Kult-Dribbler "Stan" Libuda wäre heute 75 Jahre alt geworden

An diesem Mittwoch wäre Reinhard alias "Stan" Libuda, einer der populärsten Fußballer aus dem Ruhrgebiet, 75 Jahre alt geworden. DFB.de erinnert an den Mann, der sowohl bei Schalke 04 als auch bei Borussia Dortmund Kult war, was eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Nach seinem ersten Bundesliga-Spiel war er gleich Tabellenführer, nach dem fünften schon Nationalspieler. Mit 19 Jahren debütierte er im DFB-Dress, das er bis 1971 26-mal trug, an der Seite von Wolfgang Overath beim 3:0 gegen die Türkei. Die Fachpresse schrieb: "Reinhard Libuda feierte einen glänzenden Einstand. Ohne Nervenfieber legte er mit Zick-Zack-Dribbling gleich so beherzt los, als wenn er im Schalker Dreß stecken würde." (Sport Magazin). Die WAZ titulierte ihn schon als den "Garrincha vom Schalker Markt". "Macht mir den Jungen nicht verrückt", mahnte Trainer Georg Gawliczek vergeblich, wenn ihm sogar die Klub-Legenden Ernst Kuzorra und Fritz Szepan eine große Karriere voraussagten.

Bezeichnende Geschichte über den Dribbel-Künstler

Reinhard Libuda, den niemand Reinhard nannte, kam über die Bundesliga wie ein Wirbelsturm. Denn Wirbel machen, das konnte er am besten. Mit dem Ball am rechten Fuß schlug er seine unnachahmlichen Haken, die jeden Gegenspieler zur Verzweiflung brachten - jedenfalls wenn er einen guten Tag hatte. Leider hatte er davon ein paar zu wenig und so geht Libuda, den alle Welt "Stan" rief, als ein Unvollendeter in die Fußball-Geschichte ein. Aber auch als Unvergessener, nicht nur am Schalker Markt.

Es gibt diese eine bezeichnende Geschichte, die jeder kennt: Dass eines Tages auf einem Werbeplakat des Predigers Werner Heukelbach unter der Überschrift "An Jesus kommt keiner vorbei" der handschriftliche Zusatz eines Fans stand: "Außer Libuda." Überliefert ist zwar, dass statt Jesus Gott auf dem Plakat gestanden habe, vielleicht weil es den Stan noch größer machen sollte, aber so ist das mit Legenden: Sie halten nicht jeder genauen Prüfung Stand, aber sie sind nur schwer zu erschüttern.

Legendäres Tor für den BVB

"Stan" riefen sie ihn nach dem großen Stanley Matthews, der noch mit 50 Jahren für Stoke City in der ersten Liga spielte und den Trick, den Libuda liebte und kopierte, uraufgeführt hatte. "Jede Putzfrau im Stadion hat gewusst, dass er nach außen antäuscht und dann nach innen geht oder umgekehrt, aber man konnte nichts dagegen machen" erinnerte sich noch 2014 Helmut Kremers, sein Weggefährte in Libudas zweiter und dritter Schalker Phase.

Das allein sagt viel aus über diesen Mann: drei Mal Schalke. Wäre es nach ihm gegangen, hätte es die Pausen nie geben müssen. Aber als die Schalker 1965 sportlich abstiegen, da nahm er das Angebot von Rivale Borussia Dortmund an. Zwar war es damals schon Hochverrat, aber "Stan" war es wichtiger, dass er nicht umziehen musste. So blieb seine Adresse die Wittekindstraße 19 in Gelsenkirchen-Bismarck. Keine feine Adresse, aber für ihn die richtige. Dann wurde Schalke im Rahmen einer Amnestie noch vor Saisonstart begnadigt und Libuda soll vor Wut das BVB-Trikot zerrissen haben. Eine der Legenden, die existieren und die niemand mehr zu entzaubern wagt. Für Schalke-Fans stimmt sie.

Trotzdem schaffte er es als einer der ganz wenigen "Überläufer" auch beim BVB zur Kultfigur zu werden. Dafür genügte ein einziger Moment in seinen drei Dortmunder Jahren: Der Hampden-Park in Glasgow, 5. Mai 1966. Das Finale um den Europacup der Pokalsieger war schon in der Verlängerung, als Libuda ein Abpraller vor die Füße fiel. Das Tor des FC Liverpool war leer, der Weg war weit, also schoss er aus über 30 Metern und schwierigem Winkel. Im hohen Bogen flog der Ball an den Pfosten, dann LFC-Verteidiger Chris Lawler gegen das Knie und so ins Netz.

"Spiel seines Lebens" bei der WM in Mexiko

"Es ist unglaublich, es ist unglaublich", jauchzte ARD-Kommentator Ernst Huberty nach dem Tor, das den ersten Europapokalsieg einer deutschen Mannschaft überhaupt bedeutete. Auch sein zweitberühmtestes Tor schoss er nicht für Schalke. Am 22. Oktober 1969 behielt Libuda im Hamburger Nebel den Durchblick und erzielte das entscheidende 3:2 für Deutschland gegen die Schotten, das auch ihn selbst zur WM nach Mexiko brachte.

Dort bestritt er sein bestes Länderspiel beim 5:2 gegen die Bulgaren. Es blieb sein einziges Turnier und das mag er nicht mal bedauert haben, denn schon aus Mexiko wollte er vor lauter Heimweh abreisen. Helmut Kremers verwundert das nicht: "Der Stan konnte eigentlich nur im Ruhrgebiet gut Fußball spielen. Zuhause hat er sich wohlgefühlt, aber wenn es in Auswärtsspielen Beleidigungen von den Rängen gab, dann konnte er das einfach nicht vertragen. Er war so sensibel."



An diesem Mittwoch wäre Reinhard alias "Stan" Libuda, einer der populärsten Fußballer aus dem Ruhrgebiet, 75 Jahre alt geworden. DFB.de erinnert an den Mann, der sowohl bei Schalke 04 als auch bei Borussia Dortmund Kult war, was eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Nach seinem ersten Bundesliga-Spiel war er gleich Tabellenführer, nach dem fünften schon Nationalspieler. Mit 19 Jahren debütierte er im DFB-Dress, das er bis 1971 26-mal trug, an der Seite von Wolfgang Overath beim 3:0 gegen die Türkei. Die Fachpresse schrieb: "Reinhard Libuda feierte einen glänzenden Einstand. Ohne Nervenfieber legte er mit Zick-Zack-Dribbling gleich so beherzt los, als wenn er im Schalker Dreß stecken würde." (Sport Magazin). Die WAZ titulierte ihn schon als den "Garrincha vom Schalker Markt". "Macht mir den Jungen nicht verrückt", mahnte Trainer Georg Gawliczek vergeblich, wenn ihm sogar die Klub-Legenden Ernst Kuzorra und Fritz Szepan eine große Karriere voraussagten.

Bezeichnende Geschichte über den Dribbel-Künstler

Reinhard Libuda, den niemand Reinhard nannte, kam über die Bundesliga wie ein Wirbelsturm. Denn Wirbel machen, das konnte er am besten. Mit dem Ball am rechten Fuß schlug er seine unnachahmlichen Haken, die jeden Gegenspieler zur Verzweiflung brachten - jedenfalls wenn er einen guten Tag hatte. Leider hatte er davon ein paar zu wenig und so geht Libuda, den alle Welt "Stan" rief, als ein Unvollendeter in die Fußball-Geschichte ein. Aber auch als Unvergessener, nicht nur am Schalker Markt.

Es gibt diese eine bezeichnende Geschichte, die jeder kennt: Dass eines Tages auf einem Werbeplakat des Predigers Werner Heukelbach unter der Überschrift "An Jesus kommt keiner vorbei" der handschriftliche Zusatz eines Fans stand: "Außer Libuda." Überliefert ist zwar, dass statt Jesus Gott auf dem Plakat gestanden habe, vielleicht weil es den Stan noch größer machen sollte, aber so ist das mit Legenden: Sie halten nicht jeder genauen Prüfung Stand, aber sie sind nur schwer zu erschüttern.

Legendäres Tor für den BVB

"Stan" riefen sie ihn nach dem großen Stanley Matthews, der noch mit 50 Jahren für Stoke City in der ersten Liga spielte und den Trick, den Libuda liebte und kopierte, uraufgeführt hatte. "Jede Putzfrau im Stadion hat gewusst, dass er nach außen antäuscht und dann nach innen geht oder umgekehrt, aber man konnte nichts dagegen machen" erinnerte sich noch 2014 Helmut Kremers, sein Weggefährte in Libudas zweiter und dritter Schalker Phase.

Das allein sagt viel aus über diesen Mann: drei Mal Schalke. Wäre es nach ihm gegangen, hätte es die Pausen nie geben müssen. Aber als die Schalker 1965 sportlich abstiegen, da nahm er das Angebot von Rivale Borussia Dortmund an. Zwar war es damals schon Hochverrat, aber "Stan" war es wichtiger, dass er nicht umziehen musste. So blieb seine Adresse die Wittekindstraße 19 in Gelsenkirchen-Bismarck. Keine feine Adresse, aber für ihn die richtige. Dann wurde Schalke im Rahmen einer Amnestie noch vor Saisonstart begnadigt und Libuda soll vor Wut das BVB-Trikot zerrissen haben. Eine der Legenden, die existieren und die niemand mehr zu entzaubern wagt. Für Schalke-Fans stimmt sie.

Trotzdem schaffte er es als einer der ganz wenigen "Überläufer" auch beim BVB zur Kultfigur zu werden. Dafür genügte ein einziger Moment in seinen drei Dortmunder Jahren: Der Hampden-Park in Glasgow, 5. Mai 1966. Das Finale um den Europacup der Pokalsieger war schon in der Verlängerung, als Libuda ein Abpraller vor die Füße fiel. Das Tor des FC Liverpool war leer, der Weg war weit, also schoss er aus über 30 Metern und schwierigem Winkel. Im hohen Bogen flog der Ball an den Pfosten, dann LFC-Verteidiger Chris Lawler gegen das Knie und so ins Netz.

"Spiel seines Lebens" bei der WM in Mexiko

"Es ist unglaublich, es ist unglaublich", jauchzte ARD-Kommentator Ernst Huberty nach dem Tor, das den ersten Europapokalsieg einer deutschen Mannschaft überhaupt bedeutete. Auch sein zweitberühmtestes Tor schoss er nicht für Schalke. Am 22. Oktober 1969 behielt Libuda im Hamburger Nebel den Durchblick und erzielte das entscheidende 3:2 für Deutschland gegen die Schotten, das auch ihn selbst zur WM nach Mexiko brachte.

Dort bestritt er sein bestes Länderspiel beim 5:2 gegen die Bulgaren. Es blieb sein einziges Turnier und das mag er nicht mal bedauert haben, denn schon aus Mexiko wollte er vor lauter Heimweh abreisen. Helmut Kremers verwundert das nicht: "Der Stan konnte eigentlich nur im Ruhrgebiet gut Fußball spielen. Zuhause hat er sich wohlgefühlt, aber wenn es in Auswärtsspielen Beleidigungen von den Rängen gab, dann konnte er das einfach nicht vertragen. Er war so sensibel."

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Der Fehler seines Lebens

In der Glückauf-Kampfbahn hingegen riefen sie das langgezogene "Li-bu-da, Li-bu-da", als wäre es die Zauberformel zum Sieg. Als er nach seinem letzten Spiel vor dem zweiten Wechsel, am 1. Juli 1972, den DFB-Pokal in Händen hielt, erschollen sie wieder, die "Li-bu-da"-Rufe. Wenn jemals ein Schalker ein Publikumsliebling war, dann er. Aber er ging wieder, für 500.000 D-Mark, zu Racing Straßburg. "Ich muss ehrlich sagen, ich bin ein bisschen traurig. Aber der Vorstand hat so entschieden.", sagte er in die Mikrofone, "so viel wie ich in Straßburg bekomme, wollte Schalke mir nicht bezahlen. Da musste ich leider wechseln. Heimweh nach Schalke werde ich immer haben."

In der Tat. Der Vertrag lief zwei Jahre, aber schon nach einem stand er wieder bei Schalke auf dem Trainingsplatz. Nur um sich fitzuhalten zunächst, denn der DFB hatte ihn lebenslang gesperrt – für den Fehler seines Lebens. Schalke hatte bekanntlich 1971 ein Spiel im Abstiegskampf manipuliert, für 2300 DM pro Kopf, und Libuda war der Kapitän gewesen. Im Herbst 1972 kam alles heraus; Bielefelds Spieler Stockhausen gab vor dem Sportgericht zu Protokoll, Libuda habe ihm sozusagen einen Passierschein für den Schalker Strafraum gegeben: "Du kannst ruhig gehen, dir passiert nichts!"

Libuda dementierte und ging in Berufung, wie alle in den Skandal verwickelten Schalker ließ er sich Zeit mit der vollen Wahrheit. In Straßburg war er nur neun Monate geblieben, ein Wadenbeinbruch und die Sperre verleideten ihn das Leben im Elsaß. "Es war seine schlechteste Entscheidung, ins Ausland zu gehen", sagt Kremers heute noch. Aber seine Schalker holten ihn zurück, für 410.000 D-Mark wurde Racing besänftigt, das Schadensansprüche an den DFB hatte stellen wollen.

Libuda lockt 46.500 Zuschauer ins Park-Stadion

Im Gegenzug wurde seine Sperre aufgehoben, am 5. Januar 1974 war Libuda wieder spielberechtigt. Fit war er nicht, aber Trainer Ivica Horvat ordnete sich unter, als er ihn gegen den HSV aufstellte: "Wenn Libuda spielt, kommen 10.000 mehr. Ich muss auch an die finanziellen Dinge des Vereins denken." Tatsächlich strömten 46.500 Menschen an einem Januar-Tag ins neue Park-Stadion, aber jeder merkte schnell: Libuda war nicht mehr der Alte und wurde es nie mehr. Seine Karriere klang ruhmlos aus.

Bis September 1974 kam er auf 15 torlose Einsätze. Er konnte schlicht nicht mehr mithalten. Als 1975 dann Trainer Max Merkel kam und einen Fitness-Test mit Hindernissen auf der Laufbahn ansetzte, versteckte sich Libuda im Wassergraben und schloss sich der Gruppe erst in der letzten Runde an. Auch daran erinnerte sich Helmut Kremers noch. Und daran: "Der Stan war ein wunderbarer Mensch."

Arbeit in einer Druckerei

Nach der Karriere war er ein hilfloser Mensch. Er machte Schulden, die Ehe ging schlagzeilenträchtig kaputt und auch den Tabak-Laden, den er von Ernst Kuzorra übernahm, vermochte er nicht lange zu führen. Er musste verkauft werden. Eines Tages erschien in der Zeitung ein Bild, das ihn auf dem Weg zum Arbeitsamt zeigte. Und er fand noch einmal Arbeit, in einer Druckerei – auf Vermittlung seines früheren Mitspielers Rolf Rüssmann.

Als Reporter davon erfuhren und vorbeikamen, wischte er gerade einen Ölfleck vom Boden auf. Fertig war das Bild vom tiefen Sturz des Nationalspielers. Es kam noch schlimmer: Libuda erkrankte 1992 an Kehlkopf-Krebs und verbrachte seine letzten Jahre im Haus seiner Mutter. Am 25. August 1996 verstarb er an den Folgen eines Schlaganfalls und der Pfarrer sagte auf der Trauerfeier: "Und an Gott kommt doch keiner vorbei."

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