Björn Fecker: "Unser WM-Programm hat Eindruck hinterlassen"

Drückende 33 Grad lasten auf der Hauptstadt der Tartaren. Es ist Sommer in Russland, überall wird Fußball geschaut und auch gespielt. Diesmal von A-Junioren aus Russland und Deutschland. Die einen aus dem knapp 3000 Kilometer entfernten Braunschweig - "Braunschwig" sagt der russische Ansager -, die anderen eine Auswahl talentierter russischer junger Fußballer hier aus Kasan. Björn Fecker sitzt auf der Holztribüne und verfolgt das durchaus gute, spannende Spiel. Ein paar Dutzend Russen aus den Plattenbauten nebenan sind auch vorbeigekommen. Erst führen die Gastgeber 2:0, dann werden die Deutschen besser. 3:3, am Ende gewinnen die Deutschen im Elfmeterschießen.

Der Bremer Fecker leitet die Kommission Gesellschaftliche Verantwortung beim DFB und war an der Gestaltung eines umfangreichen gesellschaftspolitischen Rahmenprogramms beteiligt, das durch die Nationalmannschaft maßgeblich finanziert wurde. Das heute passend mit dem Spiel junger Fußballer ausklingt. Mit DFB.de hat er darüber gesprochen.

DFB.de: Herr Fecker, wie kam es zu diesem besonderen Moment der Begegnung hier in Kasan?

Björn Fecker: Die Idee entstand in Krasnodar bei einer Konferenz zu deutsch-russischen Städtepartnerschaften, die ich besuchte. Der DFB ist ja seit zwei Jahren daran gewesen, ein WM-Rahmenprogramm vorzubereiten, und dabei wollten wir auf bestehende Partnerschaften aufbauen. Als dann nach der Gruppenauslosung Kasan als Spielort feststand, sind wir auf die Braunschweiger zugegangen. Immerhin begeht Braunschweig gerade 30-jähriges Jubiläum der Städtepartnerschaft mit Kasan, das passte einfach perfekt in unsere Pläne. So wurden 15 Braunschweiger A-Jugendliche ausgewählt. Der DFB fördert die Reise mit 15.000 Euro. Seit Samstag sind die Jungs hier und wurden sogar im Rathaus empfangen. Die Jungs haben berichtet, dass der Samstagabend, als man mit vielen kolumbianischen Fans hier in der Stadt gemeinsam das Spiel Deutschland gegen Schweden verfolgte, einfach wunderbar gewesen ist. Da war viel Freude, eine Neugier aufeinander spürbar. Diesen Abend verbringt man gemeinsam mit den jungen russischen Spielern der Stadtauswahl von Kasan. Und dann hat der DFB für alle Jungs, auf deutscher und russischer Seite, zum dritten und entscheidenden Gruppenspiel unserer Mannschaft gegen Südkorea Karten zur Verfügung gestellt. Ich bin mir sicher, die Jugendlichen nehmen viel mit von dieser Reise.

DFB.de: Mit dem Jugendspiel endet das gesellschaftspolitische Rahmenprogramm für die WM, das seit Mitte Mai lief und 27 einzelne Veranstaltungen umfasste. Welche Ziele sollten erreicht werden, und wie zufrieden sind Sie?

Fecker: Es hat Tradition beim DFB, bei den großen Turnieren nicht nur erfolgreich Fußball zu spielen, sondern auch eine Beziehung zum Gastgeberland aufzubauen. Russland stellte dabei eine ganz besondere Herausforderung dar, weil gerade hier die Frage der Einhaltung von Menschen- und Freiheitsrechten sich immer wieder stellt. Dazu kommt, dass es unsere Vorfahren waren, die ein unvorstellbares Leid über dieses Land gebracht haben. 27 Millionen Menschen starben in der Sowjetunion während des Krieges gegen Hitler-Deutschland. All diese Überlegungen flossen in unsere Planungen ein. Wir wollten Begegnungen zwischen Russen und Deutschen schaffen. Der Fußball sollte Brücken bauen. Wir wollten gedenken, wie etwa in Wolgograd, dem früheren Stalingrad, wo DFB-Präsident Reinhard Grindel gemeinsam mit dem Russischen Verbandspräsidenten Alexander Alajew einen Kranz niedergelegt hat. Mit den Spielen der Blindenfußball-Nationalmannschaft in St. Petersburg haben wir für Inklusion und Vielfalt geworben. Der DFB betreibt gemeinsam mit weiteren Partnern die Fan-Botschaften an den Spielorten der deutschen Mannschaft. Die Kulturstiftung hat einen sehr guten Fan-Reiseführer herausgegeben. Rund 50 junge Menschen aus ganz Deutschland sind von St. Petersburg über Rostow am Don bis nach Sotschi gereist, um an den jeweiligen Spielorten gegen ihre Altersgenossen aus Russland Streetsoccer zu spielen. Es ist ungeheuer viel passiert, unsere Mitarbeiter haben hier mit viel Einsatz im Vorfeld und vor Ort Enormes geleistet. Das gesamte Team kann mit dem Erreichten sehr zufrieden sein.

DFB.de: Schon im Mai besuchten Sie im Rahmen einer Deutsch-Russischen Fußballwoche Moskau und Wolgograd, jetzt begleiten Sie die Termine hier in Kasan. Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie gemacht?

Fecker: Die Menschen sind uns sehr offen und positiv begegnet. Aber auch, dass wir als DFB, der natürlich für einen werteorientierten Fußball eintritt, hier in Russland Haltung zeigen müssen. So hatten wir einen Termin mit zwei NGOs, mit der Rechtsanwaltsgruppe Agora und mit der Gruppe "Die Frauen vom Don". Für diese engagierten Menschen ist es wichtig, dass Gäste aus dem Ausland ihre Arbeit verfolgen und darüber berichten. Wir haben uns ihren Einsatz für die Menschenrechte und ihre Sicht der Situation in Russland schildern lassen, sie haben über Repressalien aufgrund ihrer Arbeit berichtet und wir haben mit ihnen auch über ihre Sichtweise auf die Weltmeisterschaft gesprochen. Das war für mich sehr bewegend, aber auch sehr bedrückend. Das hat mir noch einmal deutlich gemacht, dass, obwohl für einen selbst diese Rechte so selbstverständlich erscheinen, man sich doch immer wieder für sie einsetzen muss. Diese Themen müssen im Rahmen einer solchen Weltmeisterschaft auch angesprochen werden. Mit dem Projekt der Sternsinger, dem Geschenk von 1000 Bällen für die Kinder von Watutinki, dem Ort des Teamcamps unserer Mannschaft, und etwa die Förderung der Deutschen Schule in Moskau haben der DFB und unsere Mannschaft zudem soziale Akzente gesetzt.

DFB.de: Gab es Feedback vom Russischen Verband zu den Aktivitäten?

Fecker: Die Deutsch-Russische Fußballwoche und unser gesamtes gesellschaftspolitisches Rahmenprogramm haben nach meiner Wahrnehmung schon einen starken Eindruck beim Russischen Verband hinterlassen. Den Fandialog, den wir in Moskau gestartet haben, wollen wir beim Länderspiel gegen Russland am 15. November in Leipzig fortsetzen. Auch dort planen wir ein Dialogformat, wo beide Verbände gemeinsam mit deutschen und russischen Fans diskutieren werden. Eine WM schafft Freundschaften und Gemeinsamkeiten, und es gibt Themen, die nicht mit dem WM-Finale enden.

DFB.de: Was entgegnen Sie Menschen, die es befürworten, Fußball und Politik strikt getrennt zu halten?

Fecker: Dass ich Ihre Sicht nicht teile. Der Fußball darf sich nicht parteipolitisch einmischen, darf keine Wahlempfehlung aussprechen. Doch der Fußball hat eine Verantwortung für unsere Gesellschaft. Wo sonst versammeln sich noch so viele Menschen? In unseren Vereinen engagieren sich viele Menschen nicht nur für den Sport, sondern auch für soziale Anliegen. Etwa durch die Aufnahme geflüchteter Menschen in den Verein, durch die klare Abgrenzung gegenüber Rassismus oder Antisemitismus, durch die Einbindung behinderter Menschen oder einfach auch nur, um für Kinder und Jugendliche da und ansprechbar zu sein, weil sich ihre Eltern eben nicht kümmern. Was der eine oder andere Kritiker vielleicht nicht weiß: Die DFB-Satzung gibt uns klare Werte vor. Diese Werte gilt es zu verteidigen, und es ist gut, dass der DFB das heute wieder aktiver tut.

[th]

Drückende 33 Grad lasten auf der Hauptstadt der Tartaren. Es ist Sommer in Russland, überall wird Fußball geschaut und auch gespielt. Diesmal von A-Junioren aus Russland und Deutschland. Die einen aus dem knapp 3000 Kilometer entfernten Braunschweig - "Braunschwig" sagt der russische Ansager -, die anderen eine Auswahl talentierter russischer junger Fußballer hier aus Kasan. Björn Fecker sitzt auf der Holztribüne und verfolgt das durchaus gute, spannende Spiel. Ein paar Dutzend Russen aus den Plattenbauten nebenan sind auch vorbeigekommen. Erst führen die Gastgeber 2:0, dann werden die Deutschen besser. 3:3, am Ende gewinnen die Deutschen im Elfmeterschießen.

Der Bremer Fecker leitet die Kommission Gesellschaftliche Verantwortung beim DFB und war an der Gestaltung eines umfangreichen gesellschaftspolitischen Rahmenprogramms beteiligt, das durch die Nationalmannschaft maßgeblich finanziert wurde. Das heute passend mit dem Spiel junger Fußballer ausklingt. Mit DFB.de hat er darüber gesprochen.

DFB.de: Herr Fecker, wie kam es zu diesem besonderen Moment der Begegnung hier in Kasan?

Björn Fecker: Die Idee entstand in Krasnodar bei einer Konferenz zu deutsch-russischen Städtepartnerschaften, die ich besuchte. Der DFB ist ja seit zwei Jahren daran gewesen, ein WM-Rahmenprogramm vorzubereiten, und dabei wollten wir auf bestehende Partnerschaften aufbauen. Als dann nach der Gruppenauslosung Kasan als Spielort feststand, sind wir auf die Braunschweiger zugegangen. Immerhin begeht Braunschweig gerade 30-jähriges Jubiläum der Städtepartnerschaft mit Kasan, das passte einfach perfekt in unsere Pläne. So wurden 15 Braunschweiger A-Jugendliche ausgewählt. Der DFB fördert die Reise mit 15.000 Euro. Seit Samstag sind die Jungs hier und wurden sogar im Rathaus empfangen. Die Jungs haben berichtet, dass der Samstagabend, als man mit vielen kolumbianischen Fans hier in der Stadt gemeinsam das Spiel Deutschland gegen Schweden verfolgte, einfach wunderbar gewesen ist. Da war viel Freude, eine Neugier aufeinander spürbar. Diesen Abend verbringt man gemeinsam mit den jungen russischen Spielern der Stadtauswahl von Kasan. Und dann hat der DFB für alle Jungs, auf deutscher und russischer Seite, zum dritten und entscheidenden Gruppenspiel unserer Mannschaft gegen Südkorea Karten zur Verfügung gestellt. Ich bin mir sicher, die Jugendlichen nehmen viel mit von dieser Reise.

DFB.de: Mit dem Jugendspiel endet das gesellschaftspolitische Rahmenprogramm für die WM, das seit Mitte Mai lief und 27 einzelne Veranstaltungen umfasste. Welche Ziele sollten erreicht werden, und wie zufrieden sind Sie?

Fecker: Es hat Tradition beim DFB, bei den großen Turnieren nicht nur erfolgreich Fußball zu spielen, sondern auch eine Beziehung zum Gastgeberland aufzubauen. Russland stellte dabei eine ganz besondere Herausforderung dar, weil gerade hier die Frage der Einhaltung von Menschen- und Freiheitsrechten sich immer wieder stellt. Dazu kommt, dass es unsere Vorfahren waren, die ein unvorstellbares Leid über dieses Land gebracht haben. 27 Millionen Menschen starben in der Sowjetunion während des Krieges gegen Hitler-Deutschland. All diese Überlegungen flossen in unsere Planungen ein. Wir wollten Begegnungen zwischen Russen und Deutschen schaffen. Der Fußball sollte Brücken bauen. Wir wollten gedenken, wie etwa in Wolgograd, dem früheren Stalingrad, wo DFB-Präsident Reinhard Grindel gemeinsam mit dem Russischen Verbandspräsidenten Alexander Alajew einen Kranz niedergelegt hat. Mit den Spielen der Blindenfußball-Nationalmannschaft in St. Petersburg haben wir für Inklusion und Vielfalt geworben. Der DFB betreibt gemeinsam mit weiteren Partnern die Fan-Botschaften an den Spielorten der deutschen Mannschaft. Die Kulturstiftung hat einen sehr guten Fan-Reiseführer herausgegeben. Rund 50 junge Menschen aus ganz Deutschland sind von St. Petersburg über Rostow am Don bis nach Sotschi gereist, um an den jeweiligen Spielorten gegen ihre Altersgenossen aus Russland Streetsoccer zu spielen. Es ist ungeheuer viel passiert, unsere Mitarbeiter haben hier mit viel Einsatz im Vorfeld und vor Ort Enormes geleistet. Das gesamte Team kann mit dem Erreichten sehr zufrieden sein.

DFB.de: Schon im Mai besuchten Sie im Rahmen einer Deutsch-Russischen Fußballwoche Moskau und Wolgograd, jetzt begleiten Sie die Termine hier in Kasan. Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie gemacht?

Fecker: Die Menschen sind uns sehr offen und positiv begegnet. Aber auch, dass wir als DFB, der natürlich für einen werteorientierten Fußball eintritt, hier in Russland Haltung zeigen müssen. So hatten wir einen Termin mit zwei NGOs, mit der Rechtsanwaltsgruppe Agora und mit der Gruppe "Die Frauen vom Don". Für diese engagierten Menschen ist es wichtig, dass Gäste aus dem Ausland ihre Arbeit verfolgen und darüber berichten. Wir haben uns ihren Einsatz für die Menschenrechte und ihre Sicht der Situation in Russland schildern lassen, sie haben über Repressalien aufgrund ihrer Arbeit berichtet und wir haben mit ihnen auch über ihre Sichtweise auf die Weltmeisterschaft gesprochen. Das war für mich sehr bewegend, aber auch sehr bedrückend. Das hat mir noch einmal deutlich gemacht, dass, obwohl für einen selbst diese Rechte so selbstverständlich erscheinen, man sich doch immer wieder für sie einsetzen muss. Diese Themen müssen im Rahmen einer solchen Weltmeisterschaft auch angesprochen werden. Mit dem Projekt der Sternsinger, dem Geschenk von 1000 Bällen für die Kinder von Watutinki, dem Ort des Teamcamps unserer Mannschaft, und etwa die Förderung der Deutschen Schule in Moskau haben der DFB und unsere Mannschaft zudem soziale Akzente gesetzt.

DFB.de: Gab es Feedback vom Russischen Verband zu den Aktivitäten?

Fecker: Die Deutsch-Russische Fußballwoche und unser gesamtes gesellschaftspolitisches Rahmenprogramm haben nach meiner Wahrnehmung schon einen starken Eindruck beim Russischen Verband hinterlassen. Den Fandialog, den wir in Moskau gestartet haben, wollen wir beim Länderspiel gegen Russland am 15. November in Leipzig fortsetzen. Auch dort planen wir ein Dialogformat, wo beide Verbände gemeinsam mit deutschen und russischen Fans diskutieren werden. Eine WM schafft Freundschaften und Gemeinsamkeiten, und es gibt Themen, die nicht mit dem WM-Finale enden.

DFB.de: Was entgegnen Sie Menschen, die es befürworten, Fußball und Politik strikt getrennt zu halten?

Fecker: Dass ich Ihre Sicht nicht teile. Der Fußball darf sich nicht parteipolitisch einmischen, darf keine Wahlempfehlung aussprechen. Doch der Fußball hat eine Verantwortung für unsere Gesellschaft. Wo sonst versammeln sich noch so viele Menschen? In unseren Vereinen engagieren sich viele Menschen nicht nur für den Sport, sondern auch für soziale Anliegen. Etwa durch die Aufnahme geflüchteter Menschen in den Verein, durch die klare Abgrenzung gegenüber Rassismus oder Antisemitismus, durch die Einbindung behinderter Menschen oder einfach auch nur, um für Kinder und Jugendliche da und ansprechbar zu sein, weil sich ihre Eltern eben nicht kümmern. Was der eine oder andere Kritiker vielleicht nicht weiß: Die DFB-Satzung gibt uns klare Werte vor. Diese Werte gilt es zu verteidigen, und es ist gut, dass der DFB das heute wieder aktiver tut.

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