Wolfsburgs Meistertrainer Lerch: "Eine bärenstarke Saison"

Sie haben es wieder geschafft: Die Frauen des VfL Wolfsburg sind zum vierten Mal in Folge Deutscher Meister geworden. Im DFB.de-Interview spricht Trainer Stephan Lerch über eine in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Saison. Und natürlich wirft der 35 Jahre alte Fußball-Lehrer einen Blick nach vorne - auf das DFB-Pokalfinale gegen die SGS Essen am 4. Juli in Köln.

DFB.de: Herr Lerch, zwei Spieltage vor Schluss stehen Sie nach einer überragenden Saison als Meister fest. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Stephan Lerch: Ich denke, dass unsere Bilanz beeindruckend ist. Wir haben 19 Spiele gewonnen und einmal Unentschieden gespielt. Dazu haben wir ein Torverhältnis von 88:8. Viel besser geht es nicht. Das ist eine bärenstarke Saison bis zu diesem Zeitpunkt. Zwei Begegnungen stehen ja noch auf dem Programm.

DFB.de: Auch die Coronapause konnte Ihr Team nicht aus dem Rhythmus bringen.

Lerch: Wir waren vorher sehr dominant und danach auch. Insgesamt haben wir kaum mal eine Schwäche gezeigt. Nach der Coronapause hat etwas der Spielfluss gefehlt, aber das ist meiner Meinung nach normal. Trotzdem haben wir fast immer klar gewonnen, nach der Unterbrechung immer mit mindestens zwei Toren Unterschied. Ich kann meiner Mannschaft nur ein riesiges Kompliment aussprechen.

DFB.de: Trainer haben immer den Ansporn, Dinge zu verbessern. Finden Sie da überhaupt einen Ansatz?

Lerch: Es gibt immer einzelne Aspekte, die wir optimieren können. Die Konkurrenz schläft nicht und lässt sich immer wieder etwas einfallen, um es uns möglichst schwer zu machen. Darauf sind wir eingestellt. Für jede Taktik gibt es irgendwann eine Gegentaktik. In dieser Saison haben sich die meisten unserer Gegner wieder extrem hinten reingestellt. Unser 2:0 aktuell gegen den SC Freiburg hat sich zeitweise wie ein Handballspiel angefühlt. Wir mussten Ball und Gegnerinnen lange laufen lassen, um dann irgendwann mal die Lücke zu finden. Ein Schwerpunkt wird sein, wie wir bessere Lösungen finden. Da müssen wir uns was Neues einfallen lassen.

DFB.de: Und wo noch?

Lerch: In der Defensive zum Beispiel. Für uns als ballführende Mannschaft ist ein schnelles Umschalten in eine defensive Grundordnung extrem wichtig. Viele Gegner setzen auf Konter. Auch da können wir besser werden.

DFB.de: Wie schwierig ist es eigentlich, die Spielerinnen, die alles gewonnen haben, Woche für Woche zu motivieren?

Lerch: Eigentlich gar nicht. Bei uns gibt es eine extrem hohe Eigenmotivation innerhalb des Teams. Da muss ich gar nicht viel sagen. Wir sind jetzt zum vierten Mal hintereinander Deutscher Meister. Das ist schon außergewöhnlich. Es beeindruckt auch mich, dass sich die Spielerinnen immer wieder aufs Neue für unsere Ziele begeistern können und gerade zu Saisonbeginn das Feuer entwickeln, das nötig ist.

DFB.de: Achten Sie bei der Auswahl der Spielerinnen auf diese Charaktereigenschaft?

Lerch: Bei neuen Spielerinnen entwickelt sich meist der Prozess, dass sie schnell von dieser DNA infiziert werden. So kommt frischer Wind rein, und es entsteht ein positiver Kreislauf, weil auch unsere gestandenen Kräfte neuen Schwung entwickeln. Ich als Trainer bin oft als Kommunikator gefragt. Die Saison ist immer lang, da braucht man alle Spielerinnen. Das haben wir gerade jetzt nach der Coronapause wieder gesehen. Unser Motto lautet bekanntlich: "Immer hungrig". Und das trifft es meiner Meinung nach sehr gut.

DFB.de: In der Bundesliga stehen noch zwei Begegnungen auf dem Spielplan. Zum Abschluss einer in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Saison stehen Sie dann noch zum sechsten Mal in Folge im DFB-Pokalfinale.

Lerch: Und wir wollen zum sechsten Mal in Folge den Titel holen. Tatsächlich ist es eine ganz besondere Saison - und das in mehrfacher Hinsicht. Sportlich waren wir bisher natürlich überragend. Aber auch die ganzen Umstände mit Corona sind einfach unfassbar. Es ist unglaublich, was auf allen Seiten für ein Aufwand betrieben wird, damit wir die Saison zu Ende bringen können. Wir beim VfL Wolfsburg sind dankbar dafür. Ich kann nur für unseren Verein sprechen und möchte betonen, dass ich es absolut vertretbar finde, dass wir unter diesen besonderen Bedingungen spielen können.

DFB.de: Im Endspiel um den DFB-Pokal treffen Sie auf die SGS Essen.

Lerch: Wir haben gegen sie in dieser Saison zwar zweimal gewonnen. Aber wir wissen, dass da eine echte Herausforderung auf uns wartet. Ganz klar ist aber auch: Wir wollen den zweiten Titel in dieser Saison holen. Wir freuen uns darauf, wieder in Köln zu sein. Das ganze Event ist einfach großartig. Schade, dass dieses Jahr keine Zuschauer dabei sein können. Aber jetzt konzentrieren wir uns erst mal auf das Duell mit München am Sonntag.

DFB.de: Der FC Bayern rüstet zur kommenden Saison ordentlich auf. Wird es aus Ihrer Sicht in Deutschland so sein, dass München und Wolfsburg die Titel untereinander ausspielen werden?

Lerch: Ich denke schon, dass sich dieser Zweikampf entwickeln wird. Zumindest sieht es danach aktuell aus. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass dort eine sehr starke Konkurrenz wächst. Sie werden sich unter anderem mit den Nationalspielerinnen Marina Hegering und Lea Schüller verstärken. Wir bekommen Lena Oberdorf dazu, die auch überragende Fähigkeiten besitzt. Es wird ganz sicher spannend. Der Anspruch von Bayern-Seite aus ist ja klar formuliert: Sie wollen uns angreifen und uns mal ablösen als Meister. Ich kann dieses Ziel absolut nachvollziehen. Aber wir werden uns gegen diese Angriffe wehren. Vielleicht können auch die TSG Hoffenheim oder Eintracht Frankfurt in den nächsten Jahren für Aufsehen sorgen und die Topteams ärgern. Dass es kurzfristig schon für den ganz großen Wurf reicht, glaube ich nicht. Aber vielleicht für den dritten Rang, der ab der kommenden Saison die Qualifikation für die Champions League bedeutet.

DFB.de: Ist diese neue Konkurrenz gut für den deutschen Frauenfußball auch im internationalen Vergleich?

Lerch: Ja, davon gehe ich aus. Es passiert gerade viel in Deutschland. Köln will sich weiter nach oben orientieren, Essen steht ein großer Umbruch bevor, der 1. FFC schließt sich Eintracht Frankfurt an, Turbine Potsdam wird der einzige echte eigenständige Frauenfußballverein in Deutschland sein. Es wird spannend. Wir sind vorbereitet auf alles, was kommt. Ich bin davon überzeugt, dass der deutsche Frauenfußball international weiterhin eine sehr, sehr gute Rolle spielen wird.

DFB.de: Zum Schluss die vielleicht entscheidende Frage: Wie sieht eine Meisterfeier beim VfL Wolfsburg in Corona-Zeiten aus?

Lerch: Genauso glücklich und zufrieden wie ohne Corona. Wir werden gemütlich etwas beisammen sitzen und natürlich die Auflagen erfüllen. Wir genießen den Moment und bestellen uns etwas Leckeres zu essen. Wir lassen den Abend dann locker ausklingen mit der Gewissheit, dass wir es wieder geschafft haben. Auch wenn viele es anders sehen: Das war keine Selbstverständlichkeit, das war harte Arbeit. Die große Feier kommt dann hoffentlich nach dem DFB-Pokalfinale, wobei wir auch dann selbstverständlich alle Vorgaben beachten werden.

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Sie haben es wieder geschafft: Die Frauen des VfL Wolfsburg sind zum vierten Mal in Folge Deutscher Meister geworden. Im DFB.de-Interview spricht Trainer Stephan Lerch über eine in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Saison. Und natürlich wirft der 35 Jahre alte Fußball-Lehrer einen Blick nach vorne - auf das DFB-Pokalfinale gegen die SGS Essen am 4. Juli in Köln.

DFB.de: Herr Lerch, zwei Spieltage vor Schluss stehen Sie nach einer überragenden Saison als Meister fest. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Stephan Lerch: Ich denke, dass unsere Bilanz beeindruckend ist. Wir haben 19 Spiele gewonnen und einmal Unentschieden gespielt. Dazu haben wir ein Torverhältnis von 88:8. Viel besser geht es nicht. Das ist eine bärenstarke Saison bis zu diesem Zeitpunkt. Zwei Begegnungen stehen ja noch auf dem Programm.

DFB.de: Auch die Coronapause konnte Ihr Team nicht aus dem Rhythmus bringen.

Lerch: Wir waren vorher sehr dominant und danach auch. Insgesamt haben wir kaum mal eine Schwäche gezeigt. Nach der Coronapause hat etwas der Spielfluss gefehlt, aber das ist meiner Meinung nach normal. Trotzdem haben wir fast immer klar gewonnen, nach der Unterbrechung immer mit mindestens zwei Toren Unterschied. Ich kann meiner Mannschaft nur ein riesiges Kompliment aussprechen.

DFB.de: Trainer haben immer den Ansporn, Dinge zu verbessern. Finden Sie da überhaupt einen Ansatz?

Lerch: Es gibt immer einzelne Aspekte, die wir optimieren können. Die Konkurrenz schläft nicht und lässt sich immer wieder etwas einfallen, um es uns möglichst schwer zu machen. Darauf sind wir eingestellt. Für jede Taktik gibt es irgendwann eine Gegentaktik. In dieser Saison haben sich die meisten unserer Gegner wieder extrem hinten reingestellt. Unser 2:0 aktuell gegen den SC Freiburg hat sich zeitweise wie ein Handballspiel angefühlt. Wir mussten Ball und Gegnerinnen lange laufen lassen, um dann irgendwann mal die Lücke zu finden. Ein Schwerpunkt wird sein, wie wir bessere Lösungen finden. Da müssen wir uns was Neues einfallen lassen.

DFB.de: Und wo noch?

Lerch: In der Defensive zum Beispiel. Für uns als ballführende Mannschaft ist ein schnelles Umschalten in eine defensive Grundordnung extrem wichtig. Viele Gegner setzen auf Konter. Auch da können wir besser werden.

DFB.de: Wie schwierig ist es eigentlich, die Spielerinnen, die alles gewonnen haben, Woche für Woche zu motivieren?

Lerch: Eigentlich gar nicht. Bei uns gibt es eine extrem hohe Eigenmotivation innerhalb des Teams. Da muss ich gar nicht viel sagen. Wir sind jetzt zum vierten Mal hintereinander Deutscher Meister. Das ist schon außergewöhnlich. Es beeindruckt auch mich, dass sich die Spielerinnen immer wieder aufs Neue für unsere Ziele begeistern können und gerade zu Saisonbeginn das Feuer entwickeln, das nötig ist.

DFB.de: Achten Sie bei der Auswahl der Spielerinnen auf diese Charaktereigenschaft?

Lerch: Bei neuen Spielerinnen entwickelt sich meist der Prozess, dass sie schnell von dieser DNA infiziert werden. So kommt frischer Wind rein, und es entsteht ein positiver Kreislauf, weil auch unsere gestandenen Kräfte neuen Schwung entwickeln. Ich als Trainer bin oft als Kommunikator gefragt. Die Saison ist immer lang, da braucht man alle Spielerinnen. Das haben wir gerade jetzt nach der Coronapause wieder gesehen. Unser Motto lautet bekanntlich: "Immer hungrig". Und das trifft es meiner Meinung nach sehr gut.

DFB.de: In der Bundesliga stehen noch zwei Begegnungen auf dem Spielplan. Zum Abschluss einer in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Saison stehen Sie dann noch zum sechsten Mal in Folge im DFB-Pokalfinale.

Lerch: Und wir wollen zum sechsten Mal in Folge den Titel holen. Tatsächlich ist es eine ganz besondere Saison - und das in mehrfacher Hinsicht. Sportlich waren wir bisher natürlich überragend. Aber auch die ganzen Umstände mit Corona sind einfach unfassbar. Es ist unglaublich, was auf allen Seiten für ein Aufwand betrieben wird, damit wir die Saison zu Ende bringen können. Wir beim VfL Wolfsburg sind dankbar dafür. Ich kann nur für unseren Verein sprechen und möchte betonen, dass ich es absolut vertretbar finde, dass wir unter diesen besonderen Bedingungen spielen können.

DFB.de: Im Endspiel um den DFB-Pokal treffen Sie auf die SGS Essen.

Lerch: Wir haben gegen sie in dieser Saison zwar zweimal gewonnen. Aber wir wissen, dass da eine echte Herausforderung auf uns wartet. Ganz klar ist aber auch: Wir wollen den zweiten Titel in dieser Saison holen. Wir freuen uns darauf, wieder in Köln zu sein. Das ganze Event ist einfach großartig. Schade, dass dieses Jahr keine Zuschauer dabei sein können. Aber jetzt konzentrieren wir uns erst mal auf das Duell mit München am Sonntag.

DFB.de: Der FC Bayern rüstet zur kommenden Saison ordentlich auf. Wird es aus Ihrer Sicht in Deutschland so sein, dass München und Wolfsburg die Titel untereinander ausspielen werden?

Lerch: Ich denke schon, dass sich dieser Zweikampf entwickeln wird. Zumindest sieht es danach aktuell aus. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass dort eine sehr starke Konkurrenz wächst. Sie werden sich unter anderem mit den Nationalspielerinnen Marina Hegering und Lea Schüller verstärken. Wir bekommen Lena Oberdorf dazu, die auch überragende Fähigkeiten besitzt. Es wird ganz sicher spannend. Der Anspruch von Bayern-Seite aus ist ja klar formuliert: Sie wollen uns angreifen und uns mal ablösen als Meister. Ich kann dieses Ziel absolut nachvollziehen. Aber wir werden uns gegen diese Angriffe wehren. Vielleicht können auch die TSG Hoffenheim oder Eintracht Frankfurt in den nächsten Jahren für Aufsehen sorgen und die Topteams ärgern. Dass es kurzfristig schon für den ganz großen Wurf reicht, glaube ich nicht. Aber vielleicht für den dritten Rang, der ab der kommenden Saison die Qualifikation für die Champions League bedeutet.

DFB.de: Ist diese neue Konkurrenz gut für den deutschen Frauenfußball auch im internationalen Vergleich?

Lerch: Ja, davon gehe ich aus. Es passiert gerade viel in Deutschland. Köln will sich weiter nach oben orientieren, Essen steht ein großer Umbruch bevor, der 1. FFC schließt sich Eintracht Frankfurt an, Turbine Potsdam wird der einzige echte eigenständige Frauenfußballverein in Deutschland sein. Es wird spannend. Wir sind vorbereitet auf alles, was kommt. Ich bin davon überzeugt, dass der deutsche Frauenfußball international weiterhin eine sehr, sehr gute Rolle spielen wird.

DFB.de: Zum Schluss die vielleicht entscheidende Frage: Wie sieht eine Meisterfeier beim VfL Wolfsburg in Corona-Zeiten aus?

Lerch: Genauso glücklich und zufrieden wie ohne Corona. Wir werden gemütlich etwas beisammen sitzen und natürlich die Auflagen erfüllen. Wir genießen den Moment und bestellen uns etwas Leckeres zu essen. Wir lassen den Abend dann locker ausklingen mit der Gewissheit, dass wir es wieder geschafft haben. Auch wenn viele es anders sehen: Das war keine Selbstverständlichkeit, das war harte Arbeit. Die große Feier kommt dann hoffentlich nach dem DFB-Pokalfinale, wobei wir auch dann selbstverständlich alle Vorgaben beachten werden.

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