1000 Länderspiele: Niederlage zur Premiere

Das DFB-Team zählt weltweit zu den erfolgreichsten Nationalmannschaften. Vor dem 1000. Länderspiel am 12. Juni (ab 18 Uhr) in Bremen gegen die Ukraine blickt DFB.de in einer Serie auf die reiche Geschichte der DFB-Auswahl zurück. Heute zum Auftakt: das erste Länderspiel im Jahr 1908.

Am Tag, als König Fußball auf die Welt kommt, bereist der Kaiser Sizilien. In Messina wird Wilhelm II. und seiner Gemahlin ein großer Empfang bereitet. Im Reichstag zu Berlin gibt es Tumulte, der so genannte Sprachenparagraf erregt die Gemüter. Der Gebrauch des Polnischen in öffentlichen Versammlungen wird verboten, was eine starke Minderheit im Deutschen Reich als Schikane empfinden muss. Die Sportfreunde in der Hauptstadt fiebern der Eröffnung der Radrennsaison im Steglitzer Park entgegen oder dem Fußball-Städtekampf Berlin gegen Wien auf dem Viktoria-Platz.

Es ist Sonntag, der 5. April 1908, und alles erscheint den Deutschen wichtiger als das, was sich an diesem Nachmittag hinter der Schweizer Grenze auf dem "Landhof" in Basel ereignen wird - das erste von mittlerweile fast 1000 Fußball-Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft. Dazu wurde mit der Schweiz am 10. Februar 1908 eigens ein Vertrag geschlossen, ein alljährliches Spiel auszutragen, "beseelt von dem Wunsche, die sportlichen Beziehungen zwischen den beiden durch sie repräsentierten Ländern immer freundlicher zu gestalten". Zunächst bis 1911, sofern er nicht bis 15. Mai 1909 gekündigt werde. So formal also begann sie, die Geschichte der Nationalmannschaft.

"Demokratische" deutsche Elf

Von der Austragung der Premiere haben die Leser der Berliner Morgenpost erstmals am 20. März 1908 unter der Rubrik "Allerlei Sport" erfahren - 15 Zeilen mit den Namen der nominierten elf Spieler, die aus elf Vereinen kommen. Vier Süddeutsche, drei Westdeutsche, zwei Mitteldeutsche, ein Norddeutscher und ein Berliner. Das Durchschnittsalter beträgt 21,5 Jahre. Da es noch bis 1926 keinen Bundestrainer gibt, hat der 1900 gegründete Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf seinem Bundestag im Februar "nach heftigen Debatten" eine Proporz-Lösung beschlossen.

Die Landesverbände teilen sich die Mannschaftsteile auf, wobei die Größe eine wesentliche Rolle spielt. Der kleine Berliner Verband darf nur den Torwart nominieren, der Mitteldeutsche die Abwehr, der Süddeutsche fast die komplette Sturmreihe. Es ist nicht die beste deutsche Elf, aber sicher die demokratischste. Kurz vor der Abreise gibt es zwei Absagen, der Leipziger Heinrich Riso und der Stuttgarter Otto Löble verletzen sich und kommen nicht mit aufs legendäre Premierenfoto.

Die Namen der ersten Elf lauten also: Fritz Baumgarten (im Tor), Walter Hempel und Ernst Jordan (Abwehr), Karl Ludwig, Arthur Hiller II und Hans Weymar (Läufer/Mittelfeld), Gustav Hensel, Fritz Förderer, Eugen Kipp, Fritz Becker und Willy Baumgärtner (Sturm). Fünf von ihnen machen zwei Spiele auf einmal - ihr erstes und ihr letztes. Auch Fritz Becker ist eine Eintagsfliege, dabei geht er als erster Torschütze in die Annalen des DFB ein.

Wer ist Fritz Becker?

Den Schilderungen des Frankfurter Oberprimaners ist es zu verdanken, dass die Premiere als recht chaotische Veranstaltung wahrgenommen wurde. Demnach hat er von der Nominierung aus der Zeitung erfahren, in dem DFB-Brief zwei Tage vor der Abreise sei nur die Kleiderordnung geregelt worden (dunkler Anzug). Am nächsten Tag folgt ein weiterer Brief mit den Reisedaten und der Auskunft, die Fahrkarte werde ihm am Bahnsteig ausgehändigt.

Da steht Becker dann am Samstag, 4. April, bangend und darauf wartend, auf dass ihm jemand vom DFB endlich sein Bahnticket gebe. Was erst geschieht, als der Zug aus Berlin schon wieder anfährt - weil man ihn ja nicht kennt, braucht der ratlose Bote ("Sind Sie das Becker'sche?") etwas länger.

Am Bahnhof von Basel werden die Spieler von einer großen Menge - manche schätzen sie auf 2000 Menschen - empfangen. Im Hotel Metropol machen sich die Spieler miteinander bekannt, man siezt sich. Ein Training findet nicht mehr statt, um 22 Uhr ist Bettruhe. Am Spieltag finden sich die kommenden Nationalspieler um neun Uhr am Morgen zum "Kleiderappell" im Zimmer des Kassierers Dehm ein und greifen sich die schwarz-weißen Trikots mit dem Reichsadler auf der Brust.

Zoobesuch und Bier am Spieltag

Die meisten sind zu groß oder weit, der DFB ist eben auf Nummer sicher gegangen - besser als zu klein und eng. Danach erteilt Delegationsleiter Helmut Kubaseck Anstandsunterricht, auf dem Bankett darf bloß keiner aus der Rolle fallen. An eine Spielersitzung kann sich niemand erinnern - nur, dass die Gastgeber mit ihnen noch am Spieltag den Zoo besuchen und sogar Bier getrunken wird.

Der Sportplatz des FC Basel, der extra eine Tribüne für 700 Personen errichtet hat, füllt sich. Es wird 14 Uhr. D Fachzeitschrift Suisse Football protokolliert: "Die Ungeduldigen machen sich auf die Beine, um sich einen möglichst guten Platz an der Barriere zu sichern. Gruppen junger Leute hasten an uns vorüber, Fiaker und Automobile steuern dem gleichen Ziele zu. Festlich gerüstet ist der tadellose Spielplatz." Die Spieler ziehen sich im Hotel um, es gibt keine Kabinen am Landhof.

Dort haben sich zwischen 3000 und 5000 Zuschauer eingefunden, die Angaben schwanken. Im Programmheft werden die Zuschauer gebeten, Zwischenrufe zu unterlassen und möglichst nur zu applaudieren. Reden werden gehalten, während der britische Schiedsrichter Henry Devitte im blauen Straßenanzug und mit Zylinder den Platz begeht und an den Pfosten rüttelt. Weil ihn der deutsche Kapitän Arthur Hiller für einen weiteren Redner hält, verzögert sich der Anpfiff noch etwas. Dann, um 15.10 Uhr, rollt der erste Ball in der Geschichte der Nationalmannschaft. Die Schweiz, für die es auch erst das dritte Länderspiel ist, hat Anstoß - und nach sechs Minuten schon wieder.

Becker mit dem historischen ersten Tor

Fritz Becker, Schlussläufer der 4-mal-100-Meter-Staffel seiner Schule, hat abgestaubt. "Der Schweizer Torwächter glaubte nicht eingreifen zu müssen, unterschätzte aber meine Schnelligkeit", erinnert sich Becker 50 Jahre später. Hagel setzt ein, der in Dauerregen übergeht. Einige Deutsche haben buchstäblich einen schweren Stand, der lange Magdeburger Ernst Jordan gibt eine bemitleidenswerte Figur ab. Kurz nach dem Ausgleich von Hans Kämpfer unterläuft ihm ein Eigentor mit dem Kopf - 2: für die Schweiz. 

Kubaseck notiert im DFB-Jahrbuch 1908: "Falls nicht der Back (d.h. Verteidiger) Jordan so versagte, wäre es wohl möglich gewesen, ein unentschiedenes Resultat zu erzielen." Ein Sündenbock ist gefunden. Nach drei Gegentoren binnen elf Minuten steht es zur Pause 3:1 für die Schweiz. "Jetzt endlich fand auch bei uns eine Teambesprechung statt", berichtete Fritz Becker. In Suisse Football steht zu lesen: "… legen nunmehr die Deutschen Beweise einer außergewöhnlichen Ausdauer an den Tag."

Der Karlsruher Fritz Förderer verkürzt schnell auf 2:3. Jahrzehnte später werden Mitspieler allerdings "gestehen", es sei kein Tor, sondern nur ein Lattenschuss gewesen. Ist schon 58 Jahre vor Wembley ein Wembley-Tor gefallen? Es wird nicht mehr zu klären sein, offiziell endete das Spiel in den Annalen beider Verbände 5:3 für die Schweiz.

Anzug ruiniert, das Erlebnis aber unbezahlbar

Die Eidgenossen erhöhen alsbald auf 4:2, und nach Beckers zweitem Treffer (69.) stellen die Gastgeber kurz vor Schluss auf 5:3. So endet die Premiere mit einer verdienten Niederlage nach einem spannenden Spiel, in dem es den Deutschen noch an ihren später so viel gerühmten Tugenden zu fehlen scheint - jedenfalls laut Suisse Football. "Die Ursache der deutschen Niederlage: Es fehlte der Mannschaft die für ein solches Wettspiel bedingte Begeisterung."

In der Heimat schlägt die Niederlage keine Wellen. Die BZ am Mittag wird am folgenden Tag auf sechs Zeilen das Ergebnis ohne Torschützen vermelden, dafür mit dem Kommentar: "Nach diesem Resultat schienen die Schweizer bedeutend unterschätzt gewesen zu sein." In der dritten Halbzeit, abends ab halb sieben beim Bankett im "Bären", wird das Geschehen unter Sportsleute indes ausdiskutiert. Aber auch Festreden werden gehalten. Kubaseck ist zufrieden, seine Jungs machen in ihren roten Schirmmützen mit goldener Aufschrift "DFB" eine gute Figur und sitzen brav unter den Schweizern. Keine besonderen Vorkommnisse.

Erst gegen drei Uhr in der Früh, als die meisten schon weg sind, hört er es scheppern - und Fritz Becker ist mittendrin im Tumult. Der Schweizer Torwart Ivan Dreyfuß hat ihm seine Spezialparade demonstriert und dabei ein Tablett mit Worcester-Soße und Senf abgeräumt. Beckers Leihsmoking ist ruiniert, die Reinigung kostet horrende 48 Goldmark - mehr als ein neuer Anzug. Aber das Erlebnis, das ist unbezahlbar.

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Das DFB-Team zählt weltweit zu den erfolgreichsten Nationalmannschaften. Vor dem 1000. Länderspiel am 12. Juni (ab 18 Uhr) in Bremen gegen die Ukraine blickt DFB.de in einer Serie auf die reiche Geschichte der DFB-Auswahl zurück. Heute zum Auftakt: das erste Länderspiel im Jahr 1908.

Am Tag, als König Fußball auf die Welt kommt, bereist der Kaiser Sizilien. In Messina wird Wilhelm II. und seiner Gemahlin ein großer Empfang bereitet. Im Reichstag zu Berlin gibt es Tumulte, der so genannte Sprachenparagraf erregt die Gemüter. Der Gebrauch des Polnischen in öffentlichen Versammlungen wird verboten, was eine starke Minderheit im Deutschen Reich als Schikane empfinden muss. Die Sportfreunde in der Hauptstadt fiebern der Eröffnung der Radrennsaison im Steglitzer Park entgegen oder dem Fußball-Städtekampf Berlin gegen Wien auf dem Viktoria-Platz.

Es ist Sonntag, der 5. April 1908, und alles erscheint den Deutschen wichtiger als das, was sich an diesem Nachmittag hinter der Schweizer Grenze auf dem "Landhof" in Basel ereignen wird - das erste von mittlerweile fast 1000 Fußball-Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft. Dazu wurde mit der Schweiz am 10. Februar 1908 eigens ein Vertrag geschlossen, ein alljährliches Spiel auszutragen, "beseelt von dem Wunsche, die sportlichen Beziehungen zwischen den beiden durch sie repräsentierten Ländern immer freundlicher zu gestalten". Zunächst bis 1911, sofern er nicht bis 15. Mai 1909 gekündigt werde. So formal also begann sie, die Geschichte der Nationalmannschaft.

"Demokratische" deutsche Elf

Von der Austragung der Premiere haben die Leser der Berliner Morgenpost erstmals am 20. März 1908 unter der Rubrik "Allerlei Sport" erfahren - 15 Zeilen mit den Namen der nominierten elf Spieler, die aus elf Vereinen kommen. Vier Süddeutsche, drei Westdeutsche, zwei Mitteldeutsche, ein Norddeutscher und ein Berliner. Das Durchschnittsalter beträgt 21,5 Jahre. Da es noch bis 1926 keinen Bundestrainer gibt, hat der 1900 gegründete Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf seinem Bundestag im Februar "nach heftigen Debatten" eine Proporz-Lösung beschlossen.

Die Landesverbände teilen sich die Mannschaftsteile auf, wobei die Größe eine wesentliche Rolle spielt. Der kleine Berliner Verband darf nur den Torwart nominieren, der Mitteldeutsche die Abwehr, der Süddeutsche fast die komplette Sturmreihe. Es ist nicht die beste deutsche Elf, aber sicher die demokratischste. Kurz vor der Abreise gibt es zwei Absagen, der Leipziger Heinrich Riso und der Stuttgarter Otto Löble verletzen sich und kommen nicht mit aufs legendäre Premierenfoto.

Die Namen der ersten Elf lauten also: Fritz Baumgarten (im Tor), Walter Hempel und Ernst Jordan (Abwehr), Karl Ludwig, Arthur Hiller II und Hans Weymar (Läufer/Mittelfeld), Gustav Hensel, Fritz Förderer, Eugen Kipp, Fritz Becker und Willy Baumgärtner (Sturm). Fünf von ihnen machen zwei Spiele auf einmal - ihr erstes und ihr letztes. Auch Fritz Becker ist eine Eintagsfliege, dabei geht er als erster Torschütze in die Annalen des DFB ein.

Wer ist Fritz Becker?

Den Schilderungen des Frankfurter Oberprimaners ist es zu verdanken, dass die Premiere als recht chaotische Veranstaltung wahrgenommen wurde. Demnach hat er von der Nominierung aus der Zeitung erfahren, in dem DFB-Brief zwei Tage vor der Abreise sei nur die Kleiderordnung geregelt worden (dunkler Anzug). Am nächsten Tag folgt ein weiterer Brief mit den Reisedaten und der Auskunft, die Fahrkarte werde ihm am Bahnsteig ausgehändigt.

Da steht Becker dann am Samstag, 4. April, bangend und darauf wartend, auf dass ihm jemand vom DFB endlich sein Bahnticket gebe. Was erst geschieht, als der Zug aus Berlin schon wieder anfährt - weil man ihn ja nicht kennt, braucht der ratlose Bote ("Sind Sie das Becker'sche?") etwas länger.

Am Bahnhof von Basel werden die Spieler von einer großen Menge - manche schätzen sie auf 2000 Menschen - empfangen. Im Hotel Metropol machen sich die Spieler miteinander bekannt, man siezt sich. Ein Training findet nicht mehr statt, um 22 Uhr ist Bettruhe. Am Spieltag finden sich die kommenden Nationalspieler um neun Uhr am Morgen zum "Kleiderappell" im Zimmer des Kassierers Dehm ein und greifen sich die schwarz-weißen Trikots mit dem Reichsadler auf der Brust.

Zoobesuch und Bier am Spieltag

Die meisten sind zu groß oder weit, der DFB ist eben auf Nummer sicher gegangen - besser als zu klein und eng. Danach erteilt Delegationsleiter Helmut Kubaseck Anstandsunterricht, auf dem Bankett darf bloß keiner aus der Rolle fallen. An eine Spielersitzung kann sich niemand erinnern - nur, dass die Gastgeber mit ihnen noch am Spieltag den Zoo besuchen und sogar Bier getrunken wird.

Der Sportplatz des FC Basel, der extra eine Tribüne für 700 Personen errichtet hat, füllt sich. Es wird 14 Uhr. D Fachzeitschrift Suisse Football protokolliert: "Die Ungeduldigen machen sich auf die Beine, um sich einen möglichst guten Platz an der Barriere zu sichern. Gruppen junger Leute hasten an uns vorüber, Fiaker und Automobile steuern dem gleichen Ziele zu. Festlich gerüstet ist der tadellose Spielplatz." Die Spieler ziehen sich im Hotel um, es gibt keine Kabinen am Landhof.

Dort haben sich zwischen 3000 und 5000 Zuschauer eingefunden, die Angaben schwanken. Im Programmheft werden die Zuschauer gebeten, Zwischenrufe zu unterlassen und möglichst nur zu applaudieren. Reden werden gehalten, während der britische Schiedsrichter Henry Devitte im blauen Straßenanzug und mit Zylinder den Platz begeht und an den Pfosten rüttelt. Weil ihn der deutsche Kapitän Arthur Hiller für einen weiteren Redner hält, verzögert sich der Anpfiff noch etwas. Dann, um 15.10 Uhr, rollt der erste Ball in der Geschichte der Nationalmannschaft. Die Schweiz, für die es auch erst das dritte Länderspiel ist, hat Anstoß - und nach sechs Minuten schon wieder.

Becker mit dem historischen ersten Tor

Fritz Becker, Schlussläufer der 4-mal-100-Meter-Staffel seiner Schule, hat abgestaubt. "Der Schweizer Torwächter glaubte nicht eingreifen zu müssen, unterschätzte aber meine Schnelligkeit", erinnert sich Becker 50 Jahre später. Hagel setzt ein, der in Dauerregen übergeht. Einige Deutsche haben buchstäblich einen schweren Stand, der lange Magdeburger Ernst Jordan gibt eine bemitleidenswerte Figur ab. Kurz nach dem Ausgleich von Hans Kämpfer unterläuft ihm ein Eigentor mit dem Kopf - 2: für die Schweiz. 

Kubaseck notiert im DFB-Jahrbuch 1908: "Falls nicht der Back (d.h. Verteidiger) Jordan so versagte, wäre es wohl möglich gewesen, ein unentschiedenes Resultat zu erzielen." Ein Sündenbock ist gefunden. Nach drei Gegentoren binnen elf Minuten steht es zur Pause 3:1 für die Schweiz. "Jetzt endlich fand auch bei uns eine Teambesprechung statt", berichtete Fritz Becker. In Suisse Football steht zu lesen: "… legen nunmehr die Deutschen Beweise einer außergewöhnlichen Ausdauer an den Tag."

Der Karlsruher Fritz Förderer verkürzt schnell auf 2:3. Jahrzehnte später werden Mitspieler allerdings "gestehen", es sei kein Tor, sondern nur ein Lattenschuss gewesen. Ist schon 58 Jahre vor Wembley ein Wembley-Tor gefallen? Es wird nicht mehr zu klären sein, offiziell endete das Spiel in den Annalen beider Verbände 5:3 für die Schweiz.

Anzug ruiniert, das Erlebnis aber unbezahlbar

Die Eidgenossen erhöhen alsbald auf 4:2, und nach Beckers zweitem Treffer (69.) stellen die Gastgeber kurz vor Schluss auf 5:3. So endet die Premiere mit einer verdienten Niederlage nach einem spannenden Spiel, in dem es den Deutschen noch an ihren später so viel gerühmten Tugenden zu fehlen scheint - jedenfalls laut Suisse Football. "Die Ursache der deutschen Niederlage: Es fehlte der Mannschaft die für ein solches Wettspiel bedingte Begeisterung."

In der Heimat schlägt die Niederlage keine Wellen. Die BZ am Mittag wird am folgenden Tag auf sechs Zeilen das Ergebnis ohne Torschützen vermelden, dafür mit dem Kommentar: "Nach diesem Resultat schienen die Schweizer bedeutend unterschätzt gewesen zu sein." In der dritten Halbzeit, abends ab halb sieben beim Bankett im "Bären", wird das Geschehen unter Sportsleute indes ausdiskutiert. Aber auch Festreden werden gehalten. Kubaseck ist zufrieden, seine Jungs machen in ihren roten Schirmmützen mit goldener Aufschrift "DFB" eine gute Figur und sitzen brav unter den Schweizern. Keine besonderen Vorkommnisse.

Erst gegen drei Uhr in der Früh, als die meisten schon weg sind, hört er es scheppern - und Fritz Becker ist mittendrin im Tumult. Der Schweizer Torwart Ivan Dreyfuß hat ihm seine Spezialparade demonstriert und dabei ein Tablett mit Worcester-Soße und Senf abgeräumt. Beckers Leihsmoking ist ruiniert, die Reinigung kostet horrende 48 Goldmark - mehr als ein neuer Anzug. Aber das Erlebnis, das ist unbezahlbar.

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