Historie der Weltmeisterschaften

’54, ’74, ’90, 2014.... Das Lied hat in Brasilien seine Fortsetzung gefunden. Zum vierten Mal hat die deutsche Nationalmannschaft den WM-Titel gewonnen.

Wer damals am Radio sass, der hört Herbert Zimmermann noch immer. Hört Schäfer nach innen flanken, hört die Kopfballabwehr der Ungarn, hört Rahn, der aus dem Hintergrund schießen müsste, hört Rahn schießen – und Kommentator Zimmermann viermal „Tor“ schreien. Sechs Minuten später ist das Spiel „aus, aus, aus“. Ekstase in Wankdorf. Deutschland ist zum ersten Mal Weltmeister, die „Goldene Elf“ der Ungarn ist geschlagen, 3:2 nach 0:2. Es ist der 4. Juli 1954.

Der Mythos der „Helden von Bern“ lebt bis heute. Bundestrainer Sepp Herberger, Spielführer Fritz Walter oder Torjäger Helmut Rahn kennen auch die, die sie nicht mehr live erlebt haben. Es ist ein Mythos, der auch ein Produkt der Zeit ist, in der er entstand. Der Krieg war noch kein Jahrzehnt vorbei, der kollektive Wohlstand noch nicht erreicht, das Selbstbewusstsein der jungen Republik noch nicht entwickelt. Der Sieg von Wankdorf war weit mehr als ein sportlicher Erfolg. Wahrscheinlich wusste das Fritz Walter noch gar nicht, als er den Coupe Jules Rimet entgegennahm und mit fast ungläubigem Lächeln zu seinen Mitspielern schlenderte. Doch nach Bern machte ein Satz die Runde, der auch einiges über die psychologische Bedeutung des WM-Triumphes aussagte: „Wir sind wieder wer.“

An 17 WM-Endrunden hat die deutsche Nationalmannschaft mittlerweile teilgenommen. Kein Team hat mehr Spiele bestritten, auch die Brasilianer nicht, obwohl sie zweimal öfter dabei waren. Siebenmal stand Deutschland im Finale, dreimal gewann es, dazu kommen drei dritte Plätze. Beeindruckende Zahlen, aber eine WM, das ist vor allem Emotion. Ganz besonders, wenn das Turnier im eigenen Land stattfindet.

Wie zum ersten Mal 1974. Helmut Schön zog sein Team in der Sportschule Malente zusammen. Und nicht zum ersten Mal wurde bei diesem Turnier die Erfahrung gemacht, dass eine Niederlage richtig viel bewirken kann. Die Nacht wurde lang in Malente nach dem 0:1 gegen die DDR. Und für die deutsche Mannschaft zur Initialzündung. Am Ende des Weges stand die Finalteilnahme im Münchner Olympiastadion gegen die Niederlande mit Johan Cruyff. „Oranje“ ging in der ersten Minute durch einen verwandelten Foulelfmeter von Johan Neeskens 1:0 in Führung. Aber die Deutschen um ihren Kapitän Franz Beckenbauer drehten das Spiel. Noch vor der Halbzeitpause trafen Paul Breitner, ebenfalls per Foulelfmeter, und Gerd Müller. 2:1, dabei blieb es bis zum Abpfiff. Titel Nummer zwei.

Auch am dritten WM-Triumph war Beckenbauer maßgeblich beteiligt, diesmal als Teamchef. 1990 in Italien machte seine Mannschaft die vielleicht besten Spiele dieser Dekade. Angetrieben von Lothar Matthäus gab es bereits im ersten Spiel ein 4:1 gegen Jugoslawien. Legendär war aber vor allem das Achtelfinale gegen die Niederländer. Rudi Völler und Frank Rijkaard flogen bereits früh vom Platz. Jürgen Klinsmann brachte die DFB-Auswahl in Führung, Andreas Brehme erhöhte, Koemans Anschlusstreffer kam zu spät. Dem 1:0 gegen die Tschechoslowakei folgte in der Runde der letzten vier das Shootout gegen England. Bodo Illgner parierte den Schuss von Stuart Pearce, Chris Waddle schoss drüber, alle deutschen Schützen trafen. Die Krönung folgte gegen Argentinien, weil Brehme kurz vor Schluss gegen Elfmeterkiller Goycochea vom Punkt traf.

Manchmal wird man aber auch zum Sieger, wenn man das Turnier nicht gewinnt: 2006 beim Sommermärchen zum Beispiel. Freudetrunkene Fans zu Millionen auf den Fanmeilen, eine begeisternde Mannschaft, Platz drei im eigenen Land. 2010 in Südafrika ebenso, wieder Platz drei, wieder ein Team, das mit starkem Kombinationsfußball beeindruckte, erst England 4:1, dann Argentinien 4:0 nach Hause schickte.

Unvergessliche Spiele hat es gegeben in all den Jahren. 1954 das Vorrunden-3:8 gegen Ungarn mit der B-Elf, 1966 fiel im Finale gegen England das „Wembley-Tor“, 1970 sahen die Zuschauer in Mexiko gegen Italien das „Jahrhundertspiel“ und den Treffer von „ausgerechnet Schnellinger“. 1974 die „Wasserschlacht von Frankfurt“ gegen Polen, 1982 der Elferkrimi gegen Frankreich und Klaus Fischers Fallrückziehertor, 2002 das 8:0 zum Auftakt gegen Saudi-Arabien, 2006 Jens Lehmanns Spickzettel gegen Argentiniens Elfmeterschützen. 2014 in Brasilien kamen weitere legendäre Spiele und Momente hinzu: der spektakuläre Start mit dem 4:0 gegen Portugal, das unfassbare 7:1 gegen die Gastgeber im Halbfinale von Belo Horizonte und - natürlich - Mario Götzes traumhafter Schuss ins Glück im Finale von Rio de Janeiro.