Fußball in Afghanistan: Mit der Gefahr leben...

Von Holger Obermann

Der ehemalige Fernseh-Journalist Holger Obermann war über lange Jahre Auslandsexperte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und hat im Rahmen von zahlreichen Projekten rund um den Globus Fußball-Entwicklungsarbeit geleistet. Obermann hat im Auftrag des DFB den Fußball in Afghanistan wieder aufgebaut und mit dazu beigetragen, dass es mittlerweile auch eine afghanische Frauen-Auswahlmanmnschaft gibt. Für DFB.de schreibt Holger Obermann über den Fußball am Hindukusch.

In der Chicken Street, einer bekannten Einkaufsstrasse im Stadtzentrum von Kabul, herrscht wie an jedem Tag Hochbetrieb. Das Angebot der vielen kleinen Geschäfte ist vielseitig. Eigentlich bekommt man hier alles, was auch europäische Märkte zu bieten haben.

Vor allem Teppiche. Doch auch Schmuckwaren liegen aus, darunter Rolex-Uhren, genauso Kopien der Produkte von Boss oder Adidas ein paar Geschäfte weiter. Dem Alltag begegnet man am Zeitungskiosk an der Ecke: Wieder Anschläge. Wieder Tote. So lauten die Schlagzeilen in der Presse. Man muss sich wirklich fragen: kann in einer Zeit, in der die Taliban erneut ihre Schußwaffen laden, andererseits die internationalen Nato-Schutztruppen den Rückzug planen, noch vom fröhlichen Spiel gesprochen werden, das Fußball heisst?

"Wir haben dem DFB viel zu verdanken"

"Bis zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine Anzeichen vor, dass der Fussball im Visier der radikalen Taliban steht. Aber wir wissen andererseits auch, dass wir damit leben müssen, Ziel von Anschlägen zu sein", sagt Keramuddin Karim, seit acht Jahren Präsident des Fußball-Verbandes von Afghanistan, der den Mann der ersten Stunde, Abdul Alim Kohistani, abgelöst hatte. Mit Erfolg. Der Gouverneur der Panjshir-Provinz führt den Verband mit großer Entschlossenheit: Disziplin geht ihm über alles."

Vorher hatte er beim Militär eine hohe Position inne. Dass der Fußball, wie in den ersten Jahren, nur im Großraum Kabul von Bedeutung war, ist Vergangenheit. Inzwischen wird im ganzen Land gespielt. Das ist auch dem deutschen Fußballprojekt zu verdanken mit Trainern wie Klaus Stärk und dem Deutsch-Afghanen Ali Askar Lali. "Wir haben den Deutschen vom Olympischen Komitee und dem Deutschen Fußball-Bund viel zu verdanken ", sagt Keramuddin Karim.

"Gewinn der Silbermedaille ein großer Erfolg"

Besonders stolz ist der Präsident auf seine Nationalmannschaft, die jetzt, beim Turnier um den Südasien-Pokal in New Delhi, das Finale erreichte, dabei Mannschaften wie Pakistan, Bangladesh, Nepal, Sri Lanka und die Malediven hinter sich ließ. Finalgegner war Indien. 0:0 stand es bis 20 Minuten vor Schluß, als Afghanistans Torhüter einen Platzverweis erhielt und die Gäste vom Hindukusch wenig später einen weiteren Spieler wegen Verletzung verloren und das Auswechselkontingent erschöpft war. "Das war nie und nimmer ein berechtigter Strafstoss", schimpften die afghanischen Spieler. Am Ende stand es 0:4.

Afghanistans Trainer Yousuf Kargar gewann dem Turnier dennoch seine guten Seiten ab: "Der Gewinn der Silbermedaille ist für uns ein großer Erfolg". So sahen es auch die Medien in Afghanistan, die in Superlativen schwelgten. Kommentar des Radioreporters von "Good Morning Afghanistan": Das war die beste Mannschaft, die wir in nach dem Neuaufbau im Jahr 2002 gesehen haben.

Mehrzahl der Nationalspieler kommt aus Kabul

Die Mehrzahl der Spieler, die den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft haben, kommt aus Kabul. Siruzi, Urdo, Sanayi und Maiwand heißen die Top-Mannschaften, die in der 1. Liga spielen und in den letzten Jahren in dieser Reihenfolge Landesmeister wurden. Eine gute Mannschaft hat auch Herat, die Stadt im Westen des Landes an der Grenze zum Iran.

Die Fortschritte, die Afghanistans Nationalmannschaft in den letzten Jahren gemacht hat, basiert auf einer Besonderheit: Der Verband holt sich gute Spieler, die afghanischer Herkunft sind, aus dem Ausland. Beispielsweise Zohaib Islam Amiri, der aus der U-19 Mannschaft stammt und zunächst von der Kabulbank verpflichtet wurde, wo er auch – wie einige andere – einen Arbeitsplatz fand. Dann erreichte ihn ein Angebot des indischen Profiklubs FC Mumbai. Dort verdient er 3500 Dollar im Monat.

FIFA hat neues Stadion finanziert

Andere Spieler wie Dje Laddin (Zypern) oder Belal Arezou (Norwegen) werden ebenfalls zu Länderspielen eingeflogen. Hinter diesen Aktionen steht natürlich der ehrgeizige Präsident. Der Verband hat ein Netzwerk von solchen Spielern aufgebaut, die im Ausland spielen. Darunter waren auch schon Spieler aus der 3. Liga und den Regionalligen in Deutschland. Die Legionäre haben viel dazu beigetragen, dass Afghanistans Fußball weiter auf dem Vormarsch ist.

Seit kurzem hat der Verband auch ein eigenes Stadion mit Kunstrasen, finanziert von der FIFA. Der Nachteil: dort finden nur knapp 10.000 Besucher Platz, während im Olympic-Stadion bei Spitzenspielen bis zu 25.000 Fans den Spielen folgen konnten. Sorgen bereitet im Augenblick in Afghanistan der Frauenfußball. Nach einem rasanten Aufschwung in den letzten Jahren setzten sich bei Turnieren im Ausland immer wieder Spielerinnen der Nationalmannschaft ab, so dass die FIFA der Frauen-Auswahl zwischenzeitlich sogar die Spielerlaubnis für das Ausland entzogen hatte.

Wieder Alltag in der Chicken Street. Ich sitze in einer Teestube, als ein ehemaliger Spieler aus den Anfangsjahren des Fußballs, den Jahren direkt nach dem Sturz des Taliban-Regims, auf mich zukommt und mich fragt: "Was machen Sie heute, kommen Sie doch zurück nach Afghanistan". Ich muss ihn enttäuschen und sage ihm, dass meine aktive Zeit vorbei ist. Schade eigentlich.

Das meinen DFB-User

"Mein Ziel ist es, irgendwann mal in der afghanischen Nationalmannschaft zu spielen!!" (Mahdi Watandoost, München)

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Von Holger Obermann

Der ehemalige Fernseh-Journalist Holger Obermann war über lange Jahre Auslandsexperte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und hat im Rahmen von zahlreichen Projekten rund um den Globus Fußball-Entwicklungsarbeit geleistet. Obermann hat im Auftrag des DFB den Fußball in Afghanistan wieder aufgebaut und mit dazu beigetragen, dass es mittlerweile auch eine afghanische Frauen-Auswahlmanmnschaft gibt. Für DFB.de schreibt Holger Obermann über den Fußball am Hindukusch.

In der Chicken Street, einer bekannten Einkaufsstrasse im Stadtzentrum von Kabul, herrscht wie an jedem Tag Hochbetrieb. Das Angebot der vielen kleinen Geschäfte ist vielseitig. Eigentlich bekommt man hier alles, was auch europäische Märkte zu bieten haben.

Vor allem Teppiche. Doch auch Schmuckwaren liegen aus, darunter Rolex-Uhren, genauso Kopien der Produkte von Boss oder Adidas ein paar Geschäfte weiter. Dem Alltag begegnet man am Zeitungskiosk an der Ecke: Wieder Anschläge. Wieder Tote. So lauten die Schlagzeilen in der Presse. Man muss sich wirklich fragen: kann in einer Zeit, in der die Taliban erneut ihre Schußwaffen laden, andererseits die internationalen Nato-Schutztruppen den Rückzug planen, noch vom fröhlichen Spiel gesprochen werden, das Fußball heisst?

"Wir haben dem DFB viel zu verdanken"

"Bis zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine Anzeichen vor, dass der Fussball im Visier der radikalen Taliban steht. Aber wir wissen andererseits auch, dass wir damit leben müssen, Ziel von Anschlägen zu sein", sagt Keramuddin Karim, seit acht Jahren Präsident des Fußball-Verbandes von Afghanistan, der den Mann der ersten Stunde, Abdul Alim Kohistani, abgelöst hatte. Mit Erfolg. Der Gouverneur der Panjshir-Provinz führt den Verband mit großer Entschlossenheit: Disziplin geht ihm über alles."

Vorher hatte er beim Militär eine hohe Position inne. Dass der Fußball, wie in den ersten Jahren, nur im Großraum Kabul von Bedeutung war, ist Vergangenheit. Inzwischen wird im ganzen Land gespielt. Das ist auch dem deutschen Fußballprojekt zu verdanken mit Trainern wie Klaus Stärk und dem Deutsch-Afghanen Ali Askar Lali. "Wir haben den Deutschen vom Olympischen Komitee und dem Deutschen Fußball-Bund viel zu verdanken ", sagt Keramuddin Karim.

"Gewinn der Silbermedaille ein großer Erfolg"

Besonders stolz ist der Präsident auf seine Nationalmannschaft, die jetzt, beim Turnier um den Südasien-Pokal in New Delhi, das Finale erreichte, dabei Mannschaften wie Pakistan, Bangladesh, Nepal, Sri Lanka und die Malediven hinter sich ließ. Finalgegner war Indien. 0:0 stand es bis 20 Minuten vor Schluß, als Afghanistans Torhüter einen Platzverweis erhielt und die Gäste vom Hindukusch wenig später einen weiteren Spieler wegen Verletzung verloren und das Auswechselkontingent erschöpft war. "Das war nie und nimmer ein berechtigter Strafstoss", schimpften die afghanischen Spieler. Am Ende stand es 0:4.

Afghanistans Trainer Yousuf Kargar gewann dem Turnier dennoch seine guten Seiten ab: "Der Gewinn der Silbermedaille ist für uns ein großer Erfolg". So sahen es auch die Medien in Afghanistan, die in Superlativen schwelgten. Kommentar des Radioreporters von "Good Morning Afghanistan": Das war die beste Mannschaft, die wir in nach dem Neuaufbau im Jahr 2002 gesehen haben.

Mehrzahl der Nationalspieler kommt aus Kabul

Die Mehrzahl der Spieler, die den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft haben, kommt aus Kabul. Siruzi, Urdo, Sanayi und Maiwand heißen die Top-Mannschaften, die in der 1. Liga spielen und in den letzten Jahren in dieser Reihenfolge Landesmeister wurden. Eine gute Mannschaft hat auch Herat, die Stadt im Westen des Landes an der Grenze zum Iran.

Die Fortschritte, die Afghanistans Nationalmannschaft in den letzten Jahren gemacht hat, basiert auf einer Besonderheit: Der Verband holt sich gute Spieler, die afghanischer Herkunft sind, aus dem Ausland. Beispielsweise Zohaib Islam Amiri, der aus der U-19 Mannschaft stammt und zunächst von der Kabulbank verpflichtet wurde, wo er auch – wie einige andere – einen Arbeitsplatz fand. Dann erreichte ihn ein Angebot des indischen Profiklubs FC Mumbai. Dort verdient er 3500 Dollar im Monat.

FIFA hat neues Stadion finanziert

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Andere Spieler wie Dje Laddin (Zypern) oder Belal Arezou (Norwegen) werden ebenfalls zu Länderspielen eingeflogen. Hinter diesen Aktionen steht natürlich der ehrgeizige Präsident. Der Verband hat ein Netzwerk von solchen Spielern aufgebaut, die im Ausland spielen. Darunter waren auch schon Spieler aus der 3. Liga und den Regionalligen in Deutschland. Die Legionäre haben viel dazu beigetragen, dass Afghanistans Fußball weiter auf dem Vormarsch ist.

Seit kurzem hat der Verband auch ein eigenes Stadion mit Kunstrasen, finanziert von der FIFA. Der Nachteil: dort finden nur knapp 10.000 Besucher Platz, während im Olympic-Stadion bei Spitzenspielen bis zu 25.000 Fans den Spielen folgen konnten. Sorgen bereitet im Augenblick in Afghanistan der Frauenfußball. Nach einem rasanten Aufschwung in den letzten Jahren setzten sich bei Turnieren im Ausland immer wieder Spielerinnen der Nationalmannschaft ab, so dass die FIFA der Frauen-Auswahl zwischenzeitlich sogar die Spielerlaubnis für das Ausland entzogen hatte.

Wieder Alltag in der Chicken Street. Ich sitze in einer Teestube, als ein ehemaliger Spieler aus den Anfangsjahren des Fußballs, den Jahren direkt nach dem Sturz des Taliban-Regims, auf mich zukommt und mich fragt: "Was machen Sie heute, kommen Sie doch zurück nach Afghanistan". Ich muss ihn enttäuschen und sage ihm, dass meine aktive Zeit vorbei ist. Schade eigentlich.

Das meinen DFB-User

"Mein Ziel ist es, irgendwann mal in der afghanischen Nationalmannschaft zu spielen!!" (Mahdi Watandoost, München)