Wotan Wilke Möhring: "Die Leidenschaft gefällt mir"

Möhring: Ich nehme jede Karte, die ich kriegen kann. Ich habe zum Glück mittlerweile gute Verbindungen beim BVB.

fanclub.dfb.de: Currywurst oder Lachshäppchen?

Möhring: Also bitte, entschuldigen Sie, ich komme aus dem Ruhrgebiet, da erübrigt sich die Frage.

fanclub.dfb.de: Trikot oder Anzug?

Möhring: Im Stadion ganz klar im Trikot.

fanclub.dfb.de: 4:4 oder 1:0?

Möhring: Schwer zu sagen. Das kommt ganz auf das Spiel an. Für mich zählt jeder Punkt (lacht). Ein müdes 1:0 kann manchmal jedoch eine viel verheerendere Wirkung haben, als ein aufopferungsvoll erkämpftes 4:4. Ich will nicht sagen, dass ich jedes 4:4 unbedingt erbaulich finde, aber auch solche Spiele haben manchmal ihren Sinn. Die Qualität eines Spiels misst sich nicht immer am Ergebnis.

fanclub.dfb.de: Fiebern Sie bei der Nationalmannschaft eigentlich genau so mit, wie beim BVB?



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Wotan Wilke Möhring ist derzeit einer der gefragtesten deutschen Schauspieler. Dabei verlief die Karriere des 45-Jährigen, der sich in seinem Leben unter anderem als Elektriker, Musiker, Clubbesitzer, Türsteher und Model verdiente, nicht unbedingt geradlinig. Der Grimme-Preis 2013 für "Der letzte schöne Tag" sowie zwei Deutsche Fernsehpreise 2011 und 2012 haben Wotan Wilke Möhring jedoch endgültig in die erste Schauspielerriege katapultiert. Aktuell ist er im Kino in "Das Leben ist nichts für Feiglinge" zu sehen. Am kommenden Sonntag (ab 20.15 Uhr, in der ARD), tritt er erstmals als neuer Tatort-Kommissar Thorsten Falke auf. "Feuerteufel" heißt sein erster Fall.

Wotan Wilke Möhring ist ebenso leidenschaftlich Schauspieler wie Fußball-Fan. Das Herz des gebürtigen Detmolders schlägt seit jeher für Borussia Dortmund. Wann immer es ihm möglich ist, fiebert er im Stadion mit seinem BVB, egal, ob daheim oder auswärts. Ausgerechnet zum Champions-League-Kracher gegen Real Madrid heute Abend (ab 20.45 Uhr, live bei Sky) ist er jedoch verhindert. "Mein schwarz-gelbes Herz blutet, weil ich nicht dabei sein und anfeuern kann. Aber in Hamburg findet zur gleichen Zeit die Premiere meines ersten Tatorts statt. Dort vor Ort dabei zu sein, bin ich Kommissar Thorsten Falke und den Kollegen schuldig. Aber Trikot ist Pflicht!", sagt er.

Wie ihm deswegen zu Mute sein muss, verdeutlich das jüngste seiner drei Kinder. Es schreit im Hintergrund, während Wotan Wilke Möhring im Interview mit Sebastian Gehrmann über die Entwicklung der Nationalmannschaft spicht, erklärt warum ihm ein 4:4 manchmal lieber als ein 1:0 ist und schließlich die Schuld an der Halbfinal-Niederlage bei der WM 2006 gegen Italien komplett alleine übernimmt.

fanclub.dfb.de: Herr Möhring, wie gut kennen Sie Ihren Schauspielerkollegen Jörg Hartmann?

Wotan Wilke Möhring: Nicht so gut. Also, um ehrlich zu sein, gar nicht.

fanclub.dfb.de: Hartmann ermittelt seit einigen Monaten als Kommissar Peter Faber im Dortmunder Tatort. Neidisch?

Möhring: Natürlich hätte ich gerne im Ruhrgebiet und vor allem in Dortmund ermittelt. Und wie gerne! Letztlich war aber die Zusammenarbeit mit dem NDR durch frühere Projekte irgendwie enger und vertrauter und das Konzept hat mich überzeugt.

fanclub.dfb.de: Dabei wäre Dortmund doch genau Ihr Revier gewesen.

Möhring: Ja, aber es hat nicht sollen sein.

fanclub.dfb.de: Am 28. April ist Premiere von "Feuerteufel", in dem Sie in die Rolle von Tatort-Kommissar Thorsten Falke schlüpfen. Was ist das für ein Typ?

Möhring: Er ist jemand, der aus dem Bauch heraus ermittelt, der mit seiner Arbeit verheiratet ist. Er kennt sich auf der Straße aus, haut auch mal auf den Putz. Ich würde sagen, er ist kein Vorschriften-Fanatiker, und die stille Recherche und Analyse ist auch nicht so sein Ding. Er ist eher ein Mann der Tat. Wir werden auch in den nächsten Folgen versuchen, uns mehr auf die Fälle und deren gesellschaftliche Relevanz zu konzentrieren und nicht so sehr auf die Alleinstellungsmerkmale der Ermittler.

fanclub.dfb.de: Ist Kommissar Falke auch Fußball-Fan?

Möhring: Nein. Das habe ich mir erspart. Mich für irgendeinen Hamburger Verein einspannen zu lassen, ginge mir dann doch zu weit.

fanclub.dfb.de: Sie hätten aus Falke doch auch einen Dortmund-Fan machen können. Axel Prahl lebt seine Leidenschaft für den FC St. Pauli im Münsteraner Tatort zum Beispiel voll aus.

Möhring: Natürlich wäre das eine Möglichkeit gewesen. Aber dann fragt sich der Zuschauer bei jeder Folge, warum ermittelt der Kerl nicht gleich in Dortmund, und das muss nicht sein. Ich lebe meine Fußball-Affinität voll im Privatleben aus, und da will man nicht alles in jede Rolle mitschleppen.

fanclub.dfb.de: Auch für frühere Rollen haben Sie nie darüber nachgedacht?

Möhring: Nein. Aber wenn es zum Drehbuch passt, dann sehr gerne.

fanclub.dfb.de: Und was machen Sie, wenn demnächst das Angebot kommt, einen Schalke-Fan zu spielen?

Möhring: Das mache ich auf keinen Fall. Soweit funktioniert die Abstraktion zwischen privatem und beruflichem Leben dann doch nicht.

fanclub.dfb.de: Das Angebot käme natürlich von einem der großen Hollywood-Studios.

Möhring: Ich würde es trotzdem ablehnen. Schalke geht einfach nicht.

fanclub.dfb.de: Was für ein Fan sind Sie eigentlich? Stadion oder Kneipe?

Möhring: Ich gehe ins Stadion, wann immer ich die Zeit dafür finde.

fanclub.dfb.de: Südtribüne oder Sitzplatz?

Möhring: Ich nehme jede Karte, die ich kriegen kann. Ich habe zum Glück mittlerweile gute Verbindungen beim BVB.

fanclub.dfb.de: Currywurst oder Lachshäppchen?

Möhring: Also bitte, entschuldigen Sie, ich komme aus dem Ruhrgebiet, da erübrigt sich die Frage.

fanclub.dfb.de: Trikot oder Anzug?

Möhring: Im Stadion ganz klar im Trikot.

fanclub.dfb.de: 4:4 oder 1:0?

Möhring: Schwer zu sagen. Das kommt ganz auf das Spiel an. Für mich zählt jeder Punkt (lacht). Ein müdes 1:0 kann manchmal jedoch eine viel verheerendere Wirkung haben, als ein aufopferungsvoll erkämpftes 4:4. Ich will nicht sagen, dass ich jedes 4:4 unbedingt erbaulich finde, aber auch solche Spiele haben manchmal ihren Sinn. Die Qualität eines Spiels misst sich nicht immer am Ergebnis.

fanclub.dfb.de: Fiebern Sie bei der Nationalmannschaft eigentlich genau so mit, wie beim BVB?

Möhring: Das können Sie aber glauben. Ich war zum Beispiel 2006 gegen Polen im wunderschönen Dortmunder Stadion (Vorrunden-Spiel der WM, Anm. der Red.), das war sensationell, mit diesem späten, erlösenden Tor. Wenn ich aber zwischen Vereinsfußball und Nationalmannschaft wählen müsste, dann käme der Verein bei mir an erster Stelle. Aber die Fans im Land erwachen ganz anders, wenn die Nationalmannschaft spielt.

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fanclub.dfb.de: Weil diese Mannschaft die Menschen in den vergangenen Jahren mehr und mehr mitreisst?

Möhring: Die Entwicklung ist natürlich großartig. Das fängt schon bei den Vereinen an, die eine richtig gute Nachwuchsarbeit machen und im Profibereich verstärkt auf die eigene Jugend setzen. Und dass nun eine Mannschaft wie Real Madrid zwei absolute Schlüsselpositionen im Team mit deutschen Spielern besetzt, bestätigt doch nur den Erfolg dieser Arbeit. Mit den Deutschen ist jetzt nicht nur allein über den Kampf zu rechnen, sondern auch über das Spiel. Natürlich wird man an Erfolgen gemessen, aber auch die Art des Spiels ist wichtig.

fanclub.dfb.de: Womit wir wieder bei dem 4:4 wären.

Möhring: Deutschland spielt konsequent nach vorne und nimmt dafür auch Gegentore in Kauf. Daran kann und muss man natürlich arbeiten, aber die Mannschaft zeigt doch, dass sie Spiele gewinnen will. Diese Leidenschaft gefällt mir.

fanclub.dfb.de: In Ihnen steckt auch ein kleiner Bundestrainer, wenn man Sie so reden hört.

Möhring: In wem nicht (lacht)? Aber ich bin keiner, der immer nur nörgelt. Ich will Joachim Löw auch nicht sagen, wie er seinen Job zu machen hat. Was Löw nach der Europameisterschaft im vergangenen Jahr an Kritik einstecken musste, das war mir zu viel. Löw ist mutig, er versucht etwas, und das finde ich gut. Wer viel wagt, der muss auch damit rechnen, dass etwas schief geht. Erfolg kann man eben nicht erzwingen. Das ist ein Prozess.

fanclub.dfb.de: Jetzt klingen Sie doch wie ein Trainer.

Möhring: Sehen Sie, wenn wir jetzt über die Nationalmannschaft sprechen und über die großen Turniere, das ist ein wenig wie beim Film. Man hat diese eine große Aufgabe, ist abgeschottet von außen und total konzentriert. Dennoch bleibt es ein Prozess, der gelingen kann oder auch nicht. Auch Filmarbeit ist Teamarbeit. Auch hier können Einzelpersonen besser sein, als alle andere. Aber wenn sie nicht ins Team passen, wird es nicht funktionieren.

fanclub.dfb.de: Können Sie sich noch an das erste Länderspiel erinnern, das Sie gesehen haben?

Möhring: Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es könnte dieses Elfmeterschießen im Halbfinale gegen Frankreich gewesen sein (WM 1982 in Spanien, Anm. d. Red.). Das war grandios. Aber daneben gibt es auch viele andere Spiele, an die ich mich gerne erinnere, natürlich 1990, der Titel in Italien, und ich im Autokorso in Düsseldorf.

fanclub.dfb.de: So etwas vergisst man vermutlich sein Leben lang nicht.

Möhring: Absolut. Das gilt übrigens auch für das Spiel gegen Italien im Halbfinale 2006. Und die Niederlage nehme ich ganz klar auf meine Kappe.

fanclub.dfb.de: Ach was. Warum?

Möhring: Ich war zuvor bei jedem Spiel dabei, nur nicht bei diesem. Da war ich auf einem Campingplatz in Holland. Ich hatte deshalb den ganzen Tag schon so ein schlechtes Gefühl, und dann ging es natürlich voll in die Hose. Ich weiß noch, wie ich mein Trikot zerrissen habe und in die Dünen gerannt bin und alles war scheiße.

fanclub.dfb.de: Womit der Schuldige für den verpassten Titel 2006 endlich gefunden wäre.

Möhring: Leider (lacht).

fanclub.dfb.de: Wie abergläubisch sind Sie denn?

Möhring: Eigentlich gar nicht. Aber manche Sachen gehen einfach nicht. Ich war zum Beispiel mit dem BVB in der Gruppenphase der Champions League beim Auswärtsspiel in Madrid. Und vor dem Spiel hat mir irgendjemand in der Kneipe den Schal geklaut, weil er den unbedingt haben wollte. Da war natürlich Alarm, bis der Schal endlich wieder um meinem Hals lag. Bestimmte Rituale gibt es also schon, die wichtig sind.

fanclub.dfb.de: Was für ein Typ Fußballer sind Sie?

Möhring: Ich habe, wie sich das für einen Jungen aus dem Ruhrgebiet gehört, immer gebolzt. Der Ball war ein wichtiges Spielzeug. Ich denke, meine Position lag eher im Mittelfeld, Pässe spielen, auch Tore machen, sich auf den Ascheplätzen die Knie aufscheuern und sich von den größeren Jungs den guten Tango-Ball abnehmen lassen.

fanclub.dfb.de: Und was bringt Sie beim Fußball so richtig auf die Palme?

Möhring: Fehlentscheidungen natürlich, aber das geht vermutlich jedem Fußball-Fan so. Ich bin da sehr emotional. Ich will einfach, dass meine Mannschaft gewinnt. Fertig. Ich gehe schon aus mir heraus.

fanclub.dfb.de: Wie authentisch ist dann der kleine bis sehr große Choleriker, der immer wieder in Ihren Filmfiguren steckt?

Möhring: Ich spiele unterschiedlichste Charaktere und in jedem von ihnen versuche ich, authentisch zu sein. Aber das hat nichts mit cholerisch im Sinne von "sich nicht im Griff haben" zu tun. Es geht vielmehr um bestimmte Formen von Aggression, die per se nicht schlecht sein müssen. Wer nichts will, der kann auch nichts gewinnen im Leben und ich will halt was. Und das schlägt in manchen Rollen schon mal durch.

fanclub.dfb.de: Man könnte nun viele Ihrer Rollen zitieren, aber das passendste Filmzitat ist wohl das aus Männerherzen, in dem Sie Ihren Sohn auf dem Sportplatz anbrüllen: "Kämpfen, Tommy, kämpfen." So etwas fällt Ihnen vermutlich nicht schwer zu spielen.

Möhring: Wenn man in gewisser Weise Parallelen zu seiner Figur hat, dann ist es natürlich leichter, das zu spielen. Aber man darf da den Privatmenschen nicht mit der Filmfigur verwechseln. Ich habe keine Lust, mich selbst zu spielen.

fanclub.dfb.de: Was blüht denn da Ihren Kindern später, wenn Sie am Rand stehen?

Möhring: Natürlich will man sich da nicht danebenbenehmen. Ich finde es auch unerträglich, wenn dann die Kinder das nicht vorhandene Sportlerleben der Erwachsenen weiterführen sollen. Da sollte der Spaß im Vordergrund stehen. Die Freude am Spiel. Das Gemeinschaftsgefühl. Das wäre mir dann schon wichtiger, als Sieg oder Niederlage.