Die Titelhamsterinnen

Frauenfussball? Ja, klar! In Deutschland erfreut er sich großer Bekanntheit und Beliebtheit. Vor allen Dingen, weil er in der Frauen-Nationalmannschaft einen außergewöhnlichen Botschafter besitzt. Mit zwei WM- und acht EM-Titeln haben sich die DFB-Frauen nicht nur zu einer der erfolgreichsten Mannschaften der Welt entwickelt, sondern sich auch viel Anerkennung und Sympathie erarbeitet.

Mit der WM 2011 erreichte der Frauenfussball eine neue Dimension. Noch nie war das öffentliche Interesse an dem Sport derart immens. Und das große Zugpferd war die deutsche Nationalmannschaft. Bis zu 19 Millionen Fernsehzuschauer sorgten für fantastische Quoten bei den Spielen der DFB-Auswahl. Die Stadien waren ausverkauft. Die Zeitungen berichteten in noch nie da gewesenem Umfang. Und alle fieberten mit und drückten den DFB-Frauen die Daumen, dass ihnen das Wunder vom dritten WM-Titel in Folge glücken würde.

Der Traum wurde nicht wahr. Und dennoch hatte der deutsche Frauenfußball am Ende des Turniers gewonnen. Denn auch wenn das Team von Silvia Neid gegen den späteren Weltmeister Japan mit 0:1 nach Verlängerung im Viertelfinale verlor, staunte die Welt über das enorme Interesse am Frauenfußball. Eines, das die DFB-Auswahl in den vergangenen Jahren entfacht hatte. Mit tollen Leistungen und einer langen Erfolgsliste, zu der die DFB-Frauen 2013 einen weiteren hinzufügten: Mit einer nach einer Verletztenmisere neu formierten und verjüngten Mannschaft holte das Team bei der EM in Schweden den insgesamt achten europäischen Titel. Das Finale in Solna gegen Norwegen ging in die Geschichte des Frauenfußballs ein: Zur EM-Heldin avancierte Spielführerin Nadine Angerer, die gleich zwei Elfmeter hielt, die DFB-Auswahl siegte am Ende mit 1:0, das goldene Tor erzielte Anja Mittag. Es war das ersehnte Happy End nach einem schwierigen Turnier, in dessen Verlauf die unerfahrene Mannschaft mit einem Durchschnittsalter von gerade einmal 23,5 Jahren mit Teamgeist und Durchsetzungsvermögen zum Erfolg kam. Ein Turnier, das in seiner Dramatik vielen Menschen nachhaltig im Gedächtnis bleiben dürfte.

So wie auch die Bilder vergangener Turniere. Die Bekanntheit des Teams manifestiert sich in Szenen, an die sich eine große Öffentlichkeit erinnert. Rund zwölf Millionen Fernsehzuschauer erlebten mit, wie Nadine Angerer am 30. September 2007 im WM-Finale gegen Brasilien den Elfmeter von Marta hält, wie Birgit Prinz den Führungstreffer erzielt, wie Simone Laudehr nach dem 2:0 ihren Waschbrettbauch präsentiert und wie das Team bei der Siegerehrung im Goldregen tanzt.

Vier Jahre zuvor waren es ähnliche Bilder, die sich einprägten. Am 12. Oktober 2003 war es Nia Künzer, die in der Verlängerung des WM-Finales mit ihrem Kopfball das Golden Goal zum 2:1-Sieg über Schweden erzielte. Ein Treffer, der um die Welt ging, in jeder Nachrichtensendung gezeigt wurde und somit den ohnehin großen Bekanntheitsgrad der deutschen Frauen-Nationalmannschaft weiter nach oben schnellen ließ.

Die Triumphe bei den Weltmeisterschaften 2003 und 2007 sind die größten Erfolge in der noch relativ jungen Geschichte der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Doch sie kamen nicht von ungefähr. Seit dem 5:1-Sieg gegen die Schweiz im ersten Länderspiel am 10. November 1982 in Koblenz hat die DFB-Auswahl eine einzigartige Erfolgsgeschichte geschrieben.

Von Isbert zu Angerer

Keine sieben Jahre existierte das DFB-Team der Frauen, da verewigte es sich zum ersten Mal in der Siegerliste eines renommierten Turniers. Völlig überraschend gewann die von Trainer Gero Bisanz betreute deutsche Nationalmannschaft 1989 die Europameisterschaft. Dabei gelang den Spielerinnen weit mehr, als die Trophäenschränke in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main zu bereichern, sie erreichten erstmals eine große öffentliche Wahrnehmung.

Das Halbfinale gegen Italien in Siegen war das erste Frauen-Länderspiel, das live im deutschen Fernsehen übertragen wurde. Ein packendes Duell, das Fußball-Freunde faszinierte. Wie sehr die Partie an den Nerven zerrte, verdeutlichte eine in Tränen aufgelöste Torfrau Marion Isbert, die im Elfmeterschießen zum Matchwinner avancierte.

Die Resonanz auf diesen Fußball-Krimi war überwältigend. Zum Finale war das Stadion an der Bremer Brücke in Osnabrück ausverkauft. Zahlreiche Fans erlebten das Endspiel nur vor den Kassenhäuschen mit, weil sie einfach keine Tickets mehr ergattern konnten. In einer furiosen Begegnung gewann die deutsche Mannschaft gegen die favorisierten Norwegerinnen mit 4:1.

Es war das erste Kapitel einer Fortsetzungsgeschichte. Über die Jahre entwickelte sich die Frauen- Nationalmannschaft zum dominierenden Team in Europa und holte insgesamt acht EM-Titel. Anerkennung drückt sich auch in der Wahl von Birgit Prinz zur „FIFA-Weltfußballerin des Jahres“ aus – dreimal erhielt sie diesen Titel. Nadine Angerer wurde 2013 zu „Europas Fußballerin des Jahres“ und 2014 zur "Weltfußballerin des Jahres" gewählt. Komplettiert wird die Erfolgsbilanz der deutschen Nationalmannschaft von drei Bronze- und einer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen: 2000 in Sydney, 2004 in Athen, 2008 in Peking (jeweils Bronze) und 2016 in Rio de Janeiro.