Neuendorf: "Ich werde nicht locker lassen"

Weniger als drei Wochen vor Beginn der WM wurde auf einer Podiumsdiskussion im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund unter dem Thema "Wa(h)re Weltmeisterschaft - Fußball und Menschenrechte in Katar" über den politischen Hintergrund des umstrittenen Turniers und seines Ausrichters gesprochen. Mit dabei war DFB-Präsident Bernd Neuendorf. DFB.de hat die wichtigsten Aussagen mitgeschrieben.

Bernd Neuendorf über...

… auf der Reise nach Katar dargebrachte Forderungen: Bundesinnenministerin Nancy Faeser war es besonders wichtig, eine Aussage von katarischer Seite zu erhalten, dass sich alle Menschen, egal welchen Glaubens, welcher sexuellen Orientierung, welcher Hautfarbe, sich sicher fühlen können in diesem Land. Diese Zusage hat sie vom Premierminister erhalten. Mir ging es zudem ganz besonders darum, dass die FIFA eine hohe Verantwortung in Richtung der Menschenrechte übernimmt. Dies betrifft insbesondere einen Fond, den ich unterstütze, mit dem Menschen und Arbeiter, die beim Bau ums Leben gekommen oder verletzt worden sind, entschädigt werden müssen. Dies steht selbst in den Regulären der FIFA. Es ist nicht nur bedeutsam, dass wir Zusagen der sportpolitischen Seite bekommen, sondern dass sich Katar politisch dazu bekennt, und das ist durch die Reise gelungen.

… den angedachten "Entschädigungsfond": Wir haben in Katar den Eindruck gewonnen, dass man drüber nachdenkt, wie man so einen Fonds aufsetzen und gestalten kann. Die Äußerungen der Absage für diesen Fonds haben mich irritiert. Wir werden es zum Anlass nehmen zu hören, wie man diese einordnen muss. Eine zentrale Forderung des DFB ist auch gewesen, dass man eine Art Working Center mit Rechtsbeistand etabliert. Auch hier hatten wir den Eindruck, dass wir nicht auf brüske Ablehnung gestoßen sind. Wir haben uns als Europäer seit geraumer Zeit mit neun oder zehn Nationen, die am Turnier teilnehmen, als "Working Group for Qatar" zusammengetan und als Gruppe eine gemeinsame Position erarbeitet.

… mögliche Boykottgedanken: Die Reise mit der Bundesinnenministerin und das Drängen auf Veränderungen in Katar hätte so nicht stattgefunden, wenn wir boykottiert hätten. Das muss man ganz ehrlich sagen. Ich bin ein Verfechter davon, dass man Zugänge und Drähte nutzt, um die Kräfte in Katar zu stärken, die Veränderungen wollen. Diese gibt es auch. Es gibt dort eine heterogene Gesellschaft wie bei uns auch. Wir müssen diejenigen ermuntern, die die fortschrittlichen Kräfte sind und auf diese Veränderungen hinarbeiten. Das ist mein Ansinnen, und ich werde auch nicht locker lassen, diese Menschen in ihren Reformbemühungen zu unterstützen. Ich werde die Zeit in Katar für weitere Begegnungen und Gespräche nutzen und versuchen zu erreichen, dass die Menschen dafür enschädigt werden, was sie auf den Baustellen erleben mussten. Dafür werde ich weiter eintreten.

... den Umgang mit der WM im TV: Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er die Spiele anschauen möchte oder nicht. Es gibt immer noch viele Menschen, die fußballbegeistert sind und die Spiele sehen möchten. Es gibt andere, die es nicht tun, das ist völlig akzeptabel. Ich werde in keinster Weise irgendwen als Verband bevormunden wollen. Jeder sollte seine eigene Meinung bilden, wie er mit dieser WM umgeht.

… die Haltung von Spielern zur Situation in Katar: Von Spielern wird immer erwartet, dass sie sich bekennen und Zeichen setzen. Wir haben überlegt, wie wir die Spieler einbinden. Vor Länderspielen gab es Meetings mit Amnesty International und Human Rights Watch. Wir haben über die Lage in Katar offen und transparent diskutiert, die Spieler konnten Fragen stellen. Wir haben einen Menschenrechtskongress in Frankfurt veranstaltet, wo auch Nationalspieler in Arbeitsgruppen mitdiskutiert haben. Ich wehre mich gegen den Begriff Arbeitsteilung zwischen Funktionären und Spielern. Die Spieler sind sehr intelligente und mündige junge Persönlichkeiten, die sich sehr wohl mit der Lage beschäftigt haben. Niemand soll denken, den Spielern sei egal, was dort passiert.

… künftige Turniervergaben: Der Fußball und die Vergabe solcher Großereignisse ist längst zu einem politischen Thema geworden. Früher sind die Entscheidungen in den Sportverbänden getroffen worden. Sport und Politik haben sich verändert. Die Vergabe nach Katar hat dazu geführt, dass es zu Veränderungen gekommen ist. Die FIFA hat aufgrund öffentlichen Drucks eine Passage zu Menschenrechten aufgenommen, was künftige Vergaben von Weltmeisterschaften anbelangt. Das zeigt, dass die Vergabe an Katar und vielleicht auch an Russland heute schwer vorstellbar wäre. Die Bedingungen, unter denen die Vergabe erfolgt, haben sich verändert. Und sie müssen sich auch verändern. Ich werde sehr darauf achten, dass Menschenrechtskriterien und Nachhaltigkeit in den kommenden Vergaben eine entscheidende Rolle spielen.

… Lehren aus den Erfahrungen für die EURO 2024: Wir haben gar nicht so sehr auf Katar geguckt. Nachhaltigkeit war ein großes Thema. Nicht nur auf ökologischer, sondern auch auf ökonomische Aspekte sowie soziale Nachhaltigkeit für die Gesellschaft bezogen. Wenn das Turnier in Katar vorbei ist, wird sich alles um die EURO drehen. Schon bei der Auslosung haben Nachhaltigkeitsaspekte eine Rolle gespielt. Beispielsweise sind Regionen bei den EM-Gruppen geclustert, alle Gruppenspiele für die vier Mannschaften und ihre Fans gut zu erreichen. Das ist der erste Schritt für ein nachhaltiges Turnier.

… Vorsätze für die EURO 2024: Wir wollen ein transparenter und ehrlicher Verband sein. Wir werden Dinge dokumentieren und überprüfen. Wir werden versuchen, den harten Kriterien, die wir uns selber geben, auch gerecht zu werden. Ich bin der Letzte der sagen würde, dass wir ein nachhaltiges Turnier deklarieren und hinterher wird alles schöngeredet. Das wird nicht passieren.

[dfb]

Weniger als drei Wochen vor Beginn der WM wurde auf einer Podiumsdiskussion im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund unter dem Thema "Wa(h)re Weltmeisterschaft - Fußball und Menschenrechte in Katar" über den politischen Hintergrund des umstrittenen Turniers und seines Ausrichters gesprochen. Mit dabei war DFB-Präsident Bernd Neuendorf. DFB.de hat die wichtigsten Aussagen mitgeschrieben.

Bernd Neuendorf über...

… auf der Reise nach Katar dargebrachte Forderungen: Bundesinnenministerin Nancy Faeser war es besonders wichtig, eine Aussage von katarischer Seite zu erhalten, dass sich alle Menschen, egal welchen Glaubens, welcher sexuellen Orientierung, welcher Hautfarbe, sich sicher fühlen können in diesem Land. Diese Zusage hat sie vom Premierminister erhalten. Mir ging es zudem ganz besonders darum, dass die FIFA eine hohe Verantwortung in Richtung der Menschenrechte übernimmt. Dies betrifft insbesondere einen Fond, den ich unterstütze, mit dem Menschen und Arbeiter, die beim Bau ums Leben gekommen oder verletzt worden sind, entschädigt werden müssen. Dies steht selbst in den Regulären der FIFA. Es ist nicht nur bedeutsam, dass wir Zusagen der sportpolitischen Seite bekommen, sondern dass sich Katar politisch dazu bekennt, und das ist durch die Reise gelungen.

… den angedachten "Entschädigungsfond": Wir haben in Katar den Eindruck gewonnen, dass man drüber nachdenkt, wie man so einen Fonds aufsetzen und gestalten kann. Die Äußerungen der Absage für diesen Fonds haben mich irritiert. Wir werden es zum Anlass nehmen zu hören, wie man diese einordnen muss. Eine zentrale Forderung des DFB ist auch gewesen, dass man eine Art Working Center mit Rechtsbeistand etabliert. Auch hier hatten wir den Eindruck, dass wir nicht auf brüske Ablehnung gestoßen sind. Wir haben uns als Europäer seit geraumer Zeit mit neun oder zehn Nationen, die am Turnier teilnehmen, als "Working Group for Qatar" zusammengetan und als Gruppe eine gemeinsame Position erarbeitet.

… mögliche Boykottgedanken: Die Reise mit der Bundesinnenministerin und das Drängen auf Veränderungen in Katar hätte so nicht stattgefunden, wenn wir boykottiert hätten. Das muss man ganz ehrlich sagen. Ich bin ein Verfechter davon, dass man Zugänge und Drähte nutzt, um die Kräfte in Katar zu stärken, die Veränderungen wollen. Diese gibt es auch. Es gibt dort eine heterogene Gesellschaft wie bei uns auch. Wir müssen diejenigen ermuntern, die die fortschrittlichen Kräfte sind und auf diese Veränderungen hinarbeiten. Das ist mein Ansinnen, und ich werde auch nicht locker lassen, diese Menschen in ihren Reformbemühungen zu unterstützen. Ich werde die Zeit in Katar für weitere Begegnungen und Gespräche nutzen und versuchen zu erreichen, dass die Menschen dafür enschädigt werden, was sie auf den Baustellen erleben mussten. Dafür werde ich weiter eintreten.

... den Umgang mit der WM im TV: Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er die Spiele anschauen möchte oder nicht. Es gibt immer noch viele Menschen, die fußballbegeistert sind und die Spiele sehen möchten. Es gibt andere, die es nicht tun, das ist völlig akzeptabel. Ich werde in keinster Weise irgendwen als Verband bevormunden wollen. Jeder sollte seine eigene Meinung bilden, wie er mit dieser WM umgeht.

… die Haltung von Spielern zur Situation in Katar: Von Spielern wird immer erwartet, dass sie sich bekennen und Zeichen setzen. Wir haben überlegt, wie wir die Spieler einbinden. Vor Länderspielen gab es Meetings mit Amnesty International und Human Rights Watch. Wir haben über die Lage in Katar offen und transparent diskutiert, die Spieler konnten Fragen stellen. Wir haben einen Menschenrechtskongress in Frankfurt veranstaltet, wo auch Nationalspieler in Arbeitsgruppen mitdiskutiert haben. Ich wehre mich gegen den Begriff Arbeitsteilung zwischen Funktionären und Spielern. Die Spieler sind sehr intelligente und mündige junge Persönlichkeiten, die sich sehr wohl mit der Lage beschäftigt haben. Niemand soll denken, den Spielern sei egal, was dort passiert.

… künftige Turniervergaben: Der Fußball und die Vergabe solcher Großereignisse ist längst zu einem politischen Thema geworden. Früher sind die Entscheidungen in den Sportverbänden getroffen worden. Sport und Politik haben sich verändert. Die Vergabe nach Katar hat dazu geführt, dass es zu Veränderungen gekommen ist. Die FIFA hat aufgrund öffentlichen Drucks eine Passage zu Menschenrechten aufgenommen, was künftige Vergaben von Weltmeisterschaften anbelangt. Das zeigt, dass die Vergabe an Katar und vielleicht auch an Russland heute schwer vorstellbar wäre. Die Bedingungen, unter denen die Vergabe erfolgt, haben sich verändert. Und sie müssen sich auch verändern. Ich werde sehr darauf achten, dass Menschenrechtskriterien und Nachhaltigkeit in den kommenden Vergaben eine entscheidende Rolle spielen.

… Lehren aus den Erfahrungen für die EURO 2024: Wir haben gar nicht so sehr auf Katar geguckt. Nachhaltigkeit war ein großes Thema. Nicht nur auf ökologischer, sondern auch auf ökonomische Aspekte sowie soziale Nachhaltigkeit für die Gesellschaft bezogen. Wenn das Turnier in Katar vorbei ist, wird sich alles um die EURO drehen. Schon bei der Auslosung haben Nachhaltigkeitsaspekte eine Rolle gespielt. Beispielsweise sind Regionen bei den EM-Gruppen geclustert, alle Gruppenspiele für die vier Mannschaften und ihre Fans gut zu erreichen. Das ist der erste Schritt für ein nachhaltiges Turnier.

… Vorsätze für die EURO 2024: Wir wollen ein transparenter und ehrlicher Verband sein. Wir werden Dinge dokumentieren und überprüfen. Wir werden versuchen, den harten Kriterien, die wir uns selber geben, auch gerecht zu werden. Ich bin der Letzte der sagen würde, dass wir ein nachhaltiges Turnier deklarieren und hinterher wird alles schöngeredet. Das wird nicht passieren.

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