Herberger-Urkunde für SSV Buer: Kleine Schritte für eine große Sache

In diesem Jahr wurde die Verleihung der Sepp-Herberger-Urkunden aufgrund der Corona-Pandemie am vergangenen Montagabend als TV-Show auf DFB-TV übertragen. 16 Preisträger erhielten in den Kategorien Behindertenfußball, Resozialisierung, Schule und Verein, Fußball Digital, Corona-Engagement sowie Sozialwerk Geldpreise in einer Gesamthöhe von 55.000 Euro. Der mit 5000 Euro dotierte erste Platz in der Kategorie Resozialisierung ging an die SSV Buer aus dem Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen, die Plätze zwei und drei belegen der Bramfelder SV aus dem Hamburger Fußball-Verband und der VfB Stuttgart aus dem Württembergischen Fußballverband. DFB.de über das Engagement des SSV.

Es ist diese für die Menschen des Ruhrgebiets so typische Mischung aus Offenheit und Pragmatismus, die im Gelsenkirchener Norden mit kleinen Schritten letztlich Großes bewirkt. Seit rund fünf Jahren begleiten die ehrenamtlichen Kräfte der SSV Buer ehemalige Straftäter auf ihrem Weg zurück in die Gesellschaft. "Bei uns leisten Leute ihre Sozialstunden ab", sagt Andrea Weichert, die sich bei dem Traditionsverein aus dem Stadtteil der nordrhein-westfälischen Großstadt um Sponsoring und Öffentlichkeitsarbeit kümmert.

Was so simpel und selbstverständlich klingt, dürfte vielerorts höhere Wellen schlagen. "Wir wollen das hier gar nicht so hoch hängen", meint Weichert. Im einstigen Kohlenpott herrsche schon immer eine besondere Mentalität. Man verstehe sich nun einmal seit den Anfängen von Bergbau und Industrialisierung als Schmelztiegel der Kulturen, als vielschichtige Gesellschaft, die zusammenhalten müsse, damit der Alltag funktioniere. "Da gehört es dazu, sich auch um die Menschen zu kümmern, die Mist gebaut haben", findet sie.

Projekt wird vom gesamten Verein getragen

Ohnehin betrachtet sie jene Teenager, Männer und Frauen nicht mit anderen Augen als alle anderen. "Die haben auch zwei Arme, zwei Hände, zwei Füße und eine Nase", erteilt sie allen Vorurteilen eine klare Abfuhr. Dennoch habe man sich vor dem Einstieg in die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Amtsgericht im Klub auf eine gemeinsame Linie verständigt. "Bei so einem Projekt reicht es nicht, wenn Einzelne dahinterstehen. Es muss vom gesamten Verein getragen werden", erklärt Weichert.

Bei der SSV - die immerhin rund 800 Mitglieder zählt - habe man die Idee von Beginn an begrüßt. Es herrsche aber auch generell ein Klima von Toleranz, Offenheit und Solidarität. Die Aktiven kommen aus allen Ecken der Welt. "Bei uns kommen Menschen mit mehr als 20 Nationalitäten zusammen", betont sie. Man stelle auch einen "Kick der Kulturen" auf die Beine, um Integrationsarbeit voran zu bringen und leiste Arbeit im Bereich der Inklusion. Mit dem Engagement in der Resozialisierung lege man nur noch eine weitere Schippe drauf, bringt es Weichert auf den Punkt.

Ein engagiertes Gelsenkirchener Urgestein

Für diese Schippe ist vor allem ein Mann verantwortlich: Dieter Denneborg. Der Mitsechziger sei Platzwart, Ehrenamtler bei der SSV und so etwas wie ein Gelsenkirchener Urgestein, sagt Weichert. Er kenne jeden und jeder kenne ihn. Zu diesen Bekannten zähle auch jemand, der am Amtsgericht tätig ist und Denneborg um Unterstützung bat. "Dieter Denneborg hat die Vereinsführung dann wiederum gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, dass Menschen bei uns im Verein ihre Sozialstunden ableisten und dabei betreut werden", erklärt Weichert. Man konnte, man wollte und man machte.

Seit einem halben Jahrzehnt vermittelt die Bewährungshilfe beim Amtsgericht Gelsenkirchen nun frühere Straftäter an den Klub. Wie viele es insgesamt waren, hat Weichert nicht nachgehalten. "Doch es mangelt nicht an Nachschub", sagt sie mit einem Lachen. Im vergangenen Jahr waren sogar einmal acht gleichzeitig damit beschäftigt, die Wände des Vereinsheims anzustreichen, die Hecken der drei Plätze umfassenden Sportanlage zu stutzen und die Wege instand zu setzen. "Zu den Leuten gehören Jugendliche, Frauen und Männer allen Alters", sagt sie. Meist vertraue man ihnen handwerkliche Tätigkeiten an.

Zweite Chance verdient

Dabei geht es aber weniger darum, dass Arbeiten erledigt werden. Es geht vielmehr um die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung. "Diese Menschen sind ja nicht schlechter als andere. Sie sind vielleicht durch falsche Kontakte und ihr Umfeld auf die schiefe Bahn geraten", so Weichert. Auf alle Fälle hätten sie eine zweite Chance verdient.

Diese Chance besteht nicht nur in einer passenden Gelegenheit, die Sozialstunden abzuleisten. Es geht auch um die Vermittlung von Werten und Strukturen im Alltag. Zuverlässigkeit, Respekt, Toleranz, Fairness – all das will man den ehemaligen Straftätern, die vormittags auf die Anlage kommen, vorleben und vermitteln. "Das fängt schon damit an, dass man sie morgens freundlich begrüßt und ihnen einen Kaffee anbietet", sagt die Gelsenkirchenerin. Nur wer selbst Respekt erfahre, könne diesen auch anderen zollen.

Von seinem Gegenüber erwarte man aber auch, dass Regeln beachtet werden. Wer das nicht mache, müsse mit Konsequenzen rechnen. Einer Ermahnung folge dann eine Meldung beim Amtsgericht, betont Weichert. Nur so könne von einer zielorientierten Wiedereingliederung die Rede sein. Und nur so werde man dem Anspruch der SSV Buer gerecht, einen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft zu leisten. Dass dies gelingt und wahrgenommen wird, beweist die Auszeichnung mit der Sepp-Herberger-Urkunde in der Kategorie Resozialisierung.

[dfb]

In diesem Jahr wurde die Verleihung der Sepp-Herberger-Urkunden aufgrund der Corona-Pandemie am vergangenen Montagabend als TV-Show auf DFB-TV übertragen. 16 Preisträger erhielten in den Kategorien Behindertenfußball, Resozialisierung, Schule und Verein, Fußball Digital, Corona-Engagement sowie Sozialwerk Geldpreise in einer Gesamthöhe von 55.000 Euro. Der mit 5000 Euro dotierte erste Platz in der Kategorie Resozialisierung ging an die SSV Buer aus dem Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen, die Plätze zwei und drei belegen der Bramfelder SV aus dem Hamburger Fußball-Verband und der VfB Stuttgart aus dem Württembergischen Fußballverband. DFB.de über das Engagement des SSV.

Es ist diese für die Menschen des Ruhrgebiets so typische Mischung aus Offenheit und Pragmatismus, die im Gelsenkirchener Norden mit kleinen Schritten letztlich Großes bewirkt. Seit rund fünf Jahren begleiten die ehrenamtlichen Kräfte der SSV Buer ehemalige Straftäter auf ihrem Weg zurück in die Gesellschaft. "Bei uns leisten Leute ihre Sozialstunden ab", sagt Andrea Weichert, die sich bei dem Traditionsverein aus dem Stadtteil der nordrhein-westfälischen Großstadt um Sponsoring und Öffentlichkeitsarbeit kümmert.

Was so simpel und selbstverständlich klingt, dürfte vielerorts höhere Wellen schlagen. "Wir wollen das hier gar nicht so hoch hängen", meint Weichert. Im einstigen Kohlenpott herrsche schon immer eine besondere Mentalität. Man verstehe sich nun einmal seit den Anfängen von Bergbau und Industrialisierung als Schmelztiegel der Kulturen, als vielschichtige Gesellschaft, die zusammenhalten müsse, damit der Alltag funktioniere. "Da gehört es dazu, sich auch um die Menschen zu kümmern, die Mist gebaut haben", findet sie.

Projekt wird vom gesamten Verein getragen

Ohnehin betrachtet sie jene Teenager, Männer und Frauen nicht mit anderen Augen als alle anderen. "Die haben auch zwei Arme, zwei Hände, zwei Füße und eine Nase", erteilt sie allen Vorurteilen eine klare Abfuhr. Dennoch habe man sich vor dem Einstieg in die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Amtsgericht im Klub auf eine gemeinsame Linie verständigt. "Bei so einem Projekt reicht es nicht, wenn Einzelne dahinterstehen. Es muss vom gesamten Verein getragen werden", erklärt Weichert.

Bei der SSV - die immerhin rund 800 Mitglieder zählt - habe man die Idee von Beginn an begrüßt. Es herrsche aber auch generell ein Klima von Toleranz, Offenheit und Solidarität. Die Aktiven kommen aus allen Ecken der Welt. "Bei uns kommen Menschen mit mehr als 20 Nationalitäten zusammen", betont sie. Man stelle auch einen "Kick der Kulturen" auf die Beine, um Integrationsarbeit voran zu bringen und leiste Arbeit im Bereich der Inklusion. Mit dem Engagement in der Resozialisierung lege man nur noch eine weitere Schippe drauf, bringt es Weichert auf den Punkt.

Ein engagiertes Gelsenkirchener Urgestein

Für diese Schippe ist vor allem ein Mann verantwortlich: Dieter Denneborg. Der Mitsechziger sei Platzwart, Ehrenamtler bei der SSV und so etwas wie ein Gelsenkirchener Urgestein, sagt Weichert. Er kenne jeden und jeder kenne ihn. Zu diesen Bekannten zähle auch jemand, der am Amtsgericht tätig ist und Denneborg um Unterstützung bat. "Dieter Denneborg hat die Vereinsführung dann wiederum gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, dass Menschen bei uns im Verein ihre Sozialstunden ableisten und dabei betreut werden", erklärt Weichert. Man konnte, man wollte und man machte.

Seit einem halben Jahrzehnt vermittelt die Bewährungshilfe beim Amtsgericht Gelsenkirchen nun frühere Straftäter an den Klub. Wie viele es insgesamt waren, hat Weichert nicht nachgehalten. "Doch es mangelt nicht an Nachschub", sagt sie mit einem Lachen. Im vergangenen Jahr waren sogar einmal acht gleichzeitig damit beschäftigt, die Wände des Vereinsheims anzustreichen, die Hecken der drei Plätze umfassenden Sportanlage zu stutzen und die Wege instand zu setzen. "Zu den Leuten gehören Jugendliche, Frauen und Männer allen Alters", sagt sie. Meist vertraue man ihnen handwerkliche Tätigkeiten an.

Zweite Chance verdient

Dabei geht es aber weniger darum, dass Arbeiten erledigt werden. Es geht vielmehr um die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung. "Diese Menschen sind ja nicht schlechter als andere. Sie sind vielleicht durch falsche Kontakte und ihr Umfeld auf die schiefe Bahn geraten", so Weichert. Auf alle Fälle hätten sie eine zweite Chance verdient.

Diese Chance besteht nicht nur in einer passenden Gelegenheit, die Sozialstunden abzuleisten. Es geht auch um die Vermittlung von Werten und Strukturen im Alltag. Zuverlässigkeit, Respekt, Toleranz, Fairness – all das will man den ehemaligen Straftätern, die vormittags auf die Anlage kommen, vorleben und vermitteln. "Das fängt schon damit an, dass man sie morgens freundlich begrüßt und ihnen einen Kaffee anbietet", sagt die Gelsenkirchenerin. Nur wer selbst Respekt erfahre, könne diesen auch anderen zollen.

Von seinem Gegenüber erwarte man aber auch, dass Regeln beachtet werden. Wer das nicht mache, müsse mit Konsequenzen rechnen. Einer Ermahnung folge dann eine Meldung beim Amtsgericht, betont Weichert. Nur so könne von einer zielorientierten Wiedereingliederung die Rede sein. Und nur so werde man dem Anspruch der SSV Buer gerecht, einen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft zu leisten. Dass dies gelingt und wahrgenommen wird, beweist die Auszeichnung mit der Sepp-Herberger-Urkunde in der Kategorie Resozialisierung.

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