Sabine Seidel: "Ich bin einfach nur dankbar"

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs – er wurde an diesem Tag vom Deutsche Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert – damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten in den Fokus. Heute: Sabine Seidel, eine der Pionierinnen des Frauenfußballs in der ehemaligen DDR.

Sabine Seidel über…

 … ihre Anfänge im Frauenfußball in der DDR: Ich selbst meldete mich mit 13 Jahren im Januar 1970 auf Grund einer Zeitungsannonce beim ZFK Rossendorf. Das war ein kleiner Verein nahe meiner Heimatstadt Dresden. Um zum Training zu kommen, nahm ich jeweils einen Fahrtweg mit Bus und Bahn von einer Stunde in Kauf. Das war natürlich mühselig, aber das war es mir wert. Nach drei Jahren wechselte ich zur BSG Aufbau Dresden Ost sowie anschließend zur BSG Motor Bautzen. Dort traten wir auch gegen Handballteams an und machten Werbespiele anlässlich von Vereinsjubiläen in kleineren Orten. Später gab es nach und nach einen einigermaßen geregelten Spielbetrieb, natürlich nicht vergleichbar mit heute. Aber für uns war es dennoch ein Fortschritt. Es gab zum Beispiel Bezirksmeisterschaften in den 14 Bezirken der DDR.

… ihre Zeit als Spielerin bei der BSG Turbine Potsdam: Bei einem Freundschaftsspiel von Turbine Potsdam bei uns in Bautzen konnte ich auf mich aufmerksam machen. Turbine-Trainer Bernd Schröder war von meiner Schnelligkeit beeindruckt und fragte, ob ich nach Potsdam wechseln möchte. Da ich mich allerdings gerade für zwei Jahre als Kochsmaat bei der Handelsmarine der DDR verpflichtet hatte, erfolgte der Umzug von Dresden nach Potsdam erst 1979. Die ersten großen Erfolge mit Turbine ließen allerdings noch etwas auf sich warten. Als 1979 erstmals die DDR-Bestenermittlung ausgespielt wurde, gewann die BSG Motor Mitte Karl-Marx-Stadt, im Jahr danach die BSG Wismut Karl-Marx-Stadt. Erst 1981 konnten wir mit der damaligen BSG Turbine Potsdam zum ersten Mal das Turnier gewinnen. Das war ein großartiges Erlebnis, weil das Endspiel in unserem heimischen Karl-Liebknecht-Stadion vor gut 3.000 Zuschauern stattfand. Ich wurde zudem zur besten Spielerin geehrt. Das war das Größte, was ich bis dahin erlebt hatte. Bis zum verletzungsbedingten Ende meiner aktiven Laufbahn als Spielerin im Juni 1989 gewann ich mit der BSG Turbine Potsdam auch 1982, 1983, 1985 sowie 1986 die DDR-Bestenermittlung. Ich war später schon beeindruckt zu lesen, dass ich als "Star" des DDR-Frauenfußballs betitelt wurde.

… die Jahre bis zur Wiedervereinigung: Die BSG Turbine Potsdam dominierte die Jahre bis 1987, ehe dann eine zweigleisige Liga eingeführt wurde. Diese Entscheidung brachte den Frauenfußball in der DDR deutlich nach vorne. Der nächste Schritt war die eingleisige Oberliga Nordost in der Saison 1990/1991. Uni SV Jena (später FF USV Jena) wurde Meister, der FC Wismut Aue (jetzt FC Erzgebirge Aue) belegte den zweiten Platz. Beide waren damit nach der Wiedervereinigung für die zweigleisige Frauen-Bundesliga qualifiziert. Potsdam verpasste den direkten Aufstieg als Dritter. Ich selbst trainierte von 1980 bis 1986 die C- und B-Juniorenteams des FV Turbine 1955 Potsdam, ehe ich dann ab 1986 die Turbinen-Mädchenmannschaften aufbaute und bis Juni 2006 die Nachwuchsabteilung des 1. FFC Turbine Potsdam leitete.

… die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung: Ich setzte mich in dieser Zeit als Funktionärin für die Schaffung von Strukturen sowie den Spielbetrieb der Juniorinnen ein und arbeitete parallel ehrenamtlich als Trainerin. Turbine Potsdam spielte in der Saison 1994/95 erstmals in der Frauen-Bundesliga. Das erste Spiel in Deutschlands höchster Spielklasse ging gegen den späteren Meister Grün-Weiß Brauweiler mit 0:11 verloren. Nach dem Zerwürfnis von Manager Bernd Schröder mit Trainer Frank Lange im November 1994 übernahm ich die Cheftrainerposition und bewahrte den Liganeuling am Ende mit einem sehr guten sechsten Platz noch vor dem schon befürchteten Abstieg. Den ersten Titel als Trainerin errang ich mit dem Nachwuchs von Turbine Potsdam. Gegen den FC Bayern München gewannen wir im Jahr 2000 vor 600 Zuschauern mit 7:1 die erstmals ausgetragene Deutsche Meisterschaft der B-Juniorinnen. Es folgten 2003, 2004, 2005 sowie 2006 weitere Meistertitel. Im Laufe dieser Zeit engagierte ich mich ehrenamtlich als Landesauswahltrainerin beim Fußball-Landesverband Brandenburg.

... und die aktuelle Entwicklung des Vereins: Klar ist, dass der Verein Turbine Potsdam finanziell nicht mit Klubs wie Bayern München oder dem VfL Wolfsburg mithalten kann. Der Klub hat aber im Verbundsystem mit der Sportschule Potsdam und dem Fußball-Landesverband sehr gute Voraussetzungen. Mit der "Strahlkraft" vergangener Erfolge kann und muss die Nachwuchsarbeit meiner Meinung nach besser genutzt werden. Ich bin gespannt, ob das klappt und ob die Kooperation mit Hertha BSC – die auch für sehr gute Nachwuchsarbeit bekannt ist - zu dem gewünschten Erfolg führt

... über ihre Zeit als Zeugwartin der weiblichen U 19- und U 20-Nationalmannschaften des DFB: Über 17 Jahre von Mai 2002 bis November 2019 war ich mit den DFB-Teams auf Reisen. Und ich muss sagen: Ich habe viele tolle Dinge erleben dürfen. Bis auf Afrika habe ich jeden Kontinent bereist. Silvia Neid und Maren Meinert habe ich als Chef-Trainerinnen erlebt und sensationelle Erfolge feiern dürfen – 2004 mit der U 19 Weltmeister in Thailand; 2010 mit der U 20 Weltmeister in Deutschland – unglaublich! 2014 mit der U 20 Weltmeister in Kanada sowie U 19 Europameister in den Jahren 2002, 2006, 2007 und 2011. Ich bin einfach nur dankbar.

... über ihre aktuellen Tätigkeiten: Seit 41 Jahren bin ich Angestellte der Stadt Potsdam und Objektleiterin auf dem Sportplatz-Waldstadt. 13 Jahre davon nur mit einer halben Stelle, da ich seit 2007 am Olympiastützpunkt Potsdam Standortverantwortliche für den weiblichen Fußball und für die Einschulung in die siebte Klasse verantwortlich bin. Außerdem bin ich Trainerin für Brandenburgs U 12-Landesauswahl.

... über die Perspektive des deutschen Frauenfußballs: Da ich auch 17 Jahre Vorsitzende des Frauen- und Mädchenausschusses in Brandenburg (1996 bis 2014) sowie Mitglied des Vorstandes war, kann ich schon beurteilen, dass sich im Laufe der Jahre sehr viele Dinge positiv entwickelt haben. Das zeigen auch unsere Erfolge mit unseren Frauen-sowie Nachwuchsnationalmannschaften. Aber wir dürfen den Nachwuchs nicht aus den Augen verlieren. Dieser ist aus meiner Sicht extrem wichtig, denn ohne Breite gibt es keine Klasse. Jedoch müssen unsere Spitzenteams und besten Spielerinnen höchstmöglich gefordert werden. Und dies lässt sich im Optimalfall im Spielbetrieb mit Junioren umsetzen.

[sw]

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs – er wurde an diesem Tag vom Deutsche Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert – damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten in den Fokus. Heute: Sabine Seidel, eine der Pionierinnen des Frauenfußballs in der ehemaligen DDR.

Sabine Seidel über…

 … ihre Anfänge im Frauenfußball in der DDR: Ich selbst meldete mich mit 13 Jahren im Januar 1970 auf Grund einer Zeitungsannonce beim ZFK Rossendorf. Das war ein kleiner Verein nahe meiner Heimatstadt Dresden. Um zum Training zu kommen, nahm ich jeweils einen Fahrtweg mit Bus und Bahn von einer Stunde in Kauf. Das war natürlich mühselig, aber das war es mir wert. Nach drei Jahren wechselte ich zur BSG Aufbau Dresden Ost sowie anschließend zur BSG Motor Bautzen. Dort traten wir auch gegen Handballteams an und machten Werbespiele anlässlich von Vereinsjubiläen in kleineren Orten. Später gab es nach und nach einen einigermaßen geregelten Spielbetrieb, natürlich nicht vergleichbar mit heute. Aber für uns war es dennoch ein Fortschritt. Es gab zum Beispiel Bezirksmeisterschaften in den 14 Bezirken der DDR.

… ihre Zeit als Spielerin bei der BSG Turbine Potsdam: Bei einem Freundschaftsspiel von Turbine Potsdam bei uns in Bautzen konnte ich auf mich aufmerksam machen. Turbine-Trainer Bernd Schröder war von meiner Schnelligkeit beeindruckt und fragte, ob ich nach Potsdam wechseln möchte. Da ich mich allerdings gerade für zwei Jahre als Kochsmaat bei der Handelsmarine der DDR verpflichtet hatte, erfolgte der Umzug von Dresden nach Potsdam erst 1979. Die ersten großen Erfolge mit Turbine ließen allerdings noch etwas auf sich warten. Als 1979 erstmals die DDR-Bestenermittlung ausgespielt wurde, gewann die BSG Motor Mitte Karl-Marx-Stadt, im Jahr danach die BSG Wismut Karl-Marx-Stadt. Erst 1981 konnten wir mit der damaligen BSG Turbine Potsdam zum ersten Mal das Turnier gewinnen. Das war ein großartiges Erlebnis, weil das Endspiel in unserem heimischen Karl-Liebknecht-Stadion vor gut 3.000 Zuschauern stattfand. Ich wurde zudem zur besten Spielerin geehrt. Das war das Größte, was ich bis dahin erlebt hatte. Bis zum verletzungsbedingten Ende meiner aktiven Laufbahn als Spielerin im Juni 1989 gewann ich mit der BSG Turbine Potsdam auch 1982, 1983, 1985 sowie 1986 die DDR-Bestenermittlung. Ich war später schon beeindruckt zu lesen, dass ich als "Star" des DDR-Frauenfußballs betitelt wurde.

… die Jahre bis zur Wiedervereinigung: Die BSG Turbine Potsdam dominierte die Jahre bis 1987, ehe dann eine zweigleisige Liga eingeführt wurde. Diese Entscheidung brachte den Frauenfußball in der DDR deutlich nach vorne. Der nächste Schritt war die eingleisige Oberliga Nordost in der Saison 1990/1991. Uni SV Jena (später FF USV Jena) wurde Meister, der FC Wismut Aue (jetzt FC Erzgebirge Aue) belegte den zweiten Platz. Beide waren damit nach der Wiedervereinigung für die zweigleisige Frauen-Bundesliga qualifiziert. Potsdam verpasste den direkten Aufstieg als Dritter. Ich selbst trainierte von 1980 bis 1986 die C- und B-Juniorenteams des FV Turbine 1955 Potsdam, ehe ich dann ab 1986 die Turbinen-Mädchenmannschaften aufbaute und bis Juni 2006 die Nachwuchsabteilung des 1. FFC Turbine Potsdam leitete.

… die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung: Ich setzte mich in dieser Zeit als Funktionärin für die Schaffung von Strukturen sowie den Spielbetrieb der Juniorinnen ein und arbeitete parallel ehrenamtlich als Trainerin. Turbine Potsdam spielte in der Saison 1994/95 erstmals in der Frauen-Bundesliga. Das erste Spiel in Deutschlands höchster Spielklasse ging gegen den späteren Meister Grün-Weiß Brauweiler mit 0:11 verloren. Nach dem Zerwürfnis von Manager Bernd Schröder mit Trainer Frank Lange im November 1994 übernahm ich die Cheftrainerposition und bewahrte den Liganeuling am Ende mit einem sehr guten sechsten Platz noch vor dem schon befürchteten Abstieg. Den ersten Titel als Trainerin errang ich mit dem Nachwuchs von Turbine Potsdam. Gegen den FC Bayern München gewannen wir im Jahr 2000 vor 600 Zuschauern mit 7:1 die erstmals ausgetragene Deutsche Meisterschaft der B-Juniorinnen. Es folgten 2003, 2004, 2005 sowie 2006 weitere Meistertitel. Im Laufe dieser Zeit engagierte ich mich ehrenamtlich als Landesauswahltrainerin beim Fußball-Landesverband Brandenburg.

... und die aktuelle Entwicklung des Vereins: Klar ist, dass der Verein Turbine Potsdam finanziell nicht mit Klubs wie Bayern München oder dem VfL Wolfsburg mithalten kann. Der Klub hat aber im Verbundsystem mit der Sportschule Potsdam und dem Fußball-Landesverband sehr gute Voraussetzungen. Mit der "Strahlkraft" vergangener Erfolge kann und muss die Nachwuchsarbeit meiner Meinung nach besser genutzt werden. Ich bin gespannt, ob das klappt und ob die Kooperation mit Hertha BSC – die auch für sehr gute Nachwuchsarbeit bekannt ist - zu dem gewünschten Erfolg führt

... über ihre Zeit als Zeugwartin der weiblichen U 19- und U 20-Nationalmannschaften des DFB: Über 17 Jahre von Mai 2002 bis November 2019 war ich mit den DFB-Teams auf Reisen. Und ich muss sagen: Ich habe viele tolle Dinge erleben dürfen. Bis auf Afrika habe ich jeden Kontinent bereist. Silvia Neid und Maren Meinert habe ich als Chef-Trainerinnen erlebt und sensationelle Erfolge feiern dürfen – 2004 mit der U 19 Weltmeister in Thailand; 2010 mit der U 20 Weltmeister in Deutschland – unglaublich! 2014 mit der U 20 Weltmeister in Kanada sowie U 19 Europameister in den Jahren 2002, 2006, 2007 und 2011. Ich bin einfach nur dankbar.

... über ihre aktuellen Tätigkeiten: Seit 41 Jahren bin ich Angestellte der Stadt Potsdam und Objektleiterin auf dem Sportplatz-Waldstadt. 13 Jahre davon nur mit einer halben Stelle, da ich seit 2007 am Olympiastützpunkt Potsdam Standortverantwortliche für den weiblichen Fußball und für die Einschulung in die siebte Klasse verantwortlich bin. Außerdem bin ich Trainerin für Brandenburgs U 12-Landesauswahl.

... über die Perspektive des deutschen Frauenfußballs: Da ich auch 17 Jahre Vorsitzende des Frauen- und Mädchenausschusses in Brandenburg (1996 bis 2014) sowie Mitglied des Vorstandes war, kann ich schon beurteilen, dass sich im Laufe der Jahre sehr viele Dinge positiv entwickelt haben. Das zeigen auch unsere Erfolge mit unseren Frauen-sowie Nachwuchsnationalmannschaften. Aber wir dürfen den Nachwuchs nicht aus den Augen verlieren. Dieser ist aus meiner Sicht extrem wichtig, denn ohne Breite gibt es keine Klasse. Jedoch müssen unsere Spitzenteams und besten Spielerinnen höchstmöglich gefordert werden. Und dies lässt sich im Optimalfall im Spielbetrieb mit Junioren umsetzen.

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