Fritz Keller: "Noch lange nicht am Höhepunkt der Entwicklung"

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Datum vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Rund um den Jubiläumstag widmet DFB.de dem Frauen- und Mädchenfußball eine Themenwoche. Mit vielen Geschichten, Interviews, Porträts und interessanten Fakten. Heute: DFB-Präsident Fritz Keller und seine Sympathie für den Frauenfußball.

DFB.de: Herr Keller, Sie gelten als Freund und Förderer des Frauenfußballs. Warum ist er für Sie eine Herzensangelegenheit?

Fritz Keller: Gegenfrage: Warum sollte er das nicht sein? Ich liebe den Fußball, also selbstverständlich auch den Frauenfußball. Denn es gibt nur einen Fußball - den für Frauen und Männer, für Amateure und Profis, für Kinder und Erwachsene. Beim SC Freiburg, dessen Präsident ich war, und wo Frauen seit 1975 kicken, haben wir das so ganz selbstverständlich gelebt und den Fußball stets als Einheit gesehen. Schließlich ist eine Investition in den Frauen- und Mädchenfußball eine Investition in die Zukunft. Einer meiner ersten öffentlichen Termine nach Amtsantritt beim DFB war deshalb auch die Ehrung der Gründungself der Hall of Fame des Frauenfußballs im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Eine tolle Veranstaltung, die ganz große Frauen gewürdigt hat, die unheimlich viel für unseren Sport getan haben und auf deren Verdienste wir sehr stolz sind.

DFB.de: Und dennoch feiern wir in diesem Jahr erst 50 Jahre Frauenfußball, wohingegen der erste Weltmeistertitel einer deutschen Männer-Nationalmannschaft bereits 66 Jahre zurückliegt. Also scheint es so selbstverständlich doch nicht zu sein.

Keller: Heute sollte es selbstverständlich sein, dass wir, wenn wir von Fußball sprechen, immer auch den Frauenfußball mitdenken. Natürlich müssen wir dafür beharrlich jeden Tag kämpfen. Aber wir machen sichtbare Fortschritte auf unserem Weg, zuletzt etwa haben viele Lizenzvereine ihr Engagement für den Frauenfußball deutlich ausgeweitet. Das sind starke Signale mit Strahlkraft. Aber, das stimmt natürlich, bis hierhin war der Aufstieg rasant, aber auch beschwerlich, weil unseren Fußballerinnen der eine oder andere Stein in den Weg gelegt wurde – auch vom DFB. Aber so wie unsere gesamte Gesellschaft auf dem Weg zur Gleichstellung in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht hat, auch wenn sie noch nicht hergestellt ist, hat sich zum Glück auch der DFB weiterentwickelt. Fehler sind dazu da, aus ihnen zu lernen.

DFB.de: Sie sprechen von Entwicklungen und Fortschritten. Sind Sie also zufrieden mit dem bisher Erreichten?

Keller: Ich bin stolz auf das, was unsere Fußballerinnen in Deutschland an Erfolgen auf und neben dem Platz errungen haben, teilweise gegen erhebliche Widerstände. Das kann man gar nicht hoch genug schätzen. Der Frauenfußball in Deutschland hat sich also fantastisch entwickelt. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass wir noch lange nicht den Höhepunkt dieser Entwicklung erreicht haben. Der Frauenfußball hat riesiges Potenzial, das wir gemeinsam heben müssen. Zusammen mit den Vereinen, den Sponsoren, den Medien und den Fans. Die Erfolgsgeschichte Frauenfußball hat noch kein Happy End, wenn Sie so wollen. Das wollen wir noch schreiben.

DFB.de: Das nächste Kapitel könnte die Weltmeisterschaft in sieben Jahren sein, die der DFB gemeinsam mit Belgien und der Niederlande ausrichten will.

Keller: Wir werden keine sieben Jahre auf weitere Fortschritte warten. Aber die Weltmeisterschaft 2027 soll natürlich ein weiterer wichtiger Baustein zur Stärkung des Frauenfußballs in Deutschland sein. Eine Weltmeisterschaft vor der eigenen Haustür ist die beste Werbung für einen Sport. Allerdings müssen auch die Ergebnisse unserer Nationalmannschaft stimmen. Das ausgezeichnet organisierte Turnier 2011 war leider nicht nachhaltig. Bei unserer aktuellen Nationalmannschaft habe ich allerdings keine Zweifel, dass sie 2027, aber auch schon bei der Europameisterschaft 2022 in England und der WM 2023 in Neuseeland und Australien eine gute Rolle spielen wird. Denn dieses junge, hervorragend von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg eingestellte Team begeistert nicht nur mit viel Spielfreude und ganz viel Talent auf dem Platz. Es hat eine herausragende EM-Qualifikation gespielt und sich mit sechs Siegen und ohne Gegentor vorzeitig für das Turnier in England qualifiziert. Unsere DFB-Frauen sind auch abseits des Feldes eine begeisternde Gemeinschaft mit viel Witz und Charme.

DFB.de: Jüngst sind wieder einige Nationalspielerinnen zu Vereinen mit klangvollen Namen ins Ausland gewechselt. Ist das für Sie Ausdruck der Qualität der deutschen Spielerinnen, oder müssen die deutschen Klubs aufpassen, international den Anschluss zu halten?

Keller: Von der Erfahrung, die unsere Spielerinnen bei Topklubs im Ausland sammeln, profitiert auch unsere Nationalmannschaft. Aber wir haben mit der FLYERALARM Frauen-Bundesliga eine hochattraktive Liga, die sich in allen Bereichen mit anderen europäischen Ligen messen kann. Sportlich und infrastrukturell ist sie bestens aufgestellt. Dass seit dieser Saison mit Eintracht Frankfurt ein weiterer Traditionsklub mit vielen leidenschaftlichen Anhängern in der Bundesliga spielt, wird sie weiter stärken. Ich danke der Eintracht ebenso für ihr Engagement wie Schalke 04 und Borussia Dortmund, die endlich ihr Herz für den Frauenfußball entdeckt haben. Sie werden es nicht bereuen. Nicht nur weil sie damit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen. Sondern wenn sie ins Ausland schauen, beispielswiese nach England, dann werden sie sehen, welche zusätzlichen Vermarktungsmöglichkeiten es durch den Frauenfußball geben kann. Viele Sponsoren machen dort mittlerweile ein Engagement im Frauenfußball zur Bedingung für eine Partnerschaft. Das ist eine starke Botschaft mit großer Wirkung.  

DFB.de: Von den mehr als sieben Millionen Mitgliedern des DFB sind rund 1,1 Millionen weiblich. Stimmt dieses Verhältnis für Sie?

Keller: Auch das zeigt, welche Möglichkeiten der Frauenfußball noch bietet. Denn selbstverständlich bin ich mit dieser Quote nicht zufrieden, auch wenn die Zahl der weiblichen Mitglieder im vergangenen Jahr um fast 11.000 angewachsen ist. Wir wollen viele weitere Mädchen und Frauen für den Fußball begeistern und die dafür nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Denn jedes Mädchen, das kicken möchte, muss auch die Chance dazu erhalten. In vielen Vereinen, und das mittlerweile nicht mehr nur in der Stadt, gibt es Wartelisten für Mädchen, die mit dem Fußballtraining beginnen wollen. Dieses große Interesse freut mich einerseits, andererseits macht es aber auch deutlich, dass nicht ausreichend Trainingszeiten und nicht genügend Trainerinnen und Trainer zur Verfügung stehen. Da müssen wir ran.

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Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Datum vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Rund um den Jubiläumstag widmet DFB.de dem Frauen- und Mädchenfußball eine Themenwoche. Mit vielen Geschichten, Interviews, Porträts und interessanten Fakten. Heute: DFB-Präsident Fritz Keller und seine Sympathie für den Frauenfußball.

DFB.de: Herr Keller, Sie gelten als Freund und Förderer des Frauenfußballs. Warum ist er für Sie eine Herzensangelegenheit?

Fritz Keller: Gegenfrage: Warum sollte er das nicht sein? Ich liebe den Fußball, also selbstverständlich auch den Frauenfußball. Denn es gibt nur einen Fußball - den für Frauen und Männer, für Amateure und Profis, für Kinder und Erwachsene. Beim SC Freiburg, dessen Präsident ich war, und wo Frauen seit 1975 kicken, haben wir das so ganz selbstverständlich gelebt und den Fußball stets als Einheit gesehen. Schließlich ist eine Investition in den Frauen- und Mädchenfußball eine Investition in die Zukunft. Einer meiner ersten öffentlichen Termine nach Amtsantritt beim DFB war deshalb auch die Ehrung der Gründungself der Hall of Fame des Frauenfußballs im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Eine tolle Veranstaltung, die ganz große Frauen gewürdigt hat, die unheimlich viel für unseren Sport getan haben und auf deren Verdienste wir sehr stolz sind.

DFB.de: Und dennoch feiern wir in diesem Jahr erst 50 Jahre Frauenfußball, wohingegen der erste Weltmeistertitel einer deutschen Männer-Nationalmannschaft bereits 66 Jahre zurückliegt. Also scheint es so selbstverständlich doch nicht zu sein.

Keller: Heute sollte es selbstverständlich sein, dass wir, wenn wir von Fußball sprechen, immer auch den Frauenfußball mitdenken. Natürlich müssen wir dafür beharrlich jeden Tag kämpfen. Aber wir machen sichtbare Fortschritte auf unserem Weg, zuletzt etwa haben viele Lizenzvereine ihr Engagement für den Frauenfußball deutlich ausgeweitet. Das sind starke Signale mit Strahlkraft. Aber, das stimmt natürlich, bis hierhin war der Aufstieg rasant, aber auch beschwerlich, weil unseren Fußballerinnen der eine oder andere Stein in den Weg gelegt wurde – auch vom DFB. Aber so wie unsere gesamte Gesellschaft auf dem Weg zur Gleichstellung in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht hat, auch wenn sie noch nicht hergestellt ist, hat sich zum Glück auch der DFB weiterentwickelt. Fehler sind dazu da, aus ihnen zu lernen.

DFB.de: Sie sprechen von Entwicklungen und Fortschritten. Sind Sie also zufrieden mit dem bisher Erreichten?

Keller: Ich bin stolz auf das, was unsere Fußballerinnen in Deutschland an Erfolgen auf und neben dem Platz errungen haben, teilweise gegen erhebliche Widerstände. Das kann man gar nicht hoch genug schätzen. Der Frauenfußball in Deutschland hat sich also fantastisch entwickelt. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass wir noch lange nicht den Höhepunkt dieser Entwicklung erreicht haben. Der Frauenfußball hat riesiges Potenzial, das wir gemeinsam heben müssen. Zusammen mit den Vereinen, den Sponsoren, den Medien und den Fans. Die Erfolgsgeschichte Frauenfußball hat noch kein Happy End, wenn Sie so wollen. Das wollen wir noch schreiben.

DFB.de: Das nächste Kapitel könnte die Weltmeisterschaft in sieben Jahren sein, die der DFB gemeinsam mit Belgien und der Niederlande ausrichten will.

Keller: Wir werden keine sieben Jahre auf weitere Fortschritte warten. Aber die Weltmeisterschaft 2027 soll natürlich ein weiterer wichtiger Baustein zur Stärkung des Frauenfußballs in Deutschland sein. Eine Weltmeisterschaft vor der eigenen Haustür ist die beste Werbung für einen Sport. Allerdings müssen auch die Ergebnisse unserer Nationalmannschaft stimmen. Das ausgezeichnet organisierte Turnier 2011 war leider nicht nachhaltig. Bei unserer aktuellen Nationalmannschaft habe ich allerdings keine Zweifel, dass sie 2027, aber auch schon bei der Europameisterschaft 2022 in England und der WM 2023 in Neuseeland und Australien eine gute Rolle spielen wird. Denn dieses junge, hervorragend von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg eingestellte Team begeistert nicht nur mit viel Spielfreude und ganz viel Talent auf dem Platz. Es hat eine herausragende EM-Qualifikation gespielt und sich mit sechs Siegen und ohne Gegentor vorzeitig für das Turnier in England qualifiziert. Unsere DFB-Frauen sind auch abseits des Feldes eine begeisternde Gemeinschaft mit viel Witz und Charme.

DFB.de: Jüngst sind wieder einige Nationalspielerinnen zu Vereinen mit klangvollen Namen ins Ausland gewechselt. Ist das für Sie Ausdruck der Qualität der deutschen Spielerinnen, oder müssen die deutschen Klubs aufpassen, international den Anschluss zu halten?

Keller: Von der Erfahrung, die unsere Spielerinnen bei Topklubs im Ausland sammeln, profitiert auch unsere Nationalmannschaft. Aber wir haben mit der FLYERALARM Frauen-Bundesliga eine hochattraktive Liga, die sich in allen Bereichen mit anderen europäischen Ligen messen kann. Sportlich und infrastrukturell ist sie bestens aufgestellt. Dass seit dieser Saison mit Eintracht Frankfurt ein weiterer Traditionsklub mit vielen leidenschaftlichen Anhängern in der Bundesliga spielt, wird sie weiter stärken. Ich danke der Eintracht ebenso für ihr Engagement wie Schalke 04 und Borussia Dortmund, die endlich ihr Herz für den Frauenfußball entdeckt haben. Sie werden es nicht bereuen. Nicht nur weil sie damit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen. Sondern wenn sie ins Ausland schauen, beispielswiese nach England, dann werden sie sehen, welche zusätzlichen Vermarktungsmöglichkeiten es durch den Frauenfußball geben kann. Viele Sponsoren machen dort mittlerweile ein Engagement im Frauenfußball zur Bedingung für eine Partnerschaft. Das ist eine starke Botschaft mit großer Wirkung.  

DFB.de: Von den mehr als sieben Millionen Mitgliedern des DFB sind rund 1,1 Millionen weiblich. Stimmt dieses Verhältnis für Sie?

Keller: Auch das zeigt, welche Möglichkeiten der Frauenfußball noch bietet. Denn selbstverständlich bin ich mit dieser Quote nicht zufrieden, auch wenn die Zahl der weiblichen Mitglieder im vergangenen Jahr um fast 11.000 angewachsen ist. Wir wollen viele weitere Mädchen und Frauen für den Fußball begeistern und die dafür nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Denn jedes Mädchen, das kicken möchte, muss auch die Chance dazu erhalten. In vielen Vereinen, und das mittlerweile nicht mehr nur in der Stadt, gibt es Wartelisten für Mädchen, die mit dem Fußballtraining beginnen wollen. Dieses große Interesse freut mich einerseits, andererseits macht es aber auch deutlich, dass nicht ausreichend Trainingszeiten und nicht genügend Trainerinnen und Trainer zur Verfügung stehen. Da müssen wir ran.

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