2:0 gegen Schweden: Vorlagen Klose, Tore Podolski - Viertelfinale

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

24. Juni 2006 in München - Achtelfinale: Deutschland - Schweden 2:0

Vor dem Spiel:

Nach der besten Vorrunde in der deutschen WM-Geschichte (drei Siege gab es nur noch 1970) stieg die Euphorie im Land beinahe stündlich. Philipp Lahm schrieb in seiner Biographie Der feine Unterschied: "An den Straßenrändern feiernde Leute. Polizisten, die salutieren, wenn unser Bus vorbeifährt. Noch mehr Autos mit Deutschland-Fahnen. Das Land eine Party und wir die Hauptpersonen. Was ist denn hier bloß los?" Bundestrainer Jürgen Klinsmann, von Haus aus Daueroptimist, bremste etwas. Er war einer der wenigen, der am 3:0 gegen Ecuador etwas auszusetzen hatte, quasi von Amts wegen forderte er mehr Disziplin im Abwehrverhalten ein. Die sollte sich endlich einspielen, Christoph Metzelder kehrte zurück, für Robert Huth war die WM schon wieder vorbei.

Für die Mannschaft durfte es das nicht sein, und so wurde Klinsmann zwei Tage vor dem Spiel auf der Pressekonferenz besonders eindringlich: "Wir dürfen nicht ausscheiden. Wir sind eine Fußballnation. Schon das Ausscheiden im Viertelfinale wäre eine Katastrophe." Und dann erneuerte er sein Ziel, "dass wir Weltmeister werden wollen." Es fehlte freilich nicht am Respekt vor den Schweden. Torsten Frings sprach vom "ersten echten Prüfstein seit zwei Jahren", und Kapitän Michael Ballack war "bereit, einen großen Gegner zu schlagen."

Doch wie groß waren diese Schweden eigentlich? Sie hatten ihre Gruppe als ungeschlagener Zweiter hinter England beendet und zu Hause ebenfalls Euphorie entfacht. Dabei war ihnen nur gegen Paraguay ein Sieg (1:0) gelungen, der Auftakt gegen Trinidad (0:0) war eher bescheiden. Nach dem 2:2 gegen England aber gab es in den großen Städten Autokorsos, und der Verband orderte noch 1300 Karten fürs Achtelfinale von München, für das eigentlich nur 3700 Schweden ein Ticket hatten. Auf ihren Gegner freuten sie sich nicht wirklich. Das Aftonbladet schrieb: "Ein Albtraum. Deutschland ist der absolute Angstgegner."

In den bisherigen WM-Treffen lagen sie 1:2 zurück, 1934 (1:2) und 1974 (2:4) verloren die Schweden, nur 1958 im eigenen Land (3:1) jubelten sie. Trainer Lars Lagerbäck prophezeite: "Es wird ein wirklich schweres Spiel für uns." Zumal ihr Superstar Zlatan Ibrahimovic von Juventus Turin wegen einer Verletzung erst zu zwei Einsätzen ohne Tor gekommen war und sein Mitwirken gegen Deutschland fraglich war. UEFA-Präsident Lennart Johansson, ein Schwede, meinte freilich: "Ibrahimovic wäre auch ein guter Joker." Fredrik Ljungberg, Jens Lehmanns Teamkollege bei Arsenal London, tönte indes: "Ich bin ein Freund von Jens, jetzt muss ich ihm leider wehtun." Und Mattias Jonson träumte schon von der Siegesfeier: "Das wird absolut großartig, wenn wir Deutschland in München rauswerfen."



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

24. Juni 2006 in München - Achtelfinale: Deutschland - Schweden 2:0

Vor dem Spiel:

Nach der besten Vorrunde in der deutschen WM-Geschichte (drei Siege gab es nur noch 1970) stieg die Euphorie im Land beinahe stündlich. Philipp Lahm schrieb in seiner Biographie Der feine Unterschied: "An den Straßenrändern feiernde Leute. Polizisten, die salutieren, wenn unser Bus vorbeifährt. Noch mehr Autos mit Deutschland-Fahnen. Das Land eine Party und wir die Hauptpersonen. Was ist denn hier bloß los?" Bundestrainer Jürgen Klinsmann, von Haus aus Daueroptimist, bremste etwas. Er war einer der wenigen, der am 3:0 gegen Ecuador etwas auszusetzen hatte, quasi von Amts wegen forderte er mehr Disziplin im Abwehrverhalten ein. Die sollte sich endlich einspielen, Christoph Metzelder kehrte zurück, für Robert Huth war die WM schon wieder vorbei.

Für die Mannschaft durfte es das nicht sein, und so wurde Klinsmann zwei Tage vor dem Spiel auf der Pressekonferenz besonders eindringlich: "Wir dürfen nicht ausscheiden. Wir sind eine Fußballnation. Schon das Ausscheiden im Viertelfinale wäre eine Katastrophe." Und dann erneuerte er sein Ziel, "dass wir Weltmeister werden wollen." Es fehlte freilich nicht am Respekt vor den Schweden. Torsten Frings sprach vom "ersten echten Prüfstein seit zwei Jahren", und Kapitän Michael Ballack war "bereit, einen großen Gegner zu schlagen."

Doch wie groß waren diese Schweden eigentlich? Sie hatten ihre Gruppe als ungeschlagener Zweiter hinter England beendet und zu Hause ebenfalls Euphorie entfacht. Dabei war ihnen nur gegen Paraguay ein Sieg (1:0) gelungen, der Auftakt gegen Trinidad (0:0) war eher bescheiden. Nach dem 2:2 gegen England aber gab es in den großen Städten Autokorsos, und der Verband orderte noch 1300 Karten fürs Achtelfinale von München, für das eigentlich nur 3700 Schweden ein Ticket hatten. Auf ihren Gegner freuten sie sich nicht wirklich. Das Aftonbladet schrieb: "Ein Albtraum. Deutschland ist der absolute Angstgegner."

In den bisherigen WM-Treffen lagen sie 1:2 zurück, 1934 (1:2) und 1974 (2:4) verloren die Schweden, nur 1958 im eigenen Land (3:1) jubelten sie. Trainer Lars Lagerbäck prophezeite: "Es wird ein wirklich schweres Spiel für uns." Zumal ihr Superstar Zlatan Ibrahimovic von Juventus Turin wegen einer Verletzung erst zu zwei Einsätzen ohne Tor gekommen war und sein Mitwirken gegen Deutschland fraglich war. UEFA-Präsident Lennart Johansson, ein Schwede, meinte freilich: "Ibrahimovic wäre auch ein guter Joker." Fredrik Ljungberg, Jens Lehmanns Teamkollege bei Arsenal London, tönte indes: "Ich bin ein Freund von Jens, jetzt muss ich ihm leider wehtun." Und Mattias Jonson träumte schon von der Siegesfeier: "Das wird absolut großartig, wenn wir Deutschland in München rauswerfen."

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Offensivfeuerwerk im 777. Länderspiel

Spielbericht:

An diesem Samstag drückt die Juni-Hitze besonders heftig, das Thermometer zeigt bei Anpfiff um 16 Uhr 34 Grad. Da ist natürlich niemandem nach einem Schnaps, auch wenn Deutschland sein 777. Länderspiel bestreitet. Hinterher allerdings ist allen, die es gesehen haben, zum Feiern zumute. Denn sie sehen die beste deutsche Halbzeit bei dieser WM. Der Rahmen passt zur Glanzleistung, wieder schillern die Ränge in den Farben der beteiligten Länder. Es scheint, dass die Ordner nur Menschen in Trikots ins Stadion lassen. Eine Choreographie erinnert an den Sieg von Rom 1990, Lothar Matthäus küsst noch einmal den WM-Pokal auf einem Transparent. Das will die Generation Lahm auch. Die höchsten Würdenträger des Landes sind wieder dabei, Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Horst Köhler macht diese WM zu Allesfahrern in punkto deutsche Länderspiele.

Schweden überrascht mit der Aufstellung des über Nacht genesenen Ibrahimovic. Bela Rethy, der für das ZDF kommentiert, ruft "das erste Endspiel bei der WM 2006" aus, denn ab jetzt heißt es: Verlieren verboten! Daran denkt schon bald keiner mehr. Wie schon gegen Costa Rica und Ecuador schießt Deutschland ein ganz frühes Tor. Miroslav Klose will es machen, setzt sich im Strafraum kraftvoll durch, Torwart Andreas Isaksson verstellt ihm den Weg. Aber festhalten kann er den Ball nicht, der Abpraller landet bei Lukas Podolski. Der nimmt ausnahmsweise seinen schwachen Rechten und donnert ins nur noch von einem zurückgeeilten Verteidiger gehütete Tor. Podolski rennt zur Bank, wird dann von den Mitspielern eingeholt. Eine riesige Jubeltraube bildet sich, die Last fällt von vielen Schultern, über denen sich ein weißes Trikot spannt. Podolski hat Blut geleckt und wagt einen 22-Meter-Schuss - drüber.

Schweden sammelt sich allmählich, Altstar Henrik Larsson (34) setzt sich im Strafraum durch, wird im letzten Moment von Ballack gestört und trifft das Außennetz. Dann bemüht sich Ballack um ein Tor auf der anderen Seite, sein Aufsetzer geht knapp vorbei. Dass das Sturmduo Klose/Podolski harmoniert, bezweifelt nach der nächsten Szene niemand mehr. Der Bremer zieht drei Verteidiger auf sich, Podolski kreuzt seinen Weg und läuft in die Gasse, in der Klose den Ball prompt spitzelt. Ohne ihn noch mal abzulegen oder überflüssige Überlegungen anzustellen, knallt ihn Podolski mit links unhaltbar ins Eck. "Das gibt es nicht, unglaublich", feiert Rethy den von hoher Spielintelligenz kündenden Treffer. Das Stadion vibriert, und der Schlager jeder Pokalsaison wird zweckentfremdet: "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!" Da findet das WM-Finale statt.

Ballack mit einem 20-Meter-Schuss, Klose mit einem Kopfball und einem tückischen Roller, Frings aus über 30 Metern und Schweinsteiger aus 20 - anscheinend wollen sie alle heute nicht ohne eigenes Tor vom Platz gehen. Oft fehlen nur Zentimeter. Ballack trifft eine Torstange, von der der Ball von außen ans Netz rollt, Tausende jubeln etwas voreilig. "Es spielt nur eine Mannschaft", stellt Rethy fest. Für die Schweden droht es ein ungemütlicher Nachmittag zu werden, als auch noch der kahlköpfige und schon verwarnte Teddy Lucic, der Klose festgehalten hat, vom Feld gestellt wird. Eine sehr harte Entscheidung, aber noch keine für das Spiel. Ibrahimovic bietet sich überraschend eine Chance, er dreht sich um Christoph Metzelder, Jens Lehmann hält den Flachschuss mit Mühe. Als Lehmann nach einer Jonsson-Flanke eine Unsicherheit zeigt und den Ball am Elfmeterpunkt liegen lässt, rettet Lahm vor dem einschussbereiten Larsson. Es sind kleine Schönheitsfehler, die den Pausenbeifall nicht weiter beeinträchtigen. Auch nicht den von Bela Rethy: "Das waren die besten 45 Minuten der Ära Jürgen Klinsmann."

Natürlich ist es schwer, das Niveau zu halten. Sind die Schweden nicht schon besiegt, warum unnötige Meter machen in der Hitze? Sind sie nicht, und weil sie das gleich nach Wiederbeginn andeuten, zieht der Schlendrian auch gar nicht erst ins deutsche Spiel ein. Wohl aber Fortuna. Denn als Metzelder gegen Larsson einen Elfmeter verursacht, setzt der Gefoulte den Ball hoch übers Tor. Anschließend geht es wieder nur noch in Richtung von Andreas Isaksson. Der 1,99 Meter lange Schweden-Keeper lenkt einen Ballack-Schuss an den Pfosten und bleibt noch zweimal Sieger im Duell mit dem deutschen Kapitän, der sich für seine Glanzleistung (Kicker-Note: 1,5) eigentlich ein Tor verdient gehabt hätte. Tore aber fallen nicht mehr in der Allianz Arena, was die Zuschauer nicht vom Singen und rhythmischen Klatschen abhält.

Den größten Applaus gibt es bei einer Auswechslung, Lukas Podolski hat ihn sich redlich verdient. Sie sehen noch einen Pfostenschuss von Bernd Schneider und ein halbes Dutzend Fernschüsse, die alle ein Stückchen zu hoch angesetzt sind. Auch die eingewechselten Oliver Neuville und Sebastian Kehl beteiligen sich am Scheibenschießen, haben aber auch kein Schussglück. Sie brauchen es nicht an diesem rundum gelungenen Fußballtag. Und nun fahren sie wirklich nach Berlin. Das war vorher klar, schließlich haben sie dort ihr Quartier. Nun aber auch ihr nächstes Spiel - das Viertgelfinale gegen Argentinien. Angst haben sie vor keinem mehr. Wie auch nach einem Spiel mit 63 Prozent Ballbesitz und einem Verhältnis von 26:5 Torschüssen? Und Bundestrainer Jürgen Klinsmann berichtete der Öffentlichkeit: "In der Kabine wurde gesungen und getanzt."

Aufstellung: Lehmann – Friedrich, Mertesacker, Metzelder, Lahm – Schneider, Ballack, Frings (85. Kehl), Schweinsteiger (72. Borowski) – Klose, Podolski (74. Neuville).

Tore: 1:0, 2:0 Podolski (4., 12.).

Platzverweis: Lucic (35.).

Besonderes Vorkommnis: Larsson verschießt Foulelfmeter (52.).

Zuschauer: 66.000 in München.

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Podolski: "Alles ist möglich"

Stimmen zum Spiel:

Jürgen Klinsmann: "Ich kann mich kaum erinnern, eine deutsche Mannschaft in der ersten Halbzeit so erlebt zu haben. Wir können stolz auf die Leistung gegen Schweden sein, aber nicht zufrieden. Jetzt kommt Argentinien. Diese Hürde werden wir genauso nehmen."

Michael Ballack: Wir haben sensationell gespielt und alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben. Ich habe für das Viertelfinale keinen Wunschgegner. Argentinien ist im Moment der Favorit auf den Turniersieg, aber in unserer Verfassung brauchen wir uns vor keinem Gegner zu verstecken."

Lukas Podolski: "Dafür bin ich als Stürmer da. Die zwei frühen Tore haben uns Selbstvertrauen gegeben. Der Sieg war völlig verdient. Alles ist möglich."

Oliver Bierhoff (Teammanager): "So etwas habe ich in unserer Zeit noch nicht gesehen."

Lars Lagerbäck (Trainer Schwedens): "Wir haben den Deutschen zwei leichte Tore geschenkt. Nach dem Platzverweis mussten wir mit zehn Mann gegen sie spielen, das ist immer sehr schwierig."

Ex-Bundestrainer Berti Vogts: "Es hat in den letzten fünf, sechs Jahren keine Mannschaft besser gespielt wie unsere heute in den ersten 45 Minuten. Es hätte auch 5:0, 6:0 stehen können."

"So schnell wie unsere Jungs die Ikea-Kicker vermöbelten, kann niemand ein Regal aufbauen." (Bild)

"Der deutsche Fußball, ein Gedicht. Lang, lang ist's her, dass Sturm und Drang mit Deutschland, der Heimat der Rumpelfüßler, in Verbindung gebracht wurden." (FAZ)

"Der deutsche Sieg ist hochverdient und hätte deutlicher ausfallen müssen. Die erste Halbzeit von München war eine Demonstration dynamischen Tempo- und Kombinationsspiels." (Kicker)

"Der Platzverweis von Lucic änderte nichts am Spielverlauf. Es sah schon vorher so aus, als hätten die Deutschen einen Mann mehr auf dem Feld." (Svenska Dagenblad/Schweden)

"Deutschland macht wieder Angst. Es ist, als hätten die Deutschen zu sich selbst zurückgefunden." (Le Journal du Dimanche/Frankreich)

"Deutschland - ein Koloss" (Olé/Argentinien)

"Jetzt machen sie Angst. Das war sicherlich das beste Spiel der Deutschen, seit Klinsmann Trainer ist." (L'Equipe/Frankreich)

"Deutschland hat die Revolution ausgerufen. Es erhebt sich gegen ein Spielsystem, das eine versteinerte Macht repräsentierte. Die Neuerung geht so weit, dass man von einer Neugründung des deutschen Fußballs sprechen kann." (El Pais/Spanien)

"Niemand kann Deutschland bremsen. Die Tore haben einen polnischen Beigeschmack und bringen 80 Millionen zum Träumen." (Marca/Spanien)

"Ein Land im Delirium. Deutschland liegt Podolski zu Füßen." (Corriere della Sera/Italien)

"Das Duo Podolski/Klose steigert sich von Spiel zu Spiel. Kein Team freut sich auf eine Begegnung mit dieser revitalisierten Fußballmacht." (Mail on Sunday/England)