Ronny Ackermann: "Für jeden Sportler ein Geschenk"

Vom 26. Juni bis 17. Juli findet in Deutschland die Frauen-WM 2011 statt - für die Spielerinnen der DFB-Auswahl der Höhepunkt in ihrer Karriere. Ihr Ziel: die Titelverteidigung. Das wichtigste Turnier vor heimischer Kulisse bestreiten zu dürfen, wird für die 21 Frauen, die letztlich im WM-Kader von DFB-Trainerin Silvia Neid stehen werden, aber auch unabhängig vom Abschneiden ein außergewöhnliches Erlebnis sein.

Das können auch die Trainer und Athleten aus anderen Sportarten bestätigen, die in den vergangenen Jahren ebenfalls in den Genuss einer Heim-WM gekommen sind - und erfolgreich waren. In einer Interview-Serie spricht DFB.de immer dienstags mit deutschen Protagonisten und blickt zurück auf deren ganz persönliche Faszination Heim-WM.

Heute: der Nordische Kombinierer Ronny Ackermann, der 2005 in Oberstdorf Doppelweltmeister wurde. Im Interview mit Redakteur Gereon Tönnihsen spricht der Thüringer über seine Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke.

DFB.de: Herr Ackermann, die WM im eigenen Land – wie fühlt sich das an?

Ronny Ackermann: Das war ein Riesenereignis. Für jeden Sportler ist es ein Geschenk, im eigenen Land so etwas zu erleben. Wer hat dieses Glück schon? Bis zu 30.000 Zuschauer waren da, auch die eigene Familie. Das gibt schon einen riesigen Motivationsschub. Man kennt die Anlagen, auch das ist ein Vorteil. Aber natürlich geht eine WM in der Heimat auch mit größeren Erwartungen einher, mit größerem Druck. Auch die mediale Aufmerksamkeit ist ungleich größer als bei Veranstaltungen im Ausland. So etwas kann man vorher nicht durchspielen, und man muss aufpassen, dass einen das nicht überrennt.

DFB.de: Hat es Sie überrannt?

Ackermann: Nein, das nicht. Man muss versuchen, sich genauso auf den Tag des Wettkampfs, den Tag X, vorzubereiten wie sonst. Doch es ist schon etwas anderes, wenn man weiß, dass eine Heim-WM ansteht. Man ist noch vorsichtiger, versucht, genau darauf zu achten, dass man gesund bleibt, dass das Material in Ordnung ist - also dass man perfekt vorbereitet ist. Von mir konnte ich das nicht wirklich behaupten. Ich hatte vor der WM mit einer kleinen Formkrise zu kämpfen, meine Leistungen auf der Schanze waren nicht konstant. Und ich habe extra einige Weltcups ausgelassen, um mich in Form zu bringen.

DFB.de: Hat Sie die Aussicht auf die nahende WM vielleicht verkrampfen lassen?

Ackermann: Nein, das glaube ich nicht. Aber beim Skispringen ist es wie beim Golf: Man muss sich sehr konzentrieren und im entscheidenden Moment loslassen. Das hat viel mit Automatismen und dem Vertrauen in die eigene Stärke zu tun, man darf nicht zu viel nachdenken dabei. Doch manchmal tut man das. Solche Phasen gibt es.

DFB.de: Ist man dann besonders angespannt?

Ackermann: Zumindest mehr als sonst. Bei mir kamen außerdem Material-Probleme dazu, weil einer der Schuhe, die ich beim Springen trug, beim ersten offiziellen Training vor dem ersten WM-Wettkampf kaputt ging. Sie kennen das sicher von Joggingschuhen: Man läuft und läuft, und irgendwann gehen sie kaputt. Dann kauft man sich neue und läuft wieder und hat sofort Blasen. Man gewöhnt sich nicht so schnell daran. Bei Skischuhen ist das zehnmal so schlimm. Ich musste dann am nächsten Tag mit völlig neuen Schuhen an den Start gehen. Das war eine Situation „Hopp oder Top“. Es hätte auch völlig in die Hose gehen können. Aber ich mag solche Situationen, so etwas spornt mich an.

DFB.de: Fällt es mit solch einer Einstellung auch leichter, mit Druck umzugehen?

Ackermann: Ich glaube, schon. Wenn man Titelverteidiger ist, sind die Erwartungen natürlich von vorneherein hoch, zu Hause umso mehr. Man muss viel mehr Termine wahrnehmen, steht viel mehr im Fokus. Sonst musste man zur Pressekonferenz und hie und da mal ein Interview geben. Das war es. Dabei merkt man schon, was von einem erwartet wird. Aber meine eigene Erwartungshaltung war immer noch größer. Das war während meiner ganzen Karriere so und immer mein Antrieb. Auch wenn es mal nicht so gut lief.

DFB.de: Wie lief dann der Wettkampf?

Ackermann: Es ging emotional rauf und runter. An die Umstellung auf die neuen Schuhe habe ich gar nicht mehr gedacht. Mein erster Sprung war noch ziemlich verhalten. Im zweiten Durchgang hatte ich dann das Glück, dass dieser nach zehn Springern abgebrochen wurde, weil sich die Windverhältnisse so sehr verschlechtert hatten. Hätte ich springen müssen, wäre ich weit zurückgefallen. So bin ich mit gut eineinhalb Minuten Rückstand Zehnter geworden. Das war okay.

DFB.de: Und in der Loipe?

Ackermann: Zwei Runden vor Schluss waren die besten zehn Läufer zusammen in einer Gruppe. Es war unheimlich eng. Und ehrlich: Aus dieser Gruppe hätte es jeder verdient gehabt, Weltmeister zu werden. Es waren viele gute Leute darin wie Felix Gottwald, Björn Kircheisen oder Magnus Moan. Gottwald hat dann eine Wahnsinnsattacke gefahren, nur Kircheisen und ich sind mitgegangen. In der Abfahrt habe ich mich im Windschatten gehalten und bin dann aus dem Sog heraus nach vorne gesprintet und habe mit eineinhalb Sekunden Vorsprung gewonnen. Diesem Schachzug habe ich es zu verdanken, dass ich Weltmeister geworden bin.

DFB.de: Die Zuschauer in Oberstdorf haben Sie während des Laufs lautstark angefeuert. Haben Sie das überhaupt mitbekommen?

Ackermann: Ich hatte gar keine Gelegenheit dazu. Es war ja so eng in dem Lauf, er war so von Taktik geprägt, dass ich mich nur darauf konzentriert habe. Ich war unglaublich angespannt. Es hätte ja auch blöd laufen können, dann wäre ich nur Zehnter geworden. Auch die Rufe meiner Betreuer habe ich nicht gehört. Erst als ich im Ziel war, habe ich die ganzen Menschen wirklich gesehen und gehört, wie laut sie waren.

DFB.de: Wie war das Gefühl, als Sie über die Ziellinie fuhren?

Ackermann: Unbeschreiblich. Ich muss nur daran denken, dann bekomme ich heute noch Gänsehaut. In dem Moment war ich total fertig und zugleich überglücklich.

DFB.de: Welche Erinnerungen haben Sie an die Atmosphäre in Oberstdorf?

Ackermann: Ich weiß noch, dass der Kartenverkauf am Anfang noch nicht so gut lief. Mein Erfolg war so etwas wie eine Initialzündung. Von da an war es immer voll, die ganze WM war eine schwarz-rot-goldene Feier. Das war irre.

DFB.de: Wie gingen Sie damit um, plötzlich derart im Mittelpunkt zu stehen?

Ackermann: Ich habe das nicht überbewertet und versucht, vieles nicht an mich heranzulassen, um mich nur auf den Sport zu fokussieren. Ich habe zum Beispiel keine Zeitung gelesen in dieser Zeit. Alles drumherum kostet Energie, auch wenn das natürlich auch wichtig ist und einfach dazu gehört. Aber man muss immer wissen, was man vor allem ist: ein Sportler, der Erfolg haben will.

DFB.de: Sie haben einige große Erfolge gefeiert. Würden Sie trotzdem sagen, dass dieser erste Sieg in Oberstdorf der größte in Ihrer Karriere war?

Ackermann: Absolut, die Heim-WM war der Höhepunkt, beide Siege dort. Es waren die Rennen, die mir am meisten im Gedächtnis geblieben sind. Die Zeit vom Überqueren der Linie bis zur Flower Ceremony auf der Medal Plaza werde ich nie vergessen, das war die pure Emotion. Als die Hymne gespielt wurde und ich wusste, dass alle Menschen, die mir wichtig sind, in diesem Moment zuschauen, war das einfach nur überwältigend.

DFB.de: Und danach gab es sicher die große Party…

Ackermann: O nein! Es standen ja noch weitere Wettkämpfe an. Und ich hatte eigentlich gedacht, dass ich nach dem Sieg vor den anderen Entscheidungen etwas lockerer wäre, aber das war gar nicht so. Wenn ich einmal gewonnen hatte, dachte ich mir, könnte ich das auch noch einmal. Mit der Mannschaft haben wir Silber geholt, und dann habe ich im Sprint noch einmal Gold gewonnen.

DFB.de: War diese Dominanz angesichts der Probleme in der Vorbereitung auch für Sie selbst überraschend?

Ackermann: Ich hatte auch in der Saison einige gute Weltcup-Ergebnisse gehabt, bevor es bei mir nicht so gut lief. Außerdem war ich Titelverteidiger: Ich wusste schon, was ich konnte und dass ich Chancen auf Medaillen hatte. Aber dass es so gut lief, habe ich nicht unbedingt erwartet. Ein bisschen gehört ja auch Glück dazu.

DFB.de: Haben Sie Ihre Siege denn auch genießen können?

Ackermann: Schon, aber eben nicht so lange. Erfolge waren für mich immer eine kurzfristige Sache, schon am nächsten Tag ging es wieder weiter. Vielleicht habe ich mir damals zu wenig Zeit genommen, das alles ausgiebiger zu genießen und zu feiern. Aber das ist eine Erkenntnis, die man erst nachher bekommt. Damals ging es gleich weiter im Weltcup, im Jahr darauf standen die Olympischen Spiele an. Darauf wollte ich optimal vorbereitet sein.

DFB.de: Was hat sich durch die Siege vor heimischem Publikum für Sie verändert?

Ackermann: Geändert hat sich, so glaube ich, vor allem die öffentliche Wahrnehmung der Nordischen Kombination, die damals nur eine kleine Randsportart war. Das ist heute anders. Die Erfolge in der Heimat haben der Disziplin einen Schub gegeben, der wichtig war. Ich persönlich wurde 2005 zum Sportler des Jahres gewählt – vor keinem Geringeren als Dirk Nowitzki. Es ist schon so, dass mich von da an mehr Leute gekannt haben, aber verändert hat mich das nicht. Die Siege haben mir auch geholfen, wenn später die Ergebnisse nicht stimmten. Dann habe ich mich gerne daran erinnert und gewusst: Du kannst es, auch wenn es mal nicht so gut läuft.

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Vom 26. Juni bis 17. Juli findet in Deutschland die Frauen-WM 2011 statt - für die Spielerinnen der DFB-Auswahl der Höhepunkt in ihrer Karriere. Ihr Ziel: die Titelverteidigung. Das wichtigste Turnier vor heimischer Kulisse bestreiten zu dürfen, wird für die 21 Frauen, die letztlich im WM-Kader von DFB-Trainerin Silvia Neid stehen werden, aber auch unabhängig vom Abschneiden ein außergewöhnliches Erlebnis sein.

Das können auch die Trainer und Athleten aus anderen Sportarten bestätigen, die in den vergangenen Jahren ebenfalls in den Genuss einer Heim-WM gekommen sind - und erfolgreich waren. In einer Interview-Serie spricht DFB.de immer dienstags mit deutschen Protagonisten und blickt zurück auf deren ganz persönliche Faszination Heim-WM.

Heute: der Nordische Kombinierer Ronny Ackermann, der 2005 in Oberstdorf Doppelweltmeister wurde. Im Interview mit Redakteur Gereon Tönnihsen spricht der Thüringer über seine Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke.

DFB.de: Herr Ackermann, die WM im eigenen Land – wie fühlt sich das an?

Ronny Ackermann: Das war ein Riesenereignis. Für jeden Sportler ist es ein Geschenk, im eigenen Land so etwas zu erleben. Wer hat dieses Glück schon? Bis zu 30.000 Zuschauer waren da, auch die eigene Familie. Das gibt schon einen riesigen Motivationsschub. Man kennt die Anlagen, auch das ist ein Vorteil. Aber natürlich geht eine WM in der Heimat auch mit größeren Erwartungen einher, mit größerem Druck. Auch die mediale Aufmerksamkeit ist ungleich größer als bei Veranstaltungen im Ausland. So etwas kann man vorher nicht durchspielen, und man muss aufpassen, dass einen das nicht überrennt.

DFB.de: Hat es Sie überrannt?

Ackermann: Nein, das nicht. Man muss versuchen, sich genauso auf den Tag des Wettkampfs, den Tag X, vorzubereiten wie sonst. Doch es ist schon etwas anderes, wenn man weiß, dass eine Heim-WM ansteht. Man ist noch vorsichtiger, versucht, genau darauf zu achten, dass man gesund bleibt, dass das Material in Ordnung ist - also dass man perfekt vorbereitet ist. Von mir konnte ich das nicht wirklich behaupten. Ich hatte vor der WM mit einer kleinen Formkrise zu kämpfen, meine Leistungen auf der Schanze waren nicht konstant. Und ich habe extra einige Weltcups ausgelassen, um mich in Form zu bringen.

DFB.de: Hat Sie die Aussicht auf die nahende WM vielleicht verkrampfen lassen?

Ackermann: Nein, das glaube ich nicht. Aber beim Skispringen ist es wie beim Golf: Man muss sich sehr konzentrieren und im entscheidenden Moment loslassen. Das hat viel mit Automatismen und dem Vertrauen in die eigene Stärke zu tun, man darf nicht zu viel nachdenken dabei. Doch manchmal tut man das. Solche Phasen gibt es.

DFB.de: Ist man dann besonders angespannt?

Ackermann: Zumindest mehr als sonst. Bei mir kamen außerdem Material-Probleme dazu, weil einer der Schuhe, die ich beim Springen trug, beim ersten offiziellen Training vor dem ersten WM-Wettkampf kaputt ging. Sie kennen das sicher von Joggingschuhen: Man läuft und läuft, und irgendwann gehen sie kaputt. Dann kauft man sich neue und läuft wieder und hat sofort Blasen. Man gewöhnt sich nicht so schnell daran. Bei Skischuhen ist das zehnmal so schlimm. Ich musste dann am nächsten Tag mit völlig neuen Schuhen an den Start gehen. Das war eine Situation „Hopp oder Top“. Es hätte auch völlig in die Hose gehen können. Aber ich mag solche Situationen, so etwas spornt mich an.

DFB.de: Fällt es mit solch einer Einstellung auch leichter, mit Druck umzugehen?

Ackermann: Ich glaube, schon. Wenn man Titelverteidiger ist, sind die Erwartungen natürlich von vorneherein hoch, zu Hause umso mehr. Man muss viel mehr Termine wahrnehmen, steht viel mehr im Fokus. Sonst musste man zur Pressekonferenz und hie und da mal ein Interview geben. Das war es. Dabei merkt man schon, was von einem erwartet wird. Aber meine eigene Erwartungshaltung war immer noch größer. Das war während meiner ganzen Karriere so und immer mein Antrieb. Auch wenn es mal nicht so gut lief.

DFB.de: Wie lief dann der Wettkampf?

Ackermann: Es ging emotional rauf und runter. An die Umstellung auf die neuen Schuhe habe ich gar nicht mehr gedacht. Mein erster Sprung war noch ziemlich verhalten. Im zweiten Durchgang hatte ich dann das Glück, dass dieser nach zehn Springern abgebrochen wurde, weil sich die Windverhältnisse so sehr verschlechtert hatten. Hätte ich springen müssen, wäre ich weit zurückgefallen. So bin ich mit gut eineinhalb Minuten Rückstand Zehnter geworden. Das war okay.

DFB.de: Und in der Loipe?

Ackermann: Zwei Runden vor Schluss waren die besten zehn Läufer zusammen in einer Gruppe. Es war unheimlich eng. Und ehrlich: Aus dieser Gruppe hätte es jeder verdient gehabt, Weltmeister zu werden. Es waren viele gute Leute darin wie Felix Gottwald, Björn Kircheisen oder Magnus Moan. Gottwald hat dann eine Wahnsinnsattacke gefahren, nur Kircheisen und ich sind mitgegangen. In der Abfahrt habe ich mich im Windschatten gehalten und bin dann aus dem Sog heraus nach vorne gesprintet und habe mit eineinhalb Sekunden Vorsprung gewonnen. Diesem Schachzug habe ich es zu verdanken, dass ich Weltmeister geworden bin.

DFB.de: Die Zuschauer in Oberstdorf haben Sie während des Laufs lautstark angefeuert. Haben Sie das überhaupt mitbekommen?

Ackermann: Ich hatte gar keine Gelegenheit dazu. Es war ja so eng in dem Lauf, er war so von Taktik geprägt, dass ich mich nur darauf konzentriert habe. Ich war unglaublich angespannt. Es hätte ja auch blöd laufen können, dann wäre ich nur Zehnter geworden. Auch die Rufe meiner Betreuer habe ich nicht gehört. Erst als ich im Ziel war, habe ich die ganzen Menschen wirklich gesehen und gehört, wie laut sie waren.

DFB.de: Wie war das Gefühl, als Sie über die Ziellinie fuhren?

Ackermann: Unbeschreiblich. Ich muss nur daran denken, dann bekomme ich heute noch Gänsehaut. In dem Moment war ich total fertig und zugleich überglücklich.

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DFB.de: Welche Erinnerungen haben Sie an die Atmosphäre in Oberstdorf?

Ackermann: Ich weiß noch, dass der Kartenverkauf am Anfang noch nicht so gut lief. Mein Erfolg war so etwas wie eine Initialzündung. Von da an war es immer voll, die ganze WM war eine schwarz-rot-goldene Feier. Das war irre.

DFB.de: Wie gingen Sie damit um, plötzlich derart im Mittelpunkt zu stehen?

Ackermann: Ich habe das nicht überbewertet und versucht, vieles nicht an mich heranzulassen, um mich nur auf den Sport zu fokussieren. Ich habe zum Beispiel keine Zeitung gelesen in dieser Zeit. Alles drumherum kostet Energie, auch wenn das natürlich auch wichtig ist und einfach dazu gehört. Aber man muss immer wissen, was man vor allem ist: ein Sportler, der Erfolg haben will.

DFB.de: Sie haben einige große Erfolge gefeiert. Würden Sie trotzdem sagen, dass dieser erste Sieg in Oberstdorf der größte in Ihrer Karriere war?

Ackermann: Absolut, die Heim-WM war der Höhepunkt, beide Siege dort. Es waren die Rennen, die mir am meisten im Gedächtnis geblieben sind. Die Zeit vom Überqueren der Linie bis zur Flower Ceremony auf der Medal Plaza werde ich nie vergessen, das war die pure Emotion. Als die Hymne gespielt wurde und ich wusste, dass alle Menschen, die mir wichtig sind, in diesem Moment zuschauen, war das einfach nur überwältigend.

DFB.de: Und danach gab es sicher die große Party…

Ackermann: O nein! Es standen ja noch weitere Wettkämpfe an. Und ich hatte eigentlich gedacht, dass ich nach dem Sieg vor den anderen Entscheidungen etwas lockerer wäre, aber das war gar nicht so. Wenn ich einmal gewonnen hatte, dachte ich mir, könnte ich das auch noch einmal. Mit der Mannschaft haben wir Silber geholt, und dann habe ich im Sprint noch einmal Gold gewonnen.

DFB.de: War diese Dominanz angesichts der Probleme in der Vorbereitung auch für Sie selbst überraschend?

Ackermann: Ich hatte auch in der Saison einige gute Weltcup-Ergebnisse gehabt, bevor es bei mir nicht so gut lief. Außerdem war ich Titelverteidiger: Ich wusste schon, was ich konnte und dass ich Chancen auf Medaillen hatte. Aber dass es so gut lief, habe ich nicht unbedingt erwartet. Ein bisschen gehört ja auch Glück dazu.

DFB.de: Haben Sie Ihre Siege denn auch genießen können?

Ackermann: Schon, aber eben nicht so lange. Erfolge waren für mich immer eine kurzfristige Sache, schon am nächsten Tag ging es wieder weiter. Vielleicht habe ich mir damals zu wenig Zeit genommen, das alles ausgiebiger zu genießen und zu feiern. Aber das ist eine Erkenntnis, die man erst nachher bekommt. Damals ging es gleich weiter im Weltcup, im Jahr darauf standen die Olympischen Spiele an. Darauf wollte ich optimal vorbereitet sein.

DFB.de: Was hat sich durch die Siege vor heimischem Publikum für Sie verändert?

Ackermann: Geändert hat sich, so glaube ich, vor allem die öffentliche Wahrnehmung der Nordischen Kombination, die damals nur eine kleine Randsportart war. Das ist heute anders. Die Erfolge in der Heimat haben der Disziplin einen Schub gegeben, der wichtig war. Ich persönlich wurde 2005 zum Sportler des Jahres gewählt – vor keinem Geringeren als Dirk Nowitzki. Es ist schon so, dass mich von da an mehr Leute gekannt haben, aber verändert hat mich das nicht. Die Siege haben mir auch geholfen, wenn später die Ergebnisse nicht stimmten. Dann habe ich mich gerne daran erinnert und gewusst: Du kannst es, auch wenn es mal nicht so gut läuft.