssteigerung erreicht. Gegenüber dem Bulgarien-Spiel haben wir uns sogar noch einmal gesteigert. Es war ein gutes, faires Spiel, das sicherlich auch den Zuschauern Spaß gemacht hat."

Jupp Derwall (Co-Trainer): "Es muss erst eine Mannschaft kommen, die unsere in der Kondition übertrifft. Wir haben vor keinem Angst, jeder Spieler weiß, was er kann und was die Mannschaft kann. Die Leistung unserer Mannschaft in der ersten Halbzeit unter solchen Hitzeverhältnissen ist von niemandem zu übertreffen."

Franz Beckenbauer: "Mit unserem Spielsystem haben wir den Gegner so beherrscht, dass der Sieg nie in Gefahr war."

Gerd Müller: "Bis jetzt ist es hier leichter gewesen mit dem Toreschießen als in der Bundesliga."

Uwe Seeler: "Die Rolle gefällt mir. Da kann ich mich austoben. Wer vorne Tore schießt, ist doch letztlich egal."

Didi (Trainer Perus): "Wir wurden von einer großen Mannschaft besiegt, einer Mannschaft, die in dieser Meisterschaft sehr weit kommen wird und die außerdem einen Supertag hatte, weil ihr alles gelang."

Hector Chumpitaz (Kapitän Perus): "Gegen die Taktik der Deutschen - ruhig und überlegend das Spiel verzögernd, dann schnell vorstoßend - kamen wir nicht an."

"Vom Spielerischen her sollte es jetzt eigentlich keinen Zweifel mehr geben, daß an der Formation, die gegen Bulgarien und Peru spielte, keinerlei Änderungen notwendig sind." (Kicker)

"Die peruanische Mannschaft erreichte nicht das Niveau ihrer vorherigen Spiele. Aber das soll keine Entschuldigung für ihre Niederlage sein, denn heute Nachmittag verlor sie gegen eine Supermannschaft." (La Prensa/Lima)

###more###