0:0 gegen Tunesien: Schön und die "Ohnmacht auf der Bank"

Drittes Spiel, zweites 0:0

Spielbericht:

Die Samstagspartie wird um 20.45 Uhr MEZ angepfiffen. Die ARD überträgt und wird der Heimat wieder keine Tore liefern, stattdessen eines der schlechtesten Spiele deutscher WM-Geschichte. Klaus Fischer hat die erste Chance, doch köpft er den Ball nach Bonhofs Freistoßvorlage überhastet daneben. Dann scheitert Rainer Bonhof mit einem 16-Meter-Schuss an Torwart Naili, es folgt eine Serie von Eckbällen - nur kein Tor. Hansi und Dieter Müller schießen "zu schlecht" (kicker), das Publikum amüsiert sich und feuert den Außenseiter an.

Als Bonhof ein Volleyschuss völlig verunglückt, erntet er Hohngelächter (35.). Mohamed Akids Schuss fordert Sepp Maiers Fangkünste heraus, und als kurz danach derselbe Spieler von Manfred Kaltz und Bernard Dietz im Strafraum in die Zange genommen wird (38.), fordert das Publikum Elfmeter. Es gibt ihn nicht, Akid versucht es noch mit einem Fernschuss, der knapp daneben geht (44.) - Halbzeit.

Wird es besser nach Schöns Gardinenpredigt? Zitat: "So können wir keinen Blumentopf gewinnen! Ihr müsst euch freilaufen, um endlich anspielbar zu sein. Ihr müsst direkt spielen, um Luft, um Raum zu bekommen." Nein. Heinz Flohe gelingt immerhin ein schönes Solo, das im letzten Moment gebremst wird. "Die Tunesier mischten mächtig mit. Ein Spaziergang für die deutsche Elf? Dieses Vorurteil hatte längst keine Gültigkeit mehr", meldet der kicker.

Bonhof riskiert einen seiner gefürchteten Distanzschüsse, Mokhtar Naili fischt ihn weg, ebenso wie der Tunesier bei Fischers Schuss aus spitzem Winkel auf dem Posten ist. Hansi und Dieter Müller stehen frei, aber der Schalker will unbedingt sein erstes WM-Tor erzielen. Bernd Hölzenbein, der sich schon zehn Minuten warmgelaufen hat, muss sich wieder hinsetzen. "Auswechseln hätte auch nicht mehr viel genutzt", sagt der Bundestrainer hinterher, kein Kompliment für seine Bank.

Inklusive der WM 1974 wechselt Schön zum fünften Mal in Folge nicht - ein merkwürdiger Rekord. Alles, was den Deutschen in der Offensive noch einfällt, sind und bleiben Schüsse von Bonhof (76., 78.). Naili kennt sie schon. Als Dieter Müller dann zum Abschluss kommt, beult sich das Netz, aber von der falschen Seite - er trifft das Außennetz. Und so bleibt es beim zweiten 0:0 der Deutschen in Argentinien, das für den zweiten Gruppenplatz hinter Polen reicht.

Er bringt den Spielern, die eine Titelprämie von 65.000 Mark pro Kopf ausgehandelt haben, die erste Einnahme: 20.000 Mark. Und Helmut Schön wieder mal eine bittere Erkenntnis: "In diesem Spiel, in dem nichts voranging, wurde ich mir meiner Ohnmacht auf der Bank wieder einmal bewußt", ist in seiner Biographie zu lesen.

Aufstellung: Maier - Vogts, Kaltz, Rüßmann, Dietz - Bonhof, Flohe, Hansi Müller - Fischer, Dieter Müller, Rummenigge.

Tore: Fehlanzeige.

Zuschauer: 30.667 in Cordoba.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

10. Juni 1978 in Cordoba - drittes Gruppenspiel: Deutschland - Tunesien 0:0

Vor dem Spiel:

Nach dem höchsten deutschen WM-Sieg, dem 6:0 gegen Mexiko, sah Bundestrainer Helmut Schön keinen Anlass für Umstellungen. Er glaubte: "Wir haben unsere Stammbesetzung gefunden." Gegen den krassen Außenseiter Tunesien reichte ein Punkt zum Weiterkommen, für den Gruppensieg wären zwei nötig gewesen. Ob Deutschland den unbedingt wollte, wurde zumindest medial diskutiert - hätte man doch dann das Quartier verlassen müssen. Tunesien brauchte einen Sieg, da die Polen die Mexikaner 3:1 geschlagen hatten.

Trainer Abdelmajid Chetali hatte seine Ausbildung in Köln gemacht und kannte den deutschen Fußball gut. "Er arbeitet nach deutschen Methoden und ist sogar mit einer Düsseldorferin verheiratet", informierte der kicker in seinem WM-Sonderheft. Chetali sprach zwar bescheiden von "einem guten Abgang von der WM" und dass er "mit einer knappen Niederlage zufrieden" sei, kokettierte aber auch: "Wir haben noch einige Tricks auf Lager, die wir bisher noch nicht gezeigt haben. Damit wollen wir den Titelverteidiger überraschen."

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Drittes Spiel, zweites 0:0

Spielbericht:

Die Samstagspartie wird um 20.45 Uhr MEZ angepfiffen. Die ARD überträgt und wird der Heimat wieder keine Tore liefern, stattdessen eines der schlechtesten Spiele deutscher WM-Geschichte. Klaus Fischer hat die erste Chance, doch köpft er den Ball nach Bonhofs Freistoßvorlage überhastet daneben. Dann scheitert Rainer Bonhof mit einem 16-Meter-Schuss an Torwart Naili, es folgt eine Serie von Eckbällen - nur kein Tor. Hansi und Dieter Müller schießen "zu schlecht" (kicker), das Publikum amüsiert sich und feuert den Außenseiter an.

Als Bonhof ein Volleyschuss völlig verunglückt, erntet er Hohngelächter (35.). Mohamed Akids Schuss fordert Sepp Maiers Fangkünste heraus, und als kurz danach derselbe Spieler von Manfred Kaltz und Bernard Dietz im Strafraum in die Zange genommen wird (38.), fordert das Publikum Elfmeter. Es gibt ihn nicht, Akid versucht es noch mit einem Fernschuss, der knapp daneben geht (44.) - Halbzeit.

Wird es besser nach Schöns Gardinenpredigt? Zitat: "So können wir keinen Blumentopf gewinnen! Ihr müsst euch freilaufen, um endlich anspielbar zu sein. Ihr müsst direkt spielen, um Luft, um Raum zu bekommen." Nein. Heinz Flohe gelingt immerhin ein schönes Solo, das im letzten Moment gebremst wird. "Die Tunesier mischten mächtig mit. Ein Spaziergang für die deutsche Elf? Dieses Vorurteil hatte längst keine Gültigkeit mehr", meldet der kicker.

Bonhof riskiert einen seiner gefürchteten Distanzschüsse, Mokhtar Naili fischt ihn weg, ebenso wie der Tunesier bei Fischers Schuss aus spitzem Winkel auf dem Posten ist. Hansi und Dieter Müller stehen frei, aber der Schalker will unbedingt sein erstes WM-Tor erzielen. Bernd Hölzenbein, der sich schon zehn Minuten warmgelaufen hat, muss sich wieder hinsetzen. "Auswechseln hätte auch nicht mehr viel genutzt", sagt der Bundestrainer hinterher, kein Kompliment für seine Bank.

Inklusive der WM 1974 wechselt Schön zum fünften Mal in Folge nicht - ein merkwürdiger Rekord. Alles, was den Deutschen in der Offensive noch einfällt, sind und bleiben Schüsse von Bonhof (76., 78.). Naili kennt sie schon. Als Dieter Müller dann zum Abschluss kommt, beult sich das Netz, aber von der falschen Seite - er trifft das Außennetz. Und so bleibt es beim zweiten 0:0 der Deutschen in Argentinien, das für den zweiten Gruppenplatz hinter Polen reicht.

Er bringt den Spielern, die eine Titelprämie von 65.000 Mark pro Kopf ausgehandelt haben, die erste Einnahme: 20.000 Mark. Und Helmut Schön wieder mal eine bittere Erkenntnis: "In diesem Spiel, in dem nichts voranging, wurde ich mir meiner Ohnmacht auf der Bank wieder einmal bewußt", ist in seiner Biographie zu lesen.

Aufstellung: Maier - Vogts, Kaltz, Rüßmann, Dietz - Bonhof, Flohe, Hansi Müller - Fischer, Dieter Müller, Rummenigge.

Tore: Fehlanzeige.

Zuschauer: 30.667 in Cordoba.

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Vogts: "Einige von uns dachten, wir wären schon wieder die Größten"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Wir sind in der zweiten Runde, wir dürfen in Ascochinga bleiben. Aber ich habe mich natürlich sehr geärgert, dass wieder zu wenig Fluss in unserem Spiel war, zu viel Hektik, Ballbehandlung statt schnellem, direkten Spiel und unnötigen Dribblings. Im Mittelfeld und Angriff gab es zu viele Holpereien. Besonders unseren Stürmern fehlt die Art von Kälte, wie sie etwa die Italiener bewiesen. Wir müssen tatsächlich mit diesem 0:0 gegen die Tunesier zufrieden sein."

Kapitän Berti Vogts: "Wir sind in der gleichen Situation wie 1974, als wir gegen die DDR 0:1 verloren hatten. Damals haben wir der gesamten Mannschaft den Ernst des WM-Lebens einbläuen können, und das muss uns auch diesmal gelingen. Einige von uns dachten, wir wären schon wieder die Größten."

Sepp Maier: "Mir bleibt fast die Sprache weg. Unsere Leistung war eine Katastrophe. Der Zusammenhalt der Mannschaft existiert nur im Quartier, nicht auf dem Spielfeld."

Klaus Fischer: "Bei uns ist der Ball wieder nicht schnell gelaufen. Ich musste mir die Bälle alle selber holen, auf die Flügel raus und sogar selbst flanken. Das ist nicht meine Aufgabe. Jetzt muss es ganz einfach eine Steigerung geben."

Abdelmajid Chetali (Trainer Tunesiens): "Meine Mannschaft hat während 80 Minuten hervorragend gespielt und meine taktische Order bestens befolgt. Ich weiß nicht, ob die Müdigkeit oder die Freude, dem Weltmeister einen Punkt zu entreißen, dazu führten, dass meine Elf in den letzten zehn Minuten nicht das Siegtor suchte, das uns die Qualifikation für die zweite Runde gebracht hätte."

"Ein böser Rückfall. Über weite Strecken erinnerte das Spiel der deutschen Mannschaft an die umständlichen Aktionen gegen die Polen im Eröffnungsspiel. Die Nervosität, die am 1. Juni sicher für manches verantwortlich gemacht werden mußte, sollte nach dem klaren Sieg über Mexiko eigentlich verflogen sein (...) Rainer Bonhof gab hinterher zu, daß die Spieler wohl im Unterbewußtsein doch gedacht hätten, die Tunesier wären ein nicht so schwerer Gegner. Das darf über aller Kritik an unserer Mannschaft nicht vergessen werden: Tunesien wirkte spielerisch, schon von der Anlage her, überraschend modern." (kicker)

"0:0 gegen den Titelhalter, dieses Resultat bedeutet zweifellos die beste Leistung während dieser Weltmeisterschaft. Das Abenteuer ist gestern in Cordoba auf die angenehmste Art und Weise zu Ende gegangen, die sich alle Tunesier wünschen konnten." (La Presse de Tunisie/Tunis)

"Dies war ein typisches auf das Ergebnis gerichtetes Spiel, in dem Deutschland mit einem Minimum an Risiko zu Werke ging. Es bot nur wenige erregende Spielphasen und enthielt wenige Torchancen." (Technische Studie der FIFA)

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