43,3 Millionen DM für Stadien-Sanierung

Die Organisatoren hatten sich alle Mühe gegeben und 43,3 Millionen DM in die Sanierung der acht Stadien investiert. Auch hier gab es ein Gerangel um die Teilnahme, Städte wie Bochum und Dortmund blieben auf der Strecke, Hamburg schaffte es erst im zweiten Anlauf und bekam nach entsprechenden Ausbesserungen ein Halbfinale, von dem noch die Rede sein wird.

Gespielt wurde in Düsseldorf, Hannover, Stuttgart, Köln, Gelsenkirchen, Frankfurt, Hamburg und München. Die Spannung war groß, denn nur selten gab es mehr Titelkandidaten und im Umkehrschuss weniger klare Favoriten als vor dieser EM. Der Kicker schrieb vier Tage vor dem Start: "Eigentlich nur eine Mannschaft wird bei der Nennung von Favoriten nie aufgeführt: Irland." Und was sprach für Deutschland außer der Gastgeberrolle und dem Mythos einer Turniermannschaft.

Nicht allzu viel. Der notwendige Umbruch nach der WM in Mexiko, als man zwar Zweiter wurde, aber notgedrungen Fußball von gestern spielte, war bei nur sechs Verbliebenen aus dem Mexiko-Kader vollzogen, gelungen war er nicht. Die Hoffnungen ruhten besonders auf Lothar Matthäus, der den kurz vor der EM verletzten Kapitän Klaus Allofs ablöste, auf den spielenden Libero Matthias Herget und Italien-Legionär Rudi Völler. Der klassische Spielmacher war nicht im Kader, den Beckenbauer nach alter Tradition Ende Mai 1988 in Malente zusammenzog. Weder der 22-jährige Olaf Thon von Absteiger Schalke 04 noch Kaiserslauterns Edel-Techniker Wolfram Wuttke oder Bayerns Talent Hansi Dorfner hatten bis dahin bewiesen oder beweisen können, diese Mannschaft mit ihrer Kreativität zu bereichern.

Tatsächlich war sie eine Woche vor Turnerstart in einem Loch und wurde auch nicht gerade von Euphorie im Umfeld getragen. Zum letzten Testspiel gegen die Jugoslawen (1:1), das die Reihe der Enttäuschungen des Frühjahrs 1988 fortsetzte, kamen nur 13.000 Zuschauer nach Bremen. Heute undenkbar. Der Kicker schrieb: "In vier Tagen geht sie los, die große Party. Euro 88, die Fußball-EM bei uns in Deutschland. Doch anstatt sich und die ganze Nation mit einem flotten Cocktail, einem Spiel, so rauschend wie Champagner, auf das große Fußballfest im eigenen Land einzustimmen, verabreichte die deutsche Nationalelf beim letzten EM-Test eher Magenbitter." Etwas analytischer stellte das Fachblatt sodann fest: "Kaum 100 Stunden vor dem Start in Düsseldorf gegen Italien weiß der geplagte Teamchef philosophisch nur, dass er immer noch nichts weiß. Die deutsche Elf steht zwar – aber auf wackeligen Beinen." Vorbei die Zeiten von Blockbildung, die so oft Erfolge garantierten: In Bremen standen Spieler aus neun Klubs in der Startelf. Vom Meister Werder Bremen hatten es nur zwei Spieler in den Kader geschafft, doch mit Uli Borowka und Gunar Sauer plante der Teamchef nicht wirklich. Auch die Bayern-Fraktion war ungewohnt klein: Matthäus und Brehme, beide künftige Mailänder, waren gesetzt, Hansi Dorfner und Hansi Pflügler Bankdrücker. Große Sorgen bereiteten die Italien-Legionäre. Rudi Völlers erstes Jahr in Rom verlief bescheiden und sein letztes Länderspiel-Tor lag neun Monate zurück. 472 Minuten ohne Tor brachten die Kritiker gegen ihn auf, aber Beckenbauer hielt ihm die Treue: "Wenn der Rudi spielen will, spielt er."

Beckenbauer hat "die Nase voll"

Weniger einfühlsam ging er mit Verteidiger Thomas Berthold (Hellas Verona) um, von dem er nach dem Jugoslawien-Spiel "die Nase voll" hatte. "Das Gegentor geht ganz klar auf seine Kappe. Es war wieder einmal die übliche Nachlässigkeit, das können wir nicht durchgehen lassen", grollte der "Kaiser", der in Bremen übrigens mit der Mode ging und die Nationalspieler erstmals nach einem Spiel auslaufen ließ.

Das Klima in Malente, wo die 22 Spieler traditionell ihr Quartier bezogen, war also getrübt – auch weil gleich sechs auch in der Olympiaauswahl tätige Spieler später kamen. Sie hatten das Ticket nach Seoul gelöst und in der Öffentlichkeit viel Kredit. Das provozierte vereinzelte Kampfansagen der Etablierten. So verlautete der Stuttgarter Guido Buchwald, er sei "besser als Borowka" und "nicht hier um Urlaub zu machen, sonst könnte ich auch mit meiner Frau nach Mallorca fliegen." Er bekam dafür einen Rüffel von den Kollegen, aber nicht vom in jenen Tagen so unberechenbaren Teamchef, der das "gesunde Selbstbewusstsein" Buchwalds gar goutierte.

Als die EM am 10. Juni mit dem Spiel gegen Italien eröffnet wurde, stand er prompt in der Startelf. Neben den anderen Sorgenkindern Thomas Berthold und Rudi Völler, der in Jürgen Klinsmann einen loyalen Sturmpartner an seiner Seite wusste. Die spannende Spielmacherfrage (Littbarski, Wuttke oder Thon?) ging zugunsten des Schalkers aus, aber auch Littbarski durfte auflaufen. Die Abwehr führte der Uerdinger Matthias Herget, obwohl sich Gunnar Sauer noch in der Nacht vor dem Spiel in der Elf sah, weil Beckenbauer ihm zurief: "Stell dich darauf ein, dass Du spielst." Dann kam es doch wieder anders. Keine Überraschung: Jürgen Kohler gab den Vorstopper.

Die 55-minütige Eröffnungsfeier wurde ein Kinderspiel. 1500 Kinder prägten das Bild der Feierlichkeiten und sangen ein rührendes Lied: "Wir freu’n uns auf ein Fußballfest, das nicht nur schön beginnt, bei dem nicht nur das beste Team, sondern auch der Sport gewinnt. Auf grünem Rasen grünes Licht für Tore und Ideen, die Rote Karte für Gewalt, die woll’n wir hier nicht sehen." So klangen die vordringlichsten Wünsche der Organisatoren aus Kindermund. Ob es daran lag, dass sie weitgehend in Erfüllung gingen? Die Ängste vor aggressiven Fans einerseits und defensiven Spielern andererseits erwiesen sich als überzogen, wenngleich nicht ganz unbegründet. 1200 Verhaftungen gab es während der zwei Turnierwochen, vorwiegend waren es deutsche und englische Hooligans, die die Gewalt suchten. Am Eröffnungstag gab es nur vier Festnahmen – und guten Sport.