2000: Einzige EM-Niederlage gegen England

England gegen Deutschland, diese Paarung gab es schon 36-mal. Seit dem WM-Finale 1966 sprechen wir von einem Klassiker, der am Dienstag (ab 18 Uhr, live in der ARD und bei MagentaTV) zum vierten Mal auf der EM-Bühne aufgeführt wird. DFB.de erinnert an die drei Vorgänger. Heute: Die einzige EM-Niederlage eines DFB-Teams 2000 in Belgien.

Das bis dato letzte EM-Treffen mit England stieg vor 21 Jahren im belgischen Charleroi und brachte beim 0:1 die einzige Niederlage einer deutschen Nationalmannschaft. Nicht nur deshalb sind die Erinnerungen an den 17. Juni 2000 getrübt.

Ausgangslage für beide Teams prekär

Der Klassiker Deutschland und England erhielt durch die Auftaktergebnisse zusätzliche Brisanz. Deutschland hatte den Pflichtsieg gegen Rumänien versäumt (1:1), England gegen Portugal gar verloren (2:3). Eigentlich waren die beiden ersten Gruppenplätze doch für sie reserviert – nun musste einer ausscheiden.

England durfte nicht verlieren, Deutschland besser auch nicht. Zumal der direkte Vergleich bei Punktgleichheit zählte. Die Bild druckte am Spieltag drei Kleeblätter pro Ausgabe in den Nationalfarben - zum Ausschneiden und an den Fernseher kleben. Motto: "Ihr müsst kämpfen, wir sorgen für das Glück." Ein rührender und doch untauglicher Versuch.

Das belgische Städtchen Charleroi sah schon vor der Partie eine Schlacht – die schlimmste des Turniers. Beinahe erwartungsgemäß randalierten englische Hooligans in der Innenstadt. Auch in Brüssel hatten sie zuvor ihr Unwesen getrieben, Passanten belästigt und Gaststätten demoliert. Die Polizeibilanz: 850 Festnahmen in Brüssel und in Charleroi, 56 Verletzte – und 3000 Beamte im Einsatz. Eine lange Kolonne von Wasserwerfern und Panzerfahrzeugen erweckte am Spieltag in Charleroi Gedanken an kriegsähnliche Zustände.

Babbel zum Gegentor: "Ganz klar mein Fehler"

Die Sorgen der deutschen Mannschaft waren da viel banaler. Kapitän Oliver Kahn, nach Oliver Bierhoffs Ausfall (Muskelfaserriss bei einem Trainingsspiel) befördert, sah sich gezwungen, einige Kollegen zu maßregeln, die sich über fehlende Badewannen im Quartier beklagt hatten. "Unwichtig, es geht nur um das Spiel."

Das gestaltete die Mannschaft von Bundestrainer Erich Ribbeck, auf vier Positionen verändert, erfreulich offen. Wie bei der EM 1984 gegen Spanien führte nun ausgerechnet das beste Spiel zu einer 0:1-Niederlage – damals war es das definitive Aus, 2000 das gefühlte. Alan Shearer köpfte nach einem Fehler von Bayern-Verteidiger Markus Babbel, der schlicht nicht bei ihm war, das goldene Tor (53.) nach der einzigen englischen Chance in der zweiten Hälfte.

Die Welt fragte am nächsten Tag: "Wo war Babbel?" Der Sünder gab sich geständig: "Ich war nicht rechtzeitig bei Shearer – ganz klar mein Fehler." Den Freistoß auf Shearer hatte David Beckham getreten, den Christian Ziege ansonsten gut im Griff hatte. Es war nicht alles schlecht an jenem Juni-Samstag, aber es ging schlecht aus.

Jancker vergibt größte Möglichkeit

Das verbesserte DFB-Team, in dem Hertha-Talent Sebastian Deisler seine Chance als Thomas Häßler-Vertreter nutzte und sechs aktuelle und drei ehemalige Spieler von Meister Bayern München standen, konnte ihre Chancen nicht nutzen. Mehmet Scholl hatte den Ausgleich auf dem Fuß und geißelte sich selbst: "Matthias Sammer hat die gleiche Chance 1996 gegen Kroatien rein gemacht. Aber das ist vielleicht der Unterschied zwischen einem ganz großen Spieler und einem normalen."

Die größte Möglichkeit aber vergab Carsten Jancker aus acht Metern nach einem Abpraller, als Torwart David Seaman schon am Boden lag. Nun kam auch noch Pech dazu, aber das wollte keiner hören. Es war eine Epoche, in der die Nationalmannschaft wenig Kredit hatte. Bild kommentierte: "Wir diskutieren zwar immer noch auf dem Niveau eines Weltmeisters, in Wirklichkeit aber sind wir technisch, taktisch und spielerisch schon lange zweitklassig – wenn überhaupt noch."

Ribbeck befand: "Das war eine unverdiente Niederlage, die weh tut. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind wir jetzt draußen." Für diesen Fall hatte er seinen Rücktritt angekündigt, ohnehin endete sein Vertrag am 31. Juli 2000. In den Medien hatte die Nachfolgediskussion schon längst begonnen, nun entbrannte sie voll.  

England-Coach Keegan: "Bin besonders stolz"

In England dagegen feierten sie ausgelassen, es war Balsam auf die Seele nach den traumatischen Erlebnissen am Elfmeterpunkt 1990 und 1996 gegen die Deutschen. "Nach 33 Jahren, zehn Monaten, vier Stunden und 17 Minuten haben wir Deutschland geschlagen", titelte der Sunday Mirror, alle Testspiele nach dem WM-Finale von 1966 ignorierend. Trainer Kevin Keegan, 1979 als Spieler Meister mit dem HSV, jubilierte: "Ich genieße dieses Spiel. Als wir 1966 das letzte Mal gegen die Deutschland gewannen, war ich noch ein Kind. Deswegen bin ich besonders stolz."

Wie wenig der Sieg wert sein sollte, ahnten die Engländer da noch nicht. Drei Tage später nämlich schieden beide Kontrahenten von Charleroi aus.

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England gegen Deutschland, diese Paarung gab es schon 36-mal. Seit dem WM-Finale 1966 sprechen wir von einem Klassiker, der am Dienstag (ab 18 Uhr, live in der ARD und bei MagentaTV) zum vierten Mal auf der EM-Bühne aufgeführt wird. DFB.de erinnert an die drei Vorgänger. Heute: Die einzige EM-Niederlage eines DFB-Teams 2000 in Belgien.

Das bis dato letzte EM-Treffen mit England stieg vor 21 Jahren im belgischen Charleroi und brachte beim 0:1 die einzige Niederlage einer deutschen Nationalmannschaft. Nicht nur deshalb sind die Erinnerungen an den 17. Juni 2000 getrübt.

Ausgangslage für beide Teams prekär

Der Klassiker Deutschland und England erhielt durch die Auftaktergebnisse zusätzliche Brisanz. Deutschland hatte den Pflichtsieg gegen Rumänien versäumt (1:1), England gegen Portugal gar verloren (2:3). Eigentlich waren die beiden ersten Gruppenplätze doch für sie reserviert – nun musste einer ausscheiden.

England durfte nicht verlieren, Deutschland besser auch nicht. Zumal der direkte Vergleich bei Punktgleichheit zählte. Die Bild druckte am Spieltag drei Kleeblätter pro Ausgabe in den Nationalfarben - zum Ausschneiden und an den Fernseher kleben. Motto: "Ihr müsst kämpfen, wir sorgen für das Glück." Ein rührender und doch untauglicher Versuch.

Das belgische Städtchen Charleroi sah schon vor der Partie eine Schlacht – die schlimmste des Turniers. Beinahe erwartungsgemäß randalierten englische Hooligans in der Innenstadt. Auch in Brüssel hatten sie zuvor ihr Unwesen getrieben, Passanten belästigt und Gaststätten demoliert. Die Polizeibilanz: 850 Festnahmen in Brüssel und in Charleroi, 56 Verletzte – und 3000 Beamte im Einsatz. Eine lange Kolonne von Wasserwerfern und Panzerfahrzeugen erweckte am Spieltag in Charleroi Gedanken an kriegsähnliche Zustände.

Babbel zum Gegentor: "Ganz klar mein Fehler"

Die Sorgen der deutschen Mannschaft waren da viel banaler. Kapitän Oliver Kahn, nach Oliver Bierhoffs Ausfall (Muskelfaserriss bei einem Trainingsspiel) befördert, sah sich gezwungen, einige Kollegen zu maßregeln, die sich über fehlende Badewannen im Quartier beklagt hatten. "Unwichtig, es geht nur um das Spiel."

Das gestaltete die Mannschaft von Bundestrainer Erich Ribbeck, auf vier Positionen verändert, erfreulich offen. Wie bei der EM 1984 gegen Spanien führte nun ausgerechnet das beste Spiel zu einer 0:1-Niederlage – damals war es das definitive Aus, 2000 das gefühlte. Alan Shearer köpfte nach einem Fehler von Bayern-Verteidiger Markus Babbel, der schlicht nicht bei ihm war, das goldene Tor (53.) nach der einzigen englischen Chance in der zweiten Hälfte.

Die Welt fragte am nächsten Tag: "Wo war Babbel?" Der Sünder gab sich geständig: "Ich war nicht rechtzeitig bei Shearer – ganz klar mein Fehler." Den Freistoß auf Shearer hatte David Beckham getreten, den Christian Ziege ansonsten gut im Griff hatte. Es war nicht alles schlecht an jenem Juni-Samstag, aber es ging schlecht aus.

Jancker vergibt größte Möglichkeit

Das verbesserte DFB-Team, in dem Hertha-Talent Sebastian Deisler seine Chance als Thomas Häßler-Vertreter nutzte und sechs aktuelle und drei ehemalige Spieler von Meister Bayern München standen, konnte ihre Chancen nicht nutzen. Mehmet Scholl hatte den Ausgleich auf dem Fuß und geißelte sich selbst: "Matthias Sammer hat die gleiche Chance 1996 gegen Kroatien rein gemacht. Aber das ist vielleicht der Unterschied zwischen einem ganz großen Spieler und einem normalen."

Die größte Möglichkeit aber vergab Carsten Jancker aus acht Metern nach einem Abpraller, als Torwart David Seaman schon am Boden lag. Nun kam auch noch Pech dazu, aber das wollte keiner hören. Es war eine Epoche, in der die Nationalmannschaft wenig Kredit hatte. Bild kommentierte: "Wir diskutieren zwar immer noch auf dem Niveau eines Weltmeisters, in Wirklichkeit aber sind wir technisch, taktisch und spielerisch schon lange zweitklassig – wenn überhaupt noch."

Ribbeck befand: "Das war eine unverdiente Niederlage, die weh tut. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind wir jetzt draußen." Für diesen Fall hatte er seinen Rücktritt angekündigt, ohnehin endete sein Vertrag am 31. Juli 2000. In den Medien hatte die Nachfolgediskussion schon längst begonnen, nun entbrannte sie voll.  

England-Coach Keegan: "Bin besonders stolz"

In England dagegen feierten sie ausgelassen, es war Balsam auf die Seele nach den traumatischen Erlebnissen am Elfmeterpunkt 1990 und 1996 gegen die Deutschen. "Nach 33 Jahren, zehn Monaten, vier Stunden und 17 Minuten haben wir Deutschland geschlagen", titelte der Sunday Mirror, alle Testspiele nach dem WM-Finale von 1966 ignorierend. Trainer Kevin Keegan, 1979 als Spieler Meister mit dem HSV, jubilierte: "Ich genieße dieses Spiel. Als wir 1966 das letzte Mal gegen die Deutschland gewannen, war ich noch ein Kind. Deswegen bin ich besonders stolz."

Wie wenig der Sieg wert sein sollte, ahnten die Engländer da noch nicht. Drei Tage später nämlich schieden beide Kontrahenten von Charleroi aus.

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