2:2 gegen Tschechoslowakei: Finalheld Rahn rettet das Remis

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

11. Juni in Helsingborg - zweites WM-Gruppenspiel in Schweden: Deutschland - Tschechoslowakei 2:2

Vor dem Spiel:

Nach dem deutschen Auftaktsieg gegen Argentinien bevölkerten die Schlachtenbummler das Quartier in Bjärred und brachten die Helden um ihre Nachtruhe. "Manche konnten erst gegen Morgen einschlafen", monierte Herberger. Mit der Post aus der Heimat kam auch ein Talisman für Fritz Walter: Die Schauspielerin Hildegard Knef schickte ihm einen "ollen Seebären, ein lustiges kleines Püppchen." Um die Wunden zu pflegen und zu regenieren, nahmen gleich zehn Spieler Erich Deusers Unterwassermassagegerät in Anspruch.

Alle aber wurden nicht fit. Das Argentinien-Spiel forderte seinen Tribut, Herberger nahm zwei Änderungen vor: Für Dortmunds Meister-Kapitän Alfred "Aki" Schmidt und Horst Eckel (beide verletzt) kamen der 19 Jahre alte WM-Debütant Karl-Heinz Schnellinger (von der SG Düren 99) und Linksaußen Berni Klodt in die Elf. Herberger betonte, dass der rechte Läufer Schnellinger (erst ein Länderspiel) und der Kölner Georg Stollenwerk in der Abwehr harmonieren dürften, "beide haben in Düren längere Zeit zusammen trainiert."

Bis zuletzt war der 37-Jährige Fritz Walter fraglich, Hansi Sturm stand Gewehr bei Fuß. Aber der "alte Fritz" bestand das Probetraining am Morgen des Spiels, im Gegensatz zu Schmidt. Die Zufuhr von Heißluft und Deusers Massage taten ihr Übriges, Walter konnte spielen. Letzte Selbstzweifel beseitigte Herbergers Machtwort: "Verlieren Sie jetzt keine weiteren Worte mehr und bereiten Sie sich innerlich auf ihren Einsatz vor."

Die Tschechen standen nach dem 0:1 gegen Nordirland schon mit dem Rücken zur Wand. Trainer Karel Kolsky machte in Optimismus: "Gegen Deutschland klappt es bestimmt besser, sie liegen uns in ihrer Spielart." Herberger erwartete "eine gefährlichen Gegner, wir haben uns entsprechend vorbereitet."



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

11. Juni in Helsingborg - zweites WM-Gruppenspiel in Schweden: Deutschland - Tschechoslowakei 2:2

Vor dem Spiel:

Nach dem deutschen Auftaktsieg gegen Argentinien bevölkerten die Schlachtenbummler das Quartier in Bjärred und brachten die Helden um ihre Nachtruhe. "Manche konnten erst gegen Morgen einschlafen", monierte Herberger. Mit der Post aus der Heimat kam auch ein Talisman für Fritz Walter: Die Schauspielerin Hildegard Knef schickte ihm einen "ollen Seebären, ein lustiges kleines Püppchen." Um die Wunden zu pflegen und zu regenieren, nahmen gleich zehn Spieler Erich Deusers Unterwassermassagegerät in Anspruch.

Alle aber wurden nicht fit. Das Argentinien-Spiel forderte seinen Tribut, Herberger nahm zwei Änderungen vor: Für Dortmunds Meister-Kapitän Alfred "Aki" Schmidt und Horst Eckel (beide verletzt) kamen der 19 Jahre alte WM-Debütant Karl-Heinz Schnellinger (von der SG Düren 99) und Linksaußen Berni Klodt in die Elf. Herberger betonte, dass der rechte Läufer Schnellinger (erst ein Länderspiel) und der Kölner Georg Stollenwerk in der Abwehr harmonieren dürften, "beide haben in Düren längere Zeit zusammen trainiert."

Bis zuletzt war der 37-Jährige Fritz Walter fraglich, Hansi Sturm stand Gewehr bei Fuß. Aber der "alte Fritz" bestand das Probetraining am Morgen des Spiels, im Gegensatz zu Schmidt. Die Zufuhr von Heißluft und Deusers Massage taten ihr Übriges, Walter konnte spielen. Letzte Selbstzweifel beseitigte Herbergers Machtwort: "Verlieren Sie jetzt keine weiteren Worte mehr und bereiten Sie sich innerlich auf ihren Einsatz vor."

Die Tschechen standen nach dem 0:1 gegen Nordirland schon mit dem Rücken zur Wand. Trainer Karel Kolsky machte in Optimismus: "Gegen Deutschland klappt es bestimmt besser, sie liegen uns in ihrer Spielart." Herberger erwartete "eine gefährlichen Gegner, wir haben uns entsprechend vorbereitet."

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2:2 nach 0:2 - Aufholjagd nach der Pause

Spielbericht:

Das Fernsehen überträgt Brasilien gegen England, die Heimat ist auf das Radio angewiesen. Es hat tagsüber geregnet, bei Anpfiff aber ist es trocken. Kein Fritz-Walter-Wetter mehr im Olympiapark von Helsingborg. Trotzdem: Zunächst dominieren die Deutschen. Walter verpasst um Millimeter, Seeler um Zentimeter und Schäfer steht nach Walters Hackentrick im Abseits, als er schon zum Torjubel ansetzen will. Rahns "Bombe" hat ein Tor verdient, Walters Kopfball küsst die Latte, Seeler verzieht wieder - all das passiert in den ersten 20 Minuten.

"Irgendwie lag auf dem deutschen Spiel ein Hauch von bedenklicher, gar zu großer spielerischer Selbstsicherheit", analysiert der Kicker diese Anfangsphase. Plötzlich kommt alles anders. Nach einem zu kurzen Rückspiel von Horst Szymaniak auf Fritz Herkenrath spritzt Pavol Molnar dazwischen, und der Torwart bringt ihn zu Fall. Gegen den wuchtigen Elfmeter ist er chancenlos. Fritz Walter hat weiter Schusspech, auch sein Freistoß landet an der Latte. Nach einem Foul von Stollenwerk an Zikan droht ihm der tschechische Co-Trainer Schläge an, jedenfalls ist die Geste eindeutig. Dazu kommt es nicht, wohl aber zum nächsten Einschlag im deutschen Tor.

Zdenek Zikan, wieder schnell genesen, drückt eine Flanke von rechts im Fünfmeterraum ein, Schnellinger kommt zu spät. Man verzeiht es ihm, nie ist ein deutscher WM-Spieler jünger gewesen (19 Jahre, 69 Tage). Mit 0:2 geht es in die Kabinen. Fritz Walter lässt uns dabei sein: "In der Kabine spricht zunächst keiner ein Wort. Die grenzenlose Enttäuschung steht in allen Gesichtern geschrieben. Endlich bricht Herberger die beklemmende Stille. "Männer, nun lasst die Köpfe nicht hängen! Ihr habt gut gespielt...Glaubt mir, ich sage das nicht nur so dahin. Ich bin wirklich felsenfest davon überzeigt, daß ihr es noch schafft und wenigstens ein Unentschieden herausholt." Walter ist es nicht und flüstert Deuser ins Ohr: "Diesmal verlieren wir!" Doch wie so oft wird der Chef recht bekommen.

Auch wenn der englische Schiedsrichter Arthur Ellis mithilft. Als Uwe Seeler nach einer Ecke aufs Tor köpft, setzt Hans Schäfer nach und fällt mit Torwart Bretislav Dolesji, einem Verteidiger und dem Ball ins Tor - oder doch nicht? Keine Kamera löst es zunächst auf, auch wenn ein Dutzend Fotografen nach der Torentscheidung im Feld (!) steht und Dolesji ablichtet, wie er demonstrativ den Ball auf der Linie festhält. Doch wo ist er vorher gewesen? Der Kicker will es gesehen haben: "An dem Treffer war kein Zweifel!" Die Tschechen haben nun jedenfalls einen Protestgrund. Bis Putte Kock, der schwedische Schiedsrichterobmann, Tage später erklärt, auf einem ihm vorliegenden Spezialfilm sei zu erkennen, dass der Ball in der Luft im Tor war.

Die Deutschen indes haben allen Grund, weiter anzugreifen. Nach 70 Minuten ist wieder Rahn zur Stelle, donnert ein Szymaniak-Zuspiel aus 18 Metern ein. Diesmal wieder mit links. Dennoch geht der mit neuem Mecki-Schnitt verblüffende Rahn nicht gerade glücklich vom Feld, denn kurz darauf vergibt er den Sieg. Die schweren Tore macht er, frei vor Dolesji schießt er diesen indes aus sechs Metern an. Rahn in seinen Memoiren: "In meiner fiebrigen Hast schieße ich daneben. Ich hätte Gras fressen mögen vor Wut." So bleibt es beim gerechten Unentschieden, gegen das die Tschechen doch keinen Protest einlegen. Auch sie wissen: Tatsachenentscheidungen sind heilig.

Aufstellung: Herkenrath - Stollenwerk, Erhardt, Juskowiak - Schnellinger, Szymaniak - Rahn, Fritz Walter, Seeler, Schäfer, Klodt.

Tore: 0:1 Dvorak (24., Foulelfmeter), 0:2 Zikan (43.), 1:2 Schäfer (59.), 2:2 Rahn (70.).

Zuschauer: 23.000 in Helsingborg.

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"Fritz Walter war der großartige Dirigent"

Stimmen zum Spiel:

Sepp Herberger: "Ein großes Spiel! Für mich vielleicht das beste Spiel einer deutschen Nationalmannschaft überhaupt. Das 6:1 über Österreich bei der WM 1954 einmal ausgenommen. Heute stand uns von der ersten bis zur letzten Minute eine Mannschaft von großer Klasse gegenüber. Ohne unsere hervorragende Kondition wäre eine so imponierende Steigerung nicht möglich gewesen. Wir hatten diesmal kein Glück, sonst wäre uns noch ein 3:2-Sieg gelungen und der wäre wohl verdient gewesen. Es war an diesem Tag so viel Positives zu sehen, dass ich jetzt gar keine Kritik üben möchte. Mit Fritz Walter war ich sehr zufrieden."

Karel Kolsky (Trainer der Tschechen): "Auch unsere Mannschaft kämpfte und spielte hervorragend. Es war natürlich ein großer Nachteil für uns, dass unser bester Spieler, unser Läufer Pluskal, angeschlagen wurde und nicht mehr ganz einsatzfähig war. Das Anschlusstor der Deutschen hätte meines Erachtens nicht gegeben werden dürfen. Der Ball hatte die Linie noch nicht überschritten. Fritz Walter war der großartige Dirigent."

Gustav VI. Adolf (König von Schweden): "Es war ein wunderbarer Kampf. Ich bin froh, dass ich gerade dieses Spiel besucht habe."

Peco Bauwens: "Dieses Spiel war ein weiterer Beweis für den vorbildlichen Geist unserer Mannschaft."

Horst Eckel: "In der zweiten Halbzeit waren wir unheimlich stark. Wir kämpften und spielten auch wirklich gut."

Fritz Walter: "Der Vorsprung der Tschechen war vom Spiel her gerechtfertigt. Später aber waren wir dem dritten Tor näher. Die Gegner – gute Sportsleute. Sie waren immer fair."

"Die deutsche Mannschaft hat streckenweise noch besser gespielt als gegen Argentinien. Nur in der Abwehr gab es – besonders in der ersten Halbzeit – einige Unsicherheiten. … Die Tschechoslowaken haben, wie wir es voraussagten, ein großes Mannschaftsspiel gezeigt, das den Teilerfolg auch verdient hat. (FAZ)

"Das Spiel war lehrreich. Es machte Sorge. Aber es gab auch Mut." (Kicker)

"Es gab zwei Gründe, warum wir nicht siegten. Einmal war es die sehr schwache Leistung des Schiedsrichter Ellis, zum anderen das rücksichtslose Spiel der westdeutschen Hintermannschaft, die Pluskal so attackierte, daß der wahrscheinlich nicht mehr antreten kann…Wir haben noch nie solch eine schwache Leistung eines Schiedsrichters gesehen." (Rudé práva/ Prag)

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