Ariane Friedrich: "Das ganze Publikum stand hinter dem Team"

Vom 26. Juni bis 17. Juli findet in Deutschland die Frauen-WM 2011 statt - für die Spielerinnen der DFB-Auswahl der Höhepunkt in ihrer Karriere. Ihr Ziel: die Titelverteidigung. Das wichtigste Turnier vor heimischer Kulisse bestreiten zu dürfen, wird für die 21 Frauen, die letztlich im WM-Kader von DFB-Trainerin Silvia Neid stehen werden, aber auch unabhängig vom Abschneiden ein außergewöhnliches Erlebnis sein.

Das können auch die Trainer und Athleten aus anderen Sportarten bestätigen, die in den vergangenen Jahren ebenfalls in den Genuss einer Heim-WM gekommen sind - und erfolgreich waren. In einer Interview-Serie spricht DFB.de immer dienstags mit deutschen Protagonisten und blickt zurück auf deren ganz persönliche Faszination Heim-WM. Heute: die Hochspringerin Ariane Friedrich, Bronzemedaillen-Gewinnerin bei der WM 2009 in Berlin.

Ein Handy klingelte. Im voll besetzten Berliner Olympiastadion. Und es war deutlich zu vernehmen. Ein Verdienst von Ariane Friedrich - die Hochspringerin hatte die Arena zum Schweigen gebracht, weil sie um Ruhe für ihre Konzentrationsphase vor dem dritten Versuch über 2,02 Meter bei der Leichtathletik-WM 2009 gebeten hatte. Am Ende gewann sie die Bronzemedaille. Und beschreibt im Interview mit DFB-Redakteur Niels Barnhofer den Wettkampf als eine ganz extreme Erfahrung.

DFB.de: Ariane Friedrich, wie war das 2009 in Berlin, wie viele schlaflose Nächte hatten Sie vor der Leichtathletik-WM?

Ariane Friedrich: Zwei Nächte vor dem Finale konnte ich kaum schlafen. Auch deswegen war ich sehr aufgeregt und angespannt, das war schlimm.

DFB.de: Welche Gedanken kreisten Ihnen durch den Kopf?

Friedrich: Je näher es zum Wettkampf ging, umso größer wurden auch die Gedanken, im entscheidenden Moment Fehler zu machen. Dies geht der Konkurrenz wahrscheinlich genauso, aber im Vorfeld einer WM möchte keine Athletin Schwäche zeigen. Innerlich hat das schon ziemlich an mir geknabbert, weil auf einmal der Fokus so intensiv auf dem Sprint der Männer über 100 und 200 Meter und dem Hochsprung lag. Wir haben vorher schon versucht, auf andere Disziplinen hinzuweisen, die auch sehr gut besetzt waren, aber das wurde von der Presse nicht angenommen. Und dementsprechend hatte ich einen Mordsdruck.

DFB.de: Wie hatten Sie sich darauf vorbereitet?

Friedrich: Der ganze WM-Druck kam eigentlich sehr überraschend. Er wurde durch meinen Deutschen Rekord befeuert. Wir hatten mehr als 400 Interviewanfragen rund um die WM. Denen konnte ich irgendwann nicht mehr allen nachkommen. Aus diesem Grund habe ich ein paar Wochen vorher die Reißleine gezogen und keine Interviews mehr gegeben. Ich hatte das Gefühl, die Sache wird immer schwieriger, je mehr man drüber redet. Am Ende wollte ich einfach nur meine Ruhe haben.

DFB.de: Kann man so ein Thema auch zerreden?

Friedrich: Ja, man sollte sich im Vorfeld nicht zu viele Gedanken machen, weil das die Aufregung nur noch fördert. Ich war eh schon ein kleines Nervenbündel. Nächstes Jahr werden wir ein bisschen anders handeln, den Stopp früher setzen und nur noch ganz gezielt einzelne Anfragen bedienen.

DFB.de: Haben Sie in den Interviews auch auf die Konkurrenz hingewiesen?

Friedrich: Ja, das habe ich immer. Ich habe stets betont, dass es noch fünf Konkurrentinnen gibt, die alle eine Medaille gewinnen können, die zur Weltklasse gehören. Nur: Das wollten vielen nicht hören und andere nicht wahrhaben. Das ist eben das Problem im eigenen Land. Für viele gab es nur den Zweikampf: Ariane Friedrich gegen Blanca Vlasic.

DFB.de: Gab es denn auch Mentaltraining für Sie?

Friedrich: Nicht direkt davor. Ich finde Mentaltraining sollte man dann in Anspruch nehmen, wenn man denkt, dass man es braucht. Aber ich habe mich eigentlich gut gefühlt und es nicht als nötig empfunden, weil ich schon Erfahrungen mit Mentaltraining gehabt habe und dabei auch sehr viel mitnehmen konnte. Ich weiß eigentlich, wie ich mit Drucksituationen umgehen muss und meine innere Ruhe finden kann. Aber ich denke, das werde ich in nächster Zeit noch mal angehen, dass ich das alles noch mal auffrische. Andererseits sagt man aber auch, man soll ein laufendes System nicht ändern, und ich bin auch ohne direktes Mentaltraining Deutschen Rekord gesprungen. Ich hab einfach versucht, die Gelassenheit und die Freude am Sport mitzunehmen.

DFB.de: Welchen Stellenwert hatte die WM denn für Sie persönlich?

Friedrich: Die WM 2009 hat für mich einen sehr hohen Stellenwert, weil es die WM im eigenen Land war. Es war meine erste Weltmeisterschaft, und meine ganze Familie, meine Freunde haben mitgefiebert. Das ganze Publikum stand hinter dem deutschen Team. In Berlin ist alles relativ vertraut gewesen, es war nichts fremd, man versteht die Leute auf der Straße - und das fand ich sehr schön. Es ist schon beeindruckend, wenn ein Busfahrer oder ein Taxifahrer sagt: "Wir wünschen alles Gute, viel Erfolg!" Wildfremde Menschen, mit denen man durch Zufall zusammen kommt, sprechen einen an und drücken die Daumen.

DFB.de: Wie erlösend war es dann, den Wettkampf bestreiten zu können?

Friedrich: Die letzten zwei Wochen waren hart, und ich war dann auch, so doof es klingt, froh, als es vorbei war, als die Latte im letzten Versuch bei 2,06 Meter gefallen ist. Ich hab zwar nicht gewonnen, aber ich habe eine Medaille mit nach Hause gebracht, auf die ich sehr stolz bin. Ich war froh, dass es entschieden war und der Druck dann von mir abgefallen ist. Hätte ich nicht gedacht, dass ich mal so denke. Es war ein unglaublich toller Wettkampf, sehr emotional, sehr stimmungsgeladen, aber ob ich das noch mal so haben möchte? Da bin ich mir nicht sicher, weil das schon tierisch anstrengend war.

DFB.de: Können Sie den Wettkampf trotzdem noch mal Revue passieren lassen?

Friedrich: Der Wettkampf war schon sehr aufregend, vom Morgen bis zum Abend. Ich möchte ihn eigentlich gar nicht mehr Revue passieren lassen. Man steht auf, geht Frühstücken, stimmt sich ein. Wobei ich ja eigentlich schon eingestimmt war. Dann sind wir ins Stadion gefahren, ganz viele Leute außerhalb haben viel Glück gewünscht, aber das wollte ich dann irgendwann nicht mehr hören. Irgendwann muss man sich mal fokussieren.

DFB.de: Waren Sie im Endkampf unsicher?

Friedrich: Eigentlich nicht, ich habe auch lange Zeit geführt, bis Usain Bolt den 200-Meter-Weltrekord gelaufen ist und ich dann in diesem Getöse meine ersten Sprünge über 2,02 Meter machen musste. Blanca Vlasic ging es genauso. Die Russin Ana Tschitscherowa hatte das Glück, dass sie noch vor dem Lauf über 2,02 Meter gekommen ist, das hat ihr die Silbermedaille gesichert. Wir konnten aber erst nach dem Rekordlauf springen, in diesem Moment glich das Stadion einem Hexenkessel. Da hat alles nur noch geschrien - es war unglaublich, ziemlich krass für eine Leichtathletikveranstaltung. Die Stimmung im Stadion war sensationell.

DFB.de: Wie ist diese Situation entstanden, dass Sie das komplette Stadion zur Ruhe gebracht haben?

Friedrich: Da die Menge so unglaublichen Lärm gemacht hat, während es bei mir um Alles oder Nichts ging, dachte ich: "Springe ich jetzt 2,02 Meter und sichere mir meine Medaille, oder muss ich sogar noch zittern und gehe mit einer Höhe von weniger als zwei Meter vom Platz?" Der Druck war sehr groß.

DFB.de: Haben Sie sich das vor dem dritten Versuch vorgenommen?

Friedrich: Nein, ich stand da, und es war immer noch so unruhig - da dachte ich, jetzt muss ich irgendetwas tun. Ich hatte schon öfter das Publikum gebeten, still zu sein, das ist nichts Neues gewesen. Aber auf einmal war ja jeder still, es war unglaublich.

DFB.de: Wie bewerten Sie die Szene im Nachhinein?

Friedrich: Das Gefühl, noch einmal zu sehen, wie sich das Publikum zurücknimmt und mit einem fiebert, ist fantastisch. Andere Leute haben mir erzählt, dass man im ganzen Stadion nur noch ein einziges Handy hat klingeln hören. Das war außergewöhnlich und hat mir auch noch mal sehr viel Kraft und Mut gegeben. Nachdem ich die 2,02 Meter geschafft hatte, war das auch toll. Da war so viel Erleichterung, die dann aus mir rausgekommen ist und so viel Anspannung in dem Moment. Das ist immer charakteristisch für den Hochsprung, dass wir uns zwischen Spannung und Anspannung bewegen, man muss halt aufpassen, dass man sich über einen geschafften Sprung nicht zu viel freut.

DFB.de: Wie war das für Sie, im Olympiastadion anzutreten? Leichtathletik-Meetings werden ja auch schon mal in kleineren Stadien durchgeführt.

Friedrich: Schon. Aber gerade das Olympiastadion in Berlin ist natürlich ein unglaublich schönes Stadion. Ich bin dort Deutschen Rekord gesprungen, bin dort im Freien zum ersten Mal über zwei Meter gesprungen. Es ist für mich schon etwas Besonderes, dort auftreten zu können. Ich liebe das Olympiastadion.

DFB.de: Wie konnten Sie die WM genießen?

Friedrich: Kaum. Man wurde von Termin zu Termin gejagt. Das war auch danach sehr stressig. Ich hatte anschließend ein kleines Burnout. Das ist eben so, wenn man sich so lange auf einen Wettkampf vorbereitet, so angespannt da reingeht und sich danach nicht richtig erholen kann. Ich bin nach der WM noch zwei Wettkämpfe gesprungen, die für mich wirklich schlecht waren. Ich stand dann da und habe vor Wut und Enttäuschung fast angefangen zu weinen, weil es nicht geklappt hat. Ich war so müde und überspannt. Die WM war wirklich auf den Punkt genau getimt.

DFB.de: Und die Bronzemedaille: Wie bewerten Sie die Platzierung heute?

Friedrich: Immer noch so wie damals. Ich wurde ja fast schon blöde angegangen von Teilen der Presse, wie ich mich überhaupt über eine Bronzemedaille freuen konnte, das fand ich sehr schade. Ist doch ganz klar, dass ich für den ersten Platz trainiere, aber ich kann es doch nicht ändern, wenn ich alles dafür tue und alles in diesem Wettkampf gebe, aber Dritte werde. Dann ist es halt so, aber dann muss ich mich auch freuen dürfen.

DFB.de: Wie wichtig ist es Ihnen, das offensiv zu kommunizieren?

Friedrich: Das ist extrem wichtig, weil es einige Sportler kaputt macht, wenn man immer nur am ersten Platz gemessen wird. Es gibt viele, die Erster sein wollen, und es gibt viele, die genauso hart oder vielleicht noch härter als andere dafür trainieren. Ich finde, wenn man alles getan hat, gut trainiert hat und sein Bestes im Wettkampf gegeben hat, dann darf man auch mal Zweiter oder Dritter werden und sich darüber freuen. Aber ich habe es unfair gefunden, dass mir von vereinzelten Pressevertretern vorgeworfen wurde: "Sie hat viel versprochen und nichts gehalten."

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Vom 26. Juni bis 17. Juli findet in Deutschland die Frauen-WM 2011 statt - für die Spielerinnen der DFB-Auswahl der Höhepunkt in ihrer Karriere. Ihr Ziel: die Titelverteidigung. Das wichtigste Turnier vor heimischer Kulisse bestreiten zu dürfen, wird für die 21 Frauen, die letztlich im WM-Kader von DFB-Trainerin Silvia Neid stehen werden, aber auch unabhängig vom Abschneiden ein außergewöhnliches Erlebnis sein.

Das können auch die Trainer und Athleten aus anderen Sportarten bestätigen, die in den vergangenen Jahren ebenfalls in den Genuss einer Heim-WM gekommen sind - und erfolgreich waren. In einer Interview-Serie spricht DFB.de immer dienstags mit deutschen Protagonisten und blickt zurück auf deren ganz persönliche Faszination Heim-WM. Heute: die Hochspringerin Ariane Friedrich, Bronzemedaillen-Gewinnerin bei der WM 2009 in Berlin.

Ein Handy klingelte. Im voll besetzten Berliner Olympiastadion. Und es war deutlich zu vernehmen. Ein Verdienst von Ariane Friedrich - die Hochspringerin hatte die Arena zum Schweigen gebracht, weil sie um Ruhe für ihre Konzentrationsphase vor dem dritten Versuch über 2,02 Meter bei der Leichtathletik-WM 2009 gebeten hatte. Am Ende gewann sie die Bronzemedaille. Und beschreibt im Interview mit DFB-Redakteur Niels Barnhofer den Wettkampf als eine ganz extreme Erfahrung.

DFB.de: Ariane Friedrich, wie war das 2009 in Berlin, wie viele schlaflose Nächte hatten Sie vor der Leichtathletik-WM?

Ariane Friedrich: Zwei Nächte vor dem Finale konnte ich kaum schlafen. Auch deswegen war ich sehr aufgeregt und angespannt, das war schlimm.

DFB.de: Welche Gedanken kreisten Ihnen durch den Kopf?

Friedrich: Je näher es zum Wettkampf ging, umso größer wurden auch die Gedanken, im entscheidenden Moment Fehler zu machen. Dies geht der Konkurrenz wahrscheinlich genauso, aber im Vorfeld einer WM möchte keine Athletin Schwäche zeigen. Innerlich hat das schon ziemlich an mir geknabbert, weil auf einmal der Fokus so intensiv auf dem Sprint der Männer über 100 und 200 Meter und dem Hochsprung lag. Wir haben vorher schon versucht, auf andere Disziplinen hinzuweisen, die auch sehr gut besetzt waren, aber das wurde von der Presse nicht angenommen. Und dementsprechend hatte ich einen Mordsdruck.

DFB.de: Wie hatten Sie sich darauf vorbereitet?

Friedrich: Der ganze WM-Druck kam eigentlich sehr überraschend. Er wurde durch meinen Deutschen Rekord befeuert. Wir hatten mehr als 400 Interviewanfragen rund um die WM. Denen konnte ich irgendwann nicht mehr allen nachkommen. Aus diesem Grund habe ich ein paar Wochen vorher die Reißleine gezogen und keine Interviews mehr gegeben. Ich hatte das Gefühl, die Sache wird immer schwieriger, je mehr man drüber redet. Am Ende wollte ich einfach nur meine Ruhe haben.

DFB.de: Kann man so ein Thema auch zerreden?

Friedrich: Ja, man sollte sich im Vorfeld nicht zu viele Gedanken machen, weil das die Aufregung nur noch fördert. Ich war eh schon ein kleines Nervenbündel. Nächstes Jahr werden wir ein bisschen anders handeln, den Stopp früher setzen und nur noch ganz gezielt einzelne Anfragen bedienen.

DFB.de: Haben Sie in den Interviews auch auf die Konkurrenz hingewiesen?

Friedrich: Ja, das habe ich immer. Ich habe stets betont, dass es noch fünf Konkurrentinnen gibt, die alle eine Medaille gewinnen können, die zur Weltklasse gehören. Nur: Das wollten vielen nicht hören und andere nicht wahrhaben. Das ist eben das Problem im eigenen Land. Für viele gab es nur den Zweikampf: Ariane Friedrich gegen Blanca Vlasic.

DFB.de: Gab es denn auch Mentaltraining für Sie?

Friedrich: Nicht direkt davor. Ich finde Mentaltraining sollte man dann in Anspruch nehmen, wenn man denkt, dass man es braucht. Aber ich habe mich eigentlich gut gefühlt und es nicht als nötig empfunden, weil ich schon Erfahrungen mit Mentaltraining gehabt habe und dabei auch sehr viel mitnehmen konnte. Ich weiß eigentlich, wie ich mit Drucksituationen umgehen muss und meine innere Ruhe finden kann. Aber ich denke, das werde ich in nächster Zeit noch mal angehen, dass ich das alles noch mal auffrische. Andererseits sagt man aber auch, man soll ein laufendes System nicht ändern, und ich bin auch ohne direktes Mentaltraining Deutschen Rekord gesprungen. Ich hab einfach versucht, die Gelassenheit und die Freude am Sport mitzunehmen.

DFB.de: Welchen Stellenwert hatte die WM denn für Sie persönlich?

Friedrich: Die WM 2009 hat für mich einen sehr hohen Stellenwert, weil es die WM im eigenen Land war. Es war meine erste Weltmeisterschaft, und meine ganze Familie, meine Freunde haben mitgefiebert. Das ganze Publikum stand hinter dem deutschen Team. In Berlin ist alles relativ vertraut gewesen, es war nichts fremd, man versteht die Leute auf der Straße - und das fand ich sehr schön. Es ist schon beeindruckend, wenn ein Busfahrer oder ein Taxifahrer sagt: "Wir wünschen alles Gute, viel Erfolg!" Wildfremde Menschen, mit denen man durch Zufall zusammen kommt, sprechen einen an und drücken die Daumen.

DFB.de: Wie erlösend war es dann, den Wettkampf bestreiten zu können?

Friedrich: Die letzten zwei Wochen waren hart, und ich war dann auch, so doof es klingt, froh, als es vorbei war, als die Latte im letzten Versuch bei 2,06 Meter gefallen ist. Ich hab zwar nicht gewonnen, aber ich habe eine Medaille mit nach Hause gebracht, auf die ich sehr stolz bin. Ich war froh, dass es entschieden war und der Druck dann von mir abgefallen ist. Hätte ich nicht gedacht, dass ich mal so denke. Es war ein unglaublich toller Wettkampf, sehr emotional, sehr stimmungsgeladen, aber ob ich das noch mal so haben möchte? Da bin ich mir nicht sicher, weil das schon tierisch anstrengend war.

DFB.de: Können Sie den Wettkampf trotzdem noch mal Revue passieren lassen?

Friedrich: Der Wettkampf war schon sehr aufregend, vom Morgen bis zum Abend. Ich möchte ihn eigentlich gar nicht mehr Revue passieren lassen. Man steht auf, geht Frühstücken, stimmt sich ein. Wobei ich ja eigentlich schon eingestimmt war. Dann sind wir ins Stadion gefahren, ganz viele Leute außerhalb haben viel Glück gewünscht, aber das wollte ich dann irgendwann nicht mehr hören. Irgendwann muss man sich mal fokussieren.

DFB.de: Waren Sie im Endkampf unsicher?

Friedrich: Eigentlich nicht, ich habe auch lange Zeit geführt, bis Usain Bolt den 200-Meter-Weltrekord gelaufen ist und ich dann in diesem Getöse meine ersten Sprünge über 2,02 Meter machen musste. Blanca Vlasic ging es genauso. Die Russin Ana Tschitscherowa hatte das Glück, dass sie noch vor dem Lauf über 2,02 Meter gekommen ist, das hat ihr die Silbermedaille gesichert. Wir konnten aber erst nach dem Rekordlauf springen, in diesem Moment glich das Stadion einem Hexenkessel. Da hat alles nur noch geschrien - es war unglaublich, ziemlich krass für eine Leichtathletikveranstaltung. Die Stimmung im Stadion war sensationell.

DFB.de: Wie ist diese Situation entstanden, dass Sie das komplette Stadion zur Ruhe gebracht haben?

Friedrich: Da die Menge so unglaublichen Lärm gemacht hat, während es bei mir um Alles oder Nichts ging, dachte ich: "Springe ich jetzt 2,02 Meter und sichere mir meine Medaille, oder muss ich sogar noch zittern und gehe mit einer Höhe von weniger als zwei Meter vom Platz?" Der Druck war sehr groß.

DFB.de: Haben Sie sich das vor dem dritten Versuch vorgenommen?

Friedrich: Nein, ich stand da, und es war immer noch so unruhig - da dachte ich, jetzt muss ich irgendetwas tun. Ich hatte schon öfter das Publikum gebeten, still zu sein, das ist nichts Neues gewesen. Aber auf einmal war ja jeder still, es war unglaublich.

DFB.de: Wie bewerten Sie die Szene im Nachhinein?

Friedrich: Das Gefühl, noch einmal zu sehen, wie sich das Publikum zurücknimmt und mit einem fiebert, ist fantastisch. Andere Leute haben mir erzählt, dass man im ganzen Stadion nur noch ein einziges Handy hat klingeln hören. Das war außergewöhnlich und hat mir auch noch mal sehr viel Kraft und Mut gegeben. Nachdem ich die 2,02 Meter geschafft hatte, war das auch toll. Da war so viel Erleichterung, die dann aus mir rausgekommen ist und so viel Anspannung in dem Moment. Das ist immer charakteristisch für den Hochsprung, dass wir uns zwischen Spannung und Anspannung bewegen, man muss halt aufpassen, dass man sich über einen geschafften Sprung nicht zu viel freut.

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DFB.de: Wie war das für Sie, im Olympiastadion anzutreten? Leichtathletik-Meetings werden ja auch schon mal in kleineren Stadien durchgeführt.

Friedrich: Schon. Aber gerade das Olympiastadion in Berlin ist natürlich ein unglaublich schönes Stadion. Ich bin dort Deutschen Rekord gesprungen, bin dort im Freien zum ersten Mal über zwei Meter gesprungen. Es ist für mich schon etwas Besonderes, dort auftreten zu können. Ich liebe das Olympiastadion.

DFB.de: Wie konnten Sie die WM genießen?

Friedrich: Kaum. Man wurde von Termin zu Termin gejagt. Das war auch danach sehr stressig. Ich hatte anschließend ein kleines Burnout. Das ist eben so, wenn man sich so lange auf einen Wettkampf vorbereitet, so angespannt da reingeht und sich danach nicht richtig erholen kann. Ich bin nach der WM noch zwei Wettkämpfe gesprungen, die für mich wirklich schlecht waren. Ich stand dann da und habe vor Wut und Enttäuschung fast angefangen zu weinen, weil es nicht geklappt hat. Ich war so müde und überspannt. Die WM war wirklich auf den Punkt genau getimt.

DFB.de: Und die Bronzemedaille: Wie bewerten Sie die Platzierung heute?

Friedrich: Immer noch so wie damals. Ich wurde ja fast schon blöde angegangen von Teilen der Presse, wie ich mich überhaupt über eine Bronzemedaille freuen konnte, das fand ich sehr schade. Ist doch ganz klar, dass ich für den ersten Platz trainiere, aber ich kann es doch nicht ändern, wenn ich alles dafür tue und alles in diesem Wettkampf gebe, aber Dritte werde. Dann ist es halt so, aber dann muss ich mich auch freuen dürfen.

DFB.de: Wie wichtig ist es Ihnen, das offensiv zu kommunizieren?

Friedrich: Das ist extrem wichtig, weil es einige Sportler kaputt macht, wenn man immer nur am ersten Platz gemessen wird. Es gibt viele, die Erster sein wollen, und es gibt viele, die genauso hart oder vielleicht noch härter als andere dafür trainieren. Ich finde, wenn man alles getan hat, gut trainiert hat und sein Bestes im Wettkampf gegeben hat, dann darf man auch mal Zweiter oder Dritter werden und sich darüber freuen. Aber ich habe es unfair gefunden, dass mir von vereinzelten Pressevertretern vorgeworfen wurde: "Sie hat viel versprochen und nichts gehalten."