Salto verpatzt, aber Ronaldo eingeholt

Sieben Spiele zum Glück. Es begann in Salvador mit einem Traum, es endete in Rio mit dem Weltmeistertitel. DFB.de lässt die sieben deutschen Spiele der WM noch einmal Revue passieren und erzählt ihre Geschichten. Auf dem Platz und daneben. Heute: Miroslav Kloses Salto und Torrekord im zweiten Gruppenspiel gegen Ghana.

Einfacher Salto, ohne besondere Schwierigkeit. Nicht gestreckt, nicht gehechtet, nicht mit Schraube versehen. Kein Auerbach, kein Ginger - und doch fast gestürzt. Beim Wasserspringen oder am Reck wären die Kampfrichter gezwungen gewesen, eine sehr niedrige Bewertung vorzunehmen. Ein Patzer bei einem Standard, viele Argumente für viele Punkte hätten sich nicht gefunden. Auch Miroslav Klose war nicht zufrieden. Am Tag nach seinem missglückten Salto ging der Stürmer noch hart mit sich ins Gericht. Als völlig missraten bezeichnete er seinen Salto, mildernde weil besondere Umstände wollte er nicht gelten lassen. "Ich weiß auch nicht, was mich dazu getrieben hat, den Salto zu machen", sagte er. "Man hat gesehen, dass ich in dieser Hinsicht völlig aus der Übung bin."

In anderer Hinsicht zum Glück nicht. Denn Klose führte seinen Salto nicht beim Wasserspringen oder beim Turnen auf, es gab keine Kampfrichter, die sich über die Landung auf dem Allerwertesten hätten ereifern können. Die Geschichte des Spiels gegen Ghana ist auch nicht die des freien Überschlags um die Breitenachse des Körpers, die Geschichte des Spiels gegen Ghana erzählt von den Sekunden, die dem Salto vorgelagert waren. Die wenigen an diesem Abend in Fortaleza - und die vielen seit dem 1. Juni 2002. In Sapporo erzielte Klose mit einem Flugkopfball zum 1:0 in der 21. Minute gegen Saudi-Arabien seinen ersten WM-Treffer, in den 13 Jahren bis zum Spiel gegen Ghana bei der in Brasilien sollten 13 weitere Treffer folgen. Vor dem zweiten Spiel der WM 2014 summierten sich Kloses Treffer damit auf 14, ein Tor fehlte dem Deutschen, um in der ewigen Torschützenliste mit dem Brasilianer Ronaldo gleichzuziehen.

69 Minuten in der Zuschauerrolle

Zunächst sprach nicht viel dafür, dass Klose den Rekord gegen die Afrikaner einstellen würde können. Ganz entscheidend dies nicht: Klose saß lediglich auf der Bank, und von dort aus ist das mit dem Tore-Erzielen selbst für die treffsichersten Stürmer nicht so ganz leicht. 69 Minuten musste der 36-Jährige zuschauen – dann wurde er für Mario Götze eingewechselt. Bundestrainer Joachim Löw bewies damit ein glückliches Händchen - es folgte Historisches. Was genau, beschreibt der glaubwürdigste Augenzeuge wie folgt. "Ich kam rein, dann gab es schnell die Ecke", sagt Klose. "Ich habe gedacht, dass ich zum Kopfball gehen muss und bin angetreten. Aber irgendetwas hat mir gesagt, dass ich abrechen und auf den zweiten Pfosten gehen muss. Diesem Instinkt bin ich zum Glück gefolgt, genau dort kam der Ball hin."

Deutschland vs. Ghana

Weil sich der weltbeste Linksverteidiger, der eigentlich Innenverteidiger ist, im gegnerischen Strafraum tummelte. Benedikt Höwedes war es, der den Ball nach der Ecke von Toni Kroos an den zweiten Pfosten verlängerte. Für Klose war es dann ein Leichtes, den Ball zum Rekordtor über die Linie zu drücken. "Man muss ein Näschen dafür haben, wo der Ball hinkommen könnte", sagt er. "In diesem Augenblick hat alles gestimmt. Ich war mir sicher, dass ich noch hinter dem Verteidiger stehe, ich wusste, wo ich mich positionieren muss und habe den Ball sicher über die Linie befördert."

Rückkehr in die Realität

Kloses Treffer war fußballgeschichtlich bedeutsam, er war aber auch in der Aktualität von einigem Wert. Spiel zwei der WM in Brasilien bedeutete für Deutschland eine Rückkehr in die Realität. Nach dem furiosen Auftakt mit dem 4:0 gegen Portugal konnte sich das DFB-Team vor Hymnen kaum wehren. Deutschland galt nun noch mehr als sonst als Topfavorit, für manche war Ghana nicht mehr als Zwischenstation für eine unstoppbare Mannschaft. Spieler und Trainer haben sich von der Hysterie nicht anstecken lassen. "Unser Auftaktsieg war wichtig und gut, aber wir müssen jetzt nachlegen. Mit einem Sieg können wir in der Gruppe davonziehen", sagte Bundestrainer Joachim Löw. Vor Ghana warnte er eindringlich, wegen der individuellen Qualität der Spieler des Gegners. Und auch wegen der Konstellation nach der Auftaktniederlage von Kevin-Prince Boateng und Co. gegen die USA. "Für Ghana ist es bereits ein Endspiel. Sie werden kämpfen bis aufs Blut. Wenn sie nicht gewinnen, wird es für sie sehr schwierig."

Die Warnung hatte Wirkung. Gegen Ghana lief es zunächst besser als befürchtet. Das DFB-Team agierte zwar ohne den ganz großen spielerischen Glanz, dafür mit hoher Effizienz. Bezeichnend dafür das 1:0 von Mario Götze, der in der 51. Minuten nach einer Flanke von Thomas Müller unfreiwillig mit sicher selber Doppelpass spielte. Von seinem Kopf sprang der Ball an sein linkes Knie – und von dort ins Tor. "Es war etwas glücklich, dass der Ball reingegangen ist", räumte Götze ein. Sei's drum, Deutschland steuerte dem zweiten Sieg im zweiten Spiel entgegen. Für ganze drei Minuten, dann traf Andre Ayew für Ghana. Und nach dem 2:1 von Asamoah Gyan in der 63. Minute steuerte auf einmal Deutschland der ersten Niederlage entgegen.

"Ich war optimistisch"

Bis Joachim Löw auf Miroslav zusteuerte und diesem signalisierte, dass er gleich eingewechselt werden würde. Nach seiner Einwechslung war es dann Klose, der schnell dem ghanaischen Strafraum entgegensteuerte. Was dort geschah ist schon beschrieben, nicht aber, was Klose nach seinem 15. WM-Treffer durch den Kopf ging. "Ich weiß, dass ich auf dem Weg zur Mittellinie geschaut habe, wie lange noch zu spielen ist", sagt er. "Ich war dann optimistisch, dass wir noch die eine oder andere Möglichkeit bekommen werden, den Siegtreffer zu erzielen. Das war dann auch so, wobei wir auch sagen müssen, dass wir durchaus noch einen Gegentreffer hätten kassieren können."

Zwei Mal Konjunktiv, es blieb beim 2:2, der Einzug ins Achtelfinale war verschoben. Nicht aber die Einstellung des Torrekords. Wie dies zu bewerten ist, gibt der Rekordtorschütze selber vor. Klose sagt: "20 Spiele, 15 Kisten, das ist schon nicht schlecht." Nicht schlecht. Kann man so sehen - da darf dann ruhig auch mal der anschließende Salto in die Hose gehen.

[sl]

Sieben Spiele zum Glück. Es begann in Salvador mit einem Traum, es endete in Rio mit dem Weltmeistertitel. DFB.de lässt die sieben deutschen Spiele der WM noch einmal Revue passieren und erzählt ihre Geschichten. Auf dem Platz und daneben. Heute: Miroslav Kloses Salto und Torrekord im zweiten Gruppenspiel gegen Ghana.

Einfacher Salto, ohne besondere Schwierigkeit. Nicht gestreckt, nicht gehechtet, nicht mit Schraube versehen. Kein Auerbach, kein Ginger - und doch fast gestürzt. Beim Wasserspringen oder am Reck wären die Kampfrichter gezwungen gewesen, eine sehr niedrige Bewertung vorzunehmen. Ein Patzer bei einem Standard, viele Argumente für viele Punkte hätten sich nicht gefunden. Auch Miroslav Klose war nicht zufrieden. Am Tag nach seinem missglückten Salto ging der Stürmer noch hart mit sich ins Gericht. Als völlig missraten bezeichnete er seinen Salto, mildernde weil besondere Umstände wollte er nicht gelten lassen. "Ich weiß auch nicht, was mich dazu getrieben hat, den Salto zu machen", sagte er. "Man hat gesehen, dass ich in dieser Hinsicht völlig aus der Übung bin."

In anderer Hinsicht zum Glück nicht. Denn Klose führte seinen Salto nicht beim Wasserspringen oder beim Turnen auf, es gab keine Kampfrichter, die sich über die Landung auf dem Allerwertesten hätten ereifern können. Die Geschichte des Spiels gegen Ghana ist auch nicht die des freien Überschlags um die Breitenachse des Körpers, die Geschichte des Spiels gegen Ghana erzählt von den Sekunden, die dem Salto vorgelagert waren. Die wenigen an diesem Abend in Fortaleza - und die vielen seit dem 1. Juni 2002. In Sapporo erzielte Klose mit einem Flugkopfball zum 1:0 in der 21. Minute gegen Saudi-Arabien seinen ersten WM-Treffer, in den 13 Jahren bis zum Spiel gegen Ghana bei der in Brasilien sollten 13 weitere Treffer folgen. Vor dem zweiten Spiel der WM 2014 summierten sich Kloses Treffer damit auf 14, ein Tor fehlte dem Deutschen, um in der ewigen Torschützenliste mit dem Brasilianer Ronaldo gleichzuziehen.

69 Minuten in der Zuschauerrolle

Zunächst sprach nicht viel dafür, dass Klose den Rekord gegen die Afrikaner einstellen würde können. Ganz entscheidend dies nicht: Klose saß lediglich auf der Bank, und von dort aus ist das mit dem Tore-Erzielen selbst für die treffsichersten Stürmer nicht so ganz leicht. 69 Minuten musste der 36-Jährige zuschauen – dann wurde er für Mario Götze eingewechselt. Bundestrainer Joachim Löw bewies damit ein glückliches Händchen - es folgte Historisches. Was genau, beschreibt der glaubwürdigste Augenzeuge wie folgt. "Ich kam rein, dann gab es schnell die Ecke", sagt Klose. "Ich habe gedacht, dass ich zum Kopfball gehen muss und bin angetreten. Aber irgendetwas hat mir gesagt, dass ich abrechen und auf den zweiten Pfosten gehen muss. Diesem Instinkt bin ich zum Glück gefolgt, genau dort kam der Ball hin."

Deutschland vs. Ghana

Weil sich der weltbeste Linksverteidiger, der eigentlich Innenverteidiger ist, im gegnerischen Strafraum tummelte. Benedikt Höwedes war es, der den Ball nach der Ecke von Toni Kroos an den zweiten Pfosten verlängerte. Für Klose war es dann ein Leichtes, den Ball zum Rekordtor über die Linie zu drücken. "Man muss ein Näschen dafür haben, wo der Ball hinkommen könnte", sagt er. "In diesem Augenblick hat alles gestimmt. Ich war mir sicher, dass ich noch hinter dem Verteidiger stehe, ich wusste, wo ich mich positionieren muss und habe den Ball sicher über die Linie befördert."

Rückkehr in die Realität

Kloses Treffer war fußballgeschichtlich bedeutsam, er war aber auch in der Aktualität von einigem Wert. Spiel zwei der WM in Brasilien bedeutete für Deutschland eine Rückkehr in die Realität. Nach dem furiosen Auftakt mit dem 4:0 gegen Portugal konnte sich das DFB-Team vor Hymnen kaum wehren. Deutschland galt nun noch mehr als sonst als Topfavorit, für manche war Ghana nicht mehr als Zwischenstation für eine unstoppbare Mannschaft. Spieler und Trainer haben sich von der Hysterie nicht anstecken lassen. "Unser Auftaktsieg war wichtig und gut, aber wir müssen jetzt nachlegen. Mit einem Sieg können wir in der Gruppe davonziehen", sagte Bundestrainer Joachim Löw. Vor Ghana warnte er eindringlich, wegen der individuellen Qualität der Spieler des Gegners. Und auch wegen der Konstellation nach der Auftaktniederlage von Kevin-Prince Boateng und Co. gegen die USA. "Für Ghana ist es bereits ein Endspiel. Sie werden kämpfen bis aufs Blut. Wenn sie nicht gewinnen, wird es für sie sehr schwierig."

Die Warnung hatte Wirkung. Gegen Ghana lief es zunächst besser als befürchtet. Das DFB-Team agierte zwar ohne den ganz großen spielerischen Glanz, dafür mit hoher Effizienz. Bezeichnend dafür das 1:0 von Mario Götze, der in der 51. Minuten nach einer Flanke von Thomas Müller unfreiwillig mit sicher selber Doppelpass spielte. Von seinem Kopf sprang der Ball an sein linkes Knie – und von dort ins Tor. "Es war etwas glücklich, dass der Ball reingegangen ist", räumte Götze ein. Sei's drum, Deutschland steuerte dem zweiten Sieg im zweiten Spiel entgegen. Für ganze drei Minuten, dann traf Andre Ayew für Ghana. Und nach dem 2:1 von Asamoah Gyan in der 63. Minute steuerte auf einmal Deutschland der ersten Niederlage entgegen.

"Ich war optimistisch"

Bis Joachim Löw auf Miroslav zusteuerte und diesem signalisierte, dass er gleich eingewechselt werden würde. Nach seiner Einwechslung war es dann Klose, der schnell dem ghanaischen Strafraum entgegensteuerte. Was dort geschah ist schon beschrieben, nicht aber, was Klose nach seinem 15. WM-Treffer durch den Kopf ging. "Ich weiß, dass ich auf dem Weg zur Mittellinie geschaut habe, wie lange noch zu spielen ist", sagt er. "Ich war dann optimistisch, dass wir noch die eine oder andere Möglichkeit bekommen werden, den Siegtreffer zu erzielen. Das war dann auch so, wobei wir auch sagen müssen, dass wir durchaus noch einen Gegentreffer hätten kassieren können."

Zwei Mal Konjunktiv, es blieb beim 2:2, der Einzug ins Achtelfinale war verschoben. Nicht aber die Einstellung des Torrekords. Wie dies zu bewerten ist, gibt der Rekordtorschütze selber vor. Klose sagt: "20 Spiele, 15 Kisten, das ist schon nicht schlecht." Nicht schlecht. Kann man so sehen - da darf dann ruhig auch mal der anschließende Salto in die Hose gehen.