1974: Historische Niederlage gegen die DDR

"So kann man nicht Weltmeister werden"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Um gleich etwas vorweg zu sagen, wir haben nicht absichtlich verloren. Am Sieg der DDR-Mannschaft ist nichts zu deuteln. Sie hat gut gespielt. Unsere Mannschaft hatte den besten Willen, kämpfte auch mit der richtigen Einstellung, hat jedoch nicht immer gut gespielt. So geht das nicht mit dem offensiven Mittelfeld. Bedauerlich, dass unsere Mittelfeldspieler und Stürmer nicht zurückgeeilt sind, um die Abwehr zu unterstützen. Natürlich ist die Enttäuschung bei der Mannschaft groß, aber ich stelle dennoch fest, dass sie das beste Spiel dieser Runde gemacht hat."

Franz Beckenbauer: "Wir haben zu wenig gekämpft. Es waren mindestens drei, vier Spieler in der Mannschaft, die ihren Gegenspielern zu viel Raum gelassen haben. Wir können nur vorne mitspielen, wenn wir alles geben. Wenn nun einige Leute vom Bundestrainer nicht berücksichtigt werden, dann haben sie sich das selbst zuzuschreiben."

Paul Breitner: "Die Taktik des cleveren DDR-Trainers Georg Buschner war zwar simpel, aber wirksam. Er beorderte lediglich Hoffmann und Sparwasser als Sturmspitzen nach vorn, der Rest orientierte sich mehr nach hinten. Aus dieser massierten Abwehr heraus wollte uns Buschner mit Konterstößen aus dem Konzept bringen, was ihm auch gelang."

Georg Buschner (Trainer der DDR): "Nicht immer werden wir mit einer taktischen Leistung wie gegen die BRD aufwarten können. Wir waren krasse Außenseiter und mussten so spielen. Ich kann meiner Mannschaft nur danken, dass sie es heute so hervorragend gemacht hat. Vor allem in der Schlussphase hatten wir mehr zuzusetzen. Die Mannschaft der Bundesrepublik verkrampfte psychisch und physisch, weil ihr das Erfolgserlebnis fehlte. Wir hatten das Glück, Außenseiter zu sein, und mussten somit nicht die Bürde tragen, die das Publikum unserem Gegner aufgeladen hat. Jetzt geht die Weltmeisterschaft erst richtig los. Unter den letzten Acht gibt es sieben Favoriten und einen Außenseiter - und der sind wir."

Hermann Gösmann (DFB-Präsident): "Ein sehr ausgeglichenes Spiel. Die DDR war taktisch hervorragend eingestellt. Bei Durchbrüchen war die bundesdeutsche Mannschaft sehr gefährlich."

Willi Schulz (Ex-Nationalspieler): "Heute schlug die Stunde der Wahrheit. Helmut Schön muss Konsequenzen ziehen. So wie heute gespielt wurde, kann man nicht Weltmeister werden."

"Das DFB-Team war in der Schlußphase dieser Begegnung tatsächlich umso weiter vom Ausgleichstreffer entfernt, je enger man im Strafraum des Gegners zusammenrückte. So entstand Panikstimmung im eigenen Angriff; Symptom für eine Mannschaft, die sich bei aller Überlegenheit selbst die größten Rätsel aufgibt." (Die Welt)

"Es muß etwas geschehen. Grabowski ist nicht mehr tragbar und Flohe kein echter Linksaußen (...) Das Stenogramm unseres Spiels gegen die DDR ist etwa so spannend wie die Lektüre eines Telefonbuchs; Monotonie bei allen Angriffen. Kaum je hatten die 61.000 Zuschauer, die im übrigen Versöhnung mit Gerd Müller und Franz Beckenbauer feierten, das Gefühl, daß ein Treffer 'in der Luft' liegt." (Kicker)

"Unsere Deckungsspieler bildeten einen souveränen Abwehrblock, ließen sich auch von den Doppelpaßversuchen der BRD-Mannschaft nicht überraschen (...) Bezeichnend war, daß der hochgelobte Regisseur Overath 20 Minuten vor Spielende entnervt den Rasen verließ. Aber auch der für ihn eingewechselte Netzer konnte das Steuer nicht herumreißen. Selten sah man in letzter Zeit in der BRD-Mannschaft so viele Fehlpässe und so viel schnörkelhafte Aktionen." (Neues Deutschland/Ost-Berlin)

"Für die Mannschaft der DDR kann der Erfolg vom Samstag zum Pyrrhus-Sieg werden! Denn ihr erster Platz bringt sie jetzt zusammen mit Brasilien und sicher auch mit Holland." (L’Equipe/Frankreich)

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Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

22. Juni in Hamburg - drittes Gruppenspiel: DDR - Deutschland 1:0

Vor dem Spiel:

Das erste und einzige deutsch-deutsche Duell schlug hohe Wellen. Die Rollen auf dem Feld waren klar verteilt. "Warum wir heute gewinnen", machte Bild am Spieltag auf und ermittelte im Einzelvergleich der Mannschaften ein 7:4 für die Auswahl von Bundestrainer Helmut Schön. In einer Umfrage des Wickert-Instituts trauten nur 17 Prozent der DDR einen Sieg zu. Bundeskanzler Helmut Schmidt ließ sich das Spiel vor seiner Haustür nicht entgehen, ebenso wie zwölf seiner Minister saß er auf der Tribüne. Finanzminister Hans Apel sagte: "Das ist kein normales Länderspiel, sondern ein Beitrag auf dem Weg zum Miteinander."

Die ganz große Spannung war allerdings raus, als das Ergebnis des Nachmittagsspiels bekannt wurde: Chile gegen Australien 0:0. Beide deutschen Teams waren damit für die Finalrunde qualifiziert, und "wir hatten eine singende und tobende Mannschaft im Bus auf der Fahrt ins Volksparkstadion", berichtete DDR-Trainer Georg Buschner noch Jahre später. Es ging nur noch um den Gruppensieg - und ums Prestige. Gegen den kleinen Bruder durfte der Turnierfavorit nicht verlieren, auch der in Dresden geborene Schön bat sich einen Erfolg aus: "Spielt heute auch mal für mich." Daran appellierte auch Kapitän Beckenbauer noch kurz vor Anpfiff. Schön erinnerte sich an den Wortlaut: "Heute spielen wir gegen die DDR. Das bedeutet: wir müssen auch für unseren Bundestrainer spielen. Versteht ihr?" Der Bundestrainer änderte nur eine Position, musste den verletzten Jupp Heynckes ersetzen und verhalf Heinz Flohe auf Linksaußen zu seinem WM-Debüt. Damit standen alle drei Kölner Spieler in der Startelf.

Die DDR brachte gleich drei Neue - alle im Mittelfeld. Reinhard Lauck und Lothar Kurbjuweit gaben ihr WM-Debüt, Hans-Jürgen Kreische spielte erstmals von Anfang an. Wolfgang Seguin, Joachim Streich und Eberhard Vogel mussten weichen, auch für Rekordnationalspieler Peter Ducke blieb wieder nur ein Bank-Platz. Trainer Georg Buschner konnte es sich leisten, der DDR-Fußball erlebte im Frühsommer 1974 einen seltenen Höhenflug. Die Nationalmannschaft hatte sich zum ersten (und einzigen) Mal für eine WM qualifiziert und war seit 15 Spielen ungeschlagen, der 1. FC Magdeburg hatte im Mai den Europapokal der Pokalsieger gewonnen. Aus den Europacupkämpfen mit Meister Dynamo Dresden im Herbst 1973 (4:3 und 3:3) wussten auch die Spieler des FC Bayern München um die neue Gefahr aus dem Osten. Georg Buschner prophezeite vieldeutig: "Das Spiel gegen die Bundesrepublik wird sicher sehr interessant werden."

Es wäre übrigens beinahe gar nicht zustande gekommen, wie erst nach dem Mauerfall herauskam. Denn drei Tage nach der Auslosung berieten DDR-Funktionäre am 8. Januar 1974 darüber, ob sie ihre Mannschaft nicht besser zurückzögen, anstatt sich gegen den großen Bruder vor aller Welt zu blamieren. Die Parteiführung der DDR achtete im Übrigen peinlich genau darauf, wer die Mannschaft in Hamburg unterstützen durfte. 1780 ausgewählte, linientreue Personen traten die Reise ins andere Deutschland an, man gab ihr den Decknamen "Aktion Leder".

Die Fans kamen in zwei Sonderzügen in Hamburg-Dammtor an und wussten, was sie zu tun und was sie zu lassen hatten. "Ein geschlossener Haufen verschlossener Leute. Die kamen nach Westen mit dem Vorsatz, sich auf West-Kontakte nicht einzulassen, ausgenommen den Erwerb von Bockwurst", schrieb der Spiegel. Wie die DDR-Führung später ermittelte, blieben dennoch fünf Fußballtouristen im Westen, drei verstarben an Herzinfarkt. Im Stadion fielen die Vertreter des Sozialismus durch allerlei merkwürdige Sprechchöre auf. Kostprobe: "Dreimal drei, der Ball ist frei. Heu, heu, heu." Viele von ihnen, stellte sich später heraus, hatten gar keinen Bezug zum Fußball. Aber sie mussten ja nicht spielen.

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Sparwassers großer Auftritt

Spielbericht:

Das Volkparkstadion ist natürlich ausverkauft, und vor den Bildschirmen erhoffen sich Millionen in Ost und West beste Samstagsabendunterhaltung. Werner Schneider kommentiert für das ZDF, Heinz-Florian Oertel für das DDR-Fernsehen. Bei den Nationalhymnen singt niemand. DDR-Torwart Jürgen Croy feiert mit Anpfiff um 19.30 Uhr ein Jubiläum, es ist sein 50. Länderspiel, er wird es nie vergessen. Die bundesdeutsche Elf hat die erste Großchance, als Gerd Müller von links Jürgen Grabowski bedient, der den Ball im Rutschen aber nicht richtig trifft und aus drei Metern am leeren Tor vorbeischiebt.

Die Gastgeber übernehmen erwartungsgemäß das Kommando. Co-Kommentator Udo Lattek versichert, die Mannschaft wolle "das Hamburger Publikum zurückgewinnen". Die Abwehrspieler Franz Beckenbauer und Paul Breitner wagen immer wieder weite Vorstöße, und Uli Hoeneß, den Buschner als "unser größtes Problem" angesehen hat, wirbelt die Reihen der DDR regelrecht durcheinander. Er interpretiert seine Mittelfeldrolle recht frei. Spielt er links oder rechts? Bis Abpfiff wird das nicht zu erkennen sein. Grabowski und Flohe dagegen kleben pflichtgetreu an ihren Flügeln, obwohl gerade der Kölner im Mittelfeld besser aufgehoben wäre. Die Flügelstürmerfrage löst dieses Spiel wieder nicht.

Aus der zweiten Reihe setzt Flohe einen gefährlichen Schuss ab, danach taucht er tief ab. Nach 25 Minuten ein Schreckmoment für die Westdeutschen: Reinhard Lauck flankt von links in den Torraum, und dort steht Hans-Jürgen Kreische völlig frei, doch scheint er darüber selbst am meisten überrascht zu sein und drischt den Ball aus fünf Metern volley drüber. Noch müssen die kecken DDR-Fans auf die Erfüllung ihres gesungenen Wunsches - "Wo bleibt denn das 1:0?" - warten. Jürgen Sparwasser sieht die erste von drei Gelben Karten gegen die DDR, der uruguayische Schiedsrichter Ramon Barreto duldet keine Widerworte - ob er sie versteht oder nicht.

Nach 40 Minuten setzt sich Müller endlich einmal gegen Konrad Weise durch und einen seiner gefürchteten Drehschüsse an den Pfosten. Zur Halbzeit eines flotten Spiels steht es 0:0, die Zuschauer halten sich mit Pfiffen noch zurück. Passendes Fazit von Werner Schneider: "Viele gute Ansätze im deutschen Spiel, aber es fehlt der letzte Tropfen Glück."

Beide Mannschaften kommen unverändert zurück, abgesehen davon, dass Sepp Maier jetzt endlich korrekt gekleidet ist. Die erste Hälfte hat er noch in einem schwarzen Dress aus seinen Privatbeständen bestritten, aber ohne DFB-Wappen. Nun trägt er ein grünes Torwartdress der Nationalmannschaft. Die Zuschauer erhoffen sich noch ganz andere Korrekturen und fangen an, nach Günter Netzer zu rufen. Schön schickt ihn und Horst-Dieter Höttges prompt zum Warmlaufen, die Massen jubeln.

Das Spiel hängt derweil durch, die DDR, deren Spiel bisher nur auf Konter angelegt ist, wird plötzlich frech. Einen Distanzschuss von Harald Irmscher kann Maier noch parieren, der Schrägschuss von Lauck zischt knapp am rechten Pfosten vorbei. Dann kommt er, der Schlüsselmoment dieser WM, an den sich jeder erinnert, der ihn erlebt hat. 22. Juni 1974, 21.04 Uhr: "Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?" So lautet ein Buch-Titel der 1990er, und kein befragter Prominenter hat lange überlegen müssen.

Das Tor, das das Spiel entscheidet und so manchen Lebensweg der Beteiligten, fällt nach einem abgewehrten westdeutschen Angriff. Jürgen Croy wirft den Ball auf den eingewechselten Erich Hamann, der setzt Sparwasser mit einem langen Schlag ein. Weil der Magdeburger den Ball selbst nicht lehrbuchmäßig kontrollieren kann, sondern eher zufällig mit der Nase (!) mitnimmt, rutschen seine Bewacher nacheinander aus: erst Höttges, dann Berti Vogts. Von Beckenbauer keine Spur, da lässt sich der Magdeburger nicht lange bitten und schießt aus vier Metern ein. Der Schütze wird unter einer blauweißen Jubeltraube begraben, die Anhänger singen nun: "Wo bleibt denn das 2:0?" Weil auch die kurz zuvor erfolgte Einwechslung Netzers, für den angeschlagenen Overath, nichts mehr bringt und Croy in der 88. Minute einen Freistoß von Hoeneß pariert, bleibt es beim 1:0. "Das ist sicherlich eine Sensation", urteilt Reporter Schneider beim Abpfiff.

Helmut Schön berichtet in seinen Memoiren: "Ich hatte mich über einige Spieler besonders geärgert, weil sie nicht genug gekämpft hatten. Hoeneß und Grabowski gehörten dazu, aber ich hatte auch Breitner auf dem Kieker. Ich bin nur kurz in die Kabine gegangen, es herrschte betretenes Schweigen. Ich hatte den Bauch voller Wut. Aber ich konnte die Mannschaft jetzt nicht in die Pfanne hauen. Das war nicht meine Art. Ich sagte nur einen Satz: 'Wir haben uns morgen über allerhand zu unterhalten.'" Dann geht er zur "schwersten Pressekonferenz meines Lebens" und schlägt sich so wacker, dass ihm Bundesjustizminister Hans-Joachim Vogel persönlich gratuliert.

Die westdeutsche Mannschaft beendet ihre Gruppe nur als Zweiter, die ostdeutsche gewinnt sie. Das hat auf keinem Expertenzettel gestanden. Weil es danach nie mehr zu einem deutsch-deutschen Duell gekommen ist, bleibt die Bilanz mit dem längst zerfallenen Staat der DDR für alle Zeiten negativ. Und noch viel mehr ist geblieben von diesem 22. Juni 1974. Bis heute hält sich die These, dass die DFB-Auswahl nur dank Sparwasser den Titel gewann. Beckenbauer beteuert später: "Sein Tor hat uns aufgeweckt. Sonst wären wir nicht Weltmeister geworden."

Jürgen Sparwasser hat dieses Tor schlagartig berühmt, aber nicht glücklich gemacht. Das merkt er schon in der Nacht zum Sonntag, als ihm das Sicherheitspersonal einen Kiez-Ausflug verwehrt. Während seine Kollegen auf der Reeperbahn ein bisschen feiern, muss er in Quickborn bleiben - er sei jetzt zu bekannt, aber nicht gerade beliebt. Dabei ist es im DDR-Quartier sogar gefährlicher an diesem Abend, als unmittelbare Reaktion auf den Sieg gegen den Gastgeber gibt es eine Bombendrohung. Auch im eigenen Land löst der Sieg nicht nur Freude aus. Denn im Osten halten es mehr Menschen mit dem Westen, als es der Regierung lieb ist.

Der Vater eines Sparwasser-Freundes wirft an diesem Abend spontan einen Stuhl ins Fernsehgerät, und der Schütze hat später oft genug betont: "Es hat mir geschadet. Hätt' ich das Ding mal nicht gemacht." Weil plötzlich Gerüchte aufkommen, er werde bevorzugt von der SED-Regierung, mit Geld zugeschüttet, habe ein Haus und ein Auto bekommen. Alles unwahr zwar, aber von hartnäckiger Natur. Das Tor aber hat er geschossen, und es gehört zu seinem Leben. "Wenn man eines Tages auf meinen Grabstein 'Hamburg 74' schreibt, weiß jeder, wer da drunter liegt."

Nachtrag: So sehr der Klassenkampf in kurzen Hosen im Vorfeld hochgeputscht worden ist, so friedlich verläuft er am Ende. Überliefert sind Dialoge wie "Jetzt muss ich dich leider mal festhalten" (Franz Beckenbauer zu Harald Irmscher) oder "Hab ich dir weh getan? (Konrad Weise zu Gerd Müller nach jedem Foul). Der Dresdner Siegmar Wätzlich bittet Wolfgang Overath während des Spiels, einen gemeinsamen Bekannten in Köln herzlich zu grüßen, und nach dem Spiel werden die Trikots getauscht - aber aus Angst vor kritischen Nachfragen der Partei im Schutze der DFB-Kabine, in der fünf DDR-Spieler auftauchen. Paul Breitner erhält das Trikot von Jürgen Sparwasser und versteigert es im Jahr 2002 zugunsten der Opfer des Elbhochwassers im Osten der vereinten Republik. Es erbringt 16.350 Euro.

Georg Buschner erhält 1975 eine indirekte Jobanfrage von Werder Bremen, die der Sportverband der DDR in seinem Namen, aber ohne sein Wissen ablehnt. Buschner sei nicht interessiert gewesen, enthüllt der Trainer 1999, "man hat mich aber nie gefragt".

Aufstellung: Maier - Vogts, Beckenbauer, Schwarzenbeck (68. Höttges), Breitner - Hoeneß, Overath (69. Netzer), Cullmann - Grabowski, Müller, Flohe.

Tore: 0:1 Sparwasser (77.).

Zuschauer: 58.900 in Hamburg.

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"So kann man nicht Weltmeister werden"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Um gleich etwas vorweg zu sagen, wir haben nicht absichtlich verloren. Am Sieg der DDR-Mannschaft ist nichts zu deuteln. Sie hat gut gespielt. Unsere Mannschaft hatte den besten Willen, kämpfte auch mit der richtigen Einstellung, hat jedoch nicht immer gut gespielt. So geht das nicht mit dem offensiven Mittelfeld. Bedauerlich, dass unsere Mittelfeldspieler und Stürmer nicht zurückgeeilt sind, um die Abwehr zu unterstützen. Natürlich ist die Enttäuschung bei der Mannschaft groß, aber ich stelle dennoch fest, dass sie das beste Spiel dieser Runde gemacht hat."

Franz Beckenbauer: "Wir haben zu wenig gekämpft. Es waren mindestens drei, vier Spieler in der Mannschaft, die ihren Gegenspielern zu viel Raum gelassen haben. Wir können nur vorne mitspielen, wenn wir alles geben. Wenn nun einige Leute vom Bundestrainer nicht berücksichtigt werden, dann haben sie sich das selbst zuzuschreiben."

Paul Breitner: "Die Taktik des cleveren DDR-Trainers Georg Buschner war zwar simpel, aber wirksam. Er beorderte lediglich Hoffmann und Sparwasser als Sturmspitzen nach vorn, der Rest orientierte sich mehr nach hinten. Aus dieser massierten Abwehr heraus wollte uns Buschner mit Konterstößen aus dem Konzept bringen, was ihm auch gelang."

Georg Buschner (Trainer der DDR): "Nicht immer werden wir mit einer taktischen Leistung wie gegen die BRD aufwarten können. Wir waren krasse Außenseiter und mussten so spielen. Ich kann meiner Mannschaft nur danken, dass sie es heute so hervorragend gemacht hat. Vor allem in der Schlussphase hatten wir mehr zuzusetzen. Die Mannschaft der Bundesrepublik verkrampfte psychisch und physisch, weil ihr das Erfolgserlebnis fehlte. Wir hatten das Glück, Außenseiter zu sein, und mussten somit nicht die Bürde tragen, die das Publikum unserem Gegner aufgeladen hat. Jetzt geht die Weltmeisterschaft erst richtig los. Unter den letzten Acht gibt es sieben Favoriten und einen Außenseiter - und der sind wir."

Hermann Gösmann (DFB-Präsident): "Ein sehr ausgeglichenes Spiel. Die DDR war taktisch hervorragend eingestellt. Bei Durchbrüchen war die bundesdeutsche Mannschaft sehr gefährlich."

Willi Schulz (Ex-Nationalspieler): "Heute schlug die Stunde der Wahrheit. Helmut Schön muss Konsequenzen ziehen. So wie heute gespielt wurde, kann man nicht Weltmeister werden."

"Das DFB-Team war in der Schlußphase dieser Begegnung tatsächlich umso weiter vom Ausgleichstreffer entfernt, je enger man im Strafraum des Gegners zusammenrückte. So entstand Panikstimmung im eigenen Angriff; Symptom für eine Mannschaft, die sich bei aller Überlegenheit selbst die größten Rätsel aufgibt." (Die Welt)

"Es muß etwas geschehen. Grabowski ist nicht mehr tragbar und Flohe kein echter Linksaußen (...) Das Stenogramm unseres Spiels gegen die DDR ist etwa so spannend wie die Lektüre eines Telefonbuchs; Monotonie bei allen Angriffen. Kaum je hatten die 61.000 Zuschauer, die im übrigen Versöhnung mit Gerd Müller und Franz Beckenbauer feierten, das Gefühl, daß ein Treffer 'in der Luft' liegt." (Kicker)

"Unsere Deckungsspieler bildeten einen souveränen Abwehrblock, ließen sich auch von den Doppelpaßversuchen der BRD-Mannschaft nicht überraschen (...) Bezeichnend war, daß der hochgelobte Regisseur Overath 20 Minuten vor Spielende entnervt den Rasen verließ. Aber auch der für ihn eingewechselte Netzer konnte das Steuer nicht herumreißen. Selten sah man in letzter Zeit in der BRD-Mannschaft so viele Fehlpässe und so viel schnörkelhafte Aktionen." (Neues Deutschland/Ost-Berlin)

"Für die Mannschaft der DDR kann der Erfolg vom Samstag zum Pyrrhus-Sieg werden! Denn ihr erster Platz bringt sie jetzt zusammen mit Brasilien und sicher auch mit Holland." (L’Equipe/Frankreich)

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