Zehn Jahre "Discover Football" in Berlin: "Jetzt meinen wir es ernst"

Das Frauenfußball-Festival Discover Football läuft noch bis Sonntag in Berlin. DFB.de hat hinter die Kulissen geschaut und mit Spielerinnen aus Armenien und Iran über den Frauenfußball in ihrer Heimat gesprochen.

Und dann schießen Maryam Irandoost Tränen in die braunen Augen. 40 ist sie vor kurzem geworden, blondgefärbte Haare unterm Kopftuch, durchtrainiert. Irandoost spielt in der höchsten Frauenliga im Iran. Sie hat erzählt, wie sie mit neun Jahren ihren Vater, früher mal Nationalspieler, von einem auf den anderen Tag nicht mehr ins Stadion begleiten durfte und wie sie 24 Jahre alt werden musste, bevor es ihr gestattet war, endlich selbst Fußball zu spielen. Wie ihr von Geldnöten geplagter Klub die Frauenmannschaft abmeldete, wie das noch mal ein Schlag ins Gesicht gewesen sei, und sie hat vom Tod der psychisch erkrankten Torfrau erzählt. Nach ihr haben die Frauen aus dem Iran nun die Mannschaft benannt. Yaran Ateina. Übersetzt: "Die Unterstützerinnen Athenas".

Maryam Irandoost ist eine von 110 Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen, die auf Einladung von "Discover Football" derzeit in Berlin Fußball spielen und sich in Workshops "empowern". "Da geht es darum, wie ich mir das Recht erstreite, Fußball zu spielen, bis hin zur zeitgemäßen und klugen Medienarbeit im Verein", sagt Dana Rösiger, eine der Discover-Organisatorinnen.

"... dann gehe ich auf Händen ins Stadion"

Als 2006 einige Berlinerinnen nach Teheran flogen, um dort ein Spiel gegen die iranische Frauen-Nationalmannschaft zu bestreiten - die davor nie öffentlich gespielt hatte -, war dies wie der Fanfarenstoß eines Feldzuges für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Auch und gerade auf dem Fußballplatz. Die befremdliche, witzige und mitreißende Geschichte des Spiels in Irans Hauptstadt damals wird im Dokumentarfilm "Football under Cover" erzählt. Seitdem findet das Frauenfußballfestival "Discover Football" statt - immer mitten im Berliner Sommer, immer mit acht Frauenteams, die aus Ländern anreisen, in denen Frauen, wenn sie Fußball spielen wollen, auf Vorurteile und manchmal sogar Verbote stoßen.

Die über Jahrzehnte zementierte Haltung des iranischen Klerus und der Justiz scheint indes mitten im Wandel. Katayoun Khosrowyar, die als 17-jähriger US-Teenie aus Tulsa/Oklahoma eigentlich nur ihre Großeltern besuchen wollte, dort in Teheran blieb, als erste Frau im Iran die A-Lizenz erwarb und mit 31 Jahren die U-19-Juniorinnen des Iran coacht, ist heute die treibende Kraft des iranischen Frauenfußball-Glasnost. "Die jungen Mädchen wollen alle für sie spielen", berichtet Maryam Irandoost.

Vor wenigen Wochen durften 100 ausgewählte Frauen das Länderspiel der iranischen Männer im Teheraner Azadi-Stadion besuchen. Erstmals seit 37 Jahren verfolgten Frauen wieder ein Männerspiel in einem Stadion. Die Staatsanwaltschaft Teherans aber äußerte anschließend Bedenken - wegen der "halbnackten Männer" auf dem Feld. Früher hatte man das Stadionverbot damit begründet, die grobe Sprache der Fußballfans sei für Frauen unangemessen. "Wenn es tatsächlich so weit ist, dass Frauen ganz normal Fußballspiele erleben können, gehe ich auf Händen ins Stadion", sagt Irandoost. Beim ersten Auftritt der Iranerinnen in Berlin begeistern sie die Zuschauer, so genau und schnell läuft ihr Spiel. Irandoost: "Wir mussten so lange so hart darum kämpfen, an den Ball zu kommen. Jetzt meinen wir es ernst."

"Weltweit größtes Netzwerk für Fußball und Frauenrechte"

Sechs Tage verbringen Irandoost und mit ihr acht Frauenteams aus sieben Ländern in Berlin. "Discover Football" wird vom Auswärtigen Amt, dem Bundesinnenministerium und der DFB-Kulturstiftung gefördert. Selbst nennt man sich selbstbewusst "das weltweit größte Netzwerk für Fußball und Frauenrechte". Die acht Mannschaften - in diesem Jahr aus Nepal, Bolivien, Armenien, Serbien, Kenia, dem Iran und Deutschland - wurden aus einer großen Anzahl Bewerbungen von einer Jury ausgewählt, der auch Claudia Roth angehört, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Aus 80 Bewerbungen wurden acht Teams gefiltert. Man wählt vorsichtig aus, denn vor einigen Jahren nutzten Spielerinnen einer afrikanischen Mannschaft das Turnier, um in Deutschland unterzutauchen.

An- und Abreise sowie die Unterbringung in einer Pension bezahlt "Discover Football". Noch bis Sonntag wird in gemischten Mannschaften Fußball gespielt. Zudem stehen Workshops, eine Podiumsdiskussion, ein Konzert und ein Filmabend auf dem Programm. "Wir stemmen das alles mit einer Festangestellten, der Rest von uns arbeitet ehrenamtlich", sagt Rösiger. "Das Geld geben wir für die Teams aus. Wir bekommen mit wenig viel hin. Über die Jahre besuchten Mannschaften aus 90 Ländern unser Festival. Welcher NGO schafft so etwas?"

Staatsministerin Michelle Müntefering sagte bei der Eröffnung am Dienstagabend in Kreuzberg: "Das Lebensgefühl Fußball hatte lange Zeit ein kleines Problem. Es waren einfach deutlich viel mehr Männer als Frauen. Weltweit ist der Frauenfußball immer noch nicht dort, wo er sein sollte." Als Ines Pohl, Chefredakteurin der Deutschen Welle, die die Discover-Eröffnung moderierte, dann noch "equal pay" forderte, stand irgendwie ein bisschen auch Megan Rapinoe, Superstar des alten und neuen Weltmeisters USA, auf der Bühne.

Neue Ligen gründen für den Mädchenfußball

Nareh Galstyan hat keine pinkgefärbten Haare. Die 18-jährige lebt in Armeniens Hauptstadt Eriwan, und als sie vor ein paar Jahren zu Hause ankündigte, nun wolle sie mit dem Fußball anfangen, hielt sich die elterliche Begeisterung in Grenzen. "Das sei nicht 'ladylike', ich würde hässliche Muskeln an den Beinen bekommen, warum denn nicht Turnen oder Eiskunstlaufen, das sei doch viel süßer als Fußball", erzählt sie heute. Sie ließ nicht locker und spielt heute im Team von GOALS, ein Akronym für "Girls of Armenia Leadership Soccer".

Galstyan, die ein Schuljahr in Minneapolis verbracht hat und beabsichtigt, in den USA Kulturwissenschaften zu studieren, absolviert derzeit ein Praktikum bei dem NGO. "Wir touren durchs Land und gründen Ligen für Mädchenfußball", sagt sie. "Wir haben bei null angefangen." Inzwischen spielen 750 Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren in den insgesamt von 60 Trainierinnen betreuten acht GOALS-Ligen. Neben der Organisation eines Spielbetriebs bietet GOAL den jungen Frauen im Land auch Kurse an, etwa zum Erlernen von Führungseigenschaften.

Valeria Assmann ist Gründungsmitglied von "Discover Fooball" und war Teil der Gruppe, die 2006 nach Teheran reiste. Dass die iranische Frauen-Nationalmannschaft noch nie ein öffentliches Spiel bestritten hatte, war ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Die Eltern finanzierten damals den Flug. "Dieses starke Gefühl, wirklich etwas bewegt zu haben, wollten wir am Leben halten", sagt die heute 37-jährige Grafikdesignerin. 2006 also fiel der Startschuss für das Festival, das am Sonntag ausklingen wird. Kein Abschied für immer. Dr. Göttrick Wewer, Vorstandsvorsitzender der DFB-Kulturstiftung, versprach in Berlin: "Wir fördern weiter". Aus gutem Grund.

[th]

Das Frauenfußball-Festival Discover Football läuft noch bis Sonntag in Berlin. DFB.de hat hinter die Kulissen geschaut und mit Spielerinnen aus Armenien und Iran über den Frauenfußball in ihrer Heimat gesprochen.

Und dann schießen Maryam Irandoost Tränen in die braunen Augen. 40 ist sie vor kurzem geworden, blondgefärbte Haare unterm Kopftuch, durchtrainiert. Irandoost spielt in der höchsten Frauenliga im Iran. Sie hat erzählt, wie sie mit neun Jahren ihren Vater, früher mal Nationalspieler, von einem auf den anderen Tag nicht mehr ins Stadion begleiten durfte und wie sie 24 Jahre alt werden musste, bevor es ihr gestattet war, endlich selbst Fußball zu spielen. Wie ihr von Geldnöten geplagter Klub die Frauenmannschaft abmeldete, wie das noch mal ein Schlag ins Gesicht gewesen sei, und sie hat vom Tod der psychisch erkrankten Torfrau erzählt. Nach ihr haben die Frauen aus dem Iran nun die Mannschaft benannt. Yaran Ateina. Übersetzt: "Die Unterstützerinnen Athenas".

Maryam Irandoost ist eine von 110 Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen, die auf Einladung von "Discover Football" derzeit in Berlin Fußball spielen und sich in Workshops "empowern". "Da geht es darum, wie ich mir das Recht erstreite, Fußball zu spielen, bis hin zur zeitgemäßen und klugen Medienarbeit im Verein", sagt Dana Rösiger, eine der Discover-Organisatorinnen.

"... dann gehe ich auf Händen ins Stadion"

Als 2006 einige Berlinerinnen nach Teheran flogen, um dort ein Spiel gegen die iranische Frauen-Nationalmannschaft zu bestreiten - die davor nie öffentlich gespielt hatte -, war dies wie der Fanfarenstoß eines Feldzuges für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Auch und gerade auf dem Fußballplatz. Die befremdliche, witzige und mitreißende Geschichte des Spiels in Irans Hauptstadt damals wird im Dokumentarfilm "Football under Cover" erzählt. Seitdem findet das Frauenfußballfestival "Discover Football" statt - immer mitten im Berliner Sommer, immer mit acht Frauenteams, die aus Ländern anreisen, in denen Frauen, wenn sie Fußball spielen wollen, auf Vorurteile und manchmal sogar Verbote stoßen.

Die über Jahrzehnte zementierte Haltung des iranischen Klerus und der Justiz scheint indes mitten im Wandel. Katayoun Khosrowyar, die als 17-jähriger US-Teenie aus Tulsa/Oklahoma eigentlich nur ihre Großeltern besuchen wollte, dort in Teheran blieb, als erste Frau im Iran die A-Lizenz erwarb und mit 31 Jahren die U-19-Juniorinnen des Iran coacht, ist heute die treibende Kraft des iranischen Frauenfußball-Glasnost. "Die jungen Mädchen wollen alle für sie spielen", berichtet Maryam Irandoost.

Vor wenigen Wochen durften 100 ausgewählte Frauen das Länderspiel der iranischen Männer im Teheraner Azadi-Stadion besuchen. Erstmals seit 37 Jahren verfolgten Frauen wieder ein Männerspiel in einem Stadion. Die Staatsanwaltschaft Teherans aber äußerte anschließend Bedenken - wegen der "halbnackten Männer" auf dem Feld. Früher hatte man das Stadionverbot damit begründet, die grobe Sprache der Fußballfans sei für Frauen unangemessen. "Wenn es tatsächlich so weit ist, dass Frauen ganz normal Fußballspiele erleben können, gehe ich auf Händen ins Stadion", sagt Irandoost. Beim ersten Auftritt der Iranerinnen in Berlin begeistern sie die Zuschauer, so genau und schnell läuft ihr Spiel. Irandoost: "Wir mussten so lange so hart darum kämpfen, an den Ball zu kommen. Jetzt meinen wir es ernst."

"Weltweit größtes Netzwerk für Fußball und Frauenrechte"

Sechs Tage verbringen Irandoost und mit ihr acht Frauenteams aus sieben Ländern in Berlin. "Discover Football" wird vom Auswärtigen Amt, dem Bundesinnenministerium und der DFB-Kulturstiftung gefördert. Selbst nennt man sich selbstbewusst "das weltweit größte Netzwerk für Fußball und Frauenrechte". Die acht Mannschaften - in diesem Jahr aus Nepal, Bolivien, Armenien, Serbien, Kenia, dem Iran und Deutschland - wurden aus einer großen Anzahl Bewerbungen von einer Jury ausgewählt, der auch Claudia Roth angehört, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Aus 80 Bewerbungen wurden acht Teams gefiltert. Man wählt vorsichtig aus, denn vor einigen Jahren nutzten Spielerinnen einer afrikanischen Mannschaft das Turnier, um in Deutschland unterzutauchen.

An- und Abreise sowie die Unterbringung in einer Pension bezahlt "Discover Football". Noch bis Sonntag wird in gemischten Mannschaften Fußball gespielt. Zudem stehen Workshops, eine Podiumsdiskussion, ein Konzert und ein Filmabend auf dem Programm. "Wir stemmen das alles mit einer Festangestellten, der Rest von uns arbeitet ehrenamtlich", sagt Rösiger. "Das Geld geben wir für die Teams aus. Wir bekommen mit wenig viel hin. Über die Jahre besuchten Mannschaften aus 90 Ländern unser Festival. Welcher NGO schafft so etwas?"

Staatsministerin Michelle Müntefering sagte bei der Eröffnung am Dienstagabend in Kreuzberg: "Das Lebensgefühl Fußball hatte lange Zeit ein kleines Problem. Es waren einfach deutlich viel mehr Männer als Frauen. Weltweit ist der Frauenfußball immer noch nicht dort, wo er sein sollte." Als Ines Pohl, Chefredakteurin der Deutschen Welle, die die Discover-Eröffnung moderierte, dann noch "equal pay" forderte, stand irgendwie ein bisschen auch Megan Rapinoe, Superstar des alten und neuen Weltmeisters USA, auf der Bühne.

Neue Ligen gründen für den Mädchenfußball

Nareh Galstyan hat keine pinkgefärbten Haare. Die 18-jährige lebt in Armeniens Hauptstadt Eriwan, und als sie vor ein paar Jahren zu Hause ankündigte, nun wolle sie mit dem Fußball anfangen, hielt sich die elterliche Begeisterung in Grenzen. "Das sei nicht 'ladylike', ich würde hässliche Muskeln an den Beinen bekommen, warum denn nicht Turnen oder Eiskunstlaufen, das sei doch viel süßer als Fußball", erzählt sie heute. Sie ließ nicht locker und spielt heute im Team von GOALS, ein Akronym für "Girls of Armenia Leadership Soccer".

Galstyan, die ein Schuljahr in Minneapolis verbracht hat und beabsichtigt, in den USA Kulturwissenschaften zu studieren, absolviert derzeit ein Praktikum bei dem NGO. "Wir touren durchs Land und gründen Ligen für Mädchenfußball", sagt sie. "Wir haben bei null angefangen." Inzwischen spielen 750 Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren in den insgesamt von 60 Trainierinnen betreuten acht GOALS-Ligen. Neben der Organisation eines Spielbetriebs bietet GOAL den jungen Frauen im Land auch Kurse an, etwa zum Erlernen von Führungseigenschaften.

Valeria Assmann ist Gründungsmitglied von "Discover Fooball" und war Teil der Gruppe, die 2006 nach Teheran reiste. Dass die iranische Frauen-Nationalmannschaft noch nie ein öffentliches Spiel bestritten hatte, war ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Die Eltern finanzierten damals den Flug. "Dieses starke Gefühl, wirklich etwas bewegt zu haben, wollten wir am Leben halten", sagt die heute 37-jährige Grafikdesignerin. 2006 also fiel der Startschuss für das Festival, das am Sonntag ausklingen wird. Kein Abschied für immer. Dr. Göttrick Wewer, Vorstandsvorsitzender der DFB-Kulturstiftung, versprach in Berlin: "Wir fördern weiter". Aus gutem Grund.

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