Silvia Neid: "Die Einführung der Frauen-Bundesliga war wegweisend"

Die Frauen-Bundesliga geht in ihr 30. Jahr. In einer Serie schaut DFB.de ebenso auf besondere Momente in der Historie zurück wie auf aktuelle Entwicklungen zum Start der FLYERALARM Frauen-Bundesliga an diesem Freitag. Heute im Fokus: die ehemalige Bundestrainerin Silvia Neid, die sich an die Einführung der Frauen-Bundesliga erinnert.

An alle Details kann sich Silvia Neid nicht mehr erinnern. 30 Jahre sind seitdem schließlich fast vergangen. Aber eines weiß die heute 55-Jährige noch ganz genau: "Die Einführung der Frauen-Bundesliga war für uns Spielerinnen eine wegweisende Entscheidung für die Zukunft unserer Sportart. Von da an konnten wir unter viel professionelleren Strukturen gegen Mannschaften aus ganz Deutschland antreten."

Neid war damals 25 Jahre alt. Sie stand beim TSV Siegen unter Vertrag, dem führenden Verein zu jener Zeit und Meister der Premierensaison. Sie war schon damals eine der besten Fußballerinnen in Deutschland, Nationalspielerin, dreimal Europameisterin, Vizeweltmeisterin, siebenmal Deutsche Meisterin, sechsmal DFB-Pokalsiegerin. Es würde den Rahmen sprengen, ihre Erfolge später als Trainerin der DFB-Auswahl aufzuzählen. Herausragend: Weltmeisterin 2007 und Gold bei den Olympischen Spielen 2016. Mittlerweile ist sie Leiterin der Scoutingabteilung für Frauen und Mädchen beim DFB.

TSV Siegen: Nur eine Niederlage in der Premierensaison

Wenn Neid heute an die Anfänge der Frauen-Bundesliga denkt, ist es für sie eine Reise in ihre eigene Vergangenheit. Bevor der Frauenfußball in Deutschland auf ein solides Fundament gestellt wurde, spielten die 16 besten Teams der verschiedenen Landesverbände in einer Endrunde die sogenannte Frauenfußball-Meisterschaft auf. Neid gewann auch diese, erst mit der SSG 09 Bergisch Gladbach, dann nach ihrem Wechsel auch mit dem TSV Siegen - mit dem sie dann in den ersten sechs Jahren der neuen Frauen-Bundesliga viermal den Titel holte.

Aber historisch in Erinnerung bleibt natürlich vor allem der Erfolg in der Premierensaison 1990/1991. "Es gab damals eine Unterteilung, zehn Mannschaften waren in der Nordstaffel einsortiert, zehn in der Südstaffel", sagt Neid. "Unsere stärksten Konkurrenten im Norden waren der KBC Duisburg und mein vorheriger Verein SSG 09 Bergisch Gladbach." Der TSV Siegen blieb ohne Niederlage und ließ mit 15 Siegen sowie drei Unentschieden keinen Zweifel an seiner Favoritenrolle aufkommen.

"Wir haben richtig guten Fußball gespielt"

Im Halbfinale trafen die beiden Topteams aus dem Norden und dem Süden aufeinander. Der TSV Siegen bekam es mit dem TuS Niederkirchen zu tun - und wäre beinahe gescheitert. Das erste Duell gewannen Neid und ihre Kolleginnen mit 2:0, im Rückspiel kassierten sie ein 2:3 und kamen dennoch weiter. Es blieb die einzige Pleite in der gesamten Saison. "Wir wussten, dass Niederkirchen eine echte Herausforderung darstellen würde", sagt Neid. "Besonders auf deren Platz waren es immer schwierige Verhältnisse für die Gastmannschaft. Das haben wir zu spüren gekommen." Die Siegenerinnen waren dort ins Straucheln geraten, aber sie waren nicht gestürzt.

Das große Finale war dann wieder eine klarere Sache. Siegen besiegte im eigenen Stadion den FSV Frankfurt mit 4:2. Neid war nach 20 Minuten das wichtige 2:1 gelungen. Danach dominierte der Favorit und ließ dem Gegner kaum eine Chance. Ein Rückspiel gab es nicht - der TSV war Meister. "Wir haben für damalige Verhältnisse richtig guten Fußball gespielt", sagt Neid. "Besonders auch in diesem Finale. Es waren fast 5000 Zuschauer im Stadion. Das war für uns eine großartige Kulisse."

Training und 30 Stunden Arbeit beim Blumengroßhändler

Obwohl es in Siegen damals schon Geld zu verdienen gab, konnte Neid von diesen Einnahmen nicht leben. Sie trainierten vier- bis fünfmal die Woche, Nationalspielerinnen hatten noch die eine oder andere Extraeinheit. Neid ging außerdem noch 30 Stunden in der Woche bei Gerd Neuser arbeiten. Er war Blumengroßhändler in der Region und Mann für fast alles beim TSV Siegen: Sponsor, Trainer, Manager, Talentsucher, Pressesprecher und noch vieles mehr. "Der Klub hatte Gerd Neuser eigentlich alles zu verdanken", sagt Neid. "Als er sich später zurückzog, war auch die Blütezeit des TSV Siegen vorbei. Früher waren die Vereine im Frauenfußball fast immer sehr abhängig von einzelnen Personen. Das ist heute zum Glück nicht mehr der Fall."

Insgesamt hat sich seitdem viel verändert. Neid hat ihre Karriere 1996 beendet. Der Frauenfußball allerdings ist auch danach ihr Leben geblieben. Sie hat ihn nicht nur begleitet, sie hat ihn geprägt. Sie hat erlebt, wie 1997/1998 die Nord- und Südstaffel zur eingleisigen Frauen-Bundesliga mit zwölf Klubs verschmolzen wurde. Sie hat erlebt, wie es über viele Jahre einen Dreikampf zwischen dem 1. FFC Turbine Potsdam, 1. FFC Frankfurt und FCR Duisburg gab. Und sie hat erlebt, wie der FC Bayern München und der VfL Wolfsburg mittlerweile zu den Topteams in Deutschland aufgestiegen sind.

All das wäre ohne das Jahr 1990/1991 wahrscheinlich nicht möglich gewesen - der Saison also, in der die Frauen-Bundesliga durch den DFB eingeführt wurde.

[sw]

Die Frauen-Bundesliga geht in ihr 30. Jahr. In einer Serie schaut DFB.de ebenso auf besondere Momente in der Historie zurück wie auf aktuelle Entwicklungen zum Start der FLYERALARM Frauen-Bundesliga an diesem Freitag. Heute im Fokus: die ehemalige Bundestrainerin Silvia Neid, die sich an die Einführung der Frauen-Bundesliga erinnert.

An alle Details kann sich Silvia Neid nicht mehr erinnern. 30 Jahre sind seitdem schließlich fast vergangen. Aber eines weiß die heute 55-Jährige noch ganz genau: "Die Einführung der Frauen-Bundesliga war für uns Spielerinnen eine wegweisende Entscheidung für die Zukunft unserer Sportart. Von da an konnten wir unter viel professionelleren Strukturen gegen Mannschaften aus ganz Deutschland antreten."

Neid war damals 25 Jahre alt. Sie stand beim TSV Siegen unter Vertrag, dem führenden Verein zu jener Zeit und Meister der Premierensaison. Sie war schon damals eine der besten Fußballerinnen in Deutschland, Nationalspielerin, dreimal Europameisterin, Vizeweltmeisterin, siebenmal Deutsche Meisterin, sechsmal DFB-Pokalsiegerin. Es würde den Rahmen sprengen, ihre Erfolge später als Trainerin der DFB-Auswahl aufzuzählen. Herausragend: Weltmeisterin 2007 und Gold bei den Olympischen Spielen 2016. Mittlerweile ist sie Leiterin der Scoutingabteilung für Frauen und Mädchen beim DFB.

TSV Siegen: Nur eine Niederlage in der Premierensaison

Wenn Neid heute an die Anfänge der Frauen-Bundesliga denkt, ist es für sie eine Reise in ihre eigene Vergangenheit. Bevor der Frauenfußball in Deutschland auf ein solides Fundament gestellt wurde, spielten die 16 besten Teams der verschiedenen Landesverbände in einer Endrunde die sogenannte Frauenfußball-Meisterschaft auf. Neid gewann auch diese, erst mit der SSG 09 Bergisch Gladbach, dann nach ihrem Wechsel auch mit dem TSV Siegen - mit dem sie dann in den ersten sechs Jahren der neuen Frauen-Bundesliga viermal den Titel holte.

Aber historisch in Erinnerung bleibt natürlich vor allem der Erfolg in der Premierensaison 1990/1991. "Es gab damals eine Unterteilung, zehn Mannschaften waren in der Nordstaffel einsortiert, zehn in der Südstaffel", sagt Neid. "Unsere stärksten Konkurrenten im Norden waren der KBC Duisburg und mein vorheriger Verein SSG 09 Bergisch Gladbach." Der TSV Siegen blieb ohne Niederlage und ließ mit 15 Siegen sowie drei Unentschieden keinen Zweifel an seiner Favoritenrolle aufkommen.

"Wir haben richtig guten Fußball gespielt"

Im Halbfinale trafen die beiden Topteams aus dem Norden und dem Süden aufeinander. Der TSV Siegen bekam es mit dem TuS Niederkirchen zu tun - und wäre beinahe gescheitert. Das erste Duell gewannen Neid und ihre Kolleginnen mit 2:0, im Rückspiel kassierten sie ein 2:3 und kamen dennoch weiter. Es blieb die einzige Pleite in der gesamten Saison. "Wir wussten, dass Niederkirchen eine echte Herausforderung darstellen würde", sagt Neid. "Besonders auf deren Platz waren es immer schwierige Verhältnisse für die Gastmannschaft. Das haben wir zu spüren gekommen." Die Siegenerinnen waren dort ins Straucheln geraten, aber sie waren nicht gestürzt.

Das große Finale war dann wieder eine klarere Sache. Siegen besiegte im eigenen Stadion den FSV Frankfurt mit 4:2. Neid war nach 20 Minuten das wichtige 2:1 gelungen. Danach dominierte der Favorit und ließ dem Gegner kaum eine Chance. Ein Rückspiel gab es nicht - der TSV war Meister. "Wir haben für damalige Verhältnisse richtig guten Fußball gespielt", sagt Neid. "Besonders auch in diesem Finale. Es waren fast 5000 Zuschauer im Stadion. Das war für uns eine großartige Kulisse."

Training und 30 Stunden Arbeit beim Blumengroßhändler

Obwohl es in Siegen damals schon Geld zu verdienen gab, konnte Neid von diesen Einnahmen nicht leben. Sie trainierten vier- bis fünfmal die Woche, Nationalspielerinnen hatten noch die eine oder andere Extraeinheit. Neid ging außerdem noch 30 Stunden in der Woche bei Gerd Neuser arbeiten. Er war Blumengroßhändler in der Region und Mann für fast alles beim TSV Siegen: Sponsor, Trainer, Manager, Talentsucher, Pressesprecher und noch vieles mehr. "Der Klub hatte Gerd Neuser eigentlich alles zu verdanken", sagt Neid. "Als er sich später zurückzog, war auch die Blütezeit des TSV Siegen vorbei. Früher waren die Vereine im Frauenfußball fast immer sehr abhängig von einzelnen Personen. Das ist heute zum Glück nicht mehr der Fall."

Insgesamt hat sich seitdem viel verändert. Neid hat ihre Karriere 1996 beendet. Der Frauenfußball allerdings ist auch danach ihr Leben geblieben. Sie hat ihn nicht nur begleitet, sie hat ihn geprägt. Sie hat erlebt, wie 1997/1998 die Nord- und Südstaffel zur eingleisigen Frauen-Bundesliga mit zwölf Klubs verschmolzen wurde. Sie hat erlebt, wie es über viele Jahre einen Dreikampf zwischen dem 1. FFC Turbine Potsdam, 1. FFC Frankfurt und FCR Duisburg gab. Und sie hat erlebt, wie der FC Bayern München und der VfL Wolfsburg mittlerweile zu den Topteams in Deutschland aufgestiegen sind.

All das wäre ohne das Jahr 1990/1991 wahrscheinlich nicht möglich gewesen - der Saison also, in der die Frauen-Bundesliga durch den DFB eingeführt wurde.

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