"Drei Stunden sind okay, zehn Stunden nicht"

Angesichts der sinkenden Bereitschaft in breiten (nicht allen) Teilen der Bevölkerung, sich im Sport langfristig und verbindlich ehrenamtlich zu engagieren, stehen Europas Fußballverbände vor der gleichermaßen wichtigen wie komplizierten Aufgabe, mit weniger Menschen dieselben Ergebnisse zu erzielen. Und wenn es um die Ansprache neuer Ehrenamtler geht – sei es als Jugendtrainer, Kassierer oder Vereinsvorsitzender – müssen neue, zeitgemäße Formen gefunden werden. Der Deutsche Fußball-Bund gilt europaweit als ein Vorreiter dieser Entwicklung. Das weckt auch international Interesse. Noch bis Mittwoch informiert der DFB in der Sportschule Kamen-Kaiserau und im Rahmen einer UEFA-Study-Group über seine "Ehrenamts-Philosophie". Verantwortliche Mitarbeiter des Königlich-Niederländischen Fußball-Bundes (KNVB), des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB), des Schweizerischen Fußballverbands (SFV), die Liechtensteiner Fußballverbands (LFV) und der Fedération Luxembourgoise de Football (FLF) sind der Einladung nach Westfalen gefolgt.

Peter Frymuth leitete lange die Geschicke von Fortuna Düsseldorf, unter seiner Präsidentschaft schaffte der Klub 2012 den Sprung in die Bundesliga. Im Oktober 2013 stieg der heute 58-Jährige in das DFB-Präsidium auf, dort vertritt er heute die Bereiche '3. Liga', 'DFB-Pokal' und eben auch das Ehrenamt. Frymuth ärgert sich über "zuviel Selbstverständlichkeit", wenn es um die wertvolle Arbeit an der Fußballbasis gehe. "Eine Blaupause, wie ich den ehrenamtlichen Mitarbeiter gewinne, gibt es nicht", sagte Peter Frymuth zu Beginn des dreitägigen Treffens der UEFA-Gruppe am Montag. Klar aber sei auch, dass "wir jeden einzeln gewinnen müssen, nachdem wir sie mit anderen Mitteln vorher aufmerksam gemacht haben". Die Amateurfußball-Kampagne "Unsere Amateure, echte Profis" etwa habe in den vergangenen Jahren für eine Aufpolierung des Images ehrenamtlicher Tätigkeiten gesorgt.

Image ist wichtig, harte Zahlen auch

Image ist wichtig, harte Zahlen auch. Seit Jahren beobachtet man beim DFB und den 21 Landesverbänden, wie die Anzahl der Ehrenamtler im Fußball abnimmt. Frymuth spricht von "einem veränderten Zeitgeist" und "anderen Ansprüchen im Berufsleben", sein Vorgänger im DFB-Präsidium Hermann Korfmacher von einer "verdichteten Schul- und Arbeitswelt". Korfmacher, der als Präsident des Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes weiterhin den zweitgrößten Landesverband leitet, sagt: "Die Laufbahn von den Bambinis bis in die Vorstandsetage wird seltener. Das Mitwirken im Verein wird temporärer und projektbezogener." Immerhin, der befürchtete Absturz konnte vermieden werden. "Die Anzahl ehrenamtlich Engagierter auf der Vorstandsebene ist weiter zurückgegangen. Dagegen hat die Anzahl an Positionen auf der Ausführungsebene weiter zugenommen. Insgesamt ist die Anzahl der ehrenamtlichen Positionen im Vergleich zu 2009 stabil geblieben", stand im Entwicklungsbericht des Bundesinstituts für Sportwissenschaft aus dem Jahr 2013 nachzulesen. Die Bestandserhebung für den Fußball fällt ähnlich aus. In den 26.000 Vereinen sind 380.000 ehrenamtliche Funktionsträger tätig. Dazu kommen noch mal 1,3 Millionen freiwillig Engagierte. Der Trend geht klar zur projektbezogenen Unterstützung, etwa der Mitarbeit beim Sommerfest oder beim großen Hallenturnier.

Von den 380.000 ehrenamtlichen Funktionsträgern sind etwa 200.000 als Trainer engagiert, rund 55.000 engagieren sich im Vorstand. Diese Gruppe von rund einer Viertelmillionen will Willi Hink, 57, gezielt ansprechen. Als einer von fünf Direktoren beim größten Sportverband der Welt ist Hink unter anderem für den Breitenfußball verantwortlich. "Als Dachverband müssen wir unsere Vereine und Kreise fit für die Zukunft machen, auch wenn es um das neue Ehrenamt geht. Dabei konzentrieren wir uns auf die Schlüsselfunktionen im Verein, also den Vorsitzenden, den Abteilungsleiter Fußball, den Jugendleiter, den Schatzmeister und die Trainer", sagt Hink.



Angesichts der sinkenden Bereitschaft in breiten (nicht allen) Teilen der Bevölkerung, sich im Sport langfristig und verbindlich ehrenamtlich zu engagieren, stehen Europas Fußballverbände vor der gleichermaßen wichtigen wie komplizierten Aufgabe, mit weniger Menschen dieselben Ergebnisse zu erzielen. Und wenn es um die Ansprache neuer Ehrenamtler geht – sei es als Jugendtrainer, Kassierer oder Vereinsvorsitzender – müssen neue, zeitgemäße Formen gefunden werden. Der Deutsche Fußball-Bund gilt europaweit als ein Vorreiter dieser Entwicklung. Das weckt auch international Interesse. Noch bis Mittwoch informiert der DFB in der Sportschule Kamen-Kaiserau und im Rahmen einer UEFA-Study-Group über seine "Ehrenamts-Philosophie". Verantwortliche Mitarbeiter des Königlich-Niederländischen Fußball-Bundes (KNVB), des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB), des Schweizerischen Fußballverbands (SFV), die Liechtensteiner Fußballverbands (LFV) und der Fedération Luxembourgoise de Football (FLF) sind der Einladung nach Westfalen gefolgt.

Peter Frymuth leitete lange die Geschicke von Fortuna Düsseldorf, unter seiner Präsidentschaft schaffte der Klub 2012 den Sprung in die Bundesliga. Im Oktober 2013 stieg der heute 58-Jährige in das DFB-Präsidium auf, dort vertritt er heute die Bereiche '3. Liga', 'DFB-Pokal' und eben auch das Ehrenamt. Frymuth ärgert sich über "zuviel Selbstverständlichkeit", wenn es um die wertvolle Arbeit an der Fußballbasis gehe. "Eine Blaupause, wie ich den ehrenamtlichen Mitarbeiter gewinne, gibt es nicht", sagte Peter Frymuth zu Beginn des dreitägigen Treffens der UEFA-Gruppe am Montag. Klar aber sei auch, dass "wir jeden einzeln gewinnen müssen, nachdem wir sie mit anderen Mitteln vorher aufmerksam gemacht haben". Die Amateurfußball-Kampagne "Unsere Amateure, echte Profis" etwa habe in den vergangenen Jahren für eine Aufpolierung des Images ehrenamtlicher Tätigkeiten gesorgt.

Image ist wichtig, harte Zahlen auch

Image ist wichtig, harte Zahlen auch. Seit Jahren beobachtet man beim DFB und den 21 Landesverbänden, wie die Anzahl der Ehrenamtler im Fußball abnimmt. Frymuth spricht von "einem veränderten Zeitgeist" und "anderen Ansprüchen im Berufsleben", sein Vorgänger im DFB-Präsidium Hermann Korfmacher von einer "verdichteten Schul- und Arbeitswelt". Korfmacher, der als Präsident des Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes weiterhin den zweitgrößten Landesverband leitet, sagt: "Die Laufbahn von den Bambinis bis in die Vorstandsetage wird seltener. Das Mitwirken im Verein wird temporärer und projektbezogener." Immerhin, der befürchtete Absturz konnte vermieden werden. "Die Anzahl ehrenamtlich Engagierter auf der Vorstandsebene ist weiter zurückgegangen. Dagegen hat die Anzahl an Positionen auf der Ausführungsebene weiter zugenommen. Insgesamt ist die Anzahl der ehrenamtlichen Positionen im Vergleich zu 2009 stabil geblieben", stand im Entwicklungsbericht des Bundesinstituts für Sportwissenschaft aus dem Jahr 2013 nachzulesen. Die Bestandserhebung für den Fußball fällt ähnlich aus. In den 26.000 Vereinen sind 380.000 ehrenamtliche Funktionsträger tätig. Dazu kommen noch mal 1,3 Millionen freiwillig Engagierte. Der Trend geht klar zur projektbezogenen Unterstützung, etwa der Mitarbeit beim Sommerfest oder beim großen Hallenturnier.

Von den 380.000 ehrenamtlichen Funktionsträgern sind etwa 200.000 als Trainer engagiert, rund 55.000 engagieren sich im Vorstand. Diese Gruppe von rund einer Viertelmillionen will Willi Hink, 57, gezielt ansprechen. Als einer von fünf Direktoren beim größten Sportverband der Welt ist Hink unter anderem für den Breitenfußball verantwortlich. "Als Dachverband müssen wir unsere Vereine und Kreise fit für die Zukunft machen, auch wenn es um das neue Ehrenamt geht. Dabei konzentrieren wir uns auf die Schlüsselfunktionen im Verein, also den Vorsitzenden, den Abteilungsleiter Fußball, den Jugendleiter, den Schatzmeister und die Trainer", sagt Hink.

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Hink: "Viererkette des Ehrenamts"

Die Zielgruppe ist definiert, die Botschaft formuliert. Hink spricht von der "Viererkette des Ehrenamts" – zu der zählen vier unterscheidbare Aufgaben, denen sich Fußballvereine widmen. Und die, jede für sich, zeitgemäß gestaltet werden muss. Gewinnen, Qualifizieren, Binden und Verabschieden: so stellt sich diese Viererkette auf. Beim "Gewinnen" zeigen Forschung wie auch praktische Erfahrung, dass die direkte Ansprache am wirksamsten funktioniert. Für über 70 Prozent neuer ehrenamtlicher Mitarbeiter war die persönliche Einladung ausschlaggebend. Kommunikative Maßnahmen wie Anzeigen, TV-Spots oder mediale Berichterstattung bewegen fast niemanden dazu, ab morgen bei seinem Heimatverein einzusteigen. Die Wirkung ist bestenfalls vorbereitend.

Der zweite Akteur in der Viererkette, die Qualifizierung, spielt eine zentrale Rolle. Wolfgang Möbius, fürs Ehrenamt verantwortlicher Abteilungsleiter des DFB, betont: "Ehrenamt verstehen wir heute viel mehr als Mitarbeiterentwicklung. Es ist doch längst kein vererbtes Verhalten mehr, dass jemand sich über Jahrzehnte für seinen Verein aufopfert. Diese Heimatbindung hat einfach nachgelassen, heute müssen die Vereine mehr individuelle Anreize schaffen. Und wenn die ehrenamtliche Arbeit das Gerüst des Fußballs in Deutschland ist, dann sollten wir das Ehrenamt als Mitarbeiterentwicklung verstehen." Unter Binden fällt auch die Ehrungskultur, also die Wertschätzung für Menschen, die unentgeltlich für ihren Verein arbeiten. Hundert ausgewählte Ehrenamtler werden etwa jedes Jahr in den "Club 100" zu einem Länderspiel der Nationalmannschaft eingeladen. Mit der im Herbst auf www.fussball.de startenden Kampagne "Fußballhelden" will man speziell jüngere Fußballerinnen und Fußballer ansprechen. Möbius: "Wir müssen die talentierten jungen Ehrenamtlichen unter 30 Jahren stark machen." Gleichzeitig will der DFB den Ausstieg älterer Ehrenamtler besser begleiten.

Technologischer Fortschritt hilft Schwund aufzufangen

Die Holländerin Marielle Splinter ist eine Fachfrau für das Ehrenamt im Sport. Schon in ihrer Heimat organisierte sie erste Projekte, dann unterschrieb die ehemalige Eisschnellläuferin beim Schweizer Fußballverband und entwickelte gemeinsam mit dem Institut für Sportwissenschaften der Universität Bern die Kampagne "Mehr Freiwillige im Fußball". Sie erzielte Rekordergebnisse. Mit Splinters Methode fanden die Vereine plötzliche ehrenamtliche Helfer. Ein Jahr danach waren noch 93 Prozent der Stellen besetzt. Splinter sagt: "Man muss Aufgaben aufteilen. Viele können sich vorstellen drei Stunden in der Woche für ihren Verein aktiv zu sein, aber eben nicht zehn. Die Erstansprache muss ehrlich sein, dabei empfiehlt es sich positiv zu reden. Es geht um den persönlichen Gewinn für den zukünftigen Ehrenamtler, nicht um die Notlage des Vereins. Man muss Begeisterung wecken, den Wunsch, auch zu dieser Gruppe gehören zu wollen."

Nicht zuletzt dank einer durch den DFB angeschobenen technologischen Evolution verkraftet es der Fußball, dass die Vorstände heute dünner besetzt sind. Die Spielberechtigung, der Vereinswechsel, die Ergebnisübermittlung – alles funktioniert heute per Mausklick. Und auch sonst sollen die Vereine bei der zeitgemäßen Gewinnung, Qualifizierung, Bindung und Verabschiedung von ehrenamtlichen Funktionsträgern unterstützt werden. Die dreitägige Tagung in Kamen-Kaiserau versteht Willi Hink auch als Signal, die Bemühungen um das Ehrenamt auch in Europa weiter zu verstärken. "Wir wollen einen Impuls an die UEFA senden." Denn auch in den anderen Nationalverbänden, gerade in den Niederlanden, entwickelt man neue Ansätze zum Ehrenamt. Aber nirgendwo ist man so weit wie in Deutschland.

Die neuen Ideen kommen genau zur rechten Zeit. Und bei allem Drang zum Neuen, ist das wohl keine neue Erkenntnis. Schon 400 Jahre vor Christi wusste der griechische Philosoph Platon: "Die Notwendigkeit ist die Mutter der Erfindung."