Mustafi: "Ich konzentriere mich auf meine Arbeit"

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Shkodran Mustafi ist im erweiterten Kader der deutschen Nationalmannschaft wohl der Spieler, der in Deutschland die geringste Bekanntheit hat. Das hat einen guten Grund: Mustafi spielt schon seit fünf Jahren nicht mehr in Deutschland. Von Hamburg aus zog es den heute 22-Jährigen über Everton zu Sampdoria Genua, dort spielte er sich in die Stammelf und ins Notizbuch von Bundestrainer Joachim Löw.

In Südtirol erlebt Mustafi seine erste Vorbereitung mit dem A-Team - darüber und über seine Vita hat er sich mit Redakteur Steffen Lüdeke unterhalten.

DFB.de: Herr Mustafi, stimmt die Geschichte, dass Sie zwei Autos besitzen und die Wahl, welches Sie benutzen, auch davon abhängt, wie Sie vorher mit Genua gespielt haben?

Mustafi: Ein bisschen schon. Ich habe einen Sportwagen und einen Smart. Gerade in Genua gibt es viele kleine Straßen, sich dort hindurch zu manövrieren, ist nicht ganz einfach. Deswegen ist es sinnvoll, auch ein kleines Auto zu haben. Aber es stimmt schon, dass einige Spieler das Auto wechseln, wenn es sportlich nicht so gut läuft. In Genua ist es so, dass der Kontakt zu den Fans sehr eng ist. Am Trainingsplatz haben wir beispielsweise keinen Spielerparkplatz, wir parken dort, wo jeder andere auch parkt. Auch die Fans. Da ist es mitunter einfach eine Frage der Sensibilität, dort nicht mit dem größten Auto vorzufahren.

DFB.de: Sie kennen England, sie kennen Italien. Die Unterschiede zwischen den Arten, Fußball zu spielen, haben Sie schon mehrfach beschrieben. Welche Unterschiede erleben Sie im Verhalten der Fans?

Mustafi: Die Fans in England sind nicht ausschließlich an der Aktualität interessiert. Sie haben mehr die Entwicklung des Vereins im Blick. Wenn dort ein junger Spieler den Sprung in die erste Mannschaft schafft, dann werten die Fans dies als Erfolg und sehen die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Ein solcher Spieler wird dann unterstützt, auch wenn die Leistungen in den ersten Spielen nicht optimal sind. In Italien wollen die Fans den sofortigen Erfolg, sie sind viel ungeduldiger. Wobei wir in Genua tolle Fans haben. Bei uns ist die Stimmung im Stadion immer sehr gut, auch wenn nicht immer alle Plätze gefüllt sind.

DFB.de: Sie sind bei den Sampdoria-Fans sehr beliebt – wie haben Sie dies geschafft? Nur über die Leistung?

Mustafi: Den Fans in Italien ist wichtig, dass man sich auf dem Platz total verausgabt. Man kann verlieren, aber man muss immer alles geben. Gerade als Verteidiger gehört dazu, dass man, auch wenn es mal nicht so gut läuft, in jede Aktion mit voller Überzeugung geht und sich nie hängen lässt. Das habe ich immer gemacht – die Fans honorieren das.

DFB.de: Ist die Zuneigung der Fans gerade für Sie als Legionär wichtig?

Mustafi: Es ist auf jeden Fall besser, als wenn die Fans gegen einen sind. Wobei dies an der Einstellung nichts ändert. Ich würde immer mit voller Motivation auf den Platz gehen, auch wenn die Fans mich nicht leiden könnten.

DFB.de: In Ihrer Karriere gibt es drei Zäsuren. Mit 14 Jahren sind Sie aus dem hessischen Bebra nach Hamburg ins Jugendinternat des HSV gewechselt, dann haben Sie Deutschland Richtung Everton verlassen, jetzt sind Sie in Genua. Welche Umstellung ist Ihnen am schwersten gefallen?

Mustafi: Der schwierigste Schritt ist in dieser Auflistung nicht dabei. Der Wechsel, der mir die meisten Probleme bereitet hat, war in meiner Jugend der vom FV Bebra zum SV Rotenburg. Das war auch der einzige Wechsel, zu dem mich mein Vater überreden musste. In Bebra haben meine ganzen Freunde in meiner Mannschaft gespielt, ich wollte sie eigentlich nicht verlassen. Aber Rotenburg hat eine Liga höher gespielt, und mein Vater hat mir gesagt, dass mein Traum vom Fußballprofi nur realistisch ist, wenn ich mich entwickle, wenn ich den nächsten Schritt mache. Ich habe mich dann überwunden und bin in die Nachbarstadt gewechselt, damals war das für mich hart.

DFB.de: Der Rest war im Vergleich ein Kinderspiel?

Mustafi: So würde ich das auch nicht bezeichnen. (lacht) Das Schwierigste ist eindeutig, der erste Schritt von zu Hause weg. In Hamburg gab es auch viele Mitspieler, mit denen ich mich gut verstanden habe. Aber die Freundschaften, die in der Kindheit entstehen, haben einfach eine andere Qualität. Deswegen war der Schritt von zu Hause weg größer als der von Hamburg nach England oder der Schritt aus England nach Italien.

DFB.de: Sie haben sich den Traum vom Profifußball über Umwege erfüllt. Sie haben erst Hamburg verlassen, dann Everton. Hatten Sie manchmal Zweifel, ob Ihr Traum wirklich wahr werden würde?

Mustafi: Es ist eher so, dass man an den Entscheidungen, die man getroffen hat, zweifelt. Ich bin aus Hamburg weg, weil zu viele Sachen für mich nicht gepasst haben. Nach Everton bin ich gewechselt, weil mir damals interessante Perspektiven aufgezeigt wurden. Aber nach zwei Jahren dort war es schon so, dass ich überlegt habe, ob der Schritt weg aus Deutschland tatsächlich richtig war. Es war aber nie so, dass ich kurz davor war, zu resignieren. Auch nicht in Everton. Ich habe dort zwar nicht in der Startformation gespielt, aber: Ich war bei Everton! Das Bewusstsein, dass ich aus einem Dorfverein komme und jetzt bei einem Premier-League-Klub bin, hat mich immer motiviert. Deswegen habe ich immer weitergekämpft, habe versucht, mich zu stabilisieren und zu behaupten.

DFB.de: Der nächste Schritt führte sie nach Genua. Dort sind Sie mittlerweile unumstrittener Stammspieler in der Serie A. Welchen Anteil daran hat Trainer Siniša Mihajlović?

Mustafi: In Genua habe ich einiges erlebt. Fußball in der zweiten Liga, verschiedene Systeme, verschiedene Trainer, verschiedene Ideen. Mit Mihajlović kam dann ein Trainer, mit dem ich mich sehr gut identifizieren konnte. Auch mit seinen Ideen vom Fußball, mit seiner Taktik. Unter ihm kommen meine Stärken viel mehr zur Geltung. Dass er zu uns gekommen ist, war für den Verein sehr wichtig. Die Mannschaft ist aufgeblüht, wir haben nun eine Spielidentität.

DFB.de: Sie haben albanische Wurzeln, Mihajlović ist Serbe. Wurde dies zwischen Ihnen mal thematisiert?

Mustafi: Eigentlich nicht. Er ist Trainer, ich bin Spieler. Welche Herkunft wir haben, spielt dafür keine Rolle. Es war für mich nie relevant, welche Nationalität die Menschen haben. Wir sind im Fußball, da gibt es ein einfaches Prinzip: Der Bessere spielt.

DFB.de: Wie groß ist Ihr Bezug zu Albanien?

Mustafi: Sehr groß. Ich spreche die Sprache, Teile meiner Familie leben noch in Albanien. Ich bin regelmäßig unten, um sie zu besuchen. Für mich ist es immer wieder schön, dort zu sein.

DFB.de: Wie groß ist der Spagat? Als Fußballprofi verdienen Sie gutes Geld, Sie leben auf der Sonnenseite. In Albanien werden Sie mit großer Armut konfrontiert.

Mustafi: Ein schöner Nebeneffekt meiner Besuche in Albanien ist, dass mich das auf dem Boden hält. Im Fußball gibt es die Gefahr, blind für die normale Welt zu werden. Wir leben ja im Luxus, leben in einer eigenen Welt, die mit dem, was die meisten Menschen erleben, nichts zu tun hat. Durch meine Besuche in Albanien erweitert sich das Blickfeld, ich sehe, wie das echte Leben aussieht. Ich empfinde dies jedes Mal als sehr hilfreich.

DFB.de: In Genua sind Sie der einzige Deutsche, aber nicht der einzige Hesse. Mit Roberto Soriano steht ein Spieler im Kader, der in Darmstadt geboren und in Deutschland aufgewachsen ist, sich aber für die italiensche Nationalmannschaft entschieden hat. Wie sehr hat er Ihnen bei der Eingewöhnung in Italien geholfen?

Mustafi: Für mich ist er im Grunde kein Freund mehr, ich sehe ihn eher als Bruder. Gerade am Anfang hat er mich wahnsinnig unterstützt. Ich weiß nicht, ob alles so glatt gelaufen wäre, wenn er nicht da gewesen wäre. Er hat alles mit mir gemacht. Er ist mit mir zur Bank gegangen, er hat den ganzen Papierkram mit mir erledigt. Ich bin nach Italien gegangen und konnte – nichts. Ich habe kein Wort Italienisch gesprochen, kannte niemanden. Da war es für mich optimal, dass er sich um mich gekümmert hat.

DFB.de: Haben Sie schon hochgerechnet, bei welchem Spiel Deutschland bei der WM auf Italien treffen könnte?

Mustafi: Er zieht mich immer damit auf, dass Italien in den letzten Jahren gerade in den wichtigen Spielen gegen Deutschland gewonnen hat. Leider stimmt das, also habe ich kaum Chancen, verbal dagegen zu halten. Zwischen uns ist aber alles immer nur Spaß. Auch in den vergangenen Tagen hatten wir viel Kontakt. Was ich dabei immer merke, ist, dass er sich einfach ehrlich für mich freut, dass ich die Chance habe, bei der Weltmeisterschaft dabei zu sein.

DFB.de: Wie groß ist Ihre Sorge, dass sie zu den drei Spielern gehören, die noch aus dem Kader für die WM gestrichen werden müssen?

Mustafi: Ich war bislang ganz erfolgreich damit, mir über alle Eventualitäten, wie, wer, was, warum, keine Gedanken zu machen. Ich versuche, hier meine Leistung zu bringen, versuche zu verstehen, was der Trainer verlangt. Und ich versuche, damit klar zu kommen, dass sich gerade ein Traum erfüllt. Auch das ist nicht einfach. Zuletzt ging alles wahnsinnig schnell, auf einmal ist man da und hat kaum Zeit, das alles zu genießen. Das Rechnen und Spekulieren, können gerne andere übernehmen, ich konzentriere mich auf meine Arbeit auf dem Platz. Da gibt es für mich genug zu tun.

DFB.de: Wie groß ist der Unterschied zwischen dem, was Trainer Mihajlović in Genua von Ihnen erwartet und dem, was Bundestrainer Joachim Löw will?

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Mustafi: Eigentlich ist es weitgehend identisch. Beide sind Trainer, die von hinten heraus Fußball spielen wollen. Sie wollen keine langen Bälle, sie streben immer die spielerische Lösung an. Aber es gibt auch Unterschiede. Mihajlović ist ein Trainer, der uns mit großem Risiko spielen lässt. Er hat uns vorne ständig pressen lassen, das hat mit sich gebracht, dass wir hinten nicht selten eins gegen eins gespielt haben. Die Nationalmannschaft spielt auch offensiv, aber hinten nicht mit so großem Risiko. Hier wird mehr Wert darauf gelegt, dass die Defensive in Überzahl spielt, dass man im Regelfall immer eine Absicherung hat.

DFB.de: Das Trainingslager ist noch nicht vorbei, aber es neigt sich dem Ende. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Mustafi: Es ist für mich phantastisch, hier dabei zu sein. Wenn man sich im Kreis der Nationalmannschaft bewegt, nimmt man viele Dinge mit. Man spielt und trainiert mit Spielern, die große Titel gewonnen und die große Qualität haben. Das ist einfach eine tolle Erfahrung.

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Shkodran Mustafi ist im erweiterten Kader der deutschen Nationalmannschaft wohl der Spieler, der in Deutschland die geringste Bekanntheit hat. Das hat einen guten Grund: Mustafi spielt schon seit fünf Jahren nicht mehr in Deutschland. Von Hamburg aus zog es den heute 22-Jährigen über Everton zu Sampdoria Genua, dort spielte er sich in die Stammelf und ins Notizbuch von Bundestrainer Joachim Löw.

In Südtirol erlebt Mustafi seine erste Vorbereitung mit dem A-Team - darüber und über seine Vita hat er sich mit Redakteur Steffen Lüdeke unterhalten.

DFB.de: Herr Mustafi, stimmt die Geschichte, dass Sie zwei Autos besitzen und die Wahl, welches Sie benutzen, auch davon abhängt, wie Sie vorher mit Genua gespielt haben?

Mustafi: Ein bisschen schon. Ich habe einen Sportwagen und einen Smart. Gerade in Genua gibt es viele kleine Straßen, sich dort hindurch zu manövrieren, ist nicht ganz einfach. Deswegen ist es sinnvoll, auch ein kleines Auto zu haben. Aber es stimmt schon, dass einige Spieler das Auto wechseln, wenn es sportlich nicht so gut läuft. In Genua ist es so, dass der Kontakt zu den Fans sehr eng ist. Am Trainingsplatz haben wir beispielsweise keinen Spielerparkplatz, wir parken dort, wo jeder andere auch parkt. Auch die Fans. Da ist es mitunter einfach eine Frage der Sensibilität, dort nicht mit dem größten Auto vorzufahren.

DFB.de: Sie kennen England, sie kennen Italien. Die Unterschiede zwischen den Arten, Fußball zu spielen, haben Sie schon mehrfach beschrieben. Welche Unterschiede erleben Sie im Verhalten der Fans?

Mustafi: Die Fans in England sind nicht ausschließlich an der Aktualität interessiert. Sie haben mehr die Entwicklung des Vereins im Blick. Wenn dort ein junger Spieler den Sprung in die erste Mannschaft schafft, dann werten die Fans dies als Erfolg und sehen die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Ein solcher Spieler wird dann unterstützt, auch wenn die Leistungen in den ersten Spielen nicht optimal sind. In Italien wollen die Fans den sofortigen Erfolg, sie sind viel ungeduldiger. Wobei wir in Genua tolle Fans haben. Bei uns ist die Stimmung im Stadion immer sehr gut, auch wenn nicht immer alle Plätze gefüllt sind.

DFB.de: Sie sind bei den Sampdoria-Fans sehr beliebt – wie haben Sie dies geschafft? Nur über die Leistung?

Mustafi: Den Fans in Italien ist wichtig, dass man sich auf dem Platz total verausgabt. Man kann verlieren, aber man muss immer alles geben. Gerade als Verteidiger gehört dazu, dass man, auch wenn es mal nicht so gut läuft, in jede Aktion mit voller Überzeugung geht und sich nie hängen lässt. Das habe ich immer gemacht – die Fans honorieren das.

DFB.de: Ist die Zuneigung der Fans gerade für Sie als Legionär wichtig?

Mustafi: Es ist auf jeden Fall besser, als wenn die Fans gegen einen sind. Wobei dies an der Einstellung nichts ändert. Ich würde immer mit voller Motivation auf den Platz gehen, auch wenn die Fans mich nicht leiden könnten.

DFB.de: In Ihrer Karriere gibt es drei Zäsuren. Mit 14 Jahren sind Sie aus dem hessischen Bebra nach Hamburg ins Jugendinternat des HSV gewechselt, dann haben Sie Deutschland Richtung Everton verlassen, jetzt sind Sie in Genua. Welche Umstellung ist Ihnen am schwersten gefallen?

Mustafi: Der schwierigste Schritt ist in dieser Auflistung nicht dabei. Der Wechsel, der mir die meisten Probleme bereitet hat, war in meiner Jugend der vom FV Bebra zum SV Rotenburg. Das war auch der einzige Wechsel, zu dem mich mein Vater überreden musste. In Bebra haben meine ganzen Freunde in meiner Mannschaft gespielt, ich wollte sie eigentlich nicht verlassen. Aber Rotenburg hat eine Liga höher gespielt, und mein Vater hat mir gesagt, dass mein Traum vom Fußballprofi nur realistisch ist, wenn ich mich entwickle, wenn ich den nächsten Schritt mache. Ich habe mich dann überwunden und bin in die Nachbarstadt gewechselt, damals war das für mich hart.

DFB.de: Der Rest war im Vergleich ein Kinderspiel?

Mustafi: So würde ich das auch nicht bezeichnen. (lacht) Das Schwierigste ist eindeutig, der erste Schritt von zu Hause weg. In Hamburg gab es auch viele Mitspieler, mit denen ich mich gut verstanden habe. Aber die Freundschaften, die in der Kindheit entstehen, haben einfach eine andere Qualität. Deswegen war der Schritt von zu Hause weg größer als der von Hamburg nach England oder der Schritt aus England nach Italien.

DFB.de: Sie haben sich den Traum vom Profifußball über Umwege erfüllt. Sie haben erst Hamburg verlassen, dann Everton. Hatten Sie manchmal Zweifel, ob Ihr Traum wirklich wahr werden würde?

Mustafi: Es ist eher so, dass man an den Entscheidungen, die man getroffen hat, zweifelt. Ich bin aus Hamburg weg, weil zu viele Sachen für mich nicht gepasst haben. Nach Everton bin ich gewechselt, weil mir damals interessante Perspektiven aufgezeigt wurden. Aber nach zwei Jahren dort war es schon so, dass ich überlegt habe, ob der Schritt weg aus Deutschland tatsächlich richtig war. Es war aber nie so, dass ich kurz davor war, zu resignieren. Auch nicht in Everton. Ich habe dort zwar nicht in der Startformation gespielt, aber: Ich war bei Everton! Das Bewusstsein, dass ich aus einem Dorfverein komme und jetzt bei einem Premier-League-Klub bin, hat mich immer motiviert. Deswegen habe ich immer weitergekämpft, habe versucht, mich zu stabilisieren und zu behaupten.

DFB.de: Der nächste Schritt führte sie nach Genua. Dort sind Sie mittlerweile unumstrittener Stammspieler in der Serie A. Welchen Anteil daran hat Trainer Siniša Mihajlović?

Mustafi: In Genua habe ich einiges erlebt. Fußball in der zweiten Liga, verschiedene Systeme, verschiedene Trainer, verschiedene Ideen. Mit Mihajlović kam dann ein Trainer, mit dem ich mich sehr gut identifizieren konnte. Auch mit seinen Ideen vom Fußball, mit seiner Taktik. Unter ihm kommen meine Stärken viel mehr zur Geltung. Dass er zu uns gekommen ist, war für den Verein sehr wichtig. Die Mannschaft ist aufgeblüht, wir haben nun eine Spielidentität.

DFB.de: Sie haben albanische Wurzeln, Mihajlović ist Serbe. Wurde dies zwischen Ihnen mal thematisiert?

Mustafi: Eigentlich nicht. Er ist Trainer, ich bin Spieler. Welche Herkunft wir haben, spielt dafür keine Rolle. Es war für mich nie relevant, welche Nationalität die Menschen haben. Wir sind im Fußball, da gibt es ein einfaches Prinzip: Der Bessere spielt.

DFB.de: Wie groß ist Ihr Bezug zu Albanien?

Mustafi: Sehr groß. Ich spreche die Sprache, Teile meiner Familie leben noch in Albanien. Ich bin regelmäßig unten, um sie zu besuchen. Für mich ist es immer wieder schön, dort zu sein.

DFB.de: Wie groß ist der Spagat? Als Fußballprofi verdienen Sie gutes Geld, Sie leben auf der Sonnenseite. In Albanien werden Sie mit großer Armut konfrontiert.

Mustafi: Ein schöner Nebeneffekt meiner Besuche in Albanien ist, dass mich das auf dem Boden hält. Im Fußball gibt es die Gefahr, blind für die normale Welt zu werden. Wir leben ja im Luxus, leben in einer eigenen Welt, die mit dem, was die meisten Menschen erleben, nichts zu tun hat. Durch meine Besuche in Albanien erweitert sich das Blickfeld, ich sehe, wie das echte Leben aussieht. Ich empfinde dies jedes Mal als sehr hilfreich.

DFB.de: In Genua sind Sie der einzige Deutsche, aber nicht der einzige Hesse. Mit Roberto Soriano steht ein Spieler im Kader, der in Darmstadt geboren und in Deutschland aufgewachsen ist, sich aber für die italiensche Nationalmannschaft entschieden hat. Wie sehr hat er Ihnen bei der Eingewöhnung in Italien geholfen?

Mustafi: Für mich ist er im Grunde kein Freund mehr, ich sehe ihn eher als Bruder. Gerade am Anfang hat er mich wahnsinnig unterstützt. Ich weiß nicht, ob alles so glatt gelaufen wäre, wenn er nicht da gewesen wäre. Er hat alles mit mir gemacht. Er ist mit mir zur Bank gegangen, er hat den ganzen Papierkram mit mir erledigt. Ich bin nach Italien gegangen und konnte – nichts. Ich habe kein Wort Italienisch gesprochen, kannte niemanden. Da war es für mich optimal, dass er sich um mich gekümmert hat.

DFB.de: Haben Sie schon hochgerechnet, bei welchem Spiel Deutschland bei der WM auf Italien treffen könnte?

Mustafi: Er zieht mich immer damit auf, dass Italien in den letzten Jahren gerade in den wichtigen Spielen gegen Deutschland gewonnen hat. Leider stimmt das, also habe ich kaum Chancen, verbal dagegen zu halten. Zwischen uns ist aber alles immer nur Spaß. Auch in den vergangenen Tagen hatten wir viel Kontakt. Was ich dabei immer merke, ist, dass er sich einfach ehrlich für mich freut, dass ich die Chance habe, bei der Weltmeisterschaft dabei zu sein.

DFB.de: Wie groß ist Ihre Sorge, dass sie zu den drei Spielern gehören, die noch aus dem Kader für die WM gestrichen werden müssen?

Mustafi: Ich war bislang ganz erfolgreich damit, mir über alle Eventualitäten, wie, wer, was, warum, keine Gedanken zu machen. Ich versuche, hier meine Leistung zu bringen, versuche zu verstehen, was der Trainer verlangt. Und ich versuche, damit klar zu kommen, dass sich gerade ein Traum erfüllt. Auch das ist nicht einfach. Zuletzt ging alles wahnsinnig schnell, auf einmal ist man da und hat kaum Zeit, das alles zu genießen. Das Rechnen und Spekulieren, können gerne andere übernehmen, ich konzentriere mich auf meine Arbeit auf dem Platz. Da gibt es für mich genug zu tun.

DFB.de: Wie groß ist der Unterschied zwischen dem, was Trainer Mihajlović in Genua von Ihnen erwartet und dem, was Bundestrainer Joachim Löw will?

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Mustafi: Eigentlich ist es weitgehend identisch. Beide sind Trainer, die von hinten heraus Fußball spielen wollen. Sie wollen keine langen Bälle, sie streben immer die spielerische Lösung an. Aber es gibt auch Unterschiede. Mihajlović ist ein Trainer, der uns mit großem Risiko spielen lässt. Er hat uns vorne ständig pressen lassen, das hat mit sich gebracht, dass wir hinten nicht selten eins gegen eins gespielt haben. Die Nationalmannschaft spielt auch offensiv, aber hinten nicht mit so großem Risiko. Hier wird mehr Wert darauf gelegt, dass die Defensive in Überzahl spielt, dass man im Regelfall immer eine Absicherung hat.

DFB.de: Das Trainingslager ist noch nicht vorbei, aber es neigt sich dem Ende. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Mustafi: Es ist für mich phantastisch, hier dabei zu sein. Wenn man sich im Kreis der Nationalmannschaft bewegt, nimmt man viele Dinge mit. Man spielt und trainiert mit Spielern, die große Titel gewonnen und die große Qualität haben. Das ist einfach eine tolle Erfahrung.