"Fußball und Frauen hat damals für viele nicht zusammengepasst"

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Datum vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Rund um den Jubiläumstag widmet DFB.de dem Frauen- und Mädchenfußball eine Themenwoche. Mit vielen Geschichten, Interviews, Porträts und interessanten Fakten. Heute: Monika Koch-Emsermann, die über zwei Jahrzehnte beim FSV Frankfurt eine der tapfersten und erfolgreichsten Pionierinnen war und dem Frauenfußball in Deutschland zu Akzeptanz und Anerkennung verhalf. Auf DFB.de blickt die heute 76-Jährige auf die prägenden Erfahrungen zurück.

Es war so, dass Frauen im Rheinland und anderswo vor der Aufhebung des bis 1970 gültigen Verbots bereits Fußball gespielt hatten. Dann hat der DFB 1970 beschlossen, die Frauen mit unter sein Dach zu nehmen. Davon hatte unsere Leichtathletik-Gruppe gehört. Wir  hatten zum Auflockern beim Training immer Fußball gespielt – oft zusammen mit den Männern. Mit Renate Baum war eine bei uns, die hatte schon damals immer Stollenschuhe angezogen, weil ihr der Fußball so wichtig war. Die war eigentlich still und zurückhaltend, aber sie traute sich, unseren Vorsitzenden Konrad Bauch zu fragen, ob wir nicht eine Frauen-Mannschaft aufbauen können. Er sagte ihr: "Wenn du zwölf Leute zum Kicken findest, erlauben wir das!"

"Einige Frauen trugen auf dem Platz noch Perlonstrümpfe"

Meine Sportart war das eigentlich nicht, aber ich war offen für alles, was neu ist. Ich konnte mir ja nicht vorstellen, was das später noch für Ausmaße annimmt. Der FSV Frankfurt hat dann beim Hessischen Fußball-Verband ein Team angemeldet: Wir haben die Pässe Nummer 1 bis 16 bekommen. Ich habe die Nummer 6 gehabt.  Als dann die erste Zeitungen darüber berichtet hatten, kamen auch Spielerinnen vom Handball oder Hockey zu uns. Plötzlich waren wir fast 30 Frauen. Jeder, der zwei Beine hatte und Laufen konnte, durfte mitspielen. Das galt auch für mich: Weil ich erst mit 28, 29 angefangen habe, war ich nicht gut am Ball, aber ich war schnell und wendig. Mir hat das Gefühl, gemeinsam zu spielen und zu siegen, total imponiert. Bei der Leichtathletik war ja eher jeder für sich alleine. Wir waren am Anfang ein bunter Haufen fußballbegeisterter Frauen, von denen einige auf dem Platz sogar noch Perlonstrümpfe trugen. (lacht) Es war eine verrückte Zeit, aber bei den Männern waren ja auch skurrile Gestalten dabei.

Die damaligen Regeln haben uns mehr behindert als gefördert. Wir durften nur in Nockenschuhen spielen, sodass wir auf tiefen, durchweichten Plätzen immer ausgerutscht sind. Die Spielzeit war verkürzt, im Winter durften wir gar nicht spielen. Wir sollten auch einen Jugendball nehmen, was wir nicht getan haben. Und in der damaligen Tschechoslowakei haben Ärzte einen Brustschutz zum Ballstoppen entwickelt. Es gab eine riesige Diskussion um diesen Brustpanzer. Da haben wir gesagt: "Wenn Euch der Ball auf die Hose fliegt, ist doch viel schlimmer."

"Muskulöse Beine sind nicht zwangsläufig hässlich"

Unser Präsident Bauch hatte uns in der Anfangszeit den Trainer Oskar Lotz besorgt, ein hoch angesehener Bundesligaprofi von Eintracht Frankfurt. Er war auch ein toller Trainer und hat uns den Leistungsgedanken eingeimpft. Aber alle, die danach kamen, waren nichts. So hat dann 1974 die Spielführerin Evelyn Bellersheim zu mir gesagt: "Monika, mach du es lieber! Du bist zwar nicht die beste Technikerin, aber du bist die beste Organisatorin und kannst uns am besten zusammenhalten." Mit der neuen Aufgabe war mein Ehrgeiz geweckt. Ich wollte eine fundierte Ausbildung und bewarb mich beim Hessischen Fußball-Verband um einen Platz für die B-Lizenz. Abgelehnt wurde ich mit der Begründung, dass es in der Sportschule Grünberg Duschen, Toiletten und Zimmer nur für Männer gab. Aber ich habe mich nicht abwimmeln lassen. Der Verbandstrainer Rudi Gellesch hat dann einen ersten Vorbereitungslehrgang für einige Frauen ins Leben gerufen. Ich blieb für den Abschlusslehrgang als einzige übrig und bekam im Juli 1976 die Einladung zur Prüfungswoche. Als die Männer mich sahen, dachten die wohl, die Sekretärin ist schon da. Ich habe gesagt, dass ich mit ihnen den B-Schein machen möchte.

Fußball und Frauen – das hat damals für viele nicht zusammengepasst. Mütter haben gesagt: "Ich will nicht, dass meine Tochter spielt, dann bekommt sie dicke Beine." Ich musste dann immer dagegen argumentieren, dass muskulöse Beine nicht zwangsläufig hässlich sind. Auch meine Mutter hat es ganz furchtbar gefunden, dass ich etwas mit Fußball zu tun hatte. Sie hatte sich für mich geschämt. Das hat sich erst geändert, als wir im Verein und mit der Nationalmannschaft die ersten Erfolge feiern konnten. Diese fehlende Wertschätzung habe ich leider immer auch in meinem Verein gespürt. Die meisten waren gegen uns Frauen, weil wir einen Trainingsplatz belegten, weil wir uns Geld von Sponsoren besorgt hatten. Es war ein ständiger Kampf. Wenn uns das Frankfurter Sport- und Bäderamt erlaubt hatte, auf dem Rasenplatz zu spielen, hat das vielen nicht gepasst. Wir waren eine ungeliebte Abteilung.

"Ich wollte zeigen, was Frauen leisten können"

Ich wollte ja etwas verändern. Ich habe es nicht eingesehen, dass alles so schleppend vorangeht. Deswegen habe ich auch den Verband vor den Kopf gestoßen. Viele fühlten sich von mir auf den Schlips getreten, wenn ich mal direkt zum Otto Andres, dem Präsidenten des Hessischen Fußball-Verbandes, gegangen bin. Damit habe ich mir natürlich total viele Feinde gemacht.

Ich habe mich furchtbar echauffiert, dass wir für die Teilnahme an unserem ersten DFB-Pokalendspiel 1985 nur 15.000 Mark bekommen haben – aber so viel hatte allein das Hotel in Berlin gekostet! Wir haben mehrfach im Pokalfinale gestanden und fast jedesmal hat uns das Geld gekostet. Das fand ich einfach nicht in Ordnung. Letztendlich hat mich das immer nur angestachelt, noch mehr zu wollen, noch besser zu werden und zu zeigen, was Frauen leisten können.

[fb]

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Datum vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Rund um den Jubiläumstag widmet DFB.de dem Frauen- und Mädchenfußball eine Themenwoche. Mit vielen Geschichten, Interviews, Porträts und interessanten Fakten. Heute: Monika Koch-Emsermann, die über zwei Jahrzehnte beim FSV Frankfurt eine der tapfersten und erfolgreichsten Pionierinnen war und dem Frauenfußball in Deutschland zu Akzeptanz und Anerkennung verhalf. Auf DFB.de blickt die heute 76-Jährige auf die prägenden Erfahrungen zurück.

Es war so, dass Frauen im Rheinland und anderswo vor der Aufhebung des bis 1970 gültigen Verbots bereits Fußball gespielt hatten. Dann hat der DFB 1970 beschlossen, die Frauen mit unter sein Dach zu nehmen. Davon hatte unsere Leichtathletik-Gruppe gehört. Wir  hatten zum Auflockern beim Training immer Fußball gespielt – oft zusammen mit den Männern. Mit Renate Baum war eine bei uns, die hatte schon damals immer Stollenschuhe angezogen, weil ihr der Fußball so wichtig war. Die war eigentlich still und zurückhaltend, aber sie traute sich, unseren Vorsitzenden Konrad Bauch zu fragen, ob wir nicht eine Frauen-Mannschaft aufbauen können. Er sagte ihr: "Wenn du zwölf Leute zum Kicken findest, erlauben wir das!"

"Einige Frauen trugen auf dem Platz noch Perlonstrümpfe"

Meine Sportart war das eigentlich nicht, aber ich war offen für alles, was neu ist. Ich konnte mir ja nicht vorstellen, was das später noch für Ausmaße annimmt. Der FSV Frankfurt hat dann beim Hessischen Fußball-Verband ein Team angemeldet: Wir haben die Pässe Nummer 1 bis 16 bekommen. Ich habe die Nummer 6 gehabt.  Als dann die erste Zeitungen darüber berichtet hatten, kamen auch Spielerinnen vom Handball oder Hockey zu uns. Plötzlich waren wir fast 30 Frauen. Jeder, der zwei Beine hatte und Laufen konnte, durfte mitspielen. Das galt auch für mich: Weil ich erst mit 28, 29 angefangen habe, war ich nicht gut am Ball, aber ich war schnell und wendig. Mir hat das Gefühl, gemeinsam zu spielen und zu siegen, total imponiert. Bei der Leichtathletik war ja eher jeder für sich alleine. Wir waren am Anfang ein bunter Haufen fußballbegeisterter Frauen, von denen einige auf dem Platz sogar noch Perlonstrümpfe trugen. (lacht) Es war eine verrückte Zeit, aber bei den Männern waren ja auch skurrile Gestalten dabei.

Die damaligen Regeln haben uns mehr behindert als gefördert. Wir durften nur in Nockenschuhen spielen, sodass wir auf tiefen, durchweichten Plätzen immer ausgerutscht sind. Die Spielzeit war verkürzt, im Winter durften wir gar nicht spielen. Wir sollten auch einen Jugendball nehmen, was wir nicht getan haben. Und in der damaligen Tschechoslowakei haben Ärzte einen Brustschutz zum Ballstoppen entwickelt. Es gab eine riesige Diskussion um diesen Brustpanzer. Da haben wir gesagt: "Wenn Euch der Ball auf die Hose fliegt, ist doch viel schlimmer."

"Muskulöse Beine sind nicht zwangsläufig hässlich"

Unser Präsident Bauch hatte uns in der Anfangszeit den Trainer Oskar Lotz besorgt, ein hoch angesehener Bundesligaprofi von Eintracht Frankfurt. Er war auch ein toller Trainer und hat uns den Leistungsgedanken eingeimpft. Aber alle, die danach kamen, waren nichts. So hat dann 1974 die Spielführerin Evelyn Bellersheim zu mir gesagt: "Monika, mach du es lieber! Du bist zwar nicht die beste Technikerin, aber du bist die beste Organisatorin und kannst uns am besten zusammenhalten." Mit der neuen Aufgabe war mein Ehrgeiz geweckt. Ich wollte eine fundierte Ausbildung und bewarb mich beim Hessischen Fußball-Verband um einen Platz für die B-Lizenz. Abgelehnt wurde ich mit der Begründung, dass es in der Sportschule Grünberg Duschen, Toiletten und Zimmer nur für Männer gab. Aber ich habe mich nicht abwimmeln lassen. Der Verbandstrainer Rudi Gellesch hat dann einen ersten Vorbereitungslehrgang für einige Frauen ins Leben gerufen. Ich blieb für den Abschlusslehrgang als einzige übrig und bekam im Juli 1976 die Einladung zur Prüfungswoche. Als die Männer mich sahen, dachten die wohl, die Sekretärin ist schon da. Ich habe gesagt, dass ich mit ihnen den B-Schein machen möchte.

Fußball und Frauen – das hat damals für viele nicht zusammengepasst. Mütter haben gesagt: "Ich will nicht, dass meine Tochter spielt, dann bekommt sie dicke Beine." Ich musste dann immer dagegen argumentieren, dass muskulöse Beine nicht zwangsläufig hässlich sind. Auch meine Mutter hat es ganz furchtbar gefunden, dass ich etwas mit Fußball zu tun hatte. Sie hatte sich für mich geschämt. Das hat sich erst geändert, als wir im Verein und mit der Nationalmannschaft die ersten Erfolge feiern konnten. Diese fehlende Wertschätzung habe ich leider immer auch in meinem Verein gespürt. Die meisten waren gegen uns Frauen, weil wir einen Trainingsplatz belegten, weil wir uns Geld von Sponsoren besorgt hatten. Es war ein ständiger Kampf. Wenn uns das Frankfurter Sport- und Bäderamt erlaubt hatte, auf dem Rasenplatz zu spielen, hat das vielen nicht gepasst. Wir waren eine ungeliebte Abteilung.

"Ich wollte zeigen, was Frauen leisten können"

Ich wollte ja etwas verändern. Ich habe es nicht eingesehen, dass alles so schleppend vorangeht. Deswegen habe ich auch den Verband vor den Kopf gestoßen. Viele fühlten sich von mir auf den Schlips getreten, wenn ich mal direkt zum Otto Andres, dem Präsidenten des Hessischen Fußball-Verbandes, gegangen bin. Damit habe ich mir natürlich total viele Feinde gemacht.

Ich habe mich furchtbar echauffiert, dass wir für die Teilnahme an unserem ersten DFB-Pokalendspiel 1985 nur 15.000 Mark bekommen haben – aber so viel hatte allein das Hotel in Berlin gekostet! Wir haben mehrfach im Pokalfinale gestanden und fast jedesmal hat uns das Geld gekostet. Das fand ich einfach nicht in Ordnung. Letztendlich hat mich das immer nur angestachelt, noch mehr zu wollen, noch besser zu werden und zu zeigen, was Frauen leisten können.

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