1958: Neun-Tore-Spektakel gegen Frankreich

Es ist das Spiel des alten Weltmeisters gegen den neuen: Vor dem Duell mit Frankreich am Donnerstag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in München wirft DFB.de noch mal einen Blick auf die vier WM-Begegnungen der deutschen Nationalmannschaft mit der Équipe Tricolore. Heute: das Spiel um Platz drei 1958.

28. Juni 1958 in Göteborg - Spiel um Platz drei in Schweden: Deutschland - Frankreich 3:6

Vor dem Spiel:

Um die Enttäuschung aus den Köpfen zu bekommen, setzte Bundestrainer Sepp Herberger eine Shoppingtour durch Göteborg an, von der der halbe Kader mit einem Aschenbecher zurückkehrte, was dem Chef hätte zu denken geben müssen. Er hatte auch noch nicht aufgegeben: "Vergessen wir nicht, es geht noch um die Bronzemedaille!" Aber auch darum, den Trainingsfleiß und die Geduld der Reservisten zu belohnen. Gleich fünf Änderungen nahm er vor, auch weil Erich Juskowiak (gesperrt) und Fritz Walter (verletzt) ausfielen. So kamen Heinrich Kwiatkowski (Tor), Heinz Wewers (Mittelläufer), Hansi Sturm (Halbrechter) und Alfred Kelbassa (Mittelstürmer) zu ihrem Turnierdebüt, Karl-Heinz Schnellinger (rechter Läufer) zum zweiten Einsatz. Herbert Erhardt rückte vom Abwehrzentrum auf Erich Juskowiaks linken Verteidigerposten. Fritz Herkenrath, Horst Eckel und Uwe Seeler hatten schon Freizeit. Das hatte auch finanzielle Folgen: Pro Einsatz zahlte der DFB wie schon 1954 jedem Spieler 200 Mark.

Die drei Dortmunder im Kader - Heinrich Kwiatkowski, Alfred Kelbassa und Aki Schmidt - mussten eine Hiobsbotschaft aus der Heimat verkraften: Unerwartet verstarb BVB-Trainer Hans Tauchert an einem Herzinfarkts. 

Die Franzosen hatten sich besser denn je verkauft, erstmals das Halbfinale erreicht und die meisten Tore des Turniers erzielt, schon 17. Aber auch sie waren ein Opfer der brasilianischen Wunderelf um den 17-jährigen Pelé geworden und im Halbfinale 2:5 untergegangen. Mit Just Fontaine hatten sie den besten Torjäger des Turniers (bis dahin neun Treffer). Sie brachten zwei Ersatzleute, weil sie Ausfälle hatten. Stürmer Piantoni musste kurz vor dem Spiel ins Krankenhaus (Blinddarmentzündung). Bei einer WM trafen sich die Länderauswahlen zum ersten Mal.



Es ist das Spiel des alten Weltmeisters gegen den neuen: Vor dem Duell mit Frankreich am Donnerstag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in München wirft DFB.de noch mal einen Blick auf die vier WM-Begegnungen der deutschen Nationalmannschaft mit der Équipe Tricolore. Heute: das Spiel um Platz drei 1958.

28. Juni 1958 in Göteborg - Spiel um Platz drei in Schweden: Deutschland - Frankreich 3:6

Vor dem Spiel:

Um die Enttäuschung aus den Köpfen zu bekommen, setzte Bundestrainer Sepp Herberger eine Shoppingtour durch Göteborg an, von der der halbe Kader mit einem Aschenbecher zurückkehrte, was dem Chef hätte zu denken geben müssen. Er hatte auch noch nicht aufgegeben: "Vergessen wir nicht, es geht noch um die Bronzemedaille!" Aber auch darum, den Trainingsfleiß und die Geduld der Reservisten zu belohnen. Gleich fünf Änderungen nahm er vor, auch weil Erich Juskowiak (gesperrt) und Fritz Walter (verletzt) ausfielen. So kamen Heinrich Kwiatkowski (Tor), Heinz Wewers (Mittelläufer), Hansi Sturm (Halbrechter) und Alfred Kelbassa (Mittelstürmer) zu ihrem Turnierdebüt, Karl-Heinz Schnellinger (rechter Läufer) zum zweiten Einsatz. Herbert Erhardt rückte vom Abwehrzentrum auf Erich Juskowiaks linken Verteidigerposten. Fritz Herkenrath, Horst Eckel und Uwe Seeler hatten schon Freizeit. Das hatte auch finanzielle Folgen: Pro Einsatz zahlte der DFB wie schon 1954 jedem Spieler 200 Mark.

Die drei Dortmunder im Kader - Heinrich Kwiatkowski, Alfred Kelbassa und Aki Schmidt - mussten eine Hiobsbotschaft aus der Heimat verkraften: Unerwartet verstarb BVB-Trainer Hans Tauchert an einem Herzinfarkts. 

Die Franzosen hatten sich besser denn je verkauft, erstmals das Halbfinale erreicht und die meisten Tore des Turniers erzielt, schon 17. Aber auch sie waren ein Opfer der brasilianischen Wunderelf um den 17-jährigen Pelé geworden und im Halbfinale 2:5 untergegangen. Mit Just Fontaine hatten sie den besten Torjäger des Turniers (bis dahin neun Treffer). Sie brachten zwei Ersatzleute, weil sie Ausfälle hatten. Stürmer Piantoni musste kurz vor dem Spiel ins Krankenhaus (Blinddarmentzündung). Bei einer WM trafen sich die Länderauswahlen zum ersten Mal.

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Fontaine trifft viermal

Spielbericht:

Noch einmal müssen die Deutschen ins Ullevi-Stadion, das diesmal nur halbvoll ist. Für ein kleines Finale wird es erstaunlich emotional und liefert vielerlei Anlass zur Aufregung. Der kicker wird hinterher feststellen: "Drei Mal Unrecht an unserer Mannschaft." Es beginnt früh. Cieslarczyks Tor wird aberkannt, angeblich hat Kelbassa den Torwart behindert (5.). Erste Nahrung für grassierende Verschwörungstheorien, die die Nominierung eines argentinischen Schiedsrichters schon vor dem Spiel aufkommen lassen. Hatte man Argentinien nicht in der Vorrunde geschlagen? Juan Regis Brozzi kann es den Deutschen jedenfalls nicht mehr Recht machen an diesem Samstag. Steht Fontaine nicht Abseits bei seinem Schuss aus sechs Metern (16.)?

Cieslarczyk kommt doch zu seinem Tor, er umkurvt seinen Bewacher und drischt im Fallen den Ball mit links von der Strafraumgrenze neben den Pfosten (18.). Weniger Minuten halten sie das 1:1, da bringt Erhardt Wiesnieski zu Fall. Fair, finden die Deutschen, doch Brozzi zeigt zur Mitte. Auf der Tribüne regt sich nicht nur DFB-Präsident Bauwens auf. Helmut Rahn schreibt in seinen Memoiren: "Da ahnte ich bereits, dass uns das Glück auch in diesem Kampf nicht hold sein würde." 

Der Elfmeter ist ein Fall für Raymond Kopa, Kwiatkowski ahnt die Ecke und kommt doch nicht ran (27.). Am 1:3 ist der Dortmunder dann erstmals mitschuldig, seine Faustabwehr nach eine Ecke gerät zu kurz und zu zentral, der Ball kommt sofort in den Strafraum zurück und Fontaine trifft aus der Drehung (36.). Mit 1:3 geht es in die Kabinen, laut Helmut Rahn ahnen sie schon, "dass es noch viel schlimmer kommen würde".

Die vom Beifall der den Deutschen immer noch nicht sonderlich freundlich gesinnten Zuschauer getragen Franzosen zaubern und kombinieren, dass es neutralen Beobachtern eine Freude ist. Dem entspringt das 4:1 durch Yvon Douis, als der Ball fast ins deutsche Tor getragen wird (50.). Helmut Rahn macht so etwas wütend, er zeigt den Zuschauern das Kontrastprogramm zum Tor der Franzosen. Es entspringt einzig seinem Eigensinn. Wieder muss man Physiker bemühen, die seinen Treffer erklären können. Lesen wir bei Rahn nach: "Knapp vor der Torauslinie setzte ich zum Schuss an. In beinahe hoffnungslos spitzen Winkel flog der Ball in die lange Torecke." 2:4 nach 52 Minuten. DFB-Vize Hans Huber stößt auf der Tribüne Fritz Walter an: "Einfach unglaublich!" Walter: "Das war echt Rahn, so leicht macht ihm das keiner nach."

Es folgt der Skandal des Abends. Weil Kopa gegen Wewers zu stark aufgespielt hat, bekommt er nach der Pause mit Szymaniak einen neuen Bewacher. Die beiden beharken sich einige Male, dann geht der Franzose zu Boden. Szymaniak reicht ihm die Hand zur Entschuldigung, Kopa schlägt sie aus. Als sich "Schimmi" umdreht, rammt ihm Kopa das Knie in den Rücken. Doch Brozzi hat nichts gesehen und auch keiner der Assistenten. Im Gegensatz zu Italiens Weltmeistertrainer von 1934 und 1938, Vittorio Pozzi: "Kopas Verstoß war das Böseste, was ich bei diesem WM-Turnier gesehen habe!" Auf der Tribüne seufzt Fritz Walter: "Da muss man ja an der Gerechtigkeit verzweifeln." Die deutschen Proteste nutzen nichts, Kopa kommt davon.

Obwohl sich Just Fontaines Torgefährlichkeit allmählich rumgesprochen haben müsste, kommt der Franzose noch zu zwei denkbar leichten Toren. Vor dem Konter zum 5:2, den er mit einem Flachschuss abschließt, wird er von der Abwehr nur begleitet (78.), vor dem abschließenden 6:3 läuft er mutterseelenallein auf Kwiatkowski zu (89.). Dazwischen liegt noch Hans Schäfers Dropkick aus Mittelstürmerposition zum 3:5 (84.). Dann ist es vorbei. In der Kabine muss Kwiatkowski am meisten aufgebaut werden. Walter nimmt sich seiner an: "Mach dir bloß keinen Kummer, du hast Bombensachen gehalten und großartig gespielt."

Kwiatkowski sieht das anders beziehungsweise er sieht voraus, wie es die anderen sehen werden: "Was nützt das? Nur die Tore sind wichtig." Acht hatte er schon 1954 gegen die Ungarn bekommen, er fühlt sich wie ein Opferlamm. Und so geht er zu Herberger und wünscht sich mit heiligem Ernst: "Herr Herberger, bitte stellen Sie mich nie wieder auf!" Auch Fritz Walter erklärt seinen Rücktritt.

Aufstellung: Kwiatkowski – Stollenwerk, Erhardt, Wewers – Schnellinger, Szymaniak – Rahn, Sturm, Kelbassa, Schäfer, Cieslarczyk.

Tore: 0:1 Fontaine (15.), 1:1 Cieslarczyk (18.), 1:2 Kopa (27., Foulelfmeter), 1:3 Fontaine (37.), 1:4 Dois (50.), 2:4 Rahn (52.), 2:5 Fontaine (77.), 3:5 Schäfer (84.), 3:6 Fontaine (89.).

Zuschauer: 32.483 in Göteborg.

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Herberger: "Unsere Abwehr war zu brüchig"

Stimmen zum Spiel:

Sepp Herberger: "Unsere Abwehr war zu brüchig, um gegen diesen großartigen Sturm bestehen zu können. Die Franzosen machten ihre Tore gerade in der Zeit, als wir überlegen waren. Für die französischen Spieler waren in unserer Hintermannschaft zu viele Gassen offen, aber das war bei dieser Mannschaftsformation nicht zu ändern. Zum Abschluss des Turniers möchte ich sagen, dass wir stolz darauf sind, unter die letzten Vier gekommen zu sein, und dass wir mit dem vierten Platz in diesem schweren Weltmeisterschaftsturnier zufrieden sind."

Peco Bauwens (DFB-Präsident): "Es ist mir unbegreiflich, wie die FIFA zu solch einem Spiel einen argentinischen Schiedsrichter aufstellen konnte. Selbst wenn er noch so korrekt sein wollte, so war er durch die Berichte der südamerikanischen Presse voreingenommen, die doch laufend über das angeblich brutale Spiel der Deutschen berichtete. Es ist mir auch unverständlich, dass man einen schwedischen Linienrichter nominieren konnte."

Fritz Walter: "Unsere Mannschaft hatte einen hervorragenden Start, und wenn der Schiedsrichter das einwandfreie erste Tor anerkannt hätte, dann wäre das Spiel sicher anders gelaufen. Das erste und das letzte Tor der Franzosen war zudem klar Abseits."

Hans Schäfer: "Die Franzosen sind eine Klassemannschaft. Sechs Tore sind natürlich ein bisschen viel. Das schmerzt."

Georg Stollenwerk: "Ich sage sonst nie etwas über Schiedsrichter. Aber Brizzi war gegen uns."

Paul Nicolas (Trainer Frankreichs): "Gegen die Deutschen klappt es bei uns immer gut. Die deutsche Elf war müde und konnte sich nicht mehr steigern."

Raymond Kopa (Frankreich): "Ich bedaure, dass ich die Beherrschung verlor und Szymaniak umrannte. Ich bin der Ansicht, dass die Sliding Tacklings der deutschen Spieler meist nicht korrekt ausgeführt werden und gefährlich sind. Wir haben verdient gewonnen."

"Frankreich gab den Deutschen heute eine Lektion. Wir beantworten jene Flut böswilliger und entstellender Pressekampagnen gegen unsere Spieler mit der wahren sportlichen Höflichkeit: An diesem Tag verdiente sich Frankreich die bronzene Medaille!" (kicker)

"Die Anschuldigungen der deutschen Funktionäre und Journalisten bestätigten uns in der Befürchtung, daß man jenseits des Rheins den Sinn verloren hat für das, was erlaubt ist und das, was nicht erlaubt ist. Kopa wäre beinahe das Opfer wirklicher Aggressionen von Szymaniak geworden. So wurden wir Zeugen des ungewohnten Schauspiels, dass die Spieler in einem Weltturnier sich prügeln wollten." (Le Figaro/Frankreich)

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