Europameisterschaft

Europäische Geschichten, europäische Erfolge: Kein Land hat öfter den EM-Titel gewonnen als Deutschland. Dreimal bei den Männern.

Die Lage war dramatisch und Deutschlands Kader ein besseres Lazarett. Die Liste der verletzten oder angeschlagenen Spieler umfasste nicht weniger als sieben Namen: Jürgen Kohler, Mario Basler, Fredi Bobic, Jürgen Klinsmann, René Schneider, Thomas Helmer, Thomas Häßler. Sieben tatsächliche oder mögliche Ausfälle bei 19 Feldspielern. Da wird es luftig auf der Ersatzbank. Auf der Pressekonferenz wurden schon Feldspielertrikots von Oliver Kahn und Oliver Reck gezeigt, den beiden Ersatztorhütern. Beim DFB war man also vorbereitet für den „worst case“ beim Halbfinale gegen England 1996 in Wembley. Doch so weit kam es nicht, ob leider oder zum Glück, das sei dahingestellt. Auf jeden Fall wurde es ein besonderes Spiel, wie Spiele zwischen England oft besondere Spiele sind. In diesem ging es wieder ins Elfmeterschießen, wie schon sechs Jahre zuvor im WM-Halbfinale. Den Treffern von Alan Shearer und Stefan Kuntz aus der Anfangsphase waren keine weiteren gefolgt.

Der elfte Schuss brachte die Vorentscheidung. Gareth Southgate schoss nach links unten, Andreas Köpke war da. Andreas Möller verwandelte den nächsten Schuss so sicher wie alle anderen deutschen Schützen vor ihm. Der Gastgeber war raus, Deutschland im Finale – und auch dort erfolgreich. Oliver Bierhoff traf doppelt gegen hartnäckige Tschechen. Sein 2:1 entschied das Spiel, es war das Golden Goal in der Verlängerung, danach war sofort Schluss. Die Mannschaft von Bundestrainer Berti Vogts war zum dritten Mal Europameister geworden.

Kein Team hat diesen Titel öfter gewonnen als das deutsche. Erst Spanien hat 2012 gleichgezogen. Je dreimal standen die beiden auf dem Podium, das nur für den Sieger reserviert ist, die Deutschen erstmals vor 41 Jahren.

Es gibt nicht wenige, die sagen, die Klasse von ’72 sei die beste gewesen, die Deutschland je auf den Platz ge-schickt hat. Günter Netzer und Franz Beckenbauer führten Regie, Gerd Müller traf aus allen Lagen, und hinten stand mit Sepp Maier Weltklasse im Tor – um nur vier Protagonisten zu nennen. Das Turniersystem war damals noch ein anderes. Das Viertelfinale spielten die Teams in Hin- und Rückspiel, und so kam es am 29. April 1972 zum Aufeinandertreffen mit England. Noch nie hatte eine deutsche Nationalmannschaft in Wembley gewonnen, an diesem Tag riss die Serie. Uli Hoeneß, Netzer und Müller trafen für Deutschland, Lee für England. Klasse Kombinationen und ein hochverdienter Sieg, Lob von allen Seiten ob der deutschen Spielkunst. Im Rückspiel in Berlin reichte ein 0:0.

Als Mitfavorit fuhr die DFB-Auswahl zur Endrunde nach Belgien, und im Halbfinale wurde der Gastgeber dank zweier Müller-Tore mit 2:1 bezwungen. Gegner im Endspiel von Brüssel war die Sowjetunion. Die Mannschaft von Helmut Schön ließ nie einen Zweifel daran aufkommen, wer sich den Pokal in die Vitrine stellen würde. Wieder traf Gerd Müller zweimal, außerdem der nimmermüde „Hacki“ Wimmer, von dem nicht sehr viele wissen, dass er eigentlich Herbert heißt. Nach nicht einmal einer Stunde war das Spiel entschieden. Vier Jahre darauf zog das deutsche Team erneut ins Endspiel ein, verlor aber nach Elfmeterschießen gegen die Tschecho-slowakei. Uli Hoeneß schoss den Ball mit Vollspann in den Belgrader Nachthimmel, Antonin Panenka hob die Kugel in die Mitte des Tores. Noch heute wird sein Name genannt, wenn sich mal wieder ein Spieler „erdreistet“, so einen Elfer auszuführen, wie zuletzt Andrea Pirlo bei der EM 2012.