Max Lorenz: Stimmungskanone und Team-Psychologe

Als die deutsche Nationalmannschaft vor fünf Wochen auf der Berliner Fan-Meile von einer halben Millionen Menschen als Weltmeister gefeiert wurde, saß er vor dem Fernseher. Und seine Gedanken waren nicht nur in Berlin, sie gingen auf Zeitreise und an einen anderen Ort. "Wir sind auch ganz wunderbar empfangen worden, damals in Frankfurt. Man erinnert sich gerne daran." Das ist alle schon eine ganze Weile her und derjenige, der das sagt, wird am Dienstag 75 Jahre alt. Oder jung. Denn Max Lorenz, 19-maliger deutscher Nationalspieler, ist dauernd auf Achse. Er hat eine Wohnung in Köln und eine in Bremen und das wöchentliche Pendeln, sagt er, "das hält mich jung."

Seiner Generation rät er: "Nicht nur zu Hause aus dem Fenster schauen und auf Alt machen. Das kann ich keinem empfehlen. Geht raus, bei Schietwetter, bei schönem Wetter. Geht einfach raus und atmet die Luft ein. Dann kann das lange gut gehen."

Immer dabei, wenn sein SV Werder spielt

Sein nächstes Reiseziel ist Frankfurt. Werder-Urgestein Thomas Schaaf, den neuen Eintracht-Trainer, besuchen. Wo er heute feiert, hat er nicht verraten, nur dass es diesmal im kleinen Kreis mit der Familie sei. "Weil meine Frau im vergangenen Jahr gestorben ist. In fünf Jahren machen wir dann wieder ein Fest im großen Rahmen."

Typisch Max Lorenz. So einer lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Aber natürlich war auch die Stimmung des ewigen Spaßvogels gedrückt, als seine Lebensgefährtin Hildegard Krekel, eine bekannte Schauspielerin, im Mai 2013 an Krebs verstarb. 18 Jahre haben sie gemeinsam verbracht, und als er im September 2008 einen Schlaganfall erlitt, da hat sie ihm das Leben gerettet und rechtzeitig Hilfe geholt.

Er kommt von sich aus auf das Thema, dieser Schatten liegt noch über seinem Glück als rüstiger Rentner, als Vater zweier Söhne und als glühender Fußball-Fan. Der immer noch dabei ist, wenn sein SV Werder spielt, "das ist mein Verein". Natürlich hat der Meister-Spieler von 1965 und Pokalsieger von 1961 noch seine Ehrenkarte. Und der mitfiebert, wenn Deutschland spielt. Gerade bei Weltmeisterschaften. Er selbst hat zwei erlebt, 1966 in England und 1970 in Mexiko.

Bei zwei Weltmeisterschaften als Stimmungskanone und Team-Psychologe im Einsatz

Bei diesen Turnieren hat Max Lorenz eine besondere Rolle gespielt. Weniger auf dem Platz zwar, aber doch nicht weniger wichtig. "Er ist mein Kapitän der Reserve", hat Bundestrainer Helmut Schön einmal gesagt. Denn für den vielseitig einsetzbaren Lorenz, ein Baum von einem Kerl mit seinen 186 Zentimetern, hatte er bei den Turnieren rein sportlich keine Verwendung. Lorenz kam in seiner Karriere in allen Mannschaftsteilen zum Einsatz, das war Fluch und Segen zugleich. Er konnte alles gut, aber zumindest in den Augen des Bundestrainers nichts sehr gut. Von zwölf möglichen WM-Einsätzen bestritt er nur einen, in Mexiko war er im Spiel um Platz 3 dabei. 45 Minuten gegen Uruguay.

Ansonsten gab Lorenz die Stimmungskanone und den Team-Psychologen. "Ich habe alle aufgebaut, die nicht gespielt haben. Das war meine Aufgabe. Zum Beispiel den Weltklasse-Fußballer Helmut Haller, der in Mexiko nur einen Einsatz hatte und sehr geknickt war." Sein Credo: "Eine Mannschaft ist immer nur so gut wie es ihre Reservisten zulassen." Mit der Einstellung hätte er auch in Brasilien eine gute Rolle gespielt. Helmut Schön hat über Lorenz gesagt: "Ich machte ihn zum Kapitän der Ersatzleute, damit es nicht zwei Gruppen gab. Er war mein Vertrauensmann, entscheidend für das Betriebsklima."

Lorenz: "Stolz, mit Fußballern wie Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Helmut Haller gespielt zu haben"

Beinahe allerdings wäre noch eine Aufgabe hinzugekommen, damals in England. Der 30. Juli 1966, es ist der Tag des Finales, das durch ein legendäres Nicht-Tor entschieden werden soll. Bundestrainer Helmut Schön grübelt noch am Morgen über der Aufstellung gegen die Gastgeber. Lorenz: "Mittags um zwölf stand ich noch in der Mannschaft. Ich sollte gegen Bobby Charlton spielen – vielleicht auch auf Linksaußen den Lothar Emmerich ersetzen, der nicht mehr so gut in Form war. Ich konnte ja die Linie rauf und runter jagen. Aber dann haben sie sich doch anders entschieden. Ich tauschte also meinen Trainingsanzug gegen das DFB-Jackett und saß ein paar Reihen hinter der Queen – mit den anderen Ersatzspielern." Sein Pech: 1966 war die letzte WM, bei denen Auswechslungen verboten waren. Mit Anpfiff waren die Reservisten Zuschauer wie andere auch, sonst wäre er vielleicht doch zu seinem Einsatz gekommen in einem Spiel, das in die Verlängerung ging.

Max Lorenz ist heute weit davon entfernt, seine Nebenrolle bei den WM-Endrunden oder seine Länderspiel-Karriere an sich zu bedauern. Laut kicker hat er bei 52 Länderspielen auf der Bank gesessen. Lorenz glaubt gewiss, dass "ich heutzutage sicher auf 50 Länderspiele gekommen wäre." Aber es bleiben wunderbare Erinnerungen. "Gott sei Dank habe ich an zwei Weltmeisterschaften teilgenommen. Es macht mich unglaublich stolz, mit Fußballern wie Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Hans Tilkowski, Helmut Haller und wie sie alle heißen, gespielt zu haben. Ich war bei den Highlights des deutschen Fußballs in jenen Jahren dabei und wenn wir uns immer mal wieder sehen, dann gibt es viel zu quatschen."

Verwicklung in Bundesliga-Skandal und 15-monatige Sperre

Auch über seine Streiche. So lange Max Lorenz im DFB-Kader stand (zwischen 1965 und 1970) war die Rolle des Spaßvogels besetzt, nicht einmal Sepp Maier rüttelte daran. Wobei sie sich bestens ergänzten. Lorenz und Maier haben in England Feueralarm ausgelöst und dafür gesorgt, dass die Korridore des Hotels voll mit Löschschaum waren und er hat eine Kiste zugenagelt, in die sich Sepp Maier legte. Lorenz klebte das Etikett "Express-Gut aus Deutschland" darauf. Absender DFB. In Erwartung von Verpflegung packten sie die Mitspieler aus, aber dann grinste sie nur der Ersatz-Torwart an.

Einen ganzen Pub hat der Max mit einer komödiantischen Aufführung zum Lachen gebracht. In Mexiko hat er zusammen mit Werder-Spezi Horst-Dieter Höttges Bundestrainer Schön in den Pool geworfen, aber nicht ohne ihn vorher zu bitten, seine Uhr abzulegen. Ein charmanter Lausbub eben, der auch mal eine große Dummheit begeht. 1971 war er mit Braunschweig, wo er seine drei letzten Profi-Jahre (1969 -72) absolvierte, in den Bundesliga-Skandal verwickelt und wurde 15 Monate gesperrt. Wobei die Eintracht im Grunde kein Verbrechen begangen hat. Sie war nur für eine Siegprämie von Arminia Bielefeld empfänglich, die Interesse an einer Niederlage von Oberhausen hatte. Die aber gab es gar nicht, man trennte sich 1:1. Dafür gab es noch eine unglaubliche Lorenz-Geschichte. Von der Polizei ließ er sich damals unter einem nie bekannt gewordenen Vorwand noch im Trikot zum Flughafen fahren, um dem Bielefelder Geldboten noch 40.000 Mark abzuschwätzen, denn "die Mannschaft will doch in die Ferien". Und wer konnte dem Charmeur Max Lorenz schon je etwas abschlagen?

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Als die deutsche Nationalmannschaft vor fünf Wochen auf der Berliner Fan-Meile von einer halben Millionen Menschen als Weltmeister gefeiert wurde, saß er vor dem Fernseher. Und seine Gedanken waren nicht nur in Berlin, sie gingen auf Zeitreise und an einen anderen Ort. "Wir sind auch ganz wunderbar empfangen worden, damals in Frankfurt. Man erinnert sich gerne daran." Das ist alle schon eine ganze Weile her und derjenige, der das sagt, wird am Dienstag 75 Jahre alt. Oder jung. Denn Max Lorenz, 19-maliger deutscher Nationalspieler, ist dauernd auf Achse. Er hat eine Wohnung in Köln und eine in Bremen und das wöchentliche Pendeln, sagt er, "das hält mich jung."

Seiner Generation rät er: "Nicht nur zu Hause aus dem Fenster schauen und auf Alt machen. Das kann ich keinem empfehlen. Geht raus, bei Schietwetter, bei schönem Wetter. Geht einfach raus und atmet die Luft ein. Dann kann das lange gut gehen."

Immer dabei, wenn sein SV Werder spielt

Sein nächstes Reiseziel ist Frankfurt. Werder-Urgestein Thomas Schaaf, den neuen Eintracht-Trainer, besuchen. Wo er heute feiert, hat er nicht verraten, nur dass es diesmal im kleinen Kreis mit der Familie sei. "Weil meine Frau im vergangenen Jahr gestorben ist. In fünf Jahren machen wir dann wieder ein Fest im großen Rahmen."

Typisch Max Lorenz. So einer lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Aber natürlich war auch die Stimmung des ewigen Spaßvogels gedrückt, als seine Lebensgefährtin Hildegard Krekel, eine bekannte Schauspielerin, im Mai 2013 an Krebs verstarb. 18 Jahre haben sie gemeinsam verbracht, und als er im September 2008 einen Schlaganfall erlitt, da hat sie ihm das Leben gerettet und rechtzeitig Hilfe geholt.

Er kommt von sich aus auf das Thema, dieser Schatten liegt noch über seinem Glück als rüstiger Rentner, als Vater zweier Söhne und als glühender Fußball-Fan. Der immer noch dabei ist, wenn sein SV Werder spielt, "das ist mein Verein". Natürlich hat der Meister-Spieler von 1965 und Pokalsieger von 1961 noch seine Ehrenkarte. Und der mitfiebert, wenn Deutschland spielt. Gerade bei Weltmeisterschaften. Er selbst hat zwei erlebt, 1966 in England und 1970 in Mexiko.

Bei zwei Weltmeisterschaften als Stimmungskanone und Team-Psychologe im Einsatz

Bei diesen Turnieren hat Max Lorenz eine besondere Rolle gespielt. Weniger auf dem Platz zwar, aber doch nicht weniger wichtig. "Er ist mein Kapitän der Reserve", hat Bundestrainer Helmut Schön einmal gesagt. Denn für den vielseitig einsetzbaren Lorenz, ein Baum von einem Kerl mit seinen 186 Zentimetern, hatte er bei den Turnieren rein sportlich keine Verwendung. Lorenz kam in seiner Karriere in allen Mannschaftsteilen zum Einsatz, das war Fluch und Segen zugleich. Er konnte alles gut, aber zumindest in den Augen des Bundestrainers nichts sehr gut. Von zwölf möglichen WM-Einsätzen bestritt er nur einen, in Mexiko war er im Spiel um Platz 3 dabei. 45 Minuten gegen Uruguay.

Ansonsten gab Lorenz die Stimmungskanone und den Team-Psychologen. "Ich habe alle aufgebaut, die nicht gespielt haben. Das war meine Aufgabe. Zum Beispiel den Weltklasse-Fußballer Helmut Haller, der in Mexiko nur einen Einsatz hatte und sehr geknickt war." Sein Credo: "Eine Mannschaft ist immer nur so gut wie es ihre Reservisten zulassen." Mit der Einstellung hätte er auch in Brasilien eine gute Rolle gespielt. Helmut Schön hat über Lorenz gesagt: "Ich machte ihn zum Kapitän der Ersatzleute, damit es nicht zwei Gruppen gab. Er war mein Vertrauensmann, entscheidend für das Betriebsklima."

Lorenz: "Stolz, mit Fußballern wie Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Helmut Haller gespielt zu haben"

Beinahe allerdings wäre noch eine Aufgabe hinzugekommen, damals in England. Der 30. Juli 1966, es ist der Tag des Finales, das durch ein legendäres Nicht-Tor entschieden werden soll. Bundestrainer Helmut Schön grübelt noch am Morgen über der Aufstellung gegen die Gastgeber. Lorenz: "Mittags um zwölf stand ich noch in der Mannschaft. Ich sollte gegen Bobby Charlton spielen – vielleicht auch auf Linksaußen den Lothar Emmerich ersetzen, der nicht mehr so gut in Form war. Ich konnte ja die Linie rauf und runter jagen. Aber dann haben sie sich doch anders entschieden. Ich tauschte also meinen Trainingsanzug gegen das DFB-Jackett und saß ein paar Reihen hinter der Queen – mit den anderen Ersatzspielern." Sein Pech: 1966 war die letzte WM, bei denen Auswechslungen verboten waren. Mit Anpfiff waren die Reservisten Zuschauer wie andere auch, sonst wäre er vielleicht doch zu seinem Einsatz gekommen in einem Spiel, das in die Verlängerung ging.

Max Lorenz ist heute weit davon entfernt, seine Nebenrolle bei den WM-Endrunden oder seine Länderspiel-Karriere an sich zu bedauern. Laut kicker hat er bei 52 Länderspielen auf der Bank gesessen. Lorenz glaubt gewiss, dass "ich heutzutage sicher auf 50 Länderspiele gekommen wäre." Aber es bleiben wunderbare Erinnerungen. "Gott sei Dank habe ich an zwei Weltmeisterschaften teilgenommen. Es macht mich unglaublich stolz, mit Fußballern wie Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Hans Tilkowski, Helmut Haller und wie sie alle heißen, gespielt zu haben. Ich war bei den Highlights des deutschen Fußballs in jenen Jahren dabei und wenn wir uns immer mal wieder sehen, dann gibt es viel zu quatschen."

Verwicklung in Bundesliga-Skandal und 15-monatige Sperre

Auch über seine Streiche. So lange Max Lorenz im DFB-Kader stand (zwischen 1965 und 1970) war die Rolle des Spaßvogels besetzt, nicht einmal Sepp Maier rüttelte daran. Wobei sie sich bestens ergänzten. Lorenz und Maier haben in England Feueralarm ausgelöst und dafür gesorgt, dass die Korridore des Hotels voll mit Löschschaum waren und er hat eine Kiste zugenagelt, in die sich Sepp Maier legte. Lorenz klebte das Etikett "Express-Gut aus Deutschland" darauf. Absender DFB. In Erwartung von Verpflegung packten sie die Mitspieler aus, aber dann grinste sie nur der Ersatz-Torwart an.

Einen ganzen Pub hat der Max mit einer komödiantischen Aufführung zum Lachen gebracht. In Mexiko hat er zusammen mit Werder-Spezi Horst-Dieter Höttges Bundestrainer Schön in den Pool geworfen, aber nicht ohne ihn vorher zu bitten, seine Uhr abzulegen. Ein charmanter Lausbub eben, der auch mal eine große Dummheit begeht. 1971 war er mit Braunschweig, wo er seine drei letzten Profi-Jahre (1969 -72) absolvierte, in den Bundesliga-Skandal verwickelt und wurde 15 Monate gesperrt. Wobei die Eintracht im Grunde kein Verbrechen begangen hat. Sie war nur für eine Siegprämie von Arminia Bielefeld empfänglich, die Interesse an einer Niederlage von Oberhausen hatte. Die aber gab es gar nicht, man trennte sich 1:1. Dafür gab es noch eine unglaubliche Lorenz-Geschichte. Von der Polizei ließ er sich damals unter einem nie bekannt gewordenen Vorwand noch im Trikot zum Flughafen fahren, um dem Bielefelder Geldboten noch 40.000 Mark abzuschwätzen, denn "die Mannschaft will doch in die Ferien". Und wer konnte dem Charmeur Max Lorenz schon je etwas abschlagen?