DFB-Team vs. Ungarn: Weit mehr als das "Wunder von Bern"

Wer an Fußball und Ungarn denkt, der denkt automatisch an das "Wunder von Bern". Doch die Geschichte der Länderspiele mit unserem Gegner im heutigen Familienländerspiel (ab 18 Uhr, live im ZDF und im Fan-Club-Radio auf laut.fm/dfbfanclubradio) in Gelsenkirchen enthält noch ein paar andere Kapitel. So gab es vor dem WM-Finale, in dem Helmut Rahn für die Entscheidung sorgte, bereits zwei Spiele, die als kleine Fußballwunder in die Annalen eingingen, doch Bern überdeckte alles. Historiker Udo Muras erinnert an mehr oder weniger vergessene Geschichten aus einer bereits 107-jährigen sportlichen Beziehung.

Erst seit sechs Jahren ist die Bilanz gegen die Ungarn positiv. Am 29. Mai 2010, damals wie heute ein Test vor einem großen Turnier, gewann die Löw-Elf in Budapest 3:0. Lukas Podolski und die Joker Cacau und Mario Gomez schossen die Tore zum zwölften Sieg, dem zehn Remis und elf Niederlagen gegenüber stehen. Lange Zeit konnte man sich einen derart hohen Sieg gegen die Ballzauberer vom Balkan gar nicht vorstellen.

4. April 1909: Die Premiere

Im erst fünften deutschen Länderspiel überhaupt feierte die DFB-Auswahl einen schönen Erfolg. Denn erstmals geht sie nicht als Verlierer vom Platz, in Budapest gibt es vor 11.000 Zuschauern ein 3:3. Dreimal gehen die Ungarn in Führung, dreimal gleichen die Deutschen aus. Ihre Namen sind den Berichterstattern nicht so geläufig, die Illustrierte Sportzeitung nennt gar keine Torschützen, vermeldet aber: "Bei trübem Wetter und teilweise Niederschlägen fand das Spiel statt. Die Deutschen waren besser, aber die Ungarn verteidigten gut." Nicht gut genug bei den Schüssen des Berliners Willy Worpitzki (5., 33.) und des Leipzigers Camillo Ugi (79., Elfmeter). Hinterher werden laut einer Fußball-Chronik von 1937 bei "einem fabelhaften Bankett…Freundschaftsbande geknüpft, die den Weltkrieg überdauert haben und heute noch bestehen."

17. Dezember 1911: Die Heimpremiere

1911 ist die bunt zusammengewürfelte deutsche Elf laut dem Fachblatt Fußball derart überlegen, dass die 1:4-Niederlage kaum erklärlich zu sein scheint. Zur Pause steht es schon 0:2, direkt nach Wiederanpfiff trifft dann wieder Worpitzki. Der Karlsruher Julius Hirsch, später wegen seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft von den Nazis in Auschwitz ermordet, gibt sein Debüt in einer Mannschaft, die "zwei Drittel der Spielzeit mehr vom Spiel hatte". Bis 2004 (0:2 in Kaiserslautern) bleibt es der einzige ungarische Auswärtssieg, noch immer ist es der höchste.

3. Juli 1912: Das erste Pflichtspiel

Drei Monate nach einem spektakulären 4:4 in Budapest trifft die deutsche Mannschaft wieder auf die Ungarn und verliert bei den Olympischen Spielen in Stockholm in der Trostrunde 1:3. Was auch an Torwart Adolf Werner aus Kiel gelegen haben mag, der wegen Krankheit "nicht fähig war, auf beiden Beinen sich rasch zu bewegen". (Fußball). Er hat ein steifes Bein, was dem ungarischen Torjäger Imre Schlosser-Lakatos das Leben leicht macht. Er erzielt alle drei Tore gegen eine deutsche Elf, die am Ende wegen Verletzungen nur noch eine Neun ist. Das Gegentor verbucht Fritz Förderer zum 1:2 (56.).

24. Oktober 1920: Der erste Sieg

Der Weltkrieg unterbricht den Spielverkehr für sechs Jahre, dann wird Deutschland wieder zugelassen. Die Ungarn sind der dritte Gegner, der wieder mit den Deutschen spielen will. Sie werden auch zum vierten Gegner, der ihnen unterliegt. In Berlin fällt nur ein Tor an diesem Herbsttag, der im Zeichen der grandiosen Torwartleistung von Teddy Lohrmann aus Fürth steht, der eigentlich Theodor heißt. Lohrmann soll auch den weiblichen Teil der 35.000 Zuschauer im Grunewaldstadion beeindruckt haben - durch seinen modischen grau-grünen Pullover. Das erste Siegtor gegen die Ungarn ist ein schlichter Elfmeter, den Adolf Jäger aus Altona, damals Rekordtorjäger der Nationalelf, nach 22 Minuten verwandelt.

Es folgen zwei deutliche Niederlagen in Budapest (0:3 und 1:4) und ein 0:0 beim ersten Länderspiel in Bochum (2. Juli 1922), ehe es zum ersten Fußballwunder gegen die Ungarn kommt.

28. September 1930: Das Wunder von Dresden

Damals steuert die Nationalelf einem Debakel entgegen. Im Ostra-Gehege, Heimstätte des DSC, steht es zur Halbzeit nach einem Hattrick von Joszef Takacs (29., 35., 40.) 0:3, das Publikum murrt und buht. Peinlich berührt ist auch der komplett vertretene DFB-Vorstand, anlässlich des Bundestags in Dresden angereist. Dann kommt es zu einem Novum in unserer Geschichte, nie mehr hat eine Nationalelf einen solchen Rückstand noch in einen Sieg verwandelt. Die wilde Hatz beginnt nach 59 Minuten, als Lokalmatador Richard Hofmann verkürzt. Der schon humpelnde Münchner Namensvetter Ludwig Hofmann verkürzt (61.) und nach 71 Minuten gleicht der schon humpelnde Debütant Johannes Ludwig von Holstein Kiel aus.

Die 42.000 Besucher rasen und wollen noch mehr. Bekommen sie. Ludwig Lachner von 1860 München (78.) per Kopf und wieder Ludwig Hofmann vom FC Bayern (86.) sorgen für den unglaublichen 5:3-Endstand gegen die damalige Fußballgroßmacht Ungarn. "Es gibt kein Wort des Lobes zu viel für die Energie der deutschen Spieler. Diese Leistung allein ist von hohem moralischem Wert für die Millionen, die Fußball spielen", schreibt der Reporter des Fußball. Und die Chronik von 1937 vermerkt: "Tausende stürmten nach diesem Sieg auf den Platz und trugen die Helden dieses Kampfes hinaus." Bis zum Tag von Bern gilt dieser Sieg als der schönste der deutschen Fußballgeschichte.

14. Januar 1934: Das Weitschusstor des Jahrhunderts

Rund 40.000 Zuschauer frieren im Frankfurter Waldstadion, Januarspiele sind selten im Länderspielkalender. Aber sie bereuen ihr Kommen nicht, denn sie sehen nicht nur einen verdient heraus gespielten 3:1-Heimsieg der Deutschen, sondern auch ein Tor, das 40 Jahre später gewiss mit der Plakette "Tor des Jahres" ausgezeichnet worden wäre. Beim Stand von 1:1 legt sich der Frankfurter Eintracht-Spieler Hans Stubb in der 55. Minute den Ball zum Freistoß zu Recht - noch in der eigenen Hälfte. Schätzungen schwanken zwischen 60 und 70 Metern. Stubb hat alles vor, nur nicht ein Tor zu erzielen. "Ich wollte nämlich den Ball zu unseren Stürmern in den Strafraum vorschlagen und habe natürlich nie daran gedacht, ein Tor zu schießen!" Schon eher denkt er an seine Freundin und an seine Mutter, die in Block 6, genau auf Ballhöhe sitzen, als er anläuft. Und dann passiert das Unglaubliche, der Ball fliegt bis in die Mitte des Strafraums, setzt auf hart gefrorenem Boden auf und springt direkt unter die Latte. Es ist ein Sensationstor und es bringt die Deutschen auf die Siegerstraße. Debütant Edmund Conen sorgt für den 3:1-Endstand, aber die Zuschauer haben auf dem Nachhauseweg nur ein Thema: das Stubb-Tor. Es ist bis heute kein Länderspieltor aus größerer Entfernung erzielt worden.

6. April 1941: Der höchste Sieg

Im zweiten Kriegsjahr trifft Deutschland nur noch auf Verbündete, Eroberte oder Neutrale. Der Reichspropagandaminister erwartet Siege zur Hebung der Moral und zur Demonstration deutscher Stärke. Dazu taugt das Spiel in Köln allemal. Fragt man Helmut Schön nach seinem Lieblingsländerspiel, so hat er dieses genannt. Ein 7:0 gegen einen Gegner, der sie zwei Jahre zuvor noch 5:1 geschlagen hat, welch Genugtuung für die deutsche Fußballseele. Schön: "Im Omnibus zwischen Wuppertal und Köln wurde kräftig gesungen, die Stimmung der 65.000 im Kölner Stadion war ebenso unbeschwert und optimistisch." Und doch konnte keiner ahnen, was da kommen würde. Neun der Spieler in Sepp Herbergers Kader reisen in Uniform an, sind im Kriegseinsatz. Eine geordnete Vorbereitung ist kaum möglich, aber daran sind sie gewöhnt. Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten gibt die Order aus: "Spielt ja fair! Es liegt was Besonderes in der Luft. Das Spiel ist mehr als ein Fußballspiel. Es ist eine Demonstration der Freundschaft." Weil Ungarn in Kürze an der Seite Deutschlands in den Krieg eintreten wird, wie er schon erfahren haben will, darf nichts geschehen, was das Verhältnis trübt.

Nun, das Ergebnis dürfte in Budapest gewiss auf wenig Beifall gestoßen sein. "Alles, was wir tun, ist an diesem Tag Gift für Ungarn", notiert Schön in seinen Erinnerungen. Fritz Walter ist der giftigste, er holt den Elfmeter zum 1:0 heraus, erzielt das 2:0 selbst. Stanislaus Kobierski sorgt für die 3:0-Pausenführung. 3:0 gegen den Vizeweltmeister, die Zuschauer können es kaum glauben. Nur Fachleute erkennen die Ursache: Die Ungarn üben ein neues System ein, das moderne WM-System. Bloß können sie es noch nicht, im Mittelfeld ergeben sich zu viele Freiräume für die Deutschen, die sich herzlich bedanken. Schön. "Die ungarischen Abwehrspieler suchen unsere Leute auf dem Platz. Ihr ganzes System geht zum Teufel". Und der lange Dresdner erzielt nach Willi Hahnemanns 4:0 alsbald "das Supertor meines Lebens" per Fallrückzieher von der Strafraumgrenze. Hahnemann und Schön sind nun auf den Geschmack gekommen und schrauben das Resultat bis zur 82. Minute auf 7:0, erst dann vergeht der deutsche Torhunger.
Fazit Schön im Jahre 1978: "Nach allem, was ich als Spieler miterlebt und später als Trainer gesehen habe, lässt sich dieses Spiel wohl nur mit unserem 3:1 gegen England im Wembley-Stadion vergleichen, als Günter Netzer seinen größten Tag hatte".

3. Mai 1942: Das Wunder von Budapest

Knapp ein Jahr später erhalten die Ungarn die Gelegenheit zur Revanche. Und wie es scheint, nutzen sie sie. Zur Halbzeit steht es 3:1 – nur 3:1. "Die haben uns regelrecht vorgeführt und waren Klassen besser als wir", erinnert sich Fritz Walter, Schütze des 0:1, nach dem Krieg. Sepp Herberger notierte: "Von einer planmäßigen Abwehr bei uns konnte vorerst überhaupt keine Rede sein." In der Kabine herrscht eine gespenstische Stimmung. Herberger bittet seine frustrierten Schützlinge beinahe flehentlich: "Männer, lasst es nur nicht zur Katastrophe kommen." Dann schaut er aus dem Kabinenfenster und pfeift scheinbar geistesabwesend die Melodie eines Operettenschlagers: "Die Julischka, die Julischka aus Buda-Budapest." Aus der Nachbarkabine dagegen dringt lautes Triumphgeheul, die Ungarn haben schon gewonnen und feiern bereits.

Ein sträflicher Leichtsinn. Herberger klopft jedem einzelnen auf die Schulter und erinnert an das 5:3 von Dresden, damals gar nach 0:3-Rückstand. Dann sagt er: "Männer, wir gewinnen diesen Kampf noch." Wenn es immer so einfach wäre. Von früher erzählen, ein Schulterklopfer und ein Appell - und dann kommt es genauso. Auch dieses Spiel gewinnt Deutschland mit 5:3. Paul Janes, Fritz Walter, Frido Dörfel und Albert Sing schießen die Tore und Herberger notiert: "Eine solche Leistung kann nur unsere Mannschaft vollbringen."

20. Juni 1954: Die höchste Pleite

Das "Wunder von Bern" hat bekanntlich ein neunzigminütiges Vorspiel. Schon in der Vorrunde trifft man aufeinander und an diesem Tag schickt Herberger in Basel nicht seine beste Elf. Die braucht er im Entscheidungsspiel gegen die Türken, nun braucht er nur elf Spieler, die die Partie mit Anstand über die Runden bringen. Immerhin setzt er Fritz Walter ein, aber er verzichtet auf dessen Bruder Ottmar, auf Max Morlock, Jupp Posipal, Hans Schäfer oder Toni Turek. Die deutschen Schlachtenbummler buhen bei der Verlesung der Aufstellung und ihre Wut steigert sich von Minute zu Minute. Am Ende eines desolaten Auftritts steht eine historische 3:8-Pleite, bis heute die höchste bei einer WM. Ersatztorwart Heinrich Kwiatkowski wird allgemein bedauert. Helmut Rahn, Alfred Pfaff und Richard Herrmann schießen die Tore, die nur für die Statistik bedeutsam sind. Die Gemüter beruhigen sie nicht. Körbeweise kommt Zuschauerpost ins deutsche Lager nach Spiez am Thuner See, Herberger wird in oft drastischen Worten zum Rücktritt aufgefordert. Auch er hat dieses Debakel nicht gewollt, doch es hat sein Gutes. Als sie sich am 4. Juli in Bern wieder sehen, haben die Ungarn schon gewonnen. Denken sie. Und wieder soll es sich rächen.

Seit dem Tag von Bern hat es kein Pflichtspiel mehr zwischen diesen Ländern gegeben, Ungarn verpasste zu viele Turniere, in der Qualifikation führte sie das Los nie zusammen. Aber es gab noch eine Besonderheit in der DFB-Historie.

15. November 1978: Der Spielabbruch

Als am vergangenen Sonntag in Augsburg die Wassermassen auf den Rasen prasselten und ein Spielabbruch in der Luft lag, da wurde mancher wieder an den 15. November 1978 erinnert. Was weder in Augsburg noch sonst jemals in Länderspielen geschah, das geschah an diesem Tag in Frankfurt. Ausgerechnet das Abschiedsspiel für Helmut Schön, der nach der WM 1978 als Bundestrainer aufgehört hatte, musste nach 60 Minuten abgepfiffen werden - beim Stand von 0:0. Der Nebel, der übers Feld waberte, machte ein Weiterspielen unmöglich. Da sind die ersten Zuschauer schon geflohen, die Verbliebenen rufen immer lauter "Aufhören". Um 21.30 Uhr beendet der französische Schiedsrichter Robert Wurtz das Spiel, das keiner sah. Aber Helmut Schön, der Mann mit der Mütze, hat seinen verdienten Beifall noch bekommen. Die Laudatio hält Fernsehkommentator Rudi Michel, Uwe Seeler ist gekommen, Fritz Walter und auch einer derjenigen, der beim 7:0 von Köln an seiner Seite stand: Paul Janes. Helmut Schön erhält eine Nachbildung des WM-Pokals 1974 und geht im Triumph. Daran kann auch der Nebel nichts ändern.

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Wer an Fußball und Ungarn denkt, der denkt automatisch an das "Wunder von Bern". Doch die Geschichte der Länderspiele mit unserem Gegner im heutigen Familienländerspiel (ab 18 Uhr, live im ZDF und im Fan-Club-Radio auf laut.fm/dfbfanclubradio) in Gelsenkirchen enthält noch ein paar andere Kapitel. So gab es vor dem WM-Finale, in dem Helmut Rahn für die Entscheidung sorgte, bereits zwei Spiele, die als kleine Fußballwunder in die Annalen eingingen, doch Bern überdeckte alles. Historiker Udo Muras erinnert an mehr oder weniger vergessene Geschichten aus einer bereits 107-jährigen sportlichen Beziehung.

Erst seit sechs Jahren ist die Bilanz gegen die Ungarn positiv. Am 29. Mai 2010, damals wie heute ein Test vor einem großen Turnier, gewann die Löw-Elf in Budapest 3:0. Lukas Podolski und die Joker Cacau und Mario Gomez schossen die Tore zum zwölften Sieg, dem zehn Remis und elf Niederlagen gegenüber stehen. Lange Zeit konnte man sich einen derart hohen Sieg gegen die Ballzauberer vom Balkan gar nicht vorstellen.

4. April 1909: Die Premiere

Im erst fünften deutschen Länderspiel überhaupt feierte die DFB-Auswahl einen schönen Erfolg. Denn erstmals geht sie nicht als Verlierer vom Platz, in Budapest gibt es vor 11.000 Zuschauern ein 3:3. Dreimal gehen die Ungarn in Führung, dreimal gleichen die Deutschen aus. Ihre Namen sind den Berichterstattern nicht so geläufig, die Illustrierte Sportzeitung nennt gar keine Torschützen, vermeldet aber: "Bei trübem Wetter und teilweise Niederschlägen fand das Spiel statt. Die Deutschen waren besser, aber die Ungarn verteidigten gut." Nicht gut genug bei den Schüssen des Berliners Willy Worpitzki (5., 33.) und des Leipzigers Camillo Ugi (79., Elfmeter). Hinterher werden laut einer Fußball-Chronik von 1937 bei "einem fabelhaften Bankett…Freundschaftsbande geknüpft, die den Weltkrieg überdauert haben und heute noch bestehen."

17. Dezember 1911: Die Heimpremiere

1911 ist die bunt zusammengewürfelte deutsche Elf laut dem Fachblatt Fußball derart überlegen, dass die 1:4-Niederlage kaum erklärlich zu sein scheint. Zur Pause steht es schon 0:2, direkt nach Wiederanpfiff trifft dann wieder Worpitzki. Der Karlsruher Julius Hirsch, später wegen seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft von den Nazis in Auschwitz ermordet, gibt sein Debüt in einer Mannschaft, die "zwei Drittel der Spielzeit mehr vom Spiel hatte". Bis 2004 (0:2 in Kaiserslautern) bleibt es der einzige ungarische Auswärtssieg, noch immer ist es der höchste.

3. Juli 1912: Das erste Pflichtspiel

Drei Monate nach einem spektakulären 4:4 in Budapest trifft die deutsche Mannschaft wieder auf die Ungarn und verliert bei den Olympischen Spielen in Stockholm in der Trostrunde 1:3. Was auch an Torwart Adolf Werner aus Kiel gelegen haben mag, der wegen Krankheit "nicht fähig war, auf beiden Beinen sich rasch zu bewegen". (Fußball). Er hat ein steifes Bein, was dem ungarischen Torjäger Imre Schlosser-Lakatos das Leben leicht macht. Er erzielt alle drei Tore gegen eine deutsche Elf, die am Ende wegen Verletzungen nur noch eine Neun ist. Das Gegentor verbucht Fritz Förderer zum 1:2 (56.).

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24. Oktober 1920: Der erste Sieg

Der Weltkrieg unterbricht den Spielverkehr für sechs Jahre, dann wird Deutschland wieder zugelassen. Die Ungarn sind der dritte Gegner, der wieder mit den Deutschen spielen will. Sie werden auch zum vierten Gegner, der ihnen unterliegt. In Berlin fällt nur ein Tor an diesem Herbsttag, der im Zeichen der grandiosen Torwartleistung von Teddy Lohrmann aus Fürth steht, der eigentlich Theodor heißt. Lohrmann soll auch den weiblichen Teil der 35.000 Zuschauer im Grunewaldstadion beeindruckt haben - durch seinen modischen grau-grünen Pullover. Das erste Siegtor gegen die Ungarn ist ein schlichter Elfmeter, den Adolf Jäger aus Altona, damals Rekordtorjäger der Nationalelf, nach 22 Minuten verwandelt.

Es folgen zwei deutliche Niederlagen in Budapest (0:3 und 1:4) und ein 0:0 beim ersten Länderspiel in Bochum (2. Juli 1922), ehe es zum ersten Fußballwunder gegen die Ungarn kommt.

28. September 1930: Das Wunder von Dresden

Damals steuert die Nationalelf einem Debakel entgegen. Im Ostra-Gehege, Heimstätte des DSC, steht es zur Halbzeit nach einem Hattrick von Joszef Takacs (29., 35., 40.) 0:3, das Publikum murrt und buht. Peinlich berührt ist auch der komplett vertretene DFB-Vorstand, anlässlich des Bundestags in Dresden angereist. Dann kommt es zu einem Novum in unserer Geschichte, nie mehr hat eine Nationalelf einen solchen Rückstand noch in einen Sieg verwandelt. Die wilde Hatz beginnt nach 59 Minuten, als Lokalmatador Richard Hofmann verkürzt. Der schon humpelnde Münchner Namensvetter Ludwig Hofmann verkürzt (61.) und nach 71 Minuten gleicht der schon humpelnde Debütant Johannes Ludwig von Holstein Kiel aus.

Die 42.000 Besucher rasen und wollen noch mehr. Bekommen sie. Ludwig Lachner von 1860 München (78.) per Kopf und wieder Ludwig Hofmann vom FC Bayern (86.) sorgen für den unglaublichen 5:3-Endstand gegen die damalige Fußballgroßmacht Ungarn. "Es gibt kein Wort des Lobes zu viel für die Energie der deutschen Spieler. Diese Leistung allein ist von hohem moralischem Wert für die Millionen, die Fußball spielen", schreibt der Reporter des Fußball. Und die Chronik von 1937 vermerkt: "Tausende stürmten nach diesem Sieg auf den Platz und trugen die Helden dieses Kampfes hinaus." Bis zum Tag von Bern gilt dieser Sieg als der schönste der deutschen Fußballgeschichte.

14. Januar 1934: Das Weitschusstor des Jahrhunderts

Rund 40.000 Zuschauer frieren im Frankfurter Waldstadion, Januarspiele sind selten im Länderspielkalender. Aber sie bereuen ihr Kommen nicht, denn sie sehen nicht nur einen verdient heraus gespielten 3:1-Heimsieg der Deutschen, sondern auch ein Tor, das 40 Jahre später gewiss mit der Plakette "Tor des Jahres" ausgezeichnet worden wäre. Beim Stand von 1:1 legt sich der Frankfurter Eintracht-Spieler Hans Stubb in der 55. Minute den Ball zum Freistoß zu Recht - noch in der eigenen Hälfte. Schätzungen schwanken zwischen 60 und 70 Metern. Stubb hat alles vor, nur nicht ein Tor zu erzielen. "Ich wollte nämlich den Ball zu unseren Stürmern in den Strafraum vorschlagen und habe natürlich nie daran gedacht, ein Tor zu schießen!" Schon eher denkt er an seine Freundin und an seine Mutter, die in Block 6, genau auf Ballhöhe sitzen, als er anläuft. Und dann passiert das Unglaubliche, der Ball fliegt bis in die Mitte des Strafraums, setzt auf hart gefrorenem Boden auf und springt direkt unter die Latte. Es ist ein Sensationstor und es bringt die Deutschen auf die Siegerstraße. Debütant Edmund Conen sorgt für den 3:1-Endstand, aber die Zuschauer haben auf dem Nachhauseweg nur ein Thema: das Stubb-Tor. Es ist bis heute kein Länderspieltor aus größerer Entfernung erzielt worden.

6. April 1941: Der höchste Sieg

Im zweiten Kriegsjahr trifft Deutschland nur noch auf Verbündete, Eroberte oder Neutrale. Der Reichspropagandaminister erwartet Siege zur Hebung der Moral und zur Demonstration deutscher Stärke. Dazu taugt das Spiel in Köln allemal. Fragt man Helmut Schön nach seinem Lieblingsländerspiel, so hat er dieses genannt. Ein 7:0 gegen einen Gegner, der sie zwei Jahre zuvor noch 5:1 geschlagen hat, welch Genugtuung für die deutsche Fußballseele. Schön: "Im Omnibus zwischen Wuppertal und Köln wurde kräftig gesungen, die Stimmung der 65.000 im Kölner Stadion war ebenso unbeschwert und optimistisch." Und doch konnte keiner ahnen, was da kommen würde. Neun der Spieler in Sepp Herbergers Kader reisen in Uniform an, sind im Kriegseinsatz. Eine geordnete Vorbereitung ist kaum möglich, aber daran sind sie gewöhnt. Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten gibt die Order aus: "Spielt ja fair! Es liegt was Besonderes in der Luft. Das Spiel ist mehr als ein Fußballspiel. Es ist eine Demonstration der Freundschaft." Weil Ungarn in Kürze an der Seite Deutschlands in den Krieg eintreten wird, wie er schon erfahren haben will, darf nichts geschehen, was das Verhältnis trübt.

Nun, das Ergebnis dürfte in Budapest gewiss auf wenig Beifall gestoßen sein. "Alles, was wir tun, ist an diesem Tag Gift für Ungarn", notiert Schön in seinen Erinnerungen. Fritz Walter ist der giftigste, er holt den Elfmeter zum 1:0 heraus, erzielt das 2:0 selbst. Stanislaus Kobierski sorgt für die 3:0-Pausenführung. 3:0 gegen den Vizeweltmeister, die Zuschauer können es kaum glauben. Nur Fachleute erkennen die Ursache: Die Ungarn üben ein neues System ein, das moderne WM-System. Bloß können sie es noch nicht, im Mittelfeld ergeben sich zu viele Freiräume für die Deutschen, die sich herzlich bedanken. Schön. "Die ungarischen Abwehrspieler suchen unsere Leute auf dem Platz. Ihr ganzes System geht zum Teufel". Und der lange Dresdner erzielt nach Willi Hahnemanns 4:0 alsbald "das Supertor meines Lebens" per Fallrückzieher von der Strafraumgrenze. Hahnemann und Schön sind nun auf den Geschmack gekommen und schrauben das Resultat bis zur 82. Minute auf 7:0, erst dann vergeht der deutsche Torhunger.
Fazit Schön im Jahre 1978: "Nach allem, was ich als Spieler miterlebt und später als Trainer gesehen habe, lässt sich dieses Spiel wohl nur mit unserem 3:1 gegen England im Wembley-Stadion vergleichen, als Günter Netzer seinen größten Tag hatte".

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3. Mai 1942: Das Wunder von Budapest

Knapp ein Jahr später erhalten die Ungarn die Gelegenheit zur Revanche. Und wie es scheint, nutzen sie sie. Zur Halbzeit steht es 3:1 – nur 3:1. "Die haben uns regelrecht vorgeführt und waren Klassen besser als wir", erinnert sich Fritz Walter, Schütze des 0:1, nach dem Krieg. Sepp Herberger notierte: "Von einer planmäßigen Abwehr bei uns konnte vorerst überhaupt keine Rede sein." In der Kabine herrscht eine gespenstische Stimmung. Herberger bittet seine frustrierten Schützlinge beinahe flehentlich: "Männer, lasst es nur nicht zur Katastrophe kommen." Dann schaut er aus dem Kabinenfenster und pfeift scheinbar geistesabwesend die Melodie eines Operettenschlagers: "Die Julischka, die Julischka aus Buda-Budapest." Aus der Nachbarkabine dagegen dringt lautes Triumphgeheul, die Ungarn haben schon gewonnen und feiern bereits.

Ein sträflicher Leichtsinn. Herberger klopft jedem einzelnen auf die Schulter und erinnert an das 5:3 von Dresden, damals gar nach 0:3-Rückstand. Dann sagt er: "Männer, wir gewinnen diesen Kampf noch." Wenn es immer so einfach wäre. Von früher erzählen, ein Schulterklopfer und ein Appell - und dann kommt es genauso. Auch dieses Spiel gewinnt Deutschland mit 5:3. Paul Janes, Fritz Walter, Frido Dörfel und Albert Sing schießen die Tore und Herberger notiert: "Eine solche Leistung kann nur unsere Mannschaft vollbringen."

20. Juni 1954: Die höchste Pleite

Das "Wunder von Bern" hat bekanntlich ein neunzigminütiges Vorspiel. Schon in der Vorrunde trifft man aufeinander und an diesem Tag schickt Herberger in Basel nicht seine beste Elf. Die braucht er im Entscheidungsspiel gegen die Türken, nun braucht er nur elf Spieler, die die Partie mit Anstand über die Runden bringen. Immerhin setzt er Fritz Walter ein, aber er verzichtet auf dessen Bruder Ottmar, auf Max Morlock, Jupp Posipal, Hans Schäfer oder Toni Turek. Die deutschen Schlachtenbummler buhen bei der Verlesung der Aufstellung und ihre Wut steigert sich von Minute zu Minute. Am Ende eines desolaten Auftritts steht eine historische 3:8-Pleite, bis heute die höchste bei einer WM. Ersatztorwart Heinrich Kwiatkowski wird allgemein bedauert. Helmut Rahn, Alfred Pfaff und Richard Herrmann schießen die Tore, die nur für die Statistik bedeutsam sind. Die Gemüter beruhigen sie nicht. Körbeweise kommt Zuschauerpost ins deutsche Lager nach Spiez am Thuner See, Herberger wird in oft drastischen Worten zum Rücktritt aufgefordert. Auch er hat dieses Debakel nicht gewollt, doch es hat sein Gutes. Als sie sich am 4. Juli in Bern wieder sehen, haben die Ungarn schon gewonnen. Denken sie. Und wieder soll es sich rächen.

Seit dem Tag von Bern hat es kein Pflichtspiel mehr zwischen diesen Ländern gegeben, Ungarn verpasste zu viele Turniere, in der Qualifikation führte sie das Los nie zusammen. Aber es gab noch eine Besonderheit in der DFB-Historie.

15. November 1978: Der Spielabbruch

Als am vergangenen Sonntag in Augsburg die Wassermassen auf den Rasen prasselten und ein Spielabbruch in der Luft lag, da wurde mancher wieder an den 15. November 1978 erinnert. Was weder in Augsburg noch sonst jemals in Länderspielen geschah, das geschah an diesem Tag in Frankfurt. Ausgerechnet das Abschiedsspiel für Helmut Schön, der nach der WM 1978 als Bundestrainer aufgehört hatte, musste nach 60 Minuten abgepfiffen werden - beim Stand von 0:0. Der Nebel, der übers Feld waberte, machte ein Weiterspielen unmöglich. Da sind die ersten Zuschauer schon geflohen, die Verbliebenen rufen immer lauter "Aufhören". Um 21.30 Uhr beendet der französische Schiedsrichter Robert Wurtz das Spiel, das keiner sah. Aber Helmut Schön, der Mann mit der Mütze, hat seinen verdienten Beifall noch bekommen. Die Laudatio hält Fernsehkommentator Rudi Michel, Uwe Seeler ist gekommen, Fritz Walter und auch einer derjenigen, der beim 7:0 von Köln an seiner Seite stand: Paul Janes. Helmut Schön erhält eine Nachbildung des WM-Pokals 1974 und geht im Triumph. Daran kann auch der Nebel nichts ändern.

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