"Nie wieder": Die Gedenkkultur im Fußball wandelt sich

Wolfgang Niersbach und Dr. Reinhard Rauball treffen sich am Sonntag zu einem Gespräch. Marcel Reif wird moderieren. Die Podiumsdiskussion des DFB- und des Ligaverbandspräsidenten beschließt die dreitägige Veranstaltung "!Nie wieder - 10. Erinnerungstag des Fußballs". Auch Jürgen Klopp macht sich stark. Erinnern und sich zur Wehr setzen, darum geht es bei einem Event, dass mit 270 angemeldeten Teilnehmern alle Erwartungen übertrifft.

Heinrich Czerkus' Glückssträhne riss in den frühen Februartagen. Lange Zeit hatten ihn die Mitglieder von Borussia Dortmund versteckt, immer wieder ein neues Schlupfloch aufgetan, um ihn so vor dem Zugriff der Gestapo zu retten. Erfolgreich, über Jahre entging er der Festnahme. Czerkus, damals 50 Jahre alt, war Vereinswart von Borussia Dortmund und KPD-Mitglied. Anfang 1933 wurde er in den Stadtrat gewählt, nach der Machtübernahme tauchte er ab in den Widerstand. Um mit Flugblättern gegen den Naziterror anzukämpfen, benutzte er die Druckmaschine des Vereins, Mitwisser war der damalige BVB-Vorstand August Busse.

Alle Versuche der Gestapo, Czerkus zu inhaftieren, scheiterten lange am verschworenen Zusammenhalt der Borussen-Familie. Doch im Januar 1945 gaben Gestapo-Chef Heinrich Müller und SS-Führer Heinrich Himmler geheime Befehle aus. Angebliche Staatsfeinde sollten wenige Tage vor Kriegsende eine "Sonderbehandlung" verabreicht bekommen. Czerkus wurde festgenommen und in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar in die Gestapo-Wache Dortmund-Hörde verschleppt. In den Ostertagen wurde er auf einer Waldlichtung in der Bittermark erschossen. Zwangsarbeiter und Widerstandskämpfer, rund 300 Menschen fielen damals unter den Schüssen der Nazitrupps, die letzten starben am 12. April 1945. Nur einen Tag später befreiten amerikanische Truppen die Stadt Dortmund.

Rauball: "Erinnerungstage sind wichtiger Bestandteil im Kampf gegen das Vergessen"

Als BVB-Präsident kennt Dr. Reinhard Rauball die schlimme Geschichte. Der BVB-Präsident gab vergangenes Jahr das Startsignal für den "Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf", der vom Stadion Rote Erde zum Mahnmal Bittermark führt. Am Wochenende wird Reinhard Rauball wieder Position beziehen. In seiner Funktion als Ligapräsident besucht er in Frankfurt die Veranstaltung !Nie wieder – 10. Erinnerungstag des Fußballs.

In Frankfurt geht es um mutige Menschen in der Zivilgesellschaft, die sich gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus engagieren, drei Tage werden gefüllt sein mit neun Workshops, einem Zeitzeugen-Forum und einem festlichen Abend mit Musik und Tanz. Rauball und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach bestreiten am Sonntagmorgen eine Podiumsdiskussion, die Marcel Reif moderieren wird.

"Die jährlichen Erinnerungstage", sagt Rauball, der bereits in seiner dritten Amtszeit in Dortmund steht und 2007 dem verstorbenen Werner Hackmann an der Spitze des Ligaverbandes folgte, "sind ein wichtiger Bestandteil der Arbeit des Ligaverbandes im Kampf gegen das Vergessen. Deshalb unterstützen wir dieses Engagement nicht nur über die Bundesliga-Stiftung, sondern auch unsere Klubs beteiligen sich mit vielfältigen Maßnahmen". Auch Dortmunds Trainer Jürgen Klopp macht sich stark gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung im Fußball und fordert mittels eines Posters !Nie wieder.

Schulz: "Der Zuspruch ist unglaublich"

"Der Zuspruch ist unglaublich, die Veranstaltung hat völlig unerwartete Dimensionen angenommen, wir erwarten von Freitag bis Sonntag 270 Gäste und Teilnehmer", sagt Eberhard Schulz. Der pensionierte Münchener Lehrer war 1965 an der Gründung der Versöhnungskirche auf dem Gelände des KZ Dachau beteiligt.

Ein Interview in der Süddeutschen Zeitung vor mehr als zehn Jahren - Birgit Schönau sprach mit Dr. Riccardo Pacifici, dem Präsidenten der jüdischen Gemeinde von Rom, über Antisemitismus im italienischen Fußball – brachten Schulz und andere auf die Idee, auch in Deutschland mit den Mitteln des Fußballs entschlossen !Nie wieder zu sagen. Willi Lemke wird am Freitagabend das Jubiläums-Wochenende in Frankfurt eröffnen. Der UN-Sonderbotschafter für Sport ist Schirmherr von !Nie wieder.



Wolfgang Niersbach und Dr. Reinhard Rauball treffen sich am Sonntag zu einem Gespräch. Marcel Reif wird moderieren. Die Podiumsdiskussion des DFB- und des Ligaverbandspräsidenten beschließt die dreitägige Veranstaltung "!Nie wieder - 10. Erinnerungstag des Fußballs". Auch Jürgen Klopp macht sich stark. Erinnern und sich zur Wehr setzen, darum geht es bei einem Event, dass mit 270 angemeldeten Teilnehmern alle Erwartungen übertrifft.

Heinrich Czerkus' Glückssträhne riss in den frühen Februartagen. Lange Zeit hatten ihn die Mitglieder von Borussia Dortmund versteckt, immer wieder ein neues Schlupfloch aufgetan, um ihn so vor dem Zugriff der Gestapo zu retten. Erfolgreich, über Jahre entging er der Festnahme. Czerkus, damals 50 Jahre alt, war Vereinswart von Borussia Dortmund und KPD-Mitglied. Anfang 1933 wurde er in den Stadtrat gewählt, nach der Machtübernahme tauchte er ab in den Widerstand. Um mit Flugblättern gegen den Naziterror anzukämpfen, benutzte er die Druckmaschine des Vereins, Mitwisser war der damalige BVB-Vorstand August Busse.

Alle Versuche der Gestapo, Czerkus zu inhaftieren, scheiterten lange am verschworenen Zusammenhalt der Borussen-Familie. Doch im Januar 1945 gaben Gestapo-Chef Heinrich Müller und SS-Führer Heinrich Himmler geheime Befehle aus. Angebliche Staatsfeinde sollten wenige Tage vor Kriegsende eine "Sonderbehandlung" verabreicht bekommen. Czerkus wurde festgenommen und in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar in die Gestapo-Wache Dortmund-Hörde verschleppt. In den Ostertagen wurde er auf einer Waldlichtung in der Bittermark erschossen. Zwangsarbeiter und Widerstandskämpfer, rund 300 Menschen fielen damals unter den Schüssen der Nazitrupps, die letzten starben am 12. April 1945. Nur einen Tag später befreiten amerikanische Truppen die Stadt Dortmund.

Rauball: "Erinnerungstage sind wichtiger Bestandteil im Kampf gegen das Vergessen"

Als BVB-Präsident kennt Dr. Reinhard Rauball die schlimme Geschichte. Der BVB-Präsident gab vergangenes Jahr das Startsignal für den "Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf", der vom Stadion Rote Erde zum Mahnmal Bittermark führt. Am Wochenende wird Reinhard Rauball wieder Position beziehen. In seiner Funktion als Ligapräsident besucht er in Frankfurt die Veranstaltung !Nie wieder – 10. Erinnerungstag des Fußballs.

In Frankfurt geht es um mutige Menschen in der Zivilgesellschaft, die sich gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus engagieren, drei Tage werden gefüllt sein mit neun Workshops, einem Zeitzeugen-Forum und einem festlichen Abend mit Musik und Tanz. Rauball und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach bestreiten am Sonntagmorgen eine Podiumsdiskussion, die Marcel Reif moderieren wird.

"Die jährlichen Erinnerungstage", sagt Rauball, der bereits in seiner dritten Amtszeit in Dortmund steht und 2007 dem verstorbenen Werner Hackmann an der Spitze des Ligaverbandes folgte, "sind ein wichtiger Bestandteil der Arbeit des Ligaverbandes im Kampf gegen das Vergessen. Deshalb unterstützen wir dieses Engagement nicht nur über die Bundesliga-Stiftung, sondern auch unsere Klubs beteiligen sich mit vielfältigen Maßnahmen". Auch Dortmunds Trainer Jürgen Klopp macht sich stark gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung im Fußball und fordert mittels eines Posters !Nie wieder.

Schulz: "Der Zuspruch ist unglaublich"

"Der Zuspruch ist unglaublich, die Veranstaltung hat völlig unerwartete Dimensionen angenommen, wir erwarten von Freitag bis Sonntag 270 Gäste und Teilnehmer", sagt Eberhard Schulz. Der pensionierte Münchener Lehrer war 1965 an der Gründung der Versöhnungskirche auf dem Gelände des KZ Dachau beteiligt.

Ein Interview in der Süddeutschen Zeitung vor mehr als zehn Jahren - Birgit Schönau sprach mit Dr. Riccardo Pacifici, dem Präsidenten der jüdischen Gemeinde von Rom, über Antisemitismus im italienischen Fußball – brachten Schulz und andere auf die Idee, auch in Deutschland mit den Mitteln des Fußballs entschlossen !Nie wieder zu sagen. Willi Lemke wird am Freitagabend das Jubiläums-Wochenende in Frankfurt eröffnen. Der UN-Sonderbotschafter für Sport ist Schirmherr von !Nie wieder.

"Diskriminierung jedweder Form hat im Fußball nichts zu suchen. Das Erinnern an den Holocaust ist mir selbst ein wichtiges Anliegen. Deshalb engagiere ich mich in der Aktion Sühnezeichen", sagt Marco Bode. Der 40-malige Nationalspieler, der 13 Jahre für Werder Bremen Fußball spielte, kommt genauso nach Frankfurt wie sein ehemaliger Mitspieler im Nationalteam Gerald Asamoah (43 Länderspiele).

Julius Hirsch Preis und Israel-Reisen

Unterstützt wird „!Nie wieder“ neben der Bundesliga-Stiftung und dem Bundesministerium des Innern auch von der DFB-Kulturstiftung. Seit 2007 hat es sich die DFB-Stiftung zum Ziel gesetzt Projekte zur Aufarbeitung des Fußballs im Nationalsozialismus und vor allem zur Vermittlung dieser Geschichte bei Kindern und Jugendlichen zu unterstützen. Sie tut dies durch Tagungen ebenso wie durch Bücher, Publikationen, kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen. Aber das Engagement des DFB auf diesem Gebiet reicht schon weiter zurück.

!Nie wieder begeht sein 10-jähriges Jubiläum. Im unmittelbaren Nachgang zu seinem 100jährigen Jubiläum 2000 hatte der Verband begonnen, sich intensiv mit der Aufarbeitung der eigenen Verstrickung in die Wahnsinns-Ideologie der Nazis zu befassen. Im Campus-Verlag erschien 2005 Nils Havemanns Studie „Fußball unterm Hakenkreuz – Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz“. Nach drei Jahren intensiver Forschungsarbeit im Auftrag des DFB zeigte Autor Nils Havemann im Detail, wie schnell und allzu willig der Fußball den Gleichschritt aufnahm. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Studie stiftete der DFB den Julius Hirsch Preis im Namen des in Auschwitz ermordeten deutschen Nationalspielers. Der Preis, der seitdem jährlich das Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auszeichnet, feiert ebenfalls in diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum.

Auch eine andere Verbandsinitiative auf diesem Gebiet hat schon Tradition gewonnen. Seit 2008 schickt der DFB im Dezember seine U-18-Nationalmannschaft auf Geschichtsreise nach Israel. Dort besuchen die jungen Nationalspieler auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Die Idee hatte 2007 der ehemalige DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger anlässlich eines Qualifikationsspiels der U 21-Nationalmannschaft in Israel. Die jungen Mesut Özil, Sami Khedira und Manuel Neuer waren 2007 die ersten nach Israel reisenden DFB-Junioren. Eberhard Schulz gehörte damals zur Delegation. „Wenn Zeitzeugen, ehemalige KZ-Insassen, berichten, ist das auch immer eine Aufforderung zum Nachdenken und zum Handeln. So war das auch auf dieser ersten Reise“, sagt Schulz.

Blaschke: "Fußball kann einen Teil zur Modernisierung beitragen"

Doch die letzten Zeitzeugen sind heute mindestens in ihren Achtzigern. Deutschlands Bevölkerungsstruktur verändert sich. Warum und vor allem wie soll man sich bitte schön an Auschwitz oder Theresienstadt erinnern, wenn die eigenen Eltern doch in Istanbul geboren wurden? "Die Gedenkkultur wandelt sich", sagt Ronny Blaschke. Der junge Journalist, der 2011 das Fußballbuch "Angriff von Rechtsaußen" publizierte, wird in Frankfurt ebenfalls einen Workshop leiten. Er sagt: "Der Fußball kann einen Teil zur Modernisierung beitragen, denn ein Bezug zum Hobby stärkt bei Jugendlichen die Aufnahmefähigkeit für sensible Themen."

Das bestätigt auch Eberhard Schulz, der seit über 40 Jahren den Kampf gegen das Vergessen führt, und wie er sagt, dafür auch schon direkt als "Nestbeschmutzer" beschimpft wurde. Mehr als 800.000 Menschen besuchen jährlich die Gedenkstätte Dachau, immer häufiger auch Fanprojekte aus dem Profifußball. "Gerade junge Männer erreicht man so auf einer emotionalen Ebene, die sie sonst selten nur zulassen", so Schulz.