Manager Oliver Bierhoff: "Das ist der beste Job der Welt"

Fast genau vor drei Jahren, am 1. August 2004, ist Oliver Bierhoff in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt gemeinsam mit dem damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann der Öffentlichkeit unter großer medialer Aufmerksamkeit als erster Manager der Nationalmannschaft vorgestellt worden. Bierhoff hat danach schnell sein Profil als Teammanager geschärft - er ist aus der Nationalmannschaft nicht mehr wegzudenken.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit den DFB-Internetredakteuren Christian Müller und Thomas Hackbarth zieht Oliver Bierhoff, der in 70 Länderspielen 37 Tore erzielte und dessen "Golden Goal" 1996 zum Gewinn der Europameisterschaft in England führte, eine ausführliche Bilanz seiner ersten drei Jahre als Manager der deutschen Nationalmannschaft.

Außerdem äußert sich der 39-Jährige, der auch Pate des Fan Club Nationalmannschaft ist, zur Entwicklung junger Nationalspieler wie Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger, zu seinen Erwartungen vor der am Freitag beginnenden Bundesligasaison 2007/2008 und den Vorbereitungen des DFB im Hinblick auf die EURO 2008 in Österreich und der Schweiz.

Frage: Herr Bierhoff, vor drei Jahren sind Sie zusammen mit Jürgen Klinsmann beim DFB in Ihrten neuen Positionen präsentiert worden. Mit welcher Zielsetzung sind Sie damals angetreten?

Oliver Bierhoff: Die Zielsetzung hatte Jürgen damals klar ausgegeben, nämlich Weltmeister zu werden. Das entsprach sicher auch den Ansprüchen an eine WM im eigenen Land. Wir haben schnell versucht, unsere Erfahrungen als Spieler beim DFB einzubringen, gerade auch Vorgehensweisen, die wir im Ausland beobachtet und erlebt haben, zum Beispiel das Spezialistentum, die individuelle Betreuung der Spieler. Diese Komponenten der Trainingsarbeit haben wir deutlich stärker betont. Wir wollten einfach näher an den Spielern dran sein, enger mit ihnen zusammen arbeiten.

Frage: Was bedeutet das konkret?

Oliver Bierhoff: Organisatorisch war der DFB immer schon bestens aufgestellt, da gab es wenig Bedarf, Abläufe umzugestalten. Atmosphärisches rund ums Team war uns wichtig: Dass die Mannschaft sich wohlfühlt, hatte und hat bei uns immer Priorität. Deshalb haben wir eine „Player´s Lounge“ eingerichtet. Gleichzeitig haben wir den Kreis um die Mannschaft bewusst enger gezogen. Die Folge war, dass weniger externe Leute bei den Länderspielen Zutritt zur Mannschaft hatten und wir dadurch auch ein besseres Vertrauensverhältnis aufbauen konnten. Ein ruhiges Arbeiten wurde möglich. Und dann haben wir die Spieler voll in die Verantwortung genommen.

Frage: Haben Sie erwartet, dass Ihre Ideen solch einen Anklang finden würden?

Oliver Bierhoff: Wir haben uns auf jeden Fall nie durch Kritik verunsichern lassen. Wenn man sich jetzt die Kommentare der vergangenen drei Jahre anschaut, haben wir sicherlich gut daran getan, an unserem Konzept festzuhalten. Einige Ideen wurden und werden gerade jetzt von den Bundesliga-Klubs umgesetzt. Es ist für den deutschen Fußball insgesamt von Vorteil, dass es einen so engen Austausch gibt.

Frage: Gemeinsam mit Jürgen Klinsmann, nach der WM mit Joachim Löw haben Sie etliche Neuerungen wie Fitness-Trainer oder Sport-Psychologe bei der Nationalmannschaft etabliert, aber auch dem DFB – etwa Stichwort Sportkompetenz-Gremium – einen frischen, modernen Anstrich verpasst. Innovationen gibt es jedoch selten ohne Widerstand: Wieviel Gegenwind haben Sie dabei verspürt?

Oliver Bierhoff: Es gab die Situation, als bei den Bundesliga-Vereinen nach dem Leistungstest die Kritik aufkam, wir würden zu hart trainieren und das Einzeltraining übertreiben. Das war sicher eine kritische Phase. Doch wir haben unsere Linie gehalten und mit Fakten belegt - auch mit statistischem Material -, dass wir das Tempo erhöhen müssen, sowohl das Lauftempo wie auch das Passtempo und das Umsetzen von Abwehr auf Angriff. Die meisten Neuerungen wurden vom Verband mitgetragen. Aber Veränderungen sorgen immer für Unruhe und Reibung - das ist doch ganz normal.

Frage: Sie haben viel erreicht im sportlichen wie administrativen Bereich. Wie ist heute die Zusammenarbeit mit Matthias Sammer und dem früheren Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters, nachdem sich beide ursprünglich für den Posten des DFB-Sportdirektors beworben hatten?

Oliver Bierhoff: Die Position ist inzwischen mit Matthias Sammer sehr gut besetzt. Bernhard Peters wurde bekanntlich Mitglied im Sportkompetenz-Gremium des DFB. Der Kontakt ist also entsprechend eng. Wir schätzen ihn als Querdenker und jemanden, der uns auch mal auf die Finger klopft, wenn er der Meinung ist, dass wir anfangen, uns zurückzulehnen.

Frage: Seit Ihrem Amtsantritt ist es Ihnen nie langweilig geworden. Ob vor und während der WM 2006 oder auch jetzt vor der EM 2008 - es gab und gibt viele Themen, die Sie beschäftigen. Haben Sie einen stressigen Job?

Oliver Bierhoff: Ich hatte mir anfangs die Arbeitsaufteilung anders vorgestellt. Gerade als es auf die WM zuging und Jürgen oft in den USA war, wurde es für mich doch intensiv und stressig. Ohne Frage ist die Aufgabe als Manager der Nationalmannschaft mit Druck und auch nervlicher Belastung verbunden, wobei die Arbeit gottlob auch immer wieder Pausen zulässt. Mir bringt die Position auf alle Fälle viel Spaß. Ich habe in den drei Jahren dazugelernt - sicher von Jürgen sowie auch von den anderen Trainern rund um die Nationalmannschaft. Für mich ist es immer noch der beste Job der Welt.

Frage: Hin und wieder gab es auch emotionale geführte Diskussionen mit dem FC Bayern - eine neue Erfahrung für Sie?

Oliver Bierhoff: Ich habe mich bei solchen öffentlichen Disputen immer wieder zurückgenommen und versucht, ruhig zu reflektieren, worum es in der Sache selbst ging. Wichtig ist es, sich korrekt zu verhalten und respektvoll miteinander umzugehen. Das manche mich in ein falsches Licht gestellt haben, hat mich nie in meinem Standpunkt verunsichert.

Frage: Sie waren Kapitän der DFB-Auswahl und Europameister 1996, sind ein diplomierter Betriebswirt und versiert im Umgang mit Medien, Werbepartnern und der Wirtschaft. Welche Eigenschaften haben Sie als Manager der Nationalmannschaft kultivieren müssen, wo haben Sie in den vergangenen drei Jahren dazu gelernt?

Oliver Bierhoff: Neu war es für mich, ein Team zu führen. Plötzlich hatte ich einen kompletten Betreuerstab zu führen - und in gewisser Weise auch die Spieler und das Trainerteam der Nationalmannschaft. Jung und dynamisch sind wir in der sportlichen Leitung einige sportpolitische Fragen ungeschickt angegangen. Es gab Situationen, die hätte ein alter Hase der Branche sicher eleganter gelöst. Es reicht eben nicht alleine, von der Sache überzeugt zu sein. Man muss anstehende Entscheidungen in Gesprächen vorbereiten. Ich habe sicher auch gelernt, in entscheidenden Momenten ganz klar Stellung zu beziehen.

Frage: Wie beurteilen Sie die sportliche Entwicklung der Nationalmannschaft unter Joachim Löw?

Oliver Bierhoff: Die Ergebnisse sprechen für sich. Wir sind eben nicht in das angekündigte Loch gefallen. Stattdessen haben die Spieler bewiesen, dass sie weiter ehrgeizig sind und mit großem Engagement und Leidenschaft arbeiten wollen. Joachim Löw ist der absolut richtige Mann als Bundestrainer. Er hat die begonnene Entwicklung fortgesetzt und dafür gesorgt, dass alle am gleichen Strang ziehen. Auch auswärts sind wir mittlerweile eine starke Mannschaft geworden, ich erinnere nur an die Spiele in Tschechien und der Slowakei.

Frage: Bei der letzten Partie im Wembley-Stadion vor dem Neubau haben Sie selbst gespielt und durften das historische 1:0 feiern. Am 22. August sind Sie als Manager dabei, wenn es in der neuen Arena erneut zum Prestigeduell kommt. Was erwarten Sie vom Testspiel gegen die Engländer?

Oliver Bierhoff: Ich freue mich darauf, in diesem neuen und wunderschönen Stadion den Klassiker zu erleben. Alleine der Moment, wenn die Leute in der ausverkauften Arena die englische Hymne singen, ist beeindruckend. Und es geht immer ums Prestige, wenn England auf Deutschland trifft.

Frage: Einige Nationalspieler wie Torsten Frings, Michael Ballack oder Lukas Podolski sind momentan angeschlagen, verletzt oder noch nicht fit. Machen Sie sich Sorgen im Endspurt um die EM-Qualifikation?

Oliver Bierhoff: Ich mache mir keine Sorgen. Wir haben es in den vergangenen drei Jahren immer wieder geschafft, neue Spieler heranzuführen. Der Stamm ist vorhanden, dabei wachsen immer wieder Talente nach wie etwa Mario Gomez, für mich der Shootingstar der vergangenen Saison. Natürlich ist es ärgerlich, wenn etwa Podolski und Frings fehlen, aber wichtiger wird es für uns sein, dass wir alle Mann an Bord haben, wenn es unmittelbar auf das Turnier zugeht.

Frage: Sind für Tabellenführer Deutschland sechs Punkte Vorsprung in der Qualifikationsgruppe D auf den Tabellendritten Irland ein ausreichendes Polster?

Oliver Bierhoff: Wir haben die tolle Möglichkeit, schon in den nächsten Spielen die Qualifikation für die EURO 2008 zu packen. Dann könnten wir gegen Ende etwas entspannter in die Länderspiele gehen. Die Nationalspieler und die Trainer wollen so früh wie möglich die EM-Qualifikation schaffen, und das werden wir in den nächsten Spielen auch zeigen.

Frage: Nach dem EM-Qualifikationsspiel am 8. September in Cardiff gegen Wales steht das nächste Heimländerspiel vier Tage später in Köln gegen Rumänien an. Manche Fans fürchten, dass Bundestrainer Löw wie im März gegen Dänemark in Duisburg viele jüngere Spieler einsetzen wird – zu Recht?

Oliver Bierhoff: Wir werden künftig nicht mehr mit einer Aufstellung wie damals antreten. Da kann ich die Fans beruhigen.

Frage: Wichtige Nationalspieler wie Kapitän Michael Ballack bei Chelsea, Jens Lehmann bei Arsenal oder Christoph Metzelder bei Real Madrid spielen für ausländische Spitzenklubs, die zahlreiche Topstars des internationalen Fußballs beschäftigen. Sehen Sie die Gefahr, dass ihre DFB-Leistungsträger im Verein zu wenig Spielpraxis erhalten?

Oliver Bierhoff: Wir glauben an sie. Sicher, Chelsea stellt diese Saison sein System um, und fraglos ist die Konkurrenz sehr groß - ich weiß nicht, ob es damit für Michael vielleicht nicht etwas schwieriger wird. Er hat sich vergangene Saison aber positiv weiter entwickelt, und jetzt hat er in London etwas mehr Ruhe als noch im vergangenen Sommer. Ich freue mich generell, dass deutsche Spieler im Ausland wieder gefragt sind, auch diese Entwicklung haben wir angestoßen. Lehmann bei Arsenal, Ballack in Chelsea, Odonkor in Sevilla, jetzt Hildebrand in Valencia und Metzelder bei so einem Verein wie Real Madrid - das ist schon klasse. Für Christoph kommt jetzt eine große Prüfung. Er muss beweisen, dass er nicht nur in der Nationalmannschaft kontinuierlich gut spielen kann, sondern auch im Verein. Ich denke, "Metze" wird sich letztendlich durchsetzen.

Frage: Auch in der Bundesliga haben einige jüngere Nationalspieler namhafte Konkurrenz bekommen, beispielsweise die Münchner Lukas Podolski, Bastian Schweinsteiger oder Jan Schlaudraff mit den Stars Luca Toni und Franck Ribéry. Ist die Situation förderlich für ihre Leistung, oder kann die Entwicklung dadurch gebremst werden, was wiederum der deutschen Nationalmannschaft schaden könnte?

Oliver Bierhoff: Mir ist es immer lieber, wenn unsere Spieler gefordert sind. Das ist allemal besser, als wenn sie bequem ihren Platz verteidigen können und sie sozusagen in einer "Komfortzone" leben. Ich glaube, alle drei haben das Potenzial, um beim FC Bayern riesige Spiele zu machen. Ich beobachte auch, mit welchem Einsatz Bastian Schweinsteiger die Saisonvorbereitung bestritten hat. Auch Lukas und Jan werden wieder angreifen, wenn sie ihre Verletzungen ausgestanden haben. Die Bayern haben einen prallgefüllten Terminkalender. Jeder wird seine Chance bekommen.

Frage: Am Wochenende startet die Bundesliga in die neue Saison. Auf welche Spieler freuen Sie sich besonders? Und wer wird die Überraschungsmannschaft 2007/2008?

Oliver Bierhoff: Ich freue mich ganz besonders auf Franck Ribéry. In der Liga vorn sehe ich wieder die üblichen Verdächtigen mit Bayern, Bremen, Schalke und Stuttgart. Vielleicht ist ja der Hamburger SV nach den Enttäuschungen der vergangenen Saison wieder auf einem guten Weg.

Frage: Wie konkurrenzfähig sind die Bundesligaklubs im Europapokal?

Oliver Bierhoff: In der Champions League bleibt es schwierig, weil die anderen Topklubs weiter aufrüsten. Englische, italienische und spanische Teams haben einfach andere finanzielle Möglichkeiten und damit auch einen anderen Kader. Mit Erreichen des Viertelfinales sollte man bei den deutschen Mannschaften zufrieden sein. Im UEFA-Pokal sieht es etwas anders aus, da ist Bayern München klarer Favorit.

Frage: Und im Vergleich dazu die Nationalmannschaft: Was darf man dem Weltranglisten-Fünften bei der EURO 2008, Qualifikation vorausgesetzt, zutrauen?

Oliver Bierhoff: Das Niveau wird sehr hoch sein. Das zeigt allein die Tatsache, dass alle vier WM-Halbfinalisten aus Europa kommen. Aber wir sollten uns das gleiche Ziel setzen wie bei der WM: den Titel. Die Jungs sind heiß, und ich trauen ihnen alles zu.

Frage: Geht es in der Vorbereitung wieder in den Süden? Und wo wird das EM-Quartier der DFB-Auswahl sein?

Oliver Bierhoff: Wir werden die Vorbereitung in Südeuropa absolvieren, und einen festen Standort während der EURO haben wir auch schon im Visier. Aber mehr werden wir erst nach erfolgreicher EM-Qualifikation verraten. 

[th/cm]

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Fast genau vor drei Jahren, am 1. August 2004, ist Oliver Bierhoff in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt gemeinsam mit dem damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann der Öffentlichkeit unter großer medialer Aufmerksamkeit als erster Manager der Nationalmannschaft vorgestellt worden. Bierhoff hat danach schnell sein Profil als Teammanager geschärft - er ist aus der Nationalmannschaft nicht mehr wegzudenken.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit den DFB-Internetredakteuren Christian Müller und Thomas Hackbarth zieht Oliver Bierhoff, der in 70 Länderspielen 37 Tore erzielte und dessen "Golden Goal" 1996 zum Gewinn der Europameisterschaft in England führte, eine ausführliche Bilanz seiner ersten drei Jahre als Manager der deutschen Nationalmannschaft.

Außerdem äußert sich der 39-Jährige, der auch Pate des Fan Club Nationalmannschaft ist, zur Entwicklung junger Nationalspieler wie Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger, zu seinen Erwartungen vor der am Freitag beginnenden Bundesligasaison 2007/2008 und den Vorbereitungen des DFB im Hinblick auf die EURO 2008 in Österreich und der Schweiz.

Frage: Herr Bierhoff, vor drei Jahren sind Sie zusammen mit Jürgen Klinsmann beim DFB in Ihrten neuen Positionen präsentiert worden. Mit welcher Zielsetzung sind Sie damals angetreten?

Oliver Bierhoff: Die Zielsetzung hatte Jürgen damals klar ausgegeben, nämlich Weltmeister zu werden. Das entsprach sicher auch den Ansprüchen an eine WM im eigenen Land. Wir haben schnell versucht, unsere Erfahrungen als Spieler beim DFB einzubringen, gerade auch Vorgehensweisen, die wir im Ausland beobachtet und erlebt haben, zum Beispiel das Spezialistentum, die individuelle Betreuung der Spieler. Diese Komponenten der Trainingsarbeit haben wir deutlich stärker betont. Wir wollten einfach näher an den Spielern dran sein, enger mit ihnen zusammen arbeiten.

Frage: Was bedeutet das konkret?

Oliver Bierhoff: Organisatorisch war der DFB immer schon bestens aufgestellt, da gab es wenig Bedarf, Abläufe umzugestalten. Atmosphärisches rund ums Team war uns wichtig: Dass die Mannschaft sich wohlfühlt, hatte und hat bei uns immer Priorität. Deshalb haben wir eine „Player´s Lounge“ eingerichtet. Gleichzeitig haben wir den Kreis um die Mannschaft bewusst enger gezogen. Die Folge war, dass weniger externe Leute bei den Länderspielen Zutritt zur Mannschaft hatten und wir dadurch auch ein besseres Vertrauensverhältnis aufbauen konnten. Ein ruhiges Arbeiten wurde möglich. Und dann haben wir die Spieler voll in die Verantwortung genommen.

Frage: Haben Sie erwartet, dass Ihre Ideen solch einen Anklang finden würden?

Oliver Bierhoff: Wir haben uns auf jeden Fall nie durch Kritik verunsichern lassen. Wenn man sich jetzt die Kommentare der vergangenen drei Jahre anschaut, haben wir sicherlich gut daran getan, an unserem Konzept festzuhalten. Einige Ideen wurden und werden gerade jetzt von den Bundesliga-Klubs umgesetzt. Es ist für den deutschen Fußball insgesamt von Vorteil, dass es einen so engen Austausch gibt.

Frage: Gemeinsam mit Jürgen Klinsmann, nach der WM mit Joachim Löw haben Sie etliche Neuerungen wie Fitness-Trainer oder Sport-Psychologe bei der Nationalmannschaft etabliert, aber auch dem DFB – etwa Stichwort Sportkompetenz-Gremium – einen frischen, modernen Anstrich verpasst. Innovationen gibt es jedoch selten ohne Widerstand: Wieviel Gegenwind haben Sie dabei verspürt?

Oliver Bierhoff: Es gab die Situation, als bei den Bundesliga-Vereinen nach dem Leistungstest die Kritik aufkam, wir würden zu hart trainieren und das Einzeltraining übertreiben. Das war sicher eine kritische Phase. Doch wir haben unsere Linie gehalten und mit Fakten belegt - auch mit statistischem Material -, dass wir das Tempo erhöhen müssen, sowohl das Lauftempo wie auch das Passtempo und das Umsetzen von Abwehr auf Angriff. Die meisten Neuerungen wurden vom Verband mitgetragen. Aber Veränderungen sorgen immer für Unruhe und Reibung - das ist doch ganz normal.

Frage: Sie haben viel erreicht im sportlichen wie administrativen Bereich. Wie ist heute die Zusammenarbeit mit Matthias Sammer und dem früheren Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters, nachdem sich beide ursprünglich für den Posten des DFB-Sportdirektors beworben hatten?

Oliver Bierhoff: Die Position ist inzwischen mit Matthias Sammer sehr gut besetzt. Bernhard Peters wurde bekanntlich Mitglied im Sportkompetenz-Gremium des DFB. Der Kontakt ist also entsprechend eng. Wir schätzen ihn als Querdenker und jemanden, der uns auch mal auf die Finger klopft, wenn er der Meinung ist, dass wir anfangen, uns zurückzulehnen.

Frage: Seit Ihrem Amtsantritt ist es Ihnen nie langweilig geworden. Ob vor und während der WM 2006 oder auch jetzt vor der EM 2008 - es gab und gibt viele Themen, die Sie beschäftigen. Haben Sie einen stressigen Job?

Oliver Bierhoff: Ich hatte mir anfangs die Arbeitsaufteilung anders vorgestellt. Gerade als es auf die WM zuging und Jürgen oft in den USA war, wurde es für mich doch intensiv und stressig. Ohne Frage ist die Aufgabe als Manager der Nationalmannschaft mit Druck und auch nervlicher Belastung verbunden, wobei die Arbeit gottlob auch immer wieder Pausen zulässt. Mir bringt die Position auf alle Fälle viel Spaß. Ich habe in den drei Jahren dazugelernt - sicher von Jürgen sowie auch von den anderen Trainern rund um die Nationalmannschaft. Für mich ist es immer noch der beste Job der Welt.

Frage: Hin und wieder gab es auch emotionale geführte Diskussionen mit dem FC Bayern - eine neue Erfahrung für Sie?

Oliver Bierhoff: Ich habe mich bei solchen öffentlichen Disputen immer wieder zurückgenommen und versucht, ruhig zu reflektieren, worum es in der Sache selbst ging. Wichtig ist es, sich korrekt zu verhalten und respektvoll miteinander umzugehen. Das manche mich in ein falsches Licht gestellt haben, hat mich nie in meinem Standpunkt verunsichert.

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Frage: Sie waren Kapitän der DFB-Auswahl und Europameister 1996, sind ein diplomierter Betriebswirt und versiert im Umgang mit Medien, Werbepartnern und der Wirtschaft. Welche Eigenschaften haben Sie als Manager der Nationalmannschaft kultivieren müssen, wo haben Sie in den vergangenen drei Jahren dazu gelernt?

Oliver Bierhoff: Neu war es für mich, ein Team zu führen. Plötzlich hatte ich einen kompletten Betreuerstab zu führen - und in gewisser Weise auch die Spieler und das Trainerteam der Nationalmannschaft. Jung und dynamisch sind wir in der sportlichen Leitung einige sportpolitische Fragen ungeschickt angegangen. Es gab Situationen, die hätte ein alter Hase der Branche sicher eleganter gelöst. Es reicht eben nicht alleine, von der Sache überzeugt zu sein. Man muss anstehende Entscheidungen in Gesprächen vorbereiten. Ich habe sicher auch gelernt, in entscheidenden Momenten ganz klar Stellung zu beziehen.

Frage: Wie beurteilen Sie die sportliche Entwicklung der Nationalmannschaft unter Joachim Löw?

Oliver Bierhoff: Die Ergebnisse sprechen für sich. Wir sind eben nicht in das angekündigte Loch gefallen. Stattdessen haben die Spieler bewiesen, dass sie weiter ehrgeizig sind und mit großem Engagement und Leidenschaft arbeiten wollen. Joachim Löw ist der absolut richtige Mann als Bundestrainer. Er hat die begonnene Entwicklung fortgesetzt und dafür gesorgt, dass alle am gleichen Strang ziehen. Auch auswärts sind wir mittlerweile eine starke Mannschaft geworden, ich erinnere nur an die Spiele in Tschechien und der Slowakei.

Frage: Bei der letzten Partie im Wembley-Stadion vor dem Neubau haben Sie selbst gespielt und durften das historische 1:0 feiern. Am 22. August sind Sie als Manager dabei, wenn es in der neuen Arena erneut zum Prestigeduell kommt. Was erwarten Sie vom Testspiel gegen die Engländer?

Oliver Bierhoff: Ich freue mich darauf, in diesem neuen und wunderschönen Stadion den Klassiker zu erleben. Alleine der Moment, wenn die Leute in der ausverkauften Arena die englische Hymne singen, ist beeindruckend. Und es geht immer ums Prestige, wenn England auf Deutschland trifft.

Frage: Einige Nationalspieler wie Torsten Frings, Michael Ballack oder Lukas Podolski sind momentan angeschlagen, verletzt oder noch nicht fit. Machen Sie sich Sorgen im Endspurt um die EM-Qualifikation?

Oliver Bierhoff: Ich mache mir keine Sorgen. Wir haben es in den vergangenen drei Jahren immer wieder geschafft, neue Spieler heranzuführen. Der Stamm ist vorhanden, dabei wachsen immer wieder Talente nach wie etwa Mario Gomez, für mich der Shootingstar der vergangenen Saison. Natürlich ist es ärgerlich, wenn etwa Podolski und Frings fehlen, aber wichtiger wird es für uns sein, dass wir alle Mann an Bord haben, wenn es unmittelbar auf das Turnier zugeht.

Frage: Sind für Tabellenführer Deutschland sechs Punkte Vorsprung in der Qualifikationsgruppe D auf den Tabellendritten Irland ein ausreichendes Polster?

Oliver Bierhoff: Wir haben die tolle Möglichkeit, schon in den nächsten Spielen die Qualifikation für die EURO 2008 zu packen. Dann könnten wir gegen Ende etwas entspannter in die Länderspiele gehen. Die Nationalspieler und die Trainer wollen so früh wie möglich die EM-Qualifikation schaffen, und das werden wir in den nächsten Spielen auch zeigen.

Frage: Nach dem EM-Qualifikationsspiel am 8. September in Cardiff gegen Wales steht das nächste Heimländerspiel vier Tage später in Köln gegen Rumänien an. Manche Fans fürchten, dass Bundestrainer Löw wie im März gegen Dänemark in Duisburg viele jüngere Spieler einsetzen wird – zu Recht?

Oliver Bierhoff: Wir werden künftig nicht mehr mit einer Aufstellung wie damals antreten. Da kann ich die Fans beruhigen.

Frage: Wichtige Nationalspieler wie Kapitän Michael Ballack bei Chelsea, Jens Lehmann bei Arsenal oder Christoph Metzelder bei Real Madrid spielen für ausländische Spitzenklubs, die zahlreiche Topstars des internationalen Fußballs beschäftigen. Sehen Sie die Gefahr, dass ihre DFB-Leistungsträger im Verein zu wenig Spielpraxis erhalten?

Oliver Bierhoff: Wir glauben an sie. Sicher, Chelsea stellt diese Saison sein System um, und fraglos ist die Konkurrenz sehr groß - ich weiß nicht, ob es damit für Michael vielleicht nicht etwas schwieriger wird. Er hat sich vergangene Saison aber positiv weiter entwickelt, und jetzt hat er in London etwas mehr Ruhe als noch im vergangenen Sommer. Ich freue mich generell, dass deutsche Spieler im Ausland wieder gefragt sind, auch diese Entwicklung haben wir angestoßen. Lehmann bei Arsenal, Ballack in Chelsea, Odonkor in Sevilla, jetzt Hildebrand in Valencia und Metzelder bei so einem Verein wie Real Madrid - das ist schon klasse. Für Christoph kommt jetzt eine große Prüfung. Er muss beweisen, dass er nicht nur in der Nationalmannschaft kontinuierlich gut spielen kann, sondern auch im Verein. Ich denke, "Metze" wird sich letztendlich durchsetzen.

Frage: Auch in der Bundesliga haben einige jüngere Nationalspieler namhafte Konkurrenz bekommen, beispielsweise die Münchner Lukas Podolski, Bastian Schweinsteiger oder Jan Schlaudraff mit den Stars Luca Toni und Franck Ribéry. Ist die Situation förderlich für ihre Leistung, oder kann die Entwicklung dadurch gebremst werden, was wiederum der deutschen Nationalmannschaft schaden könnte?

Oliver Bierhoff: Mir ist es immer lieber, wenn unsere Spieler gefordert sind. Das ist allemal besser, als wenn sie bequem ihren Platz verteidigen können und sie sozusagen in einer "Komfortzone" leben. Ich glaube, alle drei haben das Potenzial, um beim FC Bayern riesige Spiele zu machen. Ich beobachte auch, mit welchem Einsatz Bastian Schweinsteiger die Saisonvorbereitung bestritten hat. Auch Lukas und Jan werden wieder angreifen, wenn sie ihre Verletzungen ausgestanden haben. Die Bayern haben einen prallgefüllten Terminkalender. Jeder wird seine Chance bekommen.

Frage: Am Wochenende startet die Bundesliga in die neue Saison. Auf welche Spieler freuen Sie sich besonders? Und wer wird die Überraschungsmannschaft 2007/2008?

Oliver Bierhoff: Ich freue mich ganz besonders auf Franck Ribéry. In der Liga vorn sehe ich wieder die üblichen Verdächtigen mit Bayern, Bremen, Schalke und Stuttgart. Vielleicht ist ja der Hamburger SV nach den Enttäuschungen der vergangenen Saison wieder auf einem guten Weg.

Frage: Wie konkurrenzfähig sind die Bundesligaklubs im Europapokal?

Oliver Bierhoff: In der Champions League bleibt es schwierig, weil die anderen Topklubs weiter aufrüsten. Englische, italienische und spanische Teams haben einfach andere finanzielle Möglichkeiten und damit auch einen anderen Kader. Mit Erreichen des Viertelfinales sollte man bei den deutschen Mannschaften zufrieden sein. Im UEFA-Pokal sieht es etwas anders aus, da ist Bayern München klarer Favorit.

Frage: Und im Vergleich dazu die Nationalmannschaft: Was darf man dem Weltranglisten-Fünften bei der EURO 2008, Qualifikation vorausgesetzt, zutrauen?

Oliver Bierhoff: Das Niveau wird sehr hoch sein. Das zeigt allein die Tatsache, dass alle vier WM-Halbfinalisten aus Europa kommen. Aber wir sollten uns das gleiche Ziel setzen wie bei der WM: den Titel. Die Jungs sind heiß, und ich trauen ihnen alles zu.

Frage: Geht es in der Vorbereitung wieder in den Süden? Und wo wird das EM-Quartier der DFB-Auswahl sein?

Oliver Bierhoff: Wir werden die Vorbereitung in Südeuropa absolvieren, und einen festen Standort während der EURO haben wir auch schon im Visier. Aber mehr werden wir erst nach erfolgreicher EM-Qualifikation verraten.