Der junge Mann, der alte Mann und das Fußball-Ehrenamt

Der eine brennt vor Energie, hat jeden Tag mehrere Termine und ist 80 Jahre alt. Der andere ist erfahren, seit 2013 Präsidiumsmitglied und 27 Jahre alt. Hans-Dieter Wichert und Dominik Jolk sind zwei von 1,7 Millionen ehrenamtlich tätigen Menschen im deutschen Fußball. Der eine verdankt sein Überleben dem Fußball, der andere träumt von Bundesliga-Stadien. Was den jungen und den alten Mann am Ehrenamt im Fußball erfreut und was sie häufiger mal richtig ärgert, darüber sprechen sie im Rahmen der Serie "20 Jahre, 20 Köpfe" im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth.

DFB.de: Herr Jolk, als Sie vor vier Jahren zur ersten Präsidiumssitzung des DFB-Landesverbandes Mittelrhein antraten, dürften Sie den Altersschnitt deutlich gesenkt haben.

Dominik Jolk: Ja, klar, man muss sich durchsetzen, man muss argumentativ überzeugen. Aber schon bei meiner ersten Sitzung habe ich gemerkt, dass alle Augen und alle Ohren offen waren. Im Fußball-Verband Mittelrhein ist es zudem so, dass es eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Mitarbeitern gibt. Denn bei uns gehört – so ist es per Satzung festgelegt – zu jedem Gremium ein so genannter "Vertreter der jungen Generation" – vom Spielausschuss über den Frauenfußball bis zum Jugendfußball und Freizeitfußball – und auch in allen Kreisen. Man darf zweimal kandidieren. Jungen Leuten, die über ein Ehrenamt nachdenken, sage ich immer wieder, im Fußball kann man sich schnell einbringen und wirklich viele Dinge selbst gestaltenWer etwas drauf hat, kann auch an größeren Rädern drehen.

DFB.de: Herr Wichert, Sie sind seit 58 Jahren Geschäftsführer der Fußballabteilung eines Duisburger Stadtteilklubs. 44 Jahre lang pfiffen Sie zudem jedes Wochenende. Wie findet Ihre Frau denn Ihren großen ehrenamtlichen Einsatz?

Hans-Dieter Wichert: Zwischendrin war ich auch 1. Vorsitzender der TuS Baerl, 28 Jahre gehörte ich der Kreissportkammer an, zehn Jahre als Vorsitzender. Na ja, und für die Alten Herren habe ich bis zu meinem 58. Geburtstag selbst gespielt. Die Haltung meiner Frau? Das war vom ersten Tag an so eine widerwillige Zustimmung. Wir sind 1958 von Duisburg nach Baerl gezogen, damals noch ein kleiner Vorort von Duisburg. Wenn sie damals irgendwie sesshaft werden wollten, mussten sie einem Verein beitreten. Und ich liebe den Fußball.

DFB.de: Und wie kam das Ehrenamt in Ihr noch recht junges Leben Herr Jolk?

Jolk: Mit vier Jahren habe ich mit dem Fußball angefangen, mit 13 dann als Schiedsrichter. Mit 16 habe ich mich ganz für die Aufgabe als Schiedsrichter entschieden. Anfangs sicher auch, weil ich so mein Taschengeld aufstocken konnte. Aber bald schon habe ich von den Stadien der Bundesliga geträumt. Und ich habe erlebt, wie mir mein Ehrenamt geholfen hat, während meines Jurastudiums oder gerade jetzt am Landgericht Bonn, wo ich ein Referendariat absolviere. Wenn ich es am Wochenende schaffe, mich vor 1000 Leuten zu präsentieren und zu überzeugen, dann gehe ich auch mit großer Zuversicht andere Aufgaben an. Heute leite ich Spiele in der Regionalliga West und in der 2. Bundesliga werde ich als Linienrichter eingesetzt. Bei meinem Verein Blau-Weiß Hand in Bergisch Gladbach war ich schon mit 18 Jahren im Vorstand, mit 23 wurde ich FVM-Präsidiumsmitglied. Man kann das Selbstbewusstsein aus dem Ehrenamt mitnehmen.

DFB.de: Wie alles, ist auch das Ehrenamt nicht nur reines Vergnügen. Herr Wichert, was hat Sie in Ihren 58 Jahren Ehrenamt so richtig geärgert?

Wichert: Wenn man andere Leute aus dem Verein in einer Ausnahmesituation einmal um Unterstützung bittet, und dann gegen eine Wand rennt, ganz kategorisch abgeschmiert wird, das ist schon sehr ärgerlich. Dafür habe ich bis heute keinerlei Verständnis. Wenn Du als Antwort hörst ‚Nein, da ist mir meine Freizeit zu kostbar, das mache ich nicht für den Verein‘ oder auch "Für den DFB doch nicht", das hat mich immer geschockt. Und als Schiedsrichter in den unteren Klassen kommt es auch zu harten Momenten. Der Ton auf dem Platz ist definitiv rauer geworden, das meine ich schon zu erleben. Als Ehrenamtler sollte man sich nicht alles gefallen lassen. Aber es gibt eben auch so viele schöne Momente. Ich habe in den sechs Jahrzehnten nie die Freude verloren. Mein Abschiedsspiel als Schiedsrichter im Sommer 2015 werde ich nie vergessen, da spielte eine Altherrentruppe unseres Vereins gegen die Traditionself von Schalke 04. Olaf Thon und Klaus Fischer standen auf dem Platz. Selbst war ich früher auch ein passabler Fußballer. In meiner Jugend spielte ich beim Meidericher SV, Günter Preuss war damals Mitte der 50er Jahre mein direkter Konkurrent auf der Position. Günter absolvierte dann 228 Spiele für den MSV, vier Jahre davon in der Bundesliga. Er war auch besser. (lacht) Bis heute bin ich mit ihm befreundet.



Der eine brennt vor Energie, hat jeden Tag mehrere Termine und ist 80 Jahre alt. Der andere ist erfahren, seit 2013 Präsidiumsmitglied und 27 Jahre alt. Hans-Dieter Wichert und Dominik Jolk sind zwei von 1,7 Millionen ehrenamtlich tätigen Menschen im deutschen Fußball. Der eine verdankt sein Überleben dem Fußball, der andere träumt von Bundesliga-Stadien. Was den jungen und den alten Mann am Ehrenamt im Fußball erfreut und was sie häufiger mal richtig ärgert, darüber sprechen sie im Rahmen der Serie "20 Jahre, 20 Köpfe" im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth.

DFB.de: Herr Jolk, als Sie vor vier Jahren zur ersten Präsidiumssitzung des DFB-Landesverbandes Mittelrhein antraten, dürften Sie den Altersschnitt deutlich gesenkt haben.

Dominik Jolk: Ja, klar, man muss sich durchsetzen, man muss argumentativ überzeugen. Aber schon bei meiner ersten Sitzung habe ich gemerkt, dass alle Augen und alle Ohren offen waren. Im Fußball-Verband Mittelrhein ist es zudem so, dass es eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Mitarbeitern gibt. Denn bei uns gehört – so ist es per Satzung festgelegt – zu jedem Gremium ein so genannter "Vertreter der jungen Generation" – vom Spielausschuss über den Frauenfußball bis zum Jugendfußball und Freizeitfußball – und auch in allen Kreisen. Man darf zweimal kandidieren. Jungen Leuten, die über ein Ehrenamt nachdenken, sage ich immer wieder, im Fußball kann man sich schnell einbringen und wirklich viele Dinge selbst gestaltenWer etwas drauf hat, kann auch an größeren Rädern drehen.

DFB.de: Herr Wichert, Sie sind seit 58 Jahren Geschäftsführer der Fußballabteilung eines Duisburger Stadtteilklubs. 44 Jahre lang pfiffen Sie zudem jedes Wochenende. Wie findet Ihre Frau denn Ihren großen ehrenamtlichen Einsatz?

Hans-Dieter Wichert: Zwischendrin war ich auch 1. Vorsitzender der TuS Baerl, 28 Jahre gehörte ich der Kreissportkammer an, zehn Jahre als Vorsitzender. Na ja, und für die Alten Herren habe ich bis zu meinem 58. Geburtstag selbst gespielt. Die Haltung meiner Frau? Das war vom ersten Tag an so eine widerwillige Zustimmung. Wir sind 1958 von Duisburg nach Baerl gezogen, damals noch ein kleiner Vorort von Duisburg. Wenn sie damals irgendwie sesshaft werden wollten, mussten sie einem Verein beitreten. Und ich liebe den Fußball.

DFB.de: Und wie kam das Ehrenamt in Ihr noch recht junges Leben Herr Jolk?

Jolk: Mit vier Jahren habe ich mit dem Fußball angefangen, mit 13 dann als Schiedsrichter. Mit 16 habe ich mich ganz für die Aufgabe als Schiedsrichter entschieden. Anfangs sicher auch, weil ich so mein Taschengeld aufstocken konnte. Aber bald schon habe ich von den Stadien der Bundesliga geträumt. Und ich habe erlebt, wie mir mein Ehrenamt geholfen hat, während meines Jurastudiums oder gerade jetzt am Landgericht Bonn, wo ich ein Referendariat absolviere. Wenn ich es am Wochenende schaffe, mich vor 1000 Leuten zu präsentieren und zu überzeugen, dann gehe ich auch mit großer Zuversicht andere Aufgaben an. Heute leite ich Spiele in der Regionalliga West und in der 2. Bundesliga werde ich als Linienrichter eingesetzt. Bei meinem Verein Blau-Weiß Hand in Bergisch Gladbach war ich schon mit 18 Jahren im Vorstand, mit 23 wurde ich FVM-Präsidiumsmitglied. Man kann das Selbstbewusstsein aus dem Ehrenamt mitnehmen.

DFB.de: Wie alles, ist auch das Ehrenamt nicht nur reines Vergnügen. Herr Wichert, was hat Sie in Ihren 58 Jahren Ehrenamt so richtig geärgert?

Wichert: Wenn man andere Leute aus dem Verein in einer Ausnahmesituation einmal um Unterstützung bittet, und dann gegen eine Wand rennt, ganz kategorisch abgeschmiert wird, das ist schon sehr ärgerlich. Dafür habe ich bis heute keinerlei Verständnis. Wenn Du als Antwort hörst ‚Nein, da ist mir meine Freizeit zu kostbar, das mache ich nicht für den Verein‘ oder auch "Für den DFB doch nicht", das hat mich immer geschockt. Und als Schiedsrichter in den unteren Klassen kommt es auch zu harten Momenten. Der Ton auf dem Platz ist definitiv rauer geworden, das meine ich schon zu erleben. Als Ehrenamtler sollte man sich nicht alles gefallen lassen. Aber es gibt eben auch so viele schöne Momente. Ich habe in den sechs Jahrzehnten nie die Freude verloren. Mein Abschiedsspiel als Schiedsrichter im Sommer 2015 werde ich nie vergessen, da spielte eine Altherrentruppe unseres Vereins gegen die Traditionself von Schalke 04. Olaf Thon und Klaus Fischer standen auf dem Platz. Selbst war ich früher auch ein passabler Fußballer. In meiner Jugend spielte ich beim Meidericher SV, Günter Preuss war damals Mitte der 50er Jahre mein direkter Konkurrent auf der Position. Günter absolvierte dann 228 Spiele für den MSV, vier Jahre davon in der Bundesliga. Er war auch besser. (lacht) Bis heute bin ich mit ihm befreundet.

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DFB.de: Stimmt es, dass Sie dem Fußball Ihr Leben verdanken, Herr Wichert?

Wichert: Ich leitete ein Kreisligaspiel und ich weiß es noch, drei Minuten nach dem Anpfiff spürte ich diesen ziehenden Schmerz. Ich wollte nicht aufhören, muss aber schlimm ausgeschaut haben. Kurz vor der Halbzeit, bei einer Einwurfsituation, kam dann ein Spieler auf mich zu und meinte ‚Sie hören besser auf‘. Ich wurde sofort ins Krankenhaus gefahren. Es war ein Infarkt, alles ging gut aus. Zuhause hätte ich den Schmerz weggedrückt, vielleicht bis es zu spät gewesen wäre.

DFB.de: Wie schwer fällt es der TuS Baerl, Ehrenamtler zu gewinnen?

Wichert: Sehr schwer. Das Geld hat viel verdorben. Unser Verein hatte bis vor knapp zwei Jahren nur einen Aschenplatz, ein schwerer Wettbewerbsnachteil. Jetzt haben wir einen Rasenplatz, aber rechnen mit Unterhaltungskosten von 8000 Euro. Das wird schwer für uns.

DFB.de: Herr Jolk, worauf kommt es bei der Ansprache von jungen Menschen für ein Ehrenamt an?

Jolk: Junge Menschen fordern vom Ehrenamt Kompetenzengewinne. Sehr gut gefällt mir die DFB-Aktion "Fußballhelden". 280 junge Ehrenamtler werden für ihr Engagement als Jugendleiter oder Trainer mit einer Bildungsreise nach Barcelona belohnt, inklusive einem Besuch im Camp Nou. In diesem Jahr halten dort Steffi Jones, Knut Kircher und DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch Vorträge. Diese Kombination von Auszeichnung plus Qualifikation scheint mir sehr zeitgemäß. Junge Leute wollen wachsen, wollen besser werden.

DFB.de: Warum sind Frauen im Ehrenamt unterrepräsentiert?

Jolk: An alten verstaubten Vorurteilen jedenfalls kann es nicht mehr liegen. Die gibt es im organisierten Fußball heute nämlich nicht mehr. Eine junge engagierte Frau kann im Fußball-Ehrenamt alles bewegen und auch im Verband Karriere machen.

DFB.de: Viele Ehrenamtler hören aber auch schnell wieder auf.

Jolk: Das stimmt, die "Dropout-Quote" ist zu hoch. Deshalb müssen wir als Verbände durch fachliche Qualifikationen den Anreiz für das Ehrenamt immer weiter vorantreiben. Das Ehrenamt soll Spaß machen. Doch im Leben verschiebt sich auch mal der Fokus. Familie ist wichtig, Beruf ist wichtig. Wir versuchen die Leute so früh wie möglich zu binden. Wenn dann jemand mal aufhört, ist es vielleicht auch nur eine Auszeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass man im Alter von 40 oder 50 Jahren wieder zurückkehrt, ist jedenfalls größer, wenn man schon mal in jungen Jahren ehrenamtlich gearbeitet hat.

DFB.de: Herr Wichert, haben Sie in sechs Jahrzehnten mal ernsthaft dran gedacht, alles hinzuschmeißen?

Wichert: Nie, die Freude hat immer überwogen.

Rund 400.000 Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich für den Fußball. Sie sind Vereinsvorsitzende, Abteilungsleiter/innen, Jugendleiter/innen, Schatzmeister/innen. Rechnet man die unzähligen freiwilligen Helfer hinzu – den Platzwart, die Betreuerin der Bambinis, den Papa am Grill, die Mama an der Waschmaschine – sind es zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen 1,7 Millionen Menschen, die dafür sorgen, dass der Ball rollt. Die Aktion Ehrenamt des Deutschen Fußball-Bundes feiert im Jahr 2017 ihr 20-jähriges Jubiläum. Zwei Jahrzehnte der Unterstützung aller ehrenamtlich und freiwillig Engagierten. "20 Jahre, 20 Köpfe": Im Jubiläumsjahr der "Aktion Ehrenamt" zeigen wir Ihnen einige Verrückte und Vorbilder.

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