Weltmeisterin Angerer: "Ich bin mit Leib und Seele Torwarttrainerin"

DFB.de: Wie verfolgen Sie aus der Ferne die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft?

Angerer: Es war natürlich ein kompliziertes Jahr mit dem Aus bei der Europameisterschaft und der Niederlage gegen Island. Es ist für alle offensichtlich, dass es im Moment nicht rund läuft. Ich konnte wegen der Zeitverschiebung nicht alles sehen. Ich erkenne da jedoch auf jeden Fall noch spielerisches Verbesserungspotenzial. Aber der Blick sollte jetzt wieder nach vorne gehen. Ich bin trotz allem davon überzeugt, dass die DFB-Auswahl 2019 in Frankreich Weltmeister werden kann. Es sind noch zwei Jahre Zeit, um die Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Ich war selbst fast 20 Jahre Teil der Nationalmannschaft. Ich drücke wirklich beide Daumen, dass das Team dieses Tal bald hinter sich lassen kann. Im Ausland genießen die Deutschen noch immer riesiges Ansehen, besonders wegen des großen Willens und aller spielerischen Qualitäten. Auf diese Stärken sollten wir uns wieder besinnen. Dann bin ich zuversichtlich.

DFB.de: In Portland sind Sie momentan Torwarttrainerin. Könnten Sie sich auch vorstellen, irgendwann mal Cheftrainerin zu sein?

Angerer: Nein, überhaupt nicht. Ich bin mit Leib und Seele Torwarttrainerin. Ich würde es mir nicht zutrauen. Ich bin eine gute Torwarttrainerin, davon bin ich überzeugt, alles andere ist nicht so mein Ding. Das können andere besser, und dann sollen sie das auch machen. Ich bin dankbar, dass ich in Portland direkt nach meinem Karriereende hier bei einem der besten Klubs der Welt Verantwortung übernehmen durfte. Zwei oder drei Jahre möchte ich mich in diesem Bereich stetig weiterentwickeln und lernen.

DFB.de: Und danach?

Angerer: Möchte ich gerne Torwarttrainerin einer Nationalmannschaft sein.

DFB.de: Der deutschen Auswahl?

Angerer: Das muss nicht zwingend der Fall sein. Das kann auch die USA sein, vielleicht Frankreich oder England. Kanada finde ich auch interessant. Aber es gibt ein konkretes Datum oder favorisiertes Land. Langfristig ist das aber schon mein Ziel. Ich konzentriere mich jedoch momentan nur auf meinen Job hier in Portland, hier will ich gute Arbeit leisten. Alles andere kann ich nicht beeinflussen.

DFB.de: Was steht 2018 für Sie auf dem Programm?

Angerer: Mitte März wird die Saison mit Portland wieder losgehen. Im Februar starten wir in die Vorbereitung. In den vergangenen Wochen habe ich alles ausgewertet und damit sozusagen meine Hausaufgaben gemacht. Die Ergebnisse werde ich dann im neuen Jahr unseren Torhüterinnen vorstellen. Wir wollen ja weiterkommen. Wo kann ich mich verbessern? Wo gibt es bei ihnen noch Optimierungspotenziale? Weiterentwicklung ist für mich das Wichtigste.

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Sie ist eine der größten Persönlichkeiten im deutschen Frauenfußball. Nadine Angerer hat 146 Länderspiele für die Frauen-Nationalmannschaft bestritten und in dieser Zeit alles gewonnen, was man gewinnen kann. Auch im Vereinsfußball hat die frühere Torhüterin nichts ausgelassen.

Seit zwei Jahren ist die 39-Jährige als Torwarttrainerin bei den Portland Thorns FC in den USA beschäftigt. In diesem Jahr holte sie mit dem Team die nationale Meisterschaft. Gleichzeitig wurde ihre Torhüterin Adrianna Franch erstmals in die US-Nationalmannschaft berufen und zur besten Schlussfrau in der National Women’s Soccer League gekürt.

Im DFB.de-Interview spricht Angerer über ihre Zeit in den USA. Sie erklärt, warum Portland längst zur Heimat für sie geworden ist und wie sie die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland sieht. Außerdem verrät sie ihr großes Ziel in den kommenden Jahren: Sie will Torwarttrainerin einer Nationalmannschaft werden.

DFB.de: Frau Angerer, das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Wie war 2017 für Sie?

Nadine Angerer: Oh je, wieviel Zeit haben wir für dieses Interview? 2017 war sehr vielfältig und auch erfolgreich für mich. Ich weiß gar nicht genau, wo ich anfangen soll.

DFB.de: Beginnen wir mit der persönlichen Sicht.

Angerer: Ich lebe jetzt schon seit vier Jahren in Portland und bin dort auch richtig heimisch geworden. Das ist inzwischen komplett unser Zuhause. Wir fühlen uns dort sehr wohl. Gleichzeitig war es mir auch wichtig, weiterhin viel zu reisen und die Welt zu entdecken. Im Frühjahr war ich in Namibia im Urlaub. Später dann auch in Marrakesch. Im Moment bin ich bei meiner Familie in Deutschland. Den Jahreswechsel werden wir wie gewohnt auf den Kanaren verbringen. Dort haben wir ein kleines Häuschen. Und kurz darauf geht in den USA bald auch schon die Vorbereitung auf die neue Saison los. Dann heißt es wieder, neun Monate durchzuarbeiten.

DFB.de: Wie lief es sportlich?

Angerer: Es war ein phänomenales Jahr. 2016 sind wird mit den Portland Thorns, bei denen ich die Torhüterinnen betreue, in den Playoffs gescheitert. Das war für Spielerinnen und Trainerstab eine große Enttäuschung. Aber wir haben unsere Lehren daraus gezogen und es 2017 viel besser gemacht. In diesem Jahr sind wir in der laufenden Saison Zweiter geworden und haben uns dann in den Playoffs durchgesetzt und haben den Titel in den USA geholt. Das war ein riesiger Erfolg für den Verein. Besonders habe ich mich darüber gefreut, dass Adrianna Franch erstmals zur US-Nationalmannschaft eingeladen und zur besten Torhüterin der National Women’s Soccer League gekürt wurde. Das sehe ich durchaus als Auszeichnung für unsere Arbeit an und macht mich sehr stolz. Als Trainerin war das auf jeden Fall persönlich mein erfolgreichstes Jahr.

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DFB.de: Es klingt so, als würden Sie gar kein Heimweh nach Deutschland haben.

Angerer: Nein. Deutschland ist im Moment gedanklich für mich weit weg. Ich komme sehr gerne nach Deutschland, um dort Urlaub zu machen. Aber mein Lebensmittelpunkt ist inzwischen Portland. Ich habe dort noch zwei Jahre Vertrag. Darauf richtet sich mein kompletter Fokus.

DFB.de: Haben Sie denn die Allianz Frauen-Bundesliga noch im Blick?

Angerer: Natürlich. Ich verfolge den Fußball in Deutschland genau – bei den Männern genauso wie bei den Frauen. Aber ich hänge da derzeit nicht so emotional dran, wie es früher logischerweise mal der Fall war. Bei der Allianz Frauen-Bundesliga ist mir dennoch nicht verborgen geblieben, dass es alles sehr ausgeglichen ist. Die Leistungen des SC Freiburg bisher finde ich zum Beispiel sehr beachtlich. Aber ist mir auch nicht verborgen geblieben, dass die Zuschauerzahlen höher sein könnten.

DFB.de: Wie bewerten Sie das Niveau in den USA im Vergleich zur Allianz Frauen-Bundesliga?

Angerer: Diese Frage bekomme ich häufig gestellt. Mir fällt ein Vergleich jedoch immer etwas schwer. Ich habe diese Frage auch schon Spielerinnen gestellt, die in Europa und in den USA gespielt haben. Wir sind zu folgenden Fazit gekommen: In den USA wird sehr physisch gespielt. Die Spielerinnen hier sind alle extrem fit. Die Duelle sind sehr intensiv. Das habe ich auch schon festgestellt, als ich selbst noch aktiv war. Vom Tempo her ist jedes Duell mit einem Länderspiel vergleichbar. Gleichzeitig wird sehr geradlinig gespielt und es werden viele lange Bälle aus der Viererkette nach vorne geschlagen. Das ist meiner Meinung nach ein Manko, an dem wir zuletzt intensiv gearbeitet haben. Und es hat sich schon deutlich verbessert, was viel mit unserem Trainer Mark Parsons zu tun hat. Trotzdem ist der Fußball in Deutschland taktisch und technisch noch ein Stück voraus.

DFB.de: Könnte Portland gegen europäische Topteams wie Lyon oder Wolfsburg mithalten?

Angerer: Auf jeden Fall, davon bin ich absolut überzeugt. Wir haben hier richtig gute Spielerinnen in unserer Reihen. Ich nenne Christine Sinclair, Tobin Heath, Lindsey Horan, Amandine Henry, Nadia Nadim stellvertretend für viele andere. Ich würde gerne mal ein Duell zwischen Portland und Lyon oder Wolfsburg erleben. Und gerne dann bei uns in Portland. Wir haben hier im Schnitt 17.000 Zuschauer bei unseren Heimbegegnungen. Einige Partien waren mit 21.000 Fans sogar ausverkauft. Diese wahnsinnige Atmosphäre ist im Frauenfußball weltweit einmalig!

DFB.de: Sind nur in Portland so viele Fans bei den Heimspielen oder ist diese Tendenz in den USA generell zu erkennen?

Angerer: Wir sind in dieser Hinsicht schon führend. Ich habe noch keinen Verein erlebt, bei dem die Strukturen besser waren. Es ist alles extrem professionell. Portland ist ein Mekka im Frauenfußball. Aber auch in Washington oder Seattle kommen häufig über 5000 Anhänger ins Stadion. Da sind wir in den USA wesentlich weiter als in Deutschland.

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DFB.de: Wie verfolgen Sie aus der Ferne die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft?

Angerer: Es war natürlich ein kompliziertes Jahr mit dem Aus bei der Europameisterschaft und der Niederlage gegen Island. Es ist für alle offensichtlich, dass es im Moment nicht rund läuft. Ich konnte wegen der Zeitverschiebung nicht alles sehen. Ich erkenne da jedoch auf jeden Fall noch spielerisches Verbesserungspotenzial. Aber der Blick sollte jetzt wieder nach vorne gehen. Ich bin trotz allem davon überzeugt, dass die DFB-Auswahl 2019 in Frankreich Weltmeister werden kann. Es sind noch zwei Jahre Zeit, um die Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Ich war selbst fast 20 Jahre Teil der Nationalmannschaft. Ich drücke wirklich beide Daumen, dass das Team dieses Tal bald hinter sich lassen kann. Im Ausland genießen die Deutschen noch immer riesiges Ansehen, besonders wegen des großen Willens und aller spielerischen Qualitäten. Auf diese Stärken sollten wir uns wieder besinnen. Dann bin ich zuversichtlich.

DFB.de: In Portland sind Sie momentan Torwarttrainerin. Könnten Sie sich auch vorstellen, irgendwann mal Cheftrainerin zu sein?

Angerer: Nein, überhaupt nicht. Ich bin mit Leib und Seele Torwarttrainerin. Ich würde es mir nicht zutrauen. Ich bin eine gute Torwarttrainerin, davon bin ich überzeugt, alles andere ist nicht so mein Ding. Das können andere besser, und dann sollen sie das auch machen. Ich bin dankbar, dass ich in Portland direkt nach meinem Karriereende hier bei einem der besten Klubs der Welt Verantwortung übernehmen durfte. Zwei oder drei Jahre möchte ich mich in diesem Bereich stetig weiterentwickeln und lernen.

DFB.de: Und danach?

Angerer: Möchte ich gerne Torwarttrainerin einer Nationalmannschaft sein.

DFB.de: Der deutschen Auswahl?

Angerer: Das muss nicht zwingend der Fall sein. Das kann auch die USA sein, vielleicht Frankreich oder England. Kanada finde ich auch interessant. Aber es gibt ein konkretes Datum oder favorisiertes Land. Langfristig ist das aber schon mein Ziel. Ich konzentriere mich jedoch momentan nur auf meinen Job hier in Portland, hier will ich gute Arbeit leisten. Alles andere kann ich nicht beeinflussen.

DFB.de: Was steht 2018 für Sie auf dem Programm?

Angerer: Mitte März wird die Saison mit Portland wieder losgehen. Im Februar starten wir in die Vorbereitung. In den vergangenen Wochen habe ich alles ausgewertet und damit sozusagen meine Hausaufgaben gemacht. Die Ergebnisse werde ich dann im neuen Jahr unseren Torhüterinnen vorstellen. Wir wollen ja weiterkommen. Wo kann ich mich verbessern? Wo gibt es bei ihnen noch Optimierungspotenziale? Weiterentwicklung ist für mich das Wichtigste.

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