"20 Jahre, 20 Köpfe": Zwei Frauen packen an

Rund 400.000 Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich für den Fußball. Sie sind Vereinsvorsitzender, Abteilungsleiterin, Jugendleiter oder Schatzmeisterin. Rechnet man die unzähligen freiwilligen Helfer hinzu - den Platzwart, die Betreuerin der Bambinis, den Papa am Grill, die Mama an der Waschmaschine - sind es zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen 1,7 Millionen Menschen, die dafür sorgen, dass der Ball rollt. Die "Aktion Ehrenamt" des Deutschen Fußball-Bundes feiert im Jahr 2017 ihr 20-jähriges Jubiläum. Zwei Jahrzehnte der Unterstützung aller ehrenamtlich und freiwillig Engagierten. "20 Jahre, 20 Köpfe": Im Jubiläumsjahr der "Aktion Ehrenamt" zeigen wir Ihnen einige Verrückte und Vorbilder. Heute: Marlene Leipertz aus Menden und Silvia Wagner aus Kirchehrenbach.

Mit den Männern ist Silvia Wagner immer zurechtgekommen. Na klar, als sie anfing, hatte es diese Bedenken der älteren Vorstandsmitglieder gegeben. Eine Frau als Vorsitzende? Kann die das? "Aber die Skeptiker von damals sind längst meine größten Unterstützer", sagt die 52-jährige Fränkin, die sich im Verein bald durchgesetzt hatte. "Die wissen genau, ich schaue lange zu, aber dann komme ich auch sehr klar auf den Punkt."

Seit acht Jahren ist sie nun also Vorsitzende eines Mehrspartenvereins aus einer 2300-Einwohner Ortschaft auf halber Strecke zwischen Bamberg und Nürnberg. Silvia Wagner hat den TSV Kirchehrenbach nach vorne gebracht. Sie versteckt ihren fränkischen Dialekt nicht und nennt das "komplette Umrumplung des Vereins". Jeder dritte Einwohner ist heute Vereinsmitglied. Das Sportheim hat sie renovieren lassen, Photovoltaik auf dem Dach installiert, eine Sauna eingerichtet. Sie hat frische Ideen. Die Turngruppe für Kinder, bei der es auch um Konzentrationsübungen geht, wird stark nachgefragt. "Lust am Leben" heißt das Motto der Seniorengruppe, in der es um Beweglichkeit, Gedächtnistraining und Krankheitsprävention dreht. Auch Nichtmitglieder können Teilnehmerkarten erwerben. Vom Bayerischen Fußballverband gab’s für den Verein die "Goldene Raute mit Ehre", sie selbst hat der DFB vor zwei Jahren in den "Club 100" eingeladen. Wenn man ihr sagt, sie sei ein seltenes Exemplar, lacht Silvia Wagner und sagt: "Das weiß ich. Ich fühle mich manchmal auch als solches."

Geschlechtersplit beim Ehrenamt

Knapp ein Drittel der Menschen, die sich ehrenamtlich im Sport engagieren, sind Frauen. Von 1,7 Millionen ehrenamtlich tätigen Menschen sind 1,2 Millionen Männer und eine halbe Million Frauen. Bei den festen Ehrenamts-Positionen im Fußball fällt der Geschlechtersplit dramatisch aus: 105.200 Männer bekleiden einen Position gegenüber 8200 Frauen. Am schlimmsten ist das Missverhältnis aber beim Vereinsvorsitz. Auf 20 Männer kommt eine einzige Frau. Man kann die Frauen, die einen Fußballverein als Vorsitzende leiten, nicht an einer Hand abzählen. Aber richtig viele sind es auch nicht.

Silvia Wagner sagt: "Ich war das Sternchen bei allen DFB-Fortbildungen, denn ich war die jüngste und meistens auch die einzige Frau." Auch bei Trainern (5%) und Schiedsrichtern (2,5%) sind Frauen eher selten vertreten. Da mögen die deutschen Frauen achtmalige Europameister sein. Tatsächlich ist Fußball in Deutschland zumindest an den Vorstandstischen immer noch Männersache. Und das obwohl Studien belegen, dass ein höherer Frauenanteil in Sportvorständen Vorteile bringt. In der Theorie ist die Zukunft des Fußballs also längst weiblicher. In der Praxis ist diese Zukunft nur mit großem Optimismus schon erkennbar.

Die alleinerziehende Mutter zweier erwachsener Kinder hat ihre eigene Erklärung für die frappierende Unterrepräsentanz von Frauen in den Fußballvorständen. "Familie und Zeit, daran liegt es", glaubt Silvia Wagner. "Ich war alleinerziehend, musste mich nicht nach einem Mann richten. Die meisten Frauen tun sich eine solche Belastung nicht an. Männer handeln da bis heute mit viel größerer Selbstverständlichkeit. Ein Mann geht arbeiten, dann macht er seinen Sport oder sein Ehrenamt. Die verbleibende Zeit gehört dann der Familie. Bei einer Frau würde der Mann viel früher sagen: 'Musst du denn heute schon wieder weg?'."



Rund 400.000 Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich für den Fußball. Sie sind Vereinsvorsitzender, Abteilungsleiterin, Jugendleiter oder Schatzmeisterin. Rechnet man die unzähligen freiwilligen Helfer hinzu - den Platzwart, die Betreuerin der Bambinis, den Papa am Grill, die Mama an der Waschmaschine - sind es zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen 1,7 Millionen Menschen, die dafür sorgen, dass der Ball rollt. Die "Aktion Ehrenamt" des Deutschen Fußball-Bundes feiert im Jahr 2017 ihr 20-jähriges Jubiläum. Zwei Jahrzehnte der Unterstützung aller ehrenamtlich und freiwillig Engagierten. "20 Jahre, 20 Köpfe": Im Jubiläumsjahr der "Aktion Ehrenamt" zeigen wir Ihnen einige Verrückte und Vorbilder. Heute: Marlene Leipertz aus Menden und Silvia Wagner aus Kirchehrenbach.

Mit den Männern ist Silvia Wagner immer zurechtgekommen. Na klar, als sie anfing, hatte es diese Bedenken der älteren Vorstandsmitglieder gegeben. Eine Frau als Vorsitzende? Kann die das? "Aber die Skeptiker von damals sind längst meine größten Unterstützer", sagt die 52-jährige Fränkin, die sich im Verein bald durchgesetzt hatte. "Die wissen genau, ich schaue lange zu, aber dann komme ich auch sehr klar auf den Punkt."

Seit acht Jahren ist sie nun also Vorsitzende eines Mehrspartenvereins aus einer 2300-Einwohner Ortschaft auf halber Strecke zwischen Bamberg und Nürnberg. Silvia Wagner hat den TSV Kirchehrenbach nach vorne gebracht. Sie versteckt ihren fränkischen Dialekt nicht und nennt das "komplette Umrumplung des Vereins". Jeder dritte Einwohner ist heute Vereinsmitglied. Das Sportheim hat sie renovieren lassen, Photovoltaik auf dem Dach installiert, eine Sauna eingerichtet. Sie hat frische Ideen. Die Turngruppe für Kinder, bei der es auch um Konzentrationsübungen geht, wird stark nachgefragt. "Lust am Leben" heißt das Motto der Seniorengruppe, in der es um Beweglichkeit, Gedächtnistraining und Krankheitsprävention dreht. Auch Nichtmitglieder können Teilnehmerkarten erwerben. Vom Bayerischen Fußballverband gab’s für den Verein die "Goldene Raute mit Ehre", sie selbst hat der DFB vor zwei Jahren in den "Club 100" eingeladen. Wenn man ihr sagt, sie sei ein seltenes Exemplar, lacht Silvia Wagner und sagt: "Das weiß ich. Ich fühle mich manchmal auch als solches."

Geschlechtersplit beim Ehrenamt

Knapp ein Drittel der Menschen, die sich ehrenamtlich im Sport engagieren, sind Frauen. Von 1,7 Millionen ehrenamtlich tätigen Menschen sind 1,2 Millionen Männer und eine halbe Million Frauen. Bei den festen Ehrenamts-Positionen im Fußball fällt der Geschlechtersplit dramatisch aus: 105.200 Männer bekleiden einen Position gegenüber 8200 Frauen. Am schlimmsten ist das Missverhältnis aber beim Vereinsvorsitz. Auf 20 Männer kommt eine einzige Frau. Man kann die Frauen, die einen Fußballverein als Vorsitzende leiten, nicht an einer Hand abzählen. Aber richtig viele sind es auch nicht.

Silvia Wagner sagt: "Ich war das Sternchen bei allen DFB-Fortbildungen, denn ich war die jüngste und meistens auch die einzige Frau." Auch bei Trainern (5%) und Schiedsrichtern (2,5%) sind Frauen eher selten vertreten. Da mögen die deutschen Frauen achtmalige Europameister sein. Tatsächlich ist Fußball in Deutschland zumindest an den Vorstandstischen immer noch Männersache. Und das obwohl Studien belegen, dass ein höherer Frauenanteil in Sportvorständen Vorteile bringt. In der Theorie ist die Zukunft des Fußballs also längst weiblicher. In der Praxis ist diese Zukunft nur mit großem Optimismus schon erkennbar.

Die alleinerziehende Mutter zweier erwachsener Kinder hat ihre eigene Erklärung für die frappierende Unterrepräsentanz von Frauen in den Fußballvorständen. "Familie und Zeit, daran liegt es", glaubt Silvia Wagner. "Ich war alleinerziehend, musste mich nicht nach einem Mann richten. Die meisten Frauen tun sich eine solche Belastung nicht an. Männer handeln da bis heute mit viel größerer Selbstverständlichkeit. Ein Mann geht arbeiten, dann macht er seinen Sport oder sein Ehrenamt. Die verbleibende Zeit gehört dann der Familie. Bei einer Frau würde der Mann viel früher sagen: 'Musst du denn heute schon wieder weg?'."

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"Für mich war es selbstverständlich, mich einzubringen"

Marlene Leipertz‘ Mann war eher geduldig, aber irgendwann stand er doch vor ihr, erinnert sie sich: "Es war halb eins in der Nacht und ich strich noch die Vereinsumkleideräume. Da kam er vorbei und meinte, jetzt müssten wir mal nach Hause gehen." Die 62-Jährige ist genauso eine "Powerfrau" wie Silvia Wagner, nur eben nicht in Franken. 18 Jahre lang leitete sie die Jugendabteilung des BSV Menden und sagt heute: "Für mich war es selbstverständlich, mich einzubringen." Von der Kleinstadt im Sauerland bekam sie nach langen Verhandlungen einen Zuschuss über mehrere hunderttausend Euro für den Bau eines Kunstrasenplatzes neben dem Huckenohl-Stadion.

In zahlreichen Sitzungen des Sportausschusses kämpft sie für ihren Verein. Auch ein dreistöckiges Vereinsheim wurde aufgrund ihrer Beharrlichkeit und unermüdlichen Wirkens gebaut. Baukosten: 350.000 Euro. Dicke Bretter hat sie gebohrt, metaphorisch und oft auch ganz praktisch. Als das Bauprojekt endlich in die Tat umgesetzt wurde, stand sie an der Seite der vielen ehrenamtlichen Helfer auf der Baustelle. Marode Umkleidekabinen, notorische Überbelegung der Plätze, unattraktive Infrastruktur - das alles gehört beim BSV Menden heute der Vergangenheit an. Dank Marlene Leipertz. Dafür hat der Verein den Weg hin zum Trainingsgelände nach ihr benannt.

Vor zwei Jahren hat sie ihr Amt niedergelegt, es sei Zeit gewesen. "Man sagt, man habe immer wieder neue Ideen, aber das stimmt ja so nicht. Irgendwann wiederholt man sich schon", sagt die 62-Jährige, deren beiden Söhne bis heute im Verein Fußball spielen. Auch Silvia Wagner überlegt, im Januar aufzuhören, sie hat sich beruflich verändert, es bleibt weniger freie Zeit. Und sie sagt auch: "Wir Frauen müssen immer 150 Prozent geben." Marlene Leipertz musste gerade zu Beginn ihrer Zeit als Jugendleiterin gegen Vorurteile angehen. "Als einzige Frau im Vorstand musste ich die Männer erstmal überzeugen. Das hat auch Kraft gekostet."

Einstieg für Frauen ins Ehrenamt erleichtern

Im fränkischen Kirchehrenbach freuen sie sich jetzt schon auf das rauschende Fest zum 90-jährigen Vereinsjubiläum. Silvia Wagner freut sich auf den Moment, wenn die Arbeit erledigt ist. Ein kleiner Teil des Festes ist eine Parade von der Kirche zum Sportheim. Auf der Kreisstraße ist das ein halber Kilometer. Doch dafür muss sie eine separate Haftpflichtversicherung abschließen, einen Lageplan zeichnen, eine Genehmigung beim Landratsamt beantragen, die Feuerwehr anrufen, alle Details mit der Gemeinde besprechen. "Nichts Weltbewegendes, aber alles braucht Zeit", sagt Silvia Wagner. Nach fast zehn Jahren an der Spitze überlegt sie ernsthaft bei den Vorstandswahlen im Januar nicht mehr zu kandidieren, auch weil sie sich beruflich neu orientiert hat, ihr schlicht die Stunden und ein wenig auch die Unterstützung im Verein fehlen.

Was ist, wenn nach Marlene Leipertz auch Silvia Wagner aufgehört hat? Wer wird übermorgen anpacken? Das Durchschnittsalter der Ehrenamtlichen steigt und steigt. Aber es gibt nach oben eine Decke. Vereine und Verbände sind gut beraten, den Einstieg für Frauen in das Ehrenamt und in die Vorstände zu erleichtern, belegen doch die Zahlen, dass hier noch viel Potential schlummert.

Marlene Leipertz und Silvia Wagner waren und sind zwei starke Frauen an der Spitze ihrer Vereine. Und beide sind sich einig: Das Ehrenamt hat ungeheuer viel zu bieten. Und das Loslassen fällt ungeheuer schwer. "Mir fehlt es bis heute", sagt Leipertz zwei Jahre nach ihrer letzten Vorstandssitzung. Und Silvia Wagner denkt mit Unbehagen an die bevorstehende Entscheidung. "Wenn ich im Januar wirklich aufhöre, es würde mir das Herz brechen."

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