1:0 gegen Ghana: Dank Özil ins Achtelfinale

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

23. Juni 2010 in Johannesburg - drittes Gruppenspiel: Deutschland - Ghana 1:0

Vor dem Spiel:

Ghana war mit vier Punkten Tabellenführer, Deutschland mit drei Zweiter und mit einem Auge schielten beide auf das Parallelspiel zwischen Australien und Serbien. Nur ein Sieg hätte Sicherheit gegeben, ein Unentschieden hätte zu wenig sein können. Die unerwartete Alles-oder-nichts-Situation zu einem so frühen Zeitpunkt des Turniers war eine schwere Prüfung für die junge deutsche Elf, die zudem auf den gesperrten Routinier Miroslav Klose verzichten musste. Ihn ersetzte Cacau, für den in die Kritik geratenen Holger Badstuber verteidigte Jerome Boateng links. Damit kam es an diesem 23. Juni 2010 zu einem WM-Novum, spielten doch erstmals Brüder gegeneinander; auf Ghanas Seite stand Kevin-Prince Boateng, durch dessen Foul im englischen Pokalfinale Michael Ballack auf die WM hatte verzichten müssen. Wodurch auch das Verhältnis der Brüder abgekühlt war. Ghanas Boateng gab der deutschen Presse keine Interviews, sagte nur: "Die Antwort gibt es auf dem Platz." In Ghanas Kader gab es zudem Ärger, Trainer Milovan Rejavac hatte Super-Star Suley Muntari (Inter Mailand) suspendiert, weil der ihn und einige Mitspieler beschimpft hatte. Auf Bitten der Mannschaft wurde er in Gnaden wieder aufgenommen. Allerlei Faktoren für ein hochbrisantes Spiel.

Noch ein Novum ergab sich in Johannesburg: Erstmals spielte Deutschland bei einer WM ganz in Schwarz. Dass es kein schwarzer Tag werden würde, hofften alle. Der kicker schrieb: "Nun hat diese mit ihrem sportlichen und allgemeinen Auftreten gefallende 2010er WM-Truppe ihr reiches Potenzial nachzuweisen in ihrem ersten Finale." Die Bild ging am Spieltag etwas plakativer vor: "Siegt! Sonst lacht die ganze Welt über uns. Sonst müssen wir uns schon wieder einen neuen Bundestrainer suchen. Sonst ist die ganze WM-Stimmung kaputt!" Vorsichtshalber hatte der DFB trotzdem den Rückflug schon gebucht, für den nächsten Tag (18.55 Uhr ab Johannesburg).



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

23. Juni 2010 in Johannesburg - drittes Gruppenspiel: Deutschland - Ghana 1:0

Vor dem Spiel:

Ghana war mit vier Punkten Tabellenführer, Deutschland mit drei Zweiter und mit einem Auge schielten beide auf das Parallelspiel zwischen Australien und Serbien. Nur ein Sieg hätte Sicherheit gegeben, ein Unentschieden hätte zu wenig sein können. Die unerwartete Alles-oder-nichts-Situation zu einem so frühen Zeitpunkt des Turniers war eine schwere Prüfung für die junge deutsche Elf, die zudem auf den gesperrten Routinier Miroslav Klose verzichten musste. Ihn ersetzte Cacau, für den in die Kritik geratenen Holger Badstuber verteidigte Jerome Boateng links. Damit kam es an diesem 23. Juni 2010 zu einem WM-Novum, spielten doch erstmals Brüder gegeneinander; auf Ghanas Seite stand Kevin-Prince Boateng, durch dessen Foul im englischen Pokalfinale Michael Ballack auf die WM hatte verzichten müssen. Wodurch auch das Verhältnis der Brüder abgekühlt war. Ghanas Boateng gab der deutschen Presse keine Interviews, sagte nur: "Die Antwort gibt es auf dem Platz." In Ghanas Kader gab es zudem Ärger, Trainer Milovan Rejavac hatte Super-Star Suley Muntari (Inter Mailand) suspendiert, weil der ihn und einige Mitspieler beschimpft hatte. Auf Bitten der Mannschaft wurde er in Gnaden wieder aufgenommen. Allerlei Faktoren für ein hochbrisantes Spiel.

Noch ein Novum ergab sich in Johannesburg: Erstmals spielte Deutschland bei einer WM ganz in Schwarz. Dass es kein schwarzer Tag werden würde, hofften alle. Der kicker schrieb: "Nun hat diese mit ihrem sportlichen und allgemeinen Auftreten gefallende 2010er WM-Truppe ihr reiches Potenzial nachzuweisen in ihrem ersten Finale." Die Bild ging am Spieltag etwas plakativer vor: "Siegt! Sonst lacht die ganze Welt über uns. Sonst müssen wir uns schon wieder einen neuen Bundestrainer suchen. Sonst ist die ganze WM-Stimmung kaputt!" Vorsichtshalber hatte der DFB trotzdem den Rückflug schon gebucht, für den nächsten Tag (18.55 Uhr ab Johannesburg).

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Traumtor Özil, Jerome Boateng gewinnt Bruderduell

Spielbericht:

Das dritte Gruppenspiel ist wieder eine Abendveranstaltung. 83.391 Zuschauer fiebern mit, ein Großteil mit Ghana, dem besten afrikanischen Vertreter der WM. Anpfiff am diesem Mittwoch ist um 20.30 Uhr. Ungewohnt ist die dünne Luft, Johannesburg liegt in 1800 Meter Höhe. Aber kalt ist es, Bundestrainer Joachim Löw trägt erstmals einen Schal über dem blauen Cashmere-Pulli, seinem Glücksbringer. Für die ARD sitzt Tom Bartels am Mikrofon. Die Kameras achten auf die Boatengs, ein kurzer Handschlag ohne Lächeln. Heute sind sie Gegner, das soll jeder sehen.

"Wir beginnen nervös, die Abwehr wackelt wie bei einem Erdbeben", schreibt Kapitän Philipp Lahm in seiner Biographie. Die große Nervosität gebiert groteske Szenen wie ein Foul von Bastian Schweinsteiger an Mitspieler Sami Khedira und führt zum bis dahin schwächsten deutschen Spiel bei dieser WM. Lukas Podolski hat die erste Chance, Jonathan Mensah lenkt seinen Schuss gefährlich ab, Torwart Richard Kingson, die Nummer von Wigan Athletic, lenkt zur Ecke. Kurz darauf rettet Bastian Schweinsteiger auf der eigenen Linie Asamoah Gyan hat geschossen. Als Per Mertesacker den Ball an Andrè Ayew verliert, kann nur noch einer helfen und der tut es – Manuel Neuer holt ihm die Kugel vom Fuß. Dann bietet sich Mesut Özil die Mega-Chancen: Er vergibt allein vor Kingson, schießt den Keeper an (25.). Im Gegenzug muss Philipp Lahm mit der Brust Gyans Kopfball von der Linie schlagen. Klose-Vertreter Cacau macht sich nach einer halben Stunde erstmals bemerkbar, Kingson hält seinen 16-Meter-Schuss. Mehr Mühe hat er mit einem Schweinsteiger-Aufsetzer aus 25 Metern. "Als wir in die Halbzeit gehen, hat Manuel Neuer schon mehr Schüsse auf sein Tor bekommen als in den ersten beiden Spielen zusammen", stellt Autor Lahm fest. Dennoch steht es 0:0 - ebenso im Parallelspiel. Unmöglich, den Ausgang der Gruppe vorherzusagen.

Nach 51 Minuten unterläuft dem an diesem Tag indisponierten Per Mertesacker ein schwerer Fehler im Luftkampf, und Kwadmo Asamoah läuft allein auf Manuel Neuer zu - aber der macht sich breit und pariert (51.). Die Deutschen leiden bis zur 60. Minute, dann kommt der große Moment von Özil. Bundestrainer Löw hat ihm noch zur Pause prophezeit, ein Tor zu machen - und er gehorcht. Aus 20 Metern verwertet er ein Zuspiel von Thomas Müller mit seinem starken linken Fuß. Er lässt den Ball noch einmal aufspringen, trifft ihn dann Vollspann. Unhaltbar für Kingson, den Bild im Vorfeld als "Fliegenfänger" verspottet.

Tom Bartels lobt: "Ein grandioser Treffer. Deutschland in Führung nach einem Traumtor von Mesut Özil. Und ein einfaches, glaubt man Özil: "Vor mir stand keiner, da habe ich einfach geschossen." Schon im Gegenzug ist es fast nichts mehr wert, doch zum Glück schießt Prince Tagoe einen Meter vor dem Tor neben den Pfosten - auch weil Jerome Boateng ihn bedrängt. In der 66. Minute schon kommt es zur letzten Chance des Spiels, Lahm wirft sich in einen Schuss von Ayew und verhindert Schlimmeres. Löw wechselt in den letzten 25 Minuten dreimal aus, Boateng und Schweinsteiger haben sich verletzt, Müller wird ein taktisches Opfer. Hinterher ist alles richtig, es reicht zum Zittersieg und zum Achtelfinale, das mit Abpfiff um 22.21 Uhr erreicht ist. Sie jubeln nicht alleine auf dem Platz, denn weil Australien überraschend die Serben 2:1 geschlagen hat, ist auch Ghana weiter - ideal für die Boateng-Brüder. "Ich freue mich, dass Ghana und mein Bruder weitergekommen sind", sagt Jerome.

Aufstellung: Neuer – Lahm, Friedrich, Mertesacker, Boateng (73. Jansen) – Khedira, Schweinsteiger (81. Kroos) – Müller (67. Trochowski), Özil, Podolski – Cacau.

Tore: 1:0 Özil (60.).

Zuschauer: 83.191 in Johannesburg.

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Lahm: "Der Druck auf die Mannschaft war enorm"

Stimmen zum Spiel:

Joachim Löw: "Das war ein unglaublich intensives Spiel, in dem viele Dinge nicht so geklappt haben. Aber letztendlich sind wir eine Runde weiter. Manuel Neuer hat zwei- oder dreimal hervorragend gehalten, es war eine große Leistung von ihm. Man hat gemerkt, dass ein großer Druck auf der jungen Mannschaft lastet. Aber auch solche Spiele muss man gewinnen. Das haben wir geschafft, und darüber bin ich glücklich. Wir hätten aus unseren Möglichkeiten mehr machen können. Im Spiel nach vorne waren wir nicht so zwingend. Wir haben auch Fehler gemacht, aber das kann man diesen jungen Spielern nicht vorwerfen. Es gibt schon noch einiges zu verbessern. Mesut Özil zeichnet aus, dass er seine zweite Chance im Spiel klasse genutzt hat."

Philipp Lahm: "Gezittert haben wir nicht, trotzdem waren Situationen dabei, wo wir etwas Glück hatten. Der Druck auf die Mannschaft war enorm, aber sie hat ihm standgehalten. Dass Ghana in beiden Halbzeiten Riesenchancen hatte, darf uns nicht passieren."

Jerome Boateng: "Gegen Ghana zu spielen war komisch, für meinen Halbbruder freue ich mich aber, dass sein Team auch weitergekommen ist."

Milovan Rajevac (Trainer Ghanas): "Deutschland ist eine exzellente Mannschaft. Am Ende war es verdient, dass wir uns für die nächste Runde qualifiziert haben. Das Team hat taktisch sehr diszipliniert gespielt, aber wir dürfen nicht solch ein Tor kassieren. Sie sind ein gutes Team und haben das ausgenutzt. Am Ende ist es dann aber gut für uns ausgegangen. Ich hoffe, dass die Mehrheit der Südafrikaner uns weiter unterstützen wird. Ich hoffe, dass wir von der massiven Unterstützung hier in Südafrika profitieren werden. Wir haben tolle Chancen herausgespielt und hatten ein bisschen Pech im Abschluss. Vielleicht hat die Konzentration gefehlt. Ich hoffe, wir können in der Zukunft auch Tore schießen.

Andrew Ayew (Ghana): "Es war ein sehr schwieriges Spiel für uns, aber wir haben es geschafft zu kämpfen. Auch wenn es nicht zu einem Punkt gereicht hat, war es doch genug, um in die nächste Runde zu kommen. Wir konnten unsere Chancen heute nicht nutzen und wir hatten viele gute Chancen. Es war wichtig, dass wir uns qualifiziert haben."

"Keine spielerische Leichtigkeit wie noch beim umjubelten Start gegen Australien strahlten Philipp Lahm und Kollegen diesmal nicht aus. Diesmal siegte auch das viel beschworene ‚neue Deutschland‘ mit den typischen germanischen Tugenden." (kicker)

"Eine Stunde lang quälten wir uns gegen Ghana (Nr. 32 der Weltrangliste). Dann, um 21.45 Uhr, erlöste Özils Hammer ganz Fußball-Deutschland. Um ins Viertelfinale einzuziehen, müssen wir unsere Nervosität ablegen. Gegen Ghana lähmte der Druck, der auf unserer jungen Mannschaft lastete, lange das Kombinationsspiel." (Bild)

"Ghana hält die Flagge für Afrika hoch – Özil schießt Deutschland an die Spitze der Gruppe D." (The Star/Ghana)

"Deutschland überwältigt die Black Stars – Dennoch: Ghana ist zwar besiegt, aber nicht draußen." (Citizen/Ghana)

"Özil sorgt für das unvermeidliche Entkommen. Egal, was die Gruppentabellen zeigten oder die Fachleute vorhersagten, wir wussten einfach, dass es Deutschland werden würde." (The Times/England)

"Ghana verliert und kommt weiter. Australien gewinnt, und das ist genau das, was das Stadion braucht, um in Party umzuschlagen. Eine Party, die steigt, als Ghana begreift, dass die Niederlage dennoch ein breites Lächeln wert ist. Auf sie warten nun die USA, auf Löws Mannschaft das England der Champions und der 1000 Klatschgeschichten. Entscheidet selbst, wer besser dran ist." (La Repubblica/Italien)

"Deutschland verlässt eine WM nicht nach der Gruppenphase, an dieser Tradition konnte es auch 2010 festhalten... Deutschland, die Nummer sechs auf der Weltrangliste, und Ghana, die Nummer 32 auf derselben Rangliste, haben ein rumpeliges, aber insgesamt unterhaltsames Spiel geliefert." (de Volkskrant/Niederlande)

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