1934: Das schnellste deutsche Tor der WM-Geschichte

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

7. Juni in Neapel - Spiel um Platz 3: Deutschland – Österreich 3:2

Vor dem Spiel:

Nun kam es doch zum Torwartwechsel Jakob/Kreß. Und weil Haringer aus disziplinarischen Gründen heim geschickt wurde, worum er wegen Krankheit auch selbst bat, rückte Janes in die Abwehr. Der nachnominierte Aachener Reinhold Münzenberg verschob sogar seine Hochzeit, denn er musste gleich als Mittelläufer ran. Torschütze Noack flog wieder raus. Für Kobierski debütierte der Bremer Matthias Heidemann auf Linksaußen. Außerdem gab es ein neues System. Wie Nerz ankündigte, wolle man "hier in Italien zeigen, dass wir auch noch ein anderes als das W-System spielen können". (gemeint ist das WM-System in 3-2-2-3-Formation). Er zog Szepan zurück, als quasi zweiten Mittelläufer, man spielte also nur mit vier Stürmern. Bei Österreich fehlte von der Bestformation nur der große Matthias Sindelar (verletzt).

Das Spiel:

Die Partie fängt mit fast 30 Minuten Verspätung an. Warum, das bleibt zunächst unklar. Die Zuschauer ahnen es, beide Teams wollen in weißen Hemden und schwarzen Hosen spielen, und beginnen zu pfeifen. Dann gehen die Österreicher wieder in die Katakomben, denn auch der Schiedsrichter will das nicht dulden. Die Österreicher müssen deshalb die herbei geschafften blauen Jerseys des SSC Neapel anziehen. So will es das Los. Ehe sie sich daran gewöhnt haben, liegen sie schon zurück. Ernst Lehner trifft noch in der 1. Minute und schießt das schnellste deutsche WM-Tor überhaupt, laut Kicker dauert es nur 25 Sekunden, die Fußball Woche ermittelt 30 Sekunden.

Weil Torwart Platzer einen Conen-Schuss nicht festhalten kann, staubt der Augsburger mühelos ab. Der Wirbel der Nerz-Elf geht weiter, man sieht "fünf Minuten, die mit zu den schönsten und aufregendsten gehören, die wir je von unserer Nationalmannschaft erlebten" (Fußball Woche). Conen spielt groß auf, Platzer lenkt seinen Schuss an die Latte und hält auch Lehners Nachschuss. Dann trifft Siffling die Lattenunterkante, der Ball springt wieder heraus. Deutschland geht das kleine Finale wie ein großes an, man will die favorisierten Wiener Profis aus dem Nachbarland bezwingen. Die sammeln sich allmählich, bei Horvaths Pfostenschuss (20.) hat Hans Jakob Glück.

Conen luchst Sesta den Ball ab, läuft 30 Meter mit dem Ball und lupft diesen dann über Torwart und Tor (24.). Drei Minuten später hat er mehr Glück, verwandelt ein Heidemann-Zuspiel zum 2:0 (27.). Die Freude darüber fällt allzu groß aus, prompt fällt im Gegenzug das 2:1, Horvath drückt Zischeks Flanke vor dem fangbereiten Jakob ein (28.). Dann hat Sesta sogar Zeit für ein Kabinettstückchen, stoppt den Ball mit der Hacke und setzt sich drauf, so dass Conen ins Leere saust.

Ganz so ernst wie die Deutschen nehmen die Österreicher das Prestigespiel wohl doch nicht. Was bestraft wird - einer Kombination der überragenden Conen und Lehner entspringt das 3:1 durch Lehner (41.). Es ist die Strafe für Sestas Überheblichkeit, denn wieder hat er sich auf den Ball gesetzt. Nun aber verliert er ihn. "Ich hatte noch eine solche Wut vom ersten Male, dass ich ihm, ohne eine Sekunde zu zögern, den Ball mit einem unheimlichen Schlag unter dem Hinterteil wegtrat. Gemächlich rollte er zu Ernst Lehner, der ihn nur noch einzuschießen brauchte", erzählte Conen noch 1961 dem Sport Magazin.

In den vier Minuten bis zur Pause hat der Schiedsrichter gleich dreimal Gelegenheit, Deutschland einen Elfmeter zu geben und tut es nicht. Nicht für Lehner (2x) und auch nicht für Heidemann. "Die Italiener im Zuschauerraum lärmen gegen ihren schiedsrichternden Landsmann, sie pfeifen ihn minutenlang aus", vermeldet die Fußball Woche. Halbzeit. Lehner hat sich am Finger verletzt, kommt mit einer Bandage zurück aus der Kabine. Es geht ja schließlich um den ehrenvollen dritten Platz. Der gerät noch einmal in Gefahr, als Sesta Jakob aus rund 30 Metern überwindet und auf 3:2 verkürzt (55.).

Der Sieg gerät ins Wanken, Horvath trifft den Pfosten und Schiedsrichter Carraro weiterhin die merkwürdigsten Entscheidungen – meist pro Austria. Es gibt "fortwährende wütende Proteste der Zuschauer gegen seine unverantwortliche Handlungsweise". So hofft auch Conen vergeblich auf einen Foulelfmeter, als Sesta ihn im Strafraum legt. Es gibt nur Freistoß. Nerz beordert Szepan in der Schlussviertelstunde in die Abwehr zurück. Es passiert nichts mehr, nach Abpfiff postieren sich die Teams vor der Ehrenloge, in der der italienische Kronprinz sitzt. Ihre Medaillen bekommen die Sieger aber erst drei Tage später, als sie in Rom im Rahmen des Finales Italien - Tschechoslowakei geehrt werden. Das können einige Spieler indes nicht mehr abwarten, sie haben ja fast alle einen Beruf.

Aufstellung: Jakob – Janes, Busch – Zielinski, Münzenberg, Bender – Siffling, Szepan – Lehner, Conen, Heidemann.

Tore: 1:0 Lehner (1.), 2:0 Conen (29.), 2:1 Horvath (30.), 3:1 Lehner (42.), 3:2 Sesta (55.).

Zuschauer: 7000

Stimmen zum Spiel:

"An diesem Donnerstag in Neapel ist die deutsche Nationalmannschaft zum ersten Male zu ihrer wahren Form und Größe aufgelaufen. In Neapel hat sie ihr bestes Spiel geliefert, und in Anbetracht der ausgezeichneten Spielweise der Stürmerreihe ist das Ergebnis von 3:2 Toren für die Oesterreicher als außerordentlich schmeichelhaft zu bezeichnen." (Kicker)

"Ein Sieg des Mannschaftsspieles, des Elans und der Taktik war es. Szepans Spiel aus dem Hintergrund, als sozusagen zweiter, aber aufbauender Mittelläufer, war eine Voraussetzung, die Abriegelung des deutschen Strafraums in der bekannten Weise die zweite, und die Schwungkraft der Stürmer Heidemann, Conen, Lehner, Siffling (der diesmal jedes Tempo mitging) die dritte Voraussetzung zu diesem schönen Siege. Der dabei im Resultat viel eindrucksvoller hätte ausfallen können, den klaren Torchancen nach gerechnet." (Fußball Woche)

"Ihre Kräfte reichten nicht mehr für einen Sieg." (Wiener Zeitung)

"Es war ein Spiel, in dem alles Wirklichkeit wurde, was man sich normalerweise erträumt." (Fritz Szepan/1978)

[um]

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

7. Juni in Neapel - Spiel um Platz 3: Deutschland – Österreich 3:2

Vor dem Spiel:

Nun kam es doch zum Torwartwechsel Jakob/Kreß. Und weil Haringer aus disziplinarischen Gründen heim geschickt wurde, worum er wegen Krankheit auch selbst bat, rückte Janes in die Abwehr. Der nachnominierte Aachener Reinhold Münzenberg verschob sogar seine Hochzeit, denn er musste gleich als Mittelläufer ran. Torschütze Noack flog wieder raus. Für Kobierski debütierte der Bremer Matthias Heidemann auf Linksaußen. Außerdem gab es ein neues System. Wie Nerz ankündigte, wolle man "hier in Italien zeigen, dass wir auch noch ein anderes als das W-System spielen können". (gemeint ist das WM-System in 3-2-2-3-Formation). Er zog Szepan zurück, als quasi zweiten Mittelläufer, man spielte also nur mit vier Stürmern. Bei Österreich fehlte von der Bestformation nur der große Matthias Sindelar (verletzt).

Das Spiel:

Die Partie fängt mit fast 30 Minuten Verspätung an. Warum, das bleibt zunächst unklar. Die Zuschauer ahnen es, beide Teams wollen in weißen Hemden und schwarzen Hosen spielen, und beginnen zu pfeifen. Dann gehen die Österreicher wieder in die Katakomben, denn auch der Schiedsrichter will das nicht dulden. Die Österreicher müssen deshalb die herbei geschafften blauen Jerseys des SSC Neapel anziehen. So will es das Los. Ehe sie sich daran gewöhnt haben, liegen sie schon zurück. Ernst Lehner trifft noch in der 1. Minute und schießt das schnellste deutsche WM-Tor überhaupt, laut Kicker dauert es nur 25 Sekunden, die Fußball Woche ermittelt 30 Sekunden.

Weil Torwart Platzer einen Conen-Schuss nicht festhalten kann, staubt der Augsburger mühelos ab. Der Wirbel der Nerz-Elf geht weiter, man sieht "fünf Minuten, die mit zu den schönsten und aufregendsten gehören, die wir je von unserer Nationalmannschaft erlebten" (Fußball Woche). Conen spielt groß auf, Platzer lenkt seinen Schuss an die Latte und hält auch Lehners Nachschuss. Dann trifft Siffling die Lattenunterkante, der Ball springt wieder heraus. Deutschland geht das kleine Finale wie ein großes an, man will die favorisierten Wiener Profis aus dem Nachbarland bezwingen. Die sammeln sich allmählich, bei Horvaths Pfostenschuss (20.) hat Hans Jakob Glück.

Conen luchst Sesta den Ball ab, läuft 30 Meter mit dem Ball und lupft diesen dann über Torwart und Tor (24.). Drei Minuten später hat er mehr Glück, verwandelt ein Heidemann-Zuspiel zum 2:0 (27.). Die Freude darüber fällt allzu groß aus, prompt fällt im Gegenzug das 2:1, Horvath drückt Zischeks Flanke vor dem fangbereiten Jakob ein (28.). Dann hat Sesta sogar Zeit für ein Kabinettstückchen, stoppt den Ball mit der Hacke und setzt sich drauf, so dass Conen ins Leere saust.

Ganz so ernst wie die Deutschen nehmen die Österreicher das Prestigespiel wohl doch nicht. Was bestraft wird - einer Kombination der überragenden Conen und Lehner entspringt das 3:1 durch Lehner (41.). Es ist die Strafe für Sestas Überheblichkeit, denn wieder hat er sich auf den Ball gesetzt. Nun aber verliert er ihn. "Ich hatte noch eine solche Wut vom ersten Male, dass ich ihm, ohne eine Sekunde zu zögern, den Ball mit einem unheimlichen Schlag unter dem Hinterteil wegtrat. Gemächlich rollte er zu Ernst Lehner, der ihn nur noch einzuschießen brauchte", erzählte Conen noch 1961 dem Sport Magazin.

In den vier Minuten bis zur Pause hat der Schiedsrichter gleich dreimal Gelegenheit, Deutschland einen Elfmeter zu geben und tut es nicht. Nicht für Lehner (2x) und auch nicht für Heidemann. "Die Italiener im Zuschauerraum lärmen gegen ihren schiedsrichternden Landsmann, sie pfeifen ihn minutenlang aus", vermeldet die Fußball Woche. Halbzeit. Lehner hat sich am Finger verletzt, kommt mit einer Bandage zurück aus der Kabine. Es geht ja schließlich um den ehrenvollen dritten Platz. Der gerät noch einmal in Gefahr, als Sesta Jakob aus rund 30 Metern überwindet und auf 3:2 verkürzt (55.).

Der Sieg gerät ins Wanken, Horvath trifft den Pfosten und Schiedsrichter Carraro weiterhin die merkwürdigsten Entscheidungen – meist pro Austria. Es gibt "fortwährende wütende Proteste der Zuschauer gegen seine unverantwortliche Handlungsweise". So hofft auch Conen vergeblich auf einen Foulelfmeter, als Sesta ihn im Strafraum legt. Es gibt nur Freistoß. Nerz beordert Szepan in der Schlussviertelstunde in die Abwehr zurück. Es passiert nichts mehr, nach Abpfiff postieren sich die Teams vor der Ehrenloge, in der der italienische Kronprinz sitzt. Ihre Medaillen bekommen die Sieger aber erst drei Tage später, als sie in Rom im Rahmen des Finales Italien - Tschechoslowakei geehrt werden. Das können einige Spieler indes nicht mehr abwarten, sie haben ja fast alle einen Beruf.

Aufstellung: Jakob – Janes, Busch – Zielinski, Münzenberg, Bender – Siffling, Szepan – Lehner, Conen, Heidemann.

Tore: 1:0 Lehner (1.), 2:0 Conen (29.), 2:1 Horvath (30.), 3:1 Lehner (42.), 3:2 Sesta (55.).

Zuschauer: 7000

Stimmen zum Spiel:

"An diesem Donnerstag in Neapel ist die deutsche Nationalmannschaft zum ersten Male zu ihrer wahren Form und Größe aufgelaufen. In Neapel hat sie ihr bestes Spiel geliefert, und in Anbetracht der ausgezeichneten Spielweise der Stürmerreihe ist das Ergebnis von 3:2 Toren für die Oesterreicher als außerordentlich schmeichelhaft zu bezeichnen." (Kicker)

"Ein Sieg des Mannschaftsspieles, des Elans und der Taktik war es. Szepans Spiel aus dem Hintergrund, als sozusagen zweiter, aber aufbauender Mittelläufer, war eine Voraussetzung, die Abriegelung des deutschen Strafraums in der bekannten Weise die zweite, und die Schwungkraft der Stürmer Heidemann, Conen, Lehner, Siffling (der diesmal jedes Tempo mitging) die dritte Voraussetzung zu diesem schönen Siege. Der dabei im Resultat viel eindrucksvoller hätte ausfallen können, den klaren Torchancen nach gerechnet." (Fußball Woche)

"Ihre Kräfte reichten nicht mehr für einen Sieg." (Wiener Zeitung)

"Es war ein Spiel, in dem alles Wirklichkeit wurde, was man sich normalerweise erträumt." (Fritz Szepan/1978)

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