Sportlerfiguren in Osnabrück: Wider den alten und neuen Antisemitismus

Lebensgroße Sportlerfiguren auf dem Osnabrück Domhof erinnern an die Leistungen und die Verfolgung jüdischer Sportstars. Die von der DFB-Kulturstiftung initiierte und geförderte Ausstellung "Zwischen Erfolg und Verfolgung" setzt Zeichen gegen alten und neuen Antisemitismus.

Seit dem Wochenende trifft der Fußgänger auf dem alt-ehrwürdigen Domplatz von Osnabrück auf eine ungewöhnliche Figurengruppe: 17 Sportler sind da zu sehen, dargestellt als lebensgroße Plexiglas-Silhouetten, aufgenommen in grobkörnigem Schwarz-Weiß und in historischem Sportdress. Fechter, Ringer, Eishockeyspieler, Turner, Fußballer. Wer – neugierig geworden - näher hinschaut und sich ihre Namen und Biografien auf der Figurenrückseite durchliest, findet schnell die Gemeinsamkeit: Es sind allesamt Sportstars ihrer Zeit, Olympiasieger, Weltmeister, Weltrekordler, Deutsche Meister. Herausragende Athleten im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts. Und es sind Juden, Opfer des monströsen nationalsozialistischen Rassenwahns nach 1933.

"Wenn die Menschen nicht mehr ins Museum gehen, kommen wir zu den Menschen." Der das bei der Eröffnung am Montagabend im bis auf dem letzten Platz gefüllten Forum am Dom sagt, ist selbst ein Museumsmann. Dr. Henry Wahlig ist Kurator im Deutschen Fußballmuseum, und gehört zur Gruppe der Historiker, die die Ausstellung 2015 anlässlich der European Maccabi Games in Berlin nach einer Idee der DFB-Kulturstiftung und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien entworfen und kuratiert hat. Seitdem ist sie auf großen Plätzen in ganz Deutschland ausgestellt, als "lebendiger Stolperstein" so Wahlig. Osnabrück ist die 14. Station.

Vom Inklusionsmotor zum Ausschlussinstrument

Kaum einer kennt die Geschichte des jüdischen Sports so gut wie Wahlig, der darüber promovierte und in seinem Vortrag lebendig davon berichtet, wie der auch von jüdischen Kaufleuten aus England importierte Fußball um die Wende zum 20. Jahrhundert im Gegensatz zum nationalistisch geprägten Turnen zunächst zu einem Inklusionsmotor für deutsche Juden wird. Wie jüdische Pioniere, Aktive, Trainer, Funktionäre und Förderer die neue Sportart in Deutschland binnen weniger Jahrzehnte von einer "Fußlümmelei" zum populären Volkssport machen.

Auch in Osnabrück, wo Carl Meyer als Verbandsjugendvorsitzender und Felix Löwenstein als Spielausschussvorsitzender und Förderer des VfL Osnabrück wirken. Dann das abrupte Ende: Schon im Frühjahr 1933 schließen zahlreiche Vereine, den neuen Machthabern ideologisch vorauseilend, ihre jüdischen Mitglieder von heute auf morgen aus. Für viele der erste persönlich spürbarer Akt einer Diskriminierung, die nur wenige Jahre später in Vertreibung, Verfolgung und Ermordung münden wird. Nur weil er Jude war, wird Felix Löwenstein ins KZ verschleppt und erliegt noch 1945 den mörderischen Strapazen eines "Todesmarschs". Nur weil er Jude war, so erzählt es die Figur draußen auf dem Domhof, wird der Stürmerstar und Kaufmann Julius Hirsch, DFB-Nationalspieler und Deutscher Meister, 1943 in Auschwitz ermordet.

"Man muss den rollenden Schneeball zertreten"

"Was kann man mit dieser jüdischen Geschichte machen?" fragt Michael Grünberg, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Osnabrück, die Besucher der Ausstellungseröffnung, an der mit dem Bistum Osnabrück, dem Stadtsportbund, dem VfL Osnabrück, dem VfL Museum, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der Felix Nussbaum Gesellschaft ein breites bürgerliches Bündnis beteiligt ist. Eine Frage, die über die Sportgeschichte hinaus mitten in die gesellschaftspolitische Gegenwart des deutschen Fußballs reicht. Welche Verantwortung und welche Wirkung haben Bündnisse wie diese, wenn in Fußballstadien wieder antisemitische Schimpfworte geschrien, nationalsozialistische und rechtsradikale Symbole gezeigt werden, wenn die Makkabi-Vereine immer öfter das Ziel von Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffen werden, wenn Juden Angst haben müssen, mit ihrer Kippa auf die Straße zu gehen, und wenn rechtsoffene Parteien in Parlamente einziehen und die Grenzen des wieder Sag- und Denkbaren immer weiter ausdehnen?

"Wehret den Anfängen!", sagt Michael Grüneberg in seinem Grußwort mahnend. "Das war gestern und vorgestern! Schweigen reicht schon lange nicht mehr. Jetzt heißt es, Zivilcourage zu zeigen." Und er zitiert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, für den antisemitische Anfeindungen ein "Angriff auf die ganze Gesellschaft" sind. Auch auf den Fußball. Insofern, so Grünberg, könne auch diese Ausstellung ein "Denkanstoß" eine "Motivation zur Zivilcourage" sein. Oder, wie es Dr. Hermann Queckenstedt, Direktor des Diözesanmuseums und Kurator der DFB-Kulturstiftung abschließend mit den Worten des Schriftstellers Erich Kästner ausdrückt: "Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf..." Eine Mahnung wider den Antisemitismus in Fußball und Gesellschaft.

Die Ausstellung "Zwischen Erfolg und Verfolg – Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach" ist ein Projekt des Zentrums deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg, initiiert und gefördert von der DFB-Kulturstiftung und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Sie ist noch bis zum 13. Oktober 2019 auf dem Domhof Osnabrück zu sehen.

[dfb]

Lebensgroße Sportlerfiguren auf dem Osnabrück Domhof erinnern an die Leistungen und die Verfolgung jüdischer Sportstars. Die von der DFB-Kulturstiftung initiierte und geförderte Ausstellung "Zwischen Erfolg und Verfolgung" setzt Zeichen gegen alten und neuen Antisemitismus.

Seit dem Wochenende trifft der Fußgänger auf dem alt-ehrwürdigen Domplatz von Osnabrück auf eine ungewöhnliche Figurengruppe: 17 Sportler sind da zu sehen, dargestellt als lebensgroße Plexiglas-Silhouetten, aufgenommen in grobkörnigem Schwarz-Weiß und in historischem Sportdress. Fechter, Ringer, Eishockeyspieler, Turner, Fußballer. Wer – neugierig geworden - näher hinschaut und sich ihre Namen und Biografien auf der Figurenrückseite durchliest, findet schnell die Gemeinsamkeit: Es sind allesamt Sportstars ihrer Zeit, Olympiasieger, Weltmeister, Weltrekordler, Deutsche Meister. Herausragende Athleten im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts. Und es sind Juden, Opfer des monströsen nationalsozialistischen Rassenwahns nach 1933.

"Wenn die Menschen nicht mehr ins Museum gehen, kommen wir zu den Menschen." Der das bei der Eröffnung am Montagabend im bis auf dem letzten Platz gefüllten Forum am Dom sagt, ist selbst ein Museumsmann. Dr. Henry Wahlig ist Kurator im Deutschen Fußballmuseum, und gehört zur Gruppe der Historiker, die die Ausstellung 2015 anlässlich der European Maccabi Games in Berlin nach einer Idee der DFB-Kulturstiftung und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien entworfen und kuratiert hat. Seitdem ist sie auf großen Plätzen in ganz Deutschland ausgestellt, als "lebendiger Stolperstein" so Wahlig. Osnabrück ist die 14. Station.

Vom Inklusionsmotor zum Ausschlussinstrument

Kaum einer kennt die Geschichte des jüdischen Sports so gut wie Wahlig, der darüber promovierte und in seinem Vortrag lebendig davon berichtet, wie der auch von jüdischen Kaufleuten aus England importierte Fußball um die Wende zum 20. Jahrhundert im Gegensatz zum nationalistisch geprägten Turnen zunächst zu einem Inklusionsmotor für deutsche Juden wird. Wie jüdische Pioniere, Aktive, Trainer, Funktionäre und Förderer die neue Sportart in Deutschland binnen weniger Jahrzehnte von einer "Fußlümmelei" zum populären Volkssport machen.

Auch in Osnabrück, wo Carl Meyer als Verbandsjugendvorsitzender und Felix Löwenstein als Spielausschussvorsitzender und Förderer des VfL Osnabrück wirken. Dann das abrupte Ende: Schon im Frühjahr 1933 schließen zahlreiche Vereine, den neuen Machthabern ideologisch vorauseilend, ihre jüdischen Mitglieder von heute auf morgen aus. Für viele der erste persönlich spürbarer Akt einer Diskriminierung, die nur wenige Jahre später in Vertreibung, Verfolgung und Ermordung münden wird. Nur weil er Jude war, wird Felix Löwenstein ins KZ verschleppt und erliegt noch 1945 den mörderischen Strapazen eines "Todesmarschs". Nur weil er Jude war, so erzählt es die Figur draußen auf dem Domhof, wird der Stürmerstar und Kaufmann Julius Hirsch, DFB-Nationalspieler und Deutscher Meister, 1943 in Auschwitz ermordet.

"Man muss den rollenden Schneeball zertreten"

"Was kann man mit dieser jüdischen Geschichte machen?" fragt Michael Grünberg, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Osnabrück, die Besucher der Ausstellungseröffnung, an der mit dem Bistum Osnabrück, dem Stadtsportbund, dem VfL Osnabrück, dem VfL Museum, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der Felix Nussbaum Gesellschaft ein breites bürgerliches Bündnis beteiligt ist. Eine Frage, die über die Sportgeschichte hinaus mitten in die gesellschaftspolitische Gegenwart des deutschen Fußballs reicht. Welche Verantwortung und welche Wirkung haben Bündnisse wie diese, wenn in Fußballstadien wieder antisemitische Schimpfworte geschrien, nationalsozialistische und rechtsradikale Symbole gezeigt werden, wenn die Makkabi-Vereine immer öfter das Ziel von Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffen werden, wenn Juden Angst haben müssen, mit ihrer Kippa auf die Straße zu gehen, und wenn rechtsoffene Parteien in Parlamente einziehen und die Grenzen des wieder Sag- und Denkbaren immer weiter ausdehnen?

"Wehret den Anfängen!", sagt Michael Grüneberg in seinem Grußwort mahnend. "Das war gestern und vorgestern! Schweigen reicht schon lange nicht mehr. Jetzt heißt es, Zivilcourage zu zeigen." Und er zitiert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, für den antisemitische Anfeindungen ein "Angriff auf die ganze Gesellschaft" sind. Auch auf den Fußball. Insofern, so Grünberg, könne auch diese Ausstellung ein "Denkanstoß" eine "Motivation zur Zivilcourage" sein. Oder, wie es Dr. Hermann Queckenstedt, Direktor des Diözesanmuseums und Kurator der DFB-Kulturstiftung abschließend mit den Worten des Schriftstellers Erich Kästner ausdrückt: "Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf..." Eine Mahnung wider den Antisemitismus in Fußball und Gesellschaft.

Die Ausstellung "Zwischen Erfolg und Verfolg – Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach" ist ein Projekt des Zentrums deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg, initiiert und gefördert von der DFB-Kulturstiftung und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Sie ist noch bis zum 13. Oktober 2019 auf dem Domhof Osnabrück zu sehen.

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