Sandra Minnert: "Es ist noch Luft nach oben"

Sandra Minnert ist die dienstälteste deutsche Nationalspielerin. Die Defensivspielerin des SC 07 Bad Neuenahr bestritt am 28. Mai 1992 ihr erstes Länderspiel. In über 15 Jahren Nationalmannschaft streifte sie mittlerweile 142-mal das Trikot der DFB-Auswahl über. Sie hat zahlreiche Titel gewonnen und die Entwicklung des Frauenfußballs weltweit nicht nur mitbekommen, sondern auch mitgeprägt. Bei der Weltmeisterschaft in China nahm sich die 34-Jährige Zeit für das "DFB.de-Gespräch der Woche". DFB-Redakteur Niels Barnhofer unterhielt sich mit ihr in Hangzhou.

Frage: Sandra Minnert, können Sie sich noch an den 28. Mai 1992 erinnern?

Sandra Minnert: Ich weiß, dass ich an diesem Tag mein erstes Länderspiel bestritten habe. Das war gegen Jugoslawien. Ich bin eingewechselt worden und habe ein Tor von Heidi Mohr vorbereitet. Dafür habe ich am nächsten Tag von Trainer Gero Bisanz eine Schelte bekommen, weil ich so weit in der gegnerischen Hälfte nichts zu suchen gehabt hätte.

Frage: Woran erinnern Sie sich noch?

Sandra Minnert: An nicht mehr so viel. Das liegt daran, dass bei mir bis heute einige Länderspiele zusammen gekommen sind. Dabei waren viele wichtige Begegnungen. Im Frauenfußball gibt es mittlerweile mit der Weltmeisterschaft, der Europameisterschaft und den Olympischen Spielen drei wichtige Turniere im Vier-Jahres-Rhythmus. Und wir waren fast immer ganz vorne mit dabei.

Frage: Sind die aktuellen Eindrücke beeindruckender als die aus Ihrer Anfangszeit?

Sandra Minnert: Mit Sicherheit. Allein was die öffentliche Wahrnehmung angeht, kann man das gar nicht miteinander vergleichen. Da reicht es, wenn man sich die Zuschauerzahlen anschaut. Ich weiß zwar nicht mehr, wie viele Zuschauer bei meinem ersten Länderspiel da waren, aber so richtig viele waren das nicht. Wenn man dagegen ein WM-Eröffnungsspiel in Schanghai vor rund 30.000 Zuschauern in einem ausverkauften Stadion bestreitet, bleibt das viel eher hängen.

Frage: An welchen Merkmalen fällt es Ihnen noch auf, dass sich etwas getan hat im Frauenfußball?

Sandra Minnert: Da gibt es viele. In allen Bereichen hat sich etwas getan. Zum Beispiel gab es mit Gero Bisanz nur einen hauptamtlichen Trainer, jetzt wird die Nationalmannschaft von einem Trainerstab betreut. In China hat Silvia Neid in Uli Ballweg und Maren Meinert zwei Assistenz-Trainerinnen an ihrer Seite, dazu kommt in Michael Fuchs noch ein Torwart-Trainer. Und in der WM-Vorbereitung haben wir viel mit unserem Konditionstrainer Dr. Norbert Stein gearbeitet. Das ist für mich ein Zeichen von vielen dafür, dass von Verbandsseite viel mehr Wert auf den Frauenfußball gelegt wird. Aber diese gestiegene Aufmerksamkeit drückt sich auch in anderer Hinsicht aus. Wir haben heute eigene Trikots, die einen Frauen-Schnitt haben. Das gab es damals einfach nicht.

Frage: Wie hat sich der Sport verändert?

Sandra Minnert: In allen Bereichen. Das Tempo ist viel höher geworden. Die Spielerinnen sind viel athletischer. Technisch und taktisch sind sie besser geschult. Das kann man hier bei der WM bei allen teilnehmenden Mannschaften beobachten. Die Trainingsinhalte, die Trainingsqualität und der Trainingsumfang haben sich erhöht. Wurde früher dreimal die Woche trainiert, so muss man, wenn man heute international in der Spitze spielen will, nach Möglichkeit zweimal täglich trainieren. Da ist im Frauenfußball sicherlich noch Luft nach oben, um sich weiter zu steigern.

Frage: Eine Weltmeisterschaft sollte die Veranstaltung sein, die den höchsten Ansprüchen gerecht wird. Ist das in China der Fall?

Sandra Minnert: Es wäre jetzt zu früh, ein sportliches Fazit zu ziehen. Aber organisatorisch ist das hier schon sehr gut. Nur ein Beispiel dafür: Damit die Mannschaften möglichst zügig zum Training oder zu den Spielen kommen und nicht endlos lange im chinesischen Straßenverkehr stecken, werden die Mannschaftsbusse von zwei Polizei-Wagen begleitet. So kommen wir zügig voran. Da ist alles schon gut organisiert. Und auch so passt das Drumherum. Vieles realisiert man erst in der Nachbetrachtung, weil man als Spielerin während des Turniers auf den Fußball fixiert ist.

Frage: Lassen Sie mich dennoch einmal nachhaken: Von dem, was Sie bisher gesehen haben, was ist Ihnen im fußballerischen Bereich aufgefallen?

Sandra Minnert: In der Mannschaft intern haben wir uns viel über England unterhalten. Sie haben unser System übernommen. Und das sogar sehr gut. Ich finde, das ist auch ein Zeichen. Die Nationen schauen über den Tellerrand, treiben die Entwicklung des Frauenfußballs voran.

Frage: Wie bewerten Sie denn in diesem Zusammenhang den 11:0-Sieg gegen Argentinien?

Sandra Minnert: Das Ergebnis würde ich nicht überbewerten. Wir hatten einen sehr guten Tag und die Argentinierinnen einen schlechten. Ich glaube, man kann eher das England-Spiel als Maßstab nehmen. Ich bin davon überzeugt, dass sich das herauskristallisieren wird, was wir schon vor der WM gesagt haben: Die Weltspitze ist enger zusammengerückt. Das war schon der Trend in den vergangenen Jahren. Und man muss doch nur auf die vergangenen Weltmeisterschaften zurückblicken. Da wurden vielleicht drei Favoriten genannt. Hier kann man das halbe Teilnehmerfeld aufführen. Bei einer WM darf man keinen Gegner unterschätzen, wer hier dabei ist, hat sich dieses Recht schwer erkämpft.

Frage: Wie lautet dann Ihr Ziel für diese WM?

Sandra Minnert: Wir schauen von Spiel zu Spiel. Anders geht es nicht. Man muss jeder Aufgabe die ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, sonst fällt man auf die Nase.

Ein weiteres Interview mit Sandra Minnert finden Sie hier.

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Sandra Minnert ist die dienstälteste deutsche Nationalspielerin. Die Defensivspielerin des SC 07 Bad Neuenahr bestritt am 28. Mai 1992 ihr erstes Länderspiel. In über 15 Jahren Nationalmannschaft streifte sie mittlerweile 142-mal das Trikot der DFB-Auswahl über. Sie hat zahlreiche Titel gewonnen und die Entwicklung des Frauenfußballs weltweit nicht nur mitbekommen, sondern auch mitgeprägt. Bei der Weltmeisterschaft in China nahm sich die 34-Jährige Zeit für das "DFB.de-Gespräch der Woche". DFB-Redakteur Niels Barnhofer unterhielt sich mit ihr in Hangzhou.

Frage: Sandra Minnert, können Sie sich noch an den 28. Mai 1992 erinnern?

Sandra Minnert: Ich weiß, dass ich an diesem Tag mein erstes Länderspiel bestritten habe. Das war gegen Jugoslawien. Ich bin eingewechselt worden und habe ein Tor von Heidi Mohr vorbereitet. Dafür habe ich am nächsten Tag von Trainer Gero Bisanz eine Schelte bekommen, weil ich so weit in der gegnerischen Hälfte nichts zu suchen gehabt hätte.

Frage: Woran erinnern Sie sich noch?

Sandra Minnert: An nicht mehr so viel. Das liegt daran, dass bei mir bis heute einige Länderspiele zusammen gekommen sind. Dabei waren viele wichtige Begegnungen. Im Frauenfußball gibt es mittlerweile mit der Weltmeisterschaft, der Europameisterschaft und den Olympischen Spielen drei wichtige Turniere im Vier-Jahres-Rhythmus. Und wir waren fast immer ganz vorne mit dabei.

Frage: Sind die aktuellen Eindrücke beeindruckender als die aus Ihrer Anfangszeit?

Sandra Minnert: Mit Sicherheit. Allein was die öffentliche Wahrnehmung angeht, kann man das gar nicht miteinander vergleichen. Da reicht es, wenn man sich die Zuschauerzahlen anschaut. Ich weiß zwar nicht mehr, wie viele Zuschauer bei meinem ersten Länderspiel da waren, aber so richtig viele waren das nicht. Wenn man dagegen ein WM-Eröffnungsspiel in Schanghai vor rund 30.000 Zuschauern in einem ausverkauften Stadion bestreitet, bleibt das viel eher hängen.

Frage: An welchen Merkmalen fällt es Ihnen noch auf, dass sich etwas getan hat im Frauenfußball?

Sandra Minnert: Da gibt es viele. In allen Bereichen hat sich etwas getan. Zum Beispiel gab es mit Gero Bisanz nur einen hauptamtlichen Trainer, jetzt wird die Nationalmannschaft von einem Trainerstab betreut. In China hat Silvia Neid in Uli Ballweg und Maren Meinert zwei Assistenz-Trainerinnen an ihrer Seite, dazu kommt in Michael Fuchs noch ein Torwart-Trainer. Und in der WM-Vorbereitung haben wir viel mit unserem Konditionstrainer Dr. Norbert Stein gearbeitet. Das ist für mich ein Zeichen von vielen dafür, dass von Verbandsseite viel mehr Wert auf den Frauenfußball gelegt wird. Aber diese gestiegene Aufmerksamkeit drückt sich auch in anderer Hinsicht aus. Wir haben heute eigene Trikots, die einen Frauen-Schnitt haben. Das gab es damals einfach nicht.

Frage: Wie hat sich der Sport verändert?

Sandra Minnert: In allen Bereichen. Das Tempo ist viel höher geworden. Die Spielerinnen sind viel athletischer. Technisch und taktisch sind sie besser geschult. Das kann man hier bei der WM bei allen teilnehmenden Mannschaften beobachten. Die Trainingsinhalte, die Trainingsqualität und der Trainingsumfang haben sich erhöht. Wurde früher dreimal die Woche trainiert, so muss man, wenn man heute international in der Spitze spielen will, nach Möglichkeit zweimal täglich trainieren. Da ist im Frauenfußball sicherlich noch Luft nach oben, um sich weiter zu steigern.

Frage: Eine Weltmeisterschaft sollte die Veranstaltung sein, die den höchsten Ansprüchen gerecht wird. Ist das in China der Fall?

Sandra Minnert: Es wäre jetzt zu früh, ein sportliches Fazit zu ziehen. Aber organisatorisch ist das hier schon sehr gut. Nur ein Beispiel dafür: Damit die Mannschaften möglichst zügig zum Training oder zu den Spielen kommen und nicht endlos lange im chinesischen Straßenverkehr stecken, werden die Mannschaftsbusse von zwei Polizei-Wagen begleitet. So kommen wir zügig voran. Da ist alles schon gut organisiert. Und auch so passt das Drumherum. Vieles realisiert man erst in der Nachbetrachtung, weil man als Spielerin während des Turniers auf den Fußball fixiert ist.

Frage: Lassen Sie mich dennoch einmal nachhaken: Von dem, was Sie bisher gesehen haben, was ist Ihnen im fußballerischen Bereich aufgefallen?

Sandra Minnert: In der Mannschaft intern haben wir uns viel über England unterhalten. Sie haben unser System übernommen. Und das sogar sehr gut. Ich finde, das ist auch ein Zeichen. Die Nationen schauen über den Tellerrand, treiben die Entwicklung des Frauenfußballs voran.

Frage: Wie bewerten Sie denn in diesem Zusammenhang den 11:0-Sieg gegen Argentinien?

Sandra Minnert: Das Ergebnis würde ich nicht überbewerten. Wir hatten einen sehr guten Tag und die Argentinierinnen einen schlechten. Ich glaube, man kann eher das England-Spiel als Maßstab nehmen. Ich bin davon überzeugt, dass sich das herauskristallisieren wird, was wir schon vor der WM gesagt haben: Die Weltspitze ist enger zusammengerückt. Das war schon der Trend in den vergangenen Jahren. Und man muss doch nur auf die vergangenen Weltmeisterschaften zurückblicken. Da wurden vielleicht drei Favoriten genannt. Hier kann man das halbe Teilnehmerfeld aufführen. Bei einer WM darf man keinen Gegner unterschätzen, wer hier dabei ist, hat sich dieses Recht schwer erkämpft.

Frage: Wie lautet dann Ihr Ziel für diese WM?

Sandra Minnert: Wir schauen von Spiel zu Spiel. Anders geht es nicht. Man muss jeder Aufgabe die ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, sonst fällt man auf die Nase.

Ein weiteres Interview mit Sandra Minnert finden Sie hier.