Tina Theune: Magische Momente

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Tag vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind mehr als 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert - damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten aus dem Frauenfußball in den Fokus. Heute: Die frühere Bundestrainerin Tina Theune (67), die im Oktober 1985 die erste Frau war, die den Fußball-Lehrer-Lehrgang erfolgreich abgeschlossen hat und im Oktober 2003 als erste Frau eine Mannschaft zum Weltmeistertitel geführt hat.

Tina Theune über...

... ihre ersten Berührungspunkte mit dem Fußball: Ich war beim WM-Endspiel 1954 in Bern genau acht Monate alt. Mein Vater, von Beruf Pfarrer, hatte sich einen Bausatz für ein Transistorradio besorgt, um mit meiner Mutter die Reportage mit dem Wunder von Bern live miterleben zu können. Wahrscheinlich haben mich die Worte von Herbert Zimmermann tief beeindruckt: "Rahn schießt" und "Turek, du bist ein Teufelskerl, Turek, du bist ein Fußballgott." Ich bin sicher, dass Fußball ab meinem neunten Lebensmonat, also seitdem ich laufen konnte, meine Lieblingsbeschäftigung war. Auf Kinderfotos sieht man mich entweder mit dem Ball am Fuß oder unter dem Arm. In den 60er-Jahren waren der große Parkplatz und der Garten des Pfarrhauses die Spielfelder von mir und meinen vier Schwestern. Die Jungs aus der Nachbarschaft wollten uns permanent herausfordern, denn wir hatten die coolsten Bälle. Wir wussten gar nicht, dass der DFB den Mädchen und Frauen verboten hatte, Fußball zu spielen. Mein Vater meinte, wir hätten auch zwei Beine. Und meine Mutter hat sich an ihre Großmutter erinnert, die um 1880 zum Entsetzen der Dorfbewohner voller Stolz mit ihrem neuen Fahrrad herumfuhr. Also haben wir einen eigenen "Verein" gegründet, den FC Antonius, die erste weibliche Mini-Fußballmannschaft von Kevelaer.

... ihre Zeit beim SV Grün-Weiß Brauweiler: Mit Beginn des Studiums an der Deutschen Sporthochschule in Köln habe ich zum ersten Mal in einem "richtigen" Verein um Titel gespielt. Grün-Weiß Brauweiler, dessen erste Mannschaft fast ausschließlich aus Sportstudenten bestand, suchte Spielerinnen zur Gründung einer "Damenfußballmannschaft". Mich konnte man damals nicht übersehen, denn ich habe in jeder freien Minute zwischen den Theorie- und Praxiseinheiten mit den Studenten auf Kunstrasenplätzen gespielt. Es gab noch keinen regulären Spielbetrieb, aber den Kreispokal haben wir souverän gewonnen. Während der Siegerehrung wurde unser Trainer Thomas Meyer gefragt, in welcher Liga wir zukünftig spielen wollten. "In der höchsten Spielklasse, ganz klar", war seine Antwort. Das war zunächst die Verbandsliga.

... den Erwerb der Fußball-Lehrer-Lizenz im Oktober 1985: Das ist jetzt genau 35 Jahre her. Eigentlich wollte ich mit dem Sportdiplom an eine Schule und Lehrerin werden. Damals waren die Stellen jedoch sehr begrenzt und die Chancen auf eine Anstellung gering. Zu meinem Glück habe ich während des Studiums Gero Bisanz getroffen, der sich für den Frauenfußball eingesetzt und mich gefördert hat. Er war Dozent an der DSHS Köln und Leiter der Fußball-Lehrer-Ausbildung. Nach einigen Studiensemestern habe ich mit Abschluss des "Sonderfachs Fußball" die B-Lizenz, heute Elite-Jugend-Lizenz, erworben. Auf dem Ausweis, der im Deutschen Fußballmuseum ausgestellt ist, steht "Weiblicher Trainer" Nummer 1. Im Besitz meiner ersten Fußballtrainer-Lizenz war ich in den 70er-Jahren von Zeit zu Zeit auch Nachwuchs- und Spielertrainerin der Frauenmannschaft des SV Grün-Weiß Brauweiler. Später, in den 80er-Jahren, habe ich als Auswahlspielerin des FV Mittelrhein mitbekommen, dass Frauen inzwischen auch zur A-Lizenz zugelassen sind. Mit dem Hinweis, ich sollte die Gebühren erst mal nicht bezahlen, wurde ich an der Rezeption in Hennef begrüßt. Das Geld habe ich auf den Tisch gelegt, während sich die Bedenken auf dem Platz auch beim Lehrgangsleiter Holger Osieck schnell gelegt haben. Im Besitz der A-Lizenz durfte ich als Honorartrainerin des FV Mittelrhein die Förderung der Juniorinnenauswahl übernehmen. Die Zulassung zum Fußball-Lehrer-Lehrgang bekam ich 1984. Zu der Zeit war das bestimmt einmalig und zugleich wegweisend für Trainerinnen anderer Nationalverbände auf der ganzen Welt. Ich weiß noch, wie selbstverständlich und charmant mich Gero Bisanz 1985 bei der Begrüßung der Trainer im Hörsaal der Sporthochschule vorgestellt hat. Ich sei nicht, wie einige vermutet hatten, Journalistin oder Therapeutin. Dank der außergewöhnlichen Unterstützung des DFB und dank des anerkennenden Zuspruchs von Helmut Horsch, Hermann Gerland und den übrigen Lehrgangskollegen konnte ich so meinen Weg als Assistenztrainerin der Frauen-Nationalmannschaft weitergehen.

... ihre Zeit als Trainerin beim DFB: Ich hatte das Glück, Menschen zu treffen, die mich ermutigt haben, couragiert an neue Aufgaben heranzugehen. Gero Bisanz war von Beginn an mein Mentor. Als Assistenztrainerin übergab er mir mehr und mehr Verantwortung. Gemeinsam haben wir einer jungen, erfolgshungrigen Mannschaft das Vertrauen geschenkt, die sich souverän für die Europameisterschaftsendrunde 1989 qualifiziert hat. Das dramatische Halbfinale wurde zum ersten Mal live in der ARD übertragen. Marion Isbert war die Heldin des Elfmeterkrimis. Die Galavorstellung im ausverkauften Osnabrücker Stadion mit einem 4:1 gegen Norwegen wurde 90 Minuten lang von einer La-Ola-Welle begleitet. Tausende Fans ohne Eintrittskarte standen vor dem Stadion beim ersten Public Viewing eines Frauenfußball-Endspiels. Das war ein Eisbrecher. Trainer Gero Bisanz hat die Mannschaft mit einer klaren Linie und gleichzeitig viel Großzügigkeit geführt. Er wollte keine Alibis, keine Ausreden, sondern Begeisterung, die sich auf dem Spielfeld übertragt. Er wollte "Künstlerinnen" am Ball sehen, die den Gegner auseinandernehmen und komplett ausspielen können. "Entzieht euch den Fouls, spielt euch überraschend und geschickt in den Rücken der Abwehr. Kombiniert in der gegnerischen Hälfte mit einem intelligenten, flachen Passspiel und bereitet so den Durchbruch in den Strafraum mit dem präzisen Torabschluss vor." Das ist hoch aktuell und passt perfekt zu den Frauen! Kein Wunder also, dass auch Silvia Neid und ich als geistesverwandtes Trainerinnengespann ab 1996 so gut klarkamen. Martina Voss, heute Voss-Tecklenburg, nannte uns einmal "die Schöne und das Biest", und wir rätseln noch heute, wer mit welchem Titel geehrt wurde. Kein Ball durfte aufspringen und kein Kopfball das Tor verfehlen. Gemeinsam mit einem Trainerteam haben wir weiter an der Spielidee gefeilt und so manche Sichtweisen über die flexible Interpretation der eigenen Rolle in einem 4-2-3-1 verändert. Die Scou­ting­-Ab­tei­lung, das waren Ralf Peter und ich. In den heißen Phasen vor und während eines Turniers haben wir kaum mehr als vier Stunden geschlafen, denn damals mussten wir ja die Videos noch permanent vor- und zurückspulen. Mit Helmut Jungheim konnten wir einen zusätzlichen Taktikcoach und Vordenker des intelligenten, erfolgreichen Spiels dazu gewinnen.

... Elfmeterschießen? Lieber Golden Goals: Aus der Zeit der großen Erfolge gibt es Dramatisches zu berichten. Besser hätte man die mitreißenden Drehbücher der Endspiele 2001 und 2003 nicht schreiben können. Zweimal hieß der Gegner Schweden. Beide Titel, den der Europa- und Weltmeisterinnen, konnten wir durch ein "Goldenes Tor" gewinnen. Das entscheidende Tor fiel jeweils genau in der 98. Minute. 2001 im ausverkauften Ulmer Donaustadion war es Claudia Müller, die den Siegtreffer erzielte. Den passenden ultimativen Slogan hatte Kapitänin Doris Fitschen kreiert: "Never train for second place." Die kurze Ansage und präzise Vorlage von Renate Lingor auf Nia Künzer, die mit ihrem Kopfball das Golden Goal zum 2:1 im WM-Finale 2003 verwandelte, sahen damals 13,58 Millionen Zuschauer. Das war neuer TV-Rekord. Auf dem Rückflug haben wir in Tageszeitungen ganzseitige Gratulationsanzeigen entdeckt. Mercedes-Benz hat Tisch-Kickerinnen-Spielfiguren über einem einprägsamen Text abgebildet: "Sehen Sie die Welt mit anderen Augen." Und adidas hat uns auf einer Seite in eine honorige Zahlenreihe auf grünem Rasenhintergrund eingefügt: 1954, 1974, 1990, 2003. Wieder zurück in Deutschland wurden wir, von Helikoptern begleitet, im Kaisersaal und auf dem Balkon des Römer in Frankfurt von gut aufgelegten Fans empfangen. Was dann folgte, waren witzige Werbeclips der Sponsoren und unzählige Interviews. Am Ende wurden wir mit dem "Bambi" und als Mannschaft des Jahres ausgezeichnet. Silvia und ich waren übrigens das erste weibliche, weltmeisterliche Trainerinnen-Duo. Aber das Beste war, dass wir auf grandiose Führungsspielerinnen bauen konnten, die fähig waren, über sich hinaus zu wachsen, um immer neue Maßstäbe zu setzen. Nicht nur Heidi Mohr und Birgit Prinz wussten, wie man Tore schießt. Wir hatten Teamplayerinnen, die mit permanenter Initiative und viel Selbstvertrauen die gegnerische Hälfte für sich beansprucht haben. Bis heute sind viele Spielerinnen auf der internationalen Bühne gefragt und herausragende Botschafterinnen des Fußballs und DFB. Und eine ganze Reihe haben schon bewiesen, dass sie auf höchster professioneller Ebene in einem Trainerinnen-Team oder in anderen Bereichen des Leistungssports arbeiten können.

... Rituale und Routinen: Während meiner Zeit als Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft hatten wir - wie alle guten Fußballmannschaften - geregelte Abläufe, um uns über die Aktivierung mentaler, physischer und emotionaler Prozesse auf ein Spiel einzuschwören. Dazu zählten unter anderem das Ausschießen "Jung gegen Alt", der Pfannkuchen zum Matchmeal, Christel Arbinis Konzentrationsübung mit Pfeil und Bogen in der Kabine und der Motivationskreis beim Einschwören kurz vor dem Anpfiff. Ganz klar, dass mir unser schnörkelloses "toi, toi, toi" gefiel. Die Idee hatte nicht ich, sondern die Mannschaft. Besonders gut bei den Spielerinnen kamen die noch warmen Stückchen Streuselkuchen meiner Mutter direkt vom Blech nach einem gewonnenen Spiel an. So auch nach dem Halbfinale der WM und unmittelbar vor dem Finale 2003. Zurückzukehren auf die Trainerbank im leeren Stadion nach einem Titelgewinn - das war inzwischen zum "Ritual" zwischen Silvia und mir geworden. Wir wollten zur Ruhe kommen und den Moment noch einmal genießen. Nach der Pressekonferenz im WM-Stadion von Carson sind wir zuerst in die Kabine. Dort herrschte eine ausgelassene Stimmung. Auf einem Koffer am Ausgang, sozusagen griffbereit, stand die Flasche Jägermeister. Die haben wir unbemerkt unter der Trainingsjacke verschwinden lassen, uns auf dem Absatz gedreht und sind wieder raus auf den Platz, auch um dem Zwangsbad durch die Spielerinnen im Kabinenpool zu entgehen. Wir haben zugeschaut, wie die Ordner die goldenen Schnipsel vom Rasen gesaugt haben, bis kein Schnipsel mehr zu sehen war. Einen kleinen Schluck vom Jägermeister haben wir zwischendurch mal probiert.

... ihre Zeit als Sportliche Leiterin der TalentförderungIch habe vermutlich den richtigen Zeitpunkt erwischt beim Tausch des Schreibtisches mit dem Platz auf der Trainerbank, obwohl ich immer noch im Umgang mit dem Notebook und digitalen Netzwerken dazulerne. Aber zunächst zurück zum Jahr 2005. Die Frauen-Nationalmannschaft hatte sich erneut ins Endspiel der Europameisterschaft gespielt. Das Finale gegen Norwegen in Preston dauerte diesmal nur 90 Minuten. Plötzlich fiel in der Nachspielzeit beim Stand von 3:1 gegen Norwegen meine orangefarbene Armbanduhr vom Handgelenk zu Boden. Der Armbandansatz hatte sich gelöst. Ziemlich krass, denn fast auf die Sekunde genau war damit auch meine Zeit als Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft abgelaufen. Was für ein Timing nach neun Jahren. Was mir in meiner Entwicklung immer geholfen hat, war die Freiheit und das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde. Dies war die Voraussetzung, um zu lernen und mich weiterzuentwickeln und vor allem, um kreativ zu sein. In den vergangenen Jahren haben wir beim DFB gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen der Landesverbände und Spitzenvereine viele Projekte vorangetrieben. Momentan sind wir noch mittendrin in einem Prozess, in dem wir alles auf den Kopf stellen und schauen, wie wir unter Einbindung von Expert*innen und mit Hilfe einer fundierten Datenbasis die bisherigen Förderstrukturen optimieren und für jede einzelne Spielerin eine leistungsfördernde Umgebung schaffen können. Wir krempeln wirklich alles um, diskutieren und streiten sehr konstruktiv. In diesem leistungsmaximierenden Prozess spielt ein altersgemäßer, durchdachter Trainings- und Wettkampfplan ebenso eine entscheidende Rolle wie der Einsatz hoch qualifizierter Trainer*innen-Teams mit entsprechenden "Coaching-Skills". Auf diese Weise können Kinder und Jugendliche auf einem ganz persönlichen Weg permanent begeistert und herausgefordert werden. Ausnahmespielerinnen besitzen mittlerweile das Recht, um bis zum U 19-Alter in höchsten Ligen mit Junioren zu spielen. Möglicherweise startet so wieder eine goldene Generation durch. Das alles ist sehr spannend. Voller Zuversicht können wir innerhalb des Sports von den innovativen Ideen aller Mitarbeiter*innen unter einem Dach des neuen DFB und seiner Akademie zusammenwachsen. Nach wie vor gibt es nur einen Verband auf der Welt mit gemeinsam erspielten sechs Sternen. Diesen Vorsprung würden wir gerne ausbauen.

... die Zukunft des Frauenfußballs: Große Meilensteine waren schon immer Wegbereiter für zukünftige Entwicklungen. Die Rekordkulisse von 90.000 Zuschauern in der Rose Bowl beim WM-Finale in den USA 1999 führte 2001 zur Gründung der ersten Profiliga, der WUSA, und anschließend zur Einführung des UEFA Women's Cup 2002. Die Professionalisierung der Ligen auf europäischer Ebene hatte damals schon begonnen. Das Erreichen des WM-Viertelfinales 2019 von sieben europäischen Mannschaften unterstreicht die Dominanz der Fußball-Nationen, deren Wettkampstruktur von starken Ligen und bewährten Synergien mit dem Männerfußball geprägt ist. Die Premier League etwa investiert in die Teams der FA Women's League und unterstützt deren ausgewiesen kompetentes Führungspersonal. Erfolgsversprechend ist daneben der Freiraum für eine intensive Vorbereitungszeit mit den Nationalmannschaften vor großen internationalen Wettbewerben. Das hochklassige und spannende WM-Halbfinale der US-Amerikanerinnen gegen England 2019 war der Quotenrenner. Das Spiel war geprägt von höchster Dynamik und taktischer Reife. Weltmeister USA überzeugte mit "erzwungenen" Toren nach druckvollem Pressing mit Ballgewinn oder dominantem Angriffsspiel. Das zeigt eine Entwicklung hin zu einem rasanten, entschlossenen, immer unterhaltsamen Spiel, in dem sowohl die Stärke im Eins-gegen-Eins als auch Torgefährlichkeit, Spielintelligenz, fließende Abläufe und passende Balleroberungsstrategien gefragt sind. Die WM 2019 in Frankreich war ein herausragendes Ereignis für den Frauenfußball und eines der größten Sport-Events des Jahres. Weltweit haben über eine Milliarde Menschen die Spiele im Fernsehen verfolgt. Die kommende Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland wird eine ähnliche Schubkraft besitzen wie die in Frankreich. Stimmt der Unterhaltungswert und der Rahmen, wird in Zukunft auch die Vermarktung des Frauenfußballs die nächste Ebene erreichen. Schon für die kommende WM 2023 in Australien und Neuseeland mit 32 Mannschaften ist die Verdoppelung des Preisgeldes vorgesehen. Fragt man junge Spielerinnen der deutschen U-Nationalmannschaften nach ihrem Berufsziel, antworten die meisten, dass sie "Profifußballerin" werden möchten. Immer mehr unerschrockene Youngster spielen sich in den Blickpunkt. Genauso erfreulich ist es, dass es daneben außerdem noch die Anführerinnen und prägende Gesichter gibt, die sich nicht scheuen, die Kapitänsbinde zu tragen oder eindeutig Stellung zu gesellschaftlichen Themen wie Rassismus oder Diskriminierung zu beziehen. Martina Voss-Tecklenburg und Britta Carlson traue ich große Erfolge zu. Beide bleiben authentisch und schaffen es, Energien innerhalb eines Teams zu bündeln. Sie arbeiten mit Spielerinnen, die spätestens 2022 wieder eine Nation mitreißen können.

... magische Momente: Von unschätzbarem Wert waren die vielen persönlichen Begegnungen und bezaubernden Geschichten des Alltags, die mein Leben bereichert und sich für immer eingeprägt haben. Natürlich war der Gewinn der Weltmeisterschaft 2003 ein intensiver Moment. Ein immer stärker werdendes Gefühl der Einheit und die Lust auf mehr waren beim Halbfinale in Portland gegen den Turnierfavoriten USA spielentscheidend. In einer überaus spannenden Schlussphase beim Stand von 1:0 war unser Ziel keinesfalls die Eckfahne, um Zeit zu gewinnen. Im Gegenteil, die Mannschaft wollte Tore nachlegen. Magisch waren auch die Olympischen Fußballturniere und die Zeit im Olympischen Dorf. Beim Spiel um Bronze gegen Brasilien in Sydney wollten wir nach dem verlorenen Halbfinale unbedingt diese Medaille. Zuletzt hat mich das etwas andere Portrait, gemalt von unserer ehemaligen Nationalspielerin Josy Henning, berührt und in Erstaunen versetzt. Es war das Geschenk der Verbandssportlehrer zu meinem Abschied. Jetzt freue ich mich auf die Zeit mit meiner Familie und mit meinen engsten Freunden. Meine Schwestern sind bis heute meine Vorbilder. Von ihnen habe ich gelernt, etwas mit einem guten Gefühl hinter sich zu lassen und auf einen neuen Abschnitt mit Neugierde zuzugehen.

[sw]

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Tag vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind mehr als 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert - damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten aus dem Frauenfußball in den Fokus. Heute: Die frühere Bundestrainerin Tina Theune (67), die im Oktober 1985 die erste Frau war, die den Fußball-Lehrer-Lehrgang erfolgreich abgeschlossen hat und im Oktober 2003 als erste Frau eine Mannschaft zum Weltmeistertitel geführt hat.

Tina Theune über...

... ihre ersten Berührungspunkte mit dem Fußball: Ich war beim WM-Endspiel 1954 in Bern genau acht Monate alt. Mein Vater, von Beruf Pfarrer, hatte sich einen Bausatz für ein Transistorradio besorgt, um mit meiner Mutter die Reportage mit dem Wunder von Bern live miterleben zu können. Wahrscheinlich haben mich die Worte von Herbert Zimmermann tief beeindruckt: "Rahn schießt" und "Turek, du bist ein Teufelskerl, Turek, du bist ein Fußballgott." Ich bin sicher, dass Fußball ab meinem neunten Lebensmonat, also seitdem ich laufen konnte, meine Lieblingsbeschäftigung war. Auf Kinderfotos sieht man mich entweder mit dem Ball am Fuß oder unter dem Arm. In den 60er-Jahren waren der große Parkplatz und der Garten des Pfarrhauses die Spielfelder von mir und meinen vier Schwestern. Die Jungs aus der Nachbarschaft wollten uns permanent herausfordern, denn wir hatten die coolsten Bälle. Wir wussten gar nicht, dass der DFB den Mädchen und Frauen verboten hatte, Fußball zu spielen. Mein Vater meinte, wir hätten auch zwei Beine. Und meine Mutter hat sich an ihre Großmutter erinnert, die um 1880 zum Entsetzen der Dorfbewohner voller Stolz mit ihrem neuen Fahrrad herumfuhr. Also haben wir einen eigenen "Verein" gegründet, den FC Antonius, die erste weibliche Mini-Fußballmannschaft von Kevelaer.

... ihre Zeit beim SV Grün-Weiß Brauweiler: Mit Beginn des Studiums an der Deutschen Sporthochschule in Köln habe ich zum ersten Mal in einem "richtigen" Verein um Titel gespielt. Grün-Weiß Brauweiler, dessen erste Mannschaft fast ausschließlich aus Sportstudenten bestand, suchte Spielerinnen zur Gründung einer "Damenfußballmannschaft". Mich konnte man damals nicht übersehen, denn ich habe in jeder freien Minute zwischen den Theorie- und Praxiseinheiten mit den Studenten auf Kunstrasenplätzen gespielt. Es gab noch keinen regulären Spielbetrieb, aber den Kreispokal haben wir souverän gewonnen. Während der Siegerehrung wurde unser Trainer Thomas Meyer gefragt, in welcher Liga wir zukünftig spielen wollten. "In der höchsten Spielklasse, ganz klar", war seine Antwort. Das war zunächst die Verbandsliga.

... den Erwerb der Fußball-Lehrer-Lizenz im Oktober 1985: Das ist jetzt genau 35 Jahre her. Eigentlich wollte ich mit dem Sportdiplom an eine Schule und Lehrerin werden. Damals waren die Stellen jedoch sehr begrenzt und die Chancen auf eine Anstellung gering. Zu meinem Glück habe ich während des Studiums Gero Bisanz getroffen, der sich für den Frauenfußball eingesetzt und mich gefördert hat. Er war Dozent an der DSHS Köln und Leiter der Fußball-Lehrer-Ausbildung. Nach einigen Studiensemestern habe ich mit Abschluss des "Sonderfachs Fußball" die B-Lizenz, heute Elite-Jugend-Lizenz, erworben. Auf dem Ausweis, der im Deutschen Fußballmuseum ausgestellt ist, steht "Weiblicher Trainer" Nummer 1. Im Besitz meiner ersten Fußballtrainer-Lizenz war ich in den 70er-Jahren von Zeit zu Zeit auch Nachwuchs- und Spielertrainerin der Frauenmannschaft des SV Grün-Weiß Brauweiler. Später, in den 80er-Jahren, habe ich als Auswahlspielerin des FV Mittelrhein mitbekommen, dass Frauen inzwischen auch zur A-Lizenz zugelassen sind. Mit dem Hinweis, ich sollte die Gebühren erst mal nicht bezahlen, wurde ich an der Rezeption in Hennef begrüßt. Das Geld habe ich auf den Tisch gelegt, während sich die Bedenken auf dem Platz auch beim Lehrgangsleiter Holger Osieck schnell gelegt haben. Im Besitz der A-Lizenz durfte ich als Honorartrainerin des FV Mittelrhein die Förderung der Juniorinnenauswahl übernehmen. Die Zulassung zum Fußball-Lehrer-Lehrgang bekam ich 1984. Zu der Zeit war das bestimmt einmalig und zugleich wegweisend für Trainerinnen anderer Nationalverbände auf der ganzen Welt. Ich weiß noch, wie selbstverständlich und charmant mich Gero Bisanz 1985 bei der Begrüßung der Trainer im Hörsaal der Sporthochschule vorgestellt hat. Ich sei nicht, wie einige vermutet hatten, Journalistin oder Therapeutin. Dank der außergewöhnlichen Unterstützung des DFB und dank des anerkennenden Zuspruchs von Helmut Horsch, Hermann Gerland und den übrigen Lehrgangskollegen konnte ich so meinen Weg als Assistenztrainerin der Frauen-Nationalmannschaft weitergehen.

... ihre Zeit als Trainerin beim DFB: Ich hatte das Glück, Menschen zu treffen, die mich ermutigt haben, couragiert an neue Aufgaben heranzugehen. Gero Bisanz war von Beginn an mein Mentor. Als Assistenztrainerin übergab er mir mehr und mehr Verantwortung. Gemeinsam haben wir einer jungen, erfolgshungrigen Mannschaft das Vertrauen geschenkt, die sich souverän für die Europameisterschaftsendrunde 1989 qualifiziert hat. Das dramatische Halbfinale wurde zum ersten Mal live in der ARD übertragen. Marion Isbert war die Heldin des Elfmeterkrimis. Die Galavorstellung im ausverkauften Osnabrücker Stadion mit einem 4:1 gegen Norwegen wurde 90 Minuten lang von einer La-Ola-Welle begleitet. Tausende Fans ohne Eintrittskarte standen vor dem Stadion beim ersten Public Viewing eines Frauenfußball-Endspiels. Das war ein Eisbrecher. Trainer Gero Bisanz hat die Mannschaft mit einer klaren Linie und gleichzeitig viel Großzügigkeit geführt. Er wollte keine Alibis, keine Ausreden, sondern Begeisterung, die sich auf dem Spielfeld übertragt. Er wollte "Künstlerinnen" am Ball sehen, die den Gegner auseinandernehmen und komplett ausspielen können. "Entzieht euch den Fouls, spielt euch überraschend und geschickt in den Rücken der Abwehr. Kombiniert in der gegnerischen Hälfte mit einem intelligenten, flachen Passspiel und bereitet so den Durchbruch in den Strafraum mit dem präzisen Torabschluss vor." Das ist hoch aktuell und passt perfekt zu den Frauen! Kein Wunder also, dass auch Silvia Neid und ich als geistesverwandtes Trainerinnengespann ab 1996 so gut klarkamen. Martina Voss, heute Voss-Tecklenburg, nannte uns einmal "die Schöne und das Biest", und wir rätseln noch heute, wer mit welchem Titel geehrt wurde. Kein Ball durfte aufspringen und kein Kopfball das Tor verfehlen. Gemeinsam mit einem Trainerteam haben wir weiter an der Spielidee gefeilt und so manche Sichtweisen über die flexible Interpretation der eigenen Rolle in einem 4-2-3-1 verändert. Die Scou­ting­-Ab­tei­lung, das waren Ralf Peter und ich. In den heißen Phasen vor und während eines Turniers haben wir kaum mehr als vier Stunden geschlafen, denn damals mussten wir ja die Videos noch permanent vor- und zurückspulen. Mit Helmut Jungheim konnten wir einen zusätzlichen Taktikcoach und Vordenker des intelligenten, erfolgreichen Spiels dazu gewinnen.

... Elfmeterschießen? Lieber Golden Goals: Aus der Zeit der großen Erfolge gibt es Dramatisches zu berichten. Besser hätte man die mitreißenden Drehbücher der Endspiele 2001 und 2003 nicht schreiben können. Zweimal hieß der Gegner Schweden. Beide Titel, den der Europa- und Weltmeisterinnen, konnten wir durch ein "Goldenes Tor" gewinnen. Das entscheidende Tor fiel jeweils genau in der 98. Minute. 2001 im ausverkauften Ulmer Donaustadion war es Claudia Müller, die den Siegtreffer erzielte. Den passenden ultimativen Slogan hatte Kapitänin Doris Fitschen kreiert: "Never train for second place." Die kurze Ansage und präzise Vorlage von Renate Lingor auf Nia Künzer, die mit ihrem Kopfball das Golden Goal zum 2:1 im WM-Finale 2003 verwandelte, sahen damals 13,58 Millionen Zuschauer. Das war neuer TV-Rekord. Auf dem Rückflug haben wir in Tageszeitungen ganzseitige Gratulationsanzeigen entdeckt. Mercedes-Benz hat Tisch-Kickerinnen-Spielfiguren über einem einprägsamen Text abgebildet: "Sehen Sie die Welt mit anderen Augen." Und adidas hat uns auf einer Seite in eine honorige Zahlenreihe auf grünem Rasenhintergrund eingefügt: 1954, 1974, 1990, 2003. Wieder zurück in Deutschland wurden wir, von Helikoptern begleitet, im Kaisersaal und auf dem Balkon des Römer in Frankfurt von gut aufgelegten Fans empfangen. Was dann folgte, waren witzige Werbeclips der Sponsoren und unzählige Interviews. Am Ende wurden wir mit dem "Bambi" und als Mannschaft des Jahres ausgezeichnet. Silvia und ich waren übrigens das erste weibliche, weltmeisterliche Trainerinnen-Duo. Aber das Beste war, dass wir auf grandiose Führungsspielerinnen bauen konnten, die fähig waren, über sich hinaus zu wachsen, um immer neue Maßstäbe zu setzen. Nicht nur Heidi Mohr und Birgit Prinz wussten, wie man Tore schießt. Wir hatten Teamplayerinnen, die mit permanenter Initiative und viel Selbstvertrauen die gegnerische Hälfte für sich beansprucht haben. Bis heute sind viele Spielerinnen auf der internationalen Bühne gefragt und herausragende Botschafterinnen des Fußballs und DFB. Und eine ganze Reihe haben schon bewiesen, dass sie auf höchster professioneller Ebene in einem Trainerinnen-Team oder in anderen Bereichen des Leistungssports arbeiten können.

... Rituale und Routinen: Während meiner Zeit als Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft hatten wir - wie alle guten Fußballmannschaften - geregelte Abläufe, um uns über die Aktivierung mentaler, physischer und emotionaler Prozesse auf ein Spiel einzuschwören. Dazu zählten unter anderem das Ausschießen "Jung gegen Alt", der Pfannkuchen zum Matchmeal, Christel Arbinis Konzentrationsübung mit Pfeil und Bogen in der Kabine und der Motivationskreis beim Einschwören kurz vor dem Anpfiff. Ganz klar, dass mir unser schnörkelloses "toi, toi, toi" gefiel. Die Idee hatte nicht ich, sondern die Mannschaft. Besonders gut bei den Spielerinnen kamen die noch warmen Stückchen Streuselkuchen meiner Mutter direkt vom Blech nach einem gewonnenen Spiel an. So auch nach dem Halbfinale der WM und unmittelbar vor dem Finale 2003. Zurückzukehren auf die Trainerbank im leeren Stadion nach einem Titelgewinn - das war inzwischen zum "Ritual" zwischen Silvia und mir geworden. Wir wollten zur Ruhe kommen und den Moment noch einmal genießen. Nach der Pressekonferenz im WM-Stadion von Carson sind wir zuerst in die Kabine. Dort herrschte eine ausgelassene Stimmung. Auf einem Koffer am Ausgang, sozusagen griffbereit, stand die Flasche Jägermeister. Die haben wir unbemerkt unter der Trainingsjacke verschwinden lassen, uns auf dem Absatz gedreht und sind wieder raus auf den Platz, auch um dem Zwangsbad durch die Spielerinnen im Kabinenpool zu entgehen. Wir haben zugeschaut, wie die Ordner die goldenen Schnipsel vom Rasen gesaugt haben, bis kein Schnipsel mehr zu sehen war. Einen kleinen Schluck vom Jägermeister haben wir zwischendurch mal probiert.

... ihre Zeit als Sportliche Leiterin der TalentförderungIch habe vermutlich den richtigen Zeitpunkt erwischt beim Tausch des Schreibtisches mit dem Platz auf der Trainerbank, obwohl ich immer noch im Umgang mit dem Notebook und digitalen Netzwerken dazulerne. Aber zunächst zurück zum Jahr 2005. Die Frauen-Nationalmannschaft hatte sich erneut ins Endspiel der Europameisterschaft gespielt. Das Finale gegen Norwegen in Preston dauerte diesmal nur 90 Minuten. Plötzlich fiel in der Nachspielzeit beim Stand von 3:1 gegen Norwegen meine orangefarbene Armbanduhr vom Handgelenk zu Boden. Der Armbandansatz hatte sich gelöst. Ziemlich krass, denn fast auf die Sekunde genau war damit auch meine Zeit als Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft abgelaufen. Was für ein Timing nach neun Jahren. Was mir in meiner Entwicklung immer geholfen hat, war die Freiheit und das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde. Dies war die Voraussetzung, um zu lernen und mich weiterzuentwickeln und vor allem, um kreativ zu sein. In den vergangenen Jahren haben wir beim DFB gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen der Landesverbände und Spitzenvereine viele Projekte vorangetrieben. Momentan sind wir noch mittendrin in einem Prozess, in dem wir alles auf den Kopf stellen und schauen, wie wir unter Einbindung von Expert*innen und mit Hilfe einer fundierten Datenbasis die bisherigen Förderstrukturen optimieren und für jede einzelne Spielerin eine leistungsfördernde Umgebung schaffen können. Wir krempeln wirklich alles um, diskutieren und streiten sehr konstruktiv. In diesem leistungsmaximierenden Prozess spielt ein altersgemäßer, durchdachter Trainings- und Wettkampfplan ebenso eine entscheidende Rolle wie der Einsatz hoch qualifizierter Trainer*innen-Teams mit entsprechenden "Coaching-Skills". Auf diese Weise können Kinder und Jugendliche auf einem ganz persönlichen Weg permanent begeistert und herausgefordert werden. Ausnahmespielerinnen besitzen mittlerweile das Recht, um bis zum U 19-Alter in höchsten Ligen mit Junioren zu spielen. Möglicherweise startet so wieder eine goldene Generation durch. Das alles ist sehr spannend. Voller Zuversicht können wir innerhalb des Sports von den innovativen Ideen aller Mitarbeiter*innen unter einem Dach des neuen DFB und seiner Akademie zusammenwachsen. Nach wie vor gibt es nur einen Verband auf der Welt mit gemeinsam erspielten sechs Sternen. Diesen Vorsprung würden wir gerne ausbauen.

... die Zukunft des Frauenfußballs: Große Meilensteine waren schon immer Wegbereiter für zukünftige Entwicklungen. Die Rekordkulisse von 90.000 Zuschauern in der Rose Bowl beim WM-Finale in den USA 1999 führte 2001 zur Gründung der ersten Profiliga, der WUSA, und anschließend zur Einführung des UEFA Women's Cup 2002. Die Professionalisierung der Ligen auf europäischer Ebene hatte damals schon begonnen. Das Erreichen des WM-Viertelfinales 2019 von sieben europäischen Mannschaften unterstreicht die Dominanz der Fußball-Nationen, deren Wettkampstruktur von starken Ligen und bewährten Synergien mit dem Männerfußball geprägt ist. Die Premier League etwa investiert in die Teams der FA Women's League und unterstützt deren ausgewiesen kompetentes Führungspersonal. Erfolgsversprechend ist daneben der Freiraum für eine intensive Vorbereitungszeit mit den Nationalmannschaften vor großen internationalen Wettbewerben. Das hochklassige und spannende WM-Halbfinale der US-Amerikanerinnen gegen England 2019 war der Quotenrenner. Das Spiel war geprägt von höchster Dynamik und taktischer Reife. Weltmeister USA überzeugte mit "erzwungenen" Toren nach druckvollem Pressing mit Ballgewinn oder dominantem Angriffsspiel. Das zeigt eine Entwicklung hin zu einem rasanten, entschlossenen, immer unterhaltsamen Spiel, in dem sowohl die Stärke im Eins-gegen-Eins als auch Torgefährlichkeit, Spielintelligenz, fließende Abläufe und passende Balleroberungsstrategien gefragt sind. Die WM 2019 in Frankreich war ein herausragendes Ereignis für den Frauenfußball und eines der größten Sport-Events des Jahres. Weltweit haben über eine Milliarde Menschen die Spiele im Fernsehen verfolgt. Die kommende Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland wird eine ähnliche Schubkraft besitzen wie die in Frankreich. Stimmt der Unterhaltungswert und der Rahmen, wird in Zukunft auch die Vermarktung des Frauenfußballs die nächste Ebene erreichen. Schon für die kommende WM 2023 in Australien und Neuseeland mit 32 Mannschaften ist die Verdoppelung des Preisgeldes vorgesehen. Fragt man junge Spielerinnen der deutschen U-Nationalmannschaften nach ihrem Berufsziel, antworten die meisten, dass sie "Profifußballerin" werden möchten. Immer mehr unerschrockene Youngster spielen sich in den Blickpunkt. Genauso erfreulich ist es, dass es daneben außerdem noch die Anführerinnen und prägende Gesichter gibt, die sich nicht scheuen, die Kapitänsbinde zu tragen oder eindeutig Stellung zu gesellschaftlichen Themen wie Rassismus oder Diskriminierung zu beziehen. Martina Voss-Tecklenburg und Britta Carlson traue ich große Erfolge zu. Beide bleiben authentisch und schaffen es, Energien innerhalb eines Teams zu bündeln. Sie arbeiten mit Spielerinnen, die spätestens 2022 wieder eine Nation mitreißen können.

... magische Momente: Von unschätzbarem Wert waren die vielen persönlichen Begegnungen und bezaubernden Geschichten des Alltags, die mein Leben bereichert und sich für immer eingeprägt haben. Natürlich war der Gewinn der Weltmeisterschaft 2003 ein intensiver Moment. Ein immer stärker werdendes Gefühl der Einheit und die Lust auf mehr waren beim Halbfinale in Portland gegen den Turnierfavoriten USA spielentscheidend. In einer überaus spannenden Schlussphase beim Stand von 1:0 war unser Ziel keinesfalls die Eckfahne, um Zeit zu gewinnen. Im Gegenteil, die Mannschaft wollte Tore nachlegen. Magisch waren auch die Olympischen Fußballturniere und die Zeit im Olympischen Dorf. Beim Spiel um Bronze gegen Brasilien in Sydney wollten wir nach dem verlorenen Halbfinale unbedingt diese Medaille. Zuletzt hat mich das etwas andere Portrait, gemalt von unserer ehemaligen Nationalspielerin Josy Henning, berührt und in Erstaunen versetzt. Es war das Geschenk der Verbandssportlehrer zu meinem Abschied. Jetzt freue ich mich auf die Zeit mit meiner Familie und mit meinen engsten Freunden. Meine Schwestern sind bis heute meine Vorbilder. Von ihnen habe ich gelernt, etwas mit einem guten Gefühl hinter sich zu lassen und auf einen neuen Abschnitt mit Neugierde zuzugehen.

###more###